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Nummer 265
nztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
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Fernruf 179.
^ilcjbscj, Zumstug» äen 13. November 1920.
Fernruf 178.
54. Isbrgsns
Er ttedauk.
An Gottes Segen ist alles gelegen. Ter Landmann rühret seine tätige Hand, Pflüget den Acker und streut Körner in seine Furchen, aber von Gott kommt das Gedeihen. Viele kalte Nächte und heiße Sommertage liegen zwischen dem Säen und dem Ernten. Menschenhand kann die Regenwolken nicht herbeiführen, noch den Hagel ab- wehren. Ter Herr behütet das Körnlein im Schoß der Erde, behütet die grünende Saat und die reifende Ernte. Fürchtet euch nicht! Er war mit uns. Au Gottes Segen ist alles gelegen. Claus Harms.
Wochenrundschau.
Am 9. November führte sich zum zweiten Mal der Tag, an dem in Deutschland die Monarchie g eist ü r z t und die Republik errichtet wurde. Allmählich beginnt die Lage sich zu klären und die Zeitbilder treten in schärferen Umrissen vor unser Auge. Naturgemäß stehen Bürgertum und der größte Teil der Arbeiterschaft dem o9. November mit grundverschiedenen Empfindungen gegenüber. Tas kam in den Betrachtungen der Blätter zum Revolutionstag zum Ausdruck. Tie sozialistische Presse begrüßte den Tag als den Anbruch der sozialen Morgenröte. Und es ist nicht zu bestreiten, daß die Arbeiterschaft ein Recht hat, in ihm in gewissem Sinne einen Tag der Befreiung zu sehen. Freilich war selbst in den Artikeln dieser Richtung, wenigstens bei der Mehrheitssozialdemokratie, wie ein Untertan der Zweifel spürbar, ob die Befreiung nicht mit einem zu hohen Preis bezahlt sei. Tie bürgerlichen Zeitungen stellten dagegen Vergleiche an zwischen einst und jetzt und warfen die Frage auf, was die Arbeiterschaft gewonnen habe, wenn sie den Dienst für das einheimische Kapital mit der Fron für das feindliche Kapital und den feindlichen Militarismus vertauschte. Zu Revolutionsfeier u war auch in Arbeiterkrcisen nirgends rechte Stimmung vorhanden und mit Ausnahme von Sachsen war in keinem deutschen Staat offiziell der 9. November zum Feiertag gemacht worden. Berlin machte natürlich wieder eine Ausnahme und dort wurde ein Streik der städtischen Arbeiter gegen die sozialistische Stadtvev- waltung ins Werk gesetzt, der einen großen Teil der Stadt in Finsternis legte, zum Teil sogar sie der Wasserziv- suhr beraubte. Im übrigen ist aber auch in der Reichs-» Hauptstadt die Arbeit wegen des Nevolutionstags nur vereinzelt unterbrochen worden.
Wo sollte auch eine richtige Feststimmung Herkommen, in der Zeit, die von Tag zu Tag ernster wird? Im Reichstag wurde durch die Interpellationen der Abgeordneten Trimborn und Korell, beide aus dem besetzten Gebiet, aufgezeigt, in welch unerhörter Weise unsere westlichen Gebiete vergewaltigt werden und in welche geistige und sittliche Bedrängnis sie gebracht find. Kräftige Worte wurden gesprochen, denen man nur wünschen kann, daß sie in der ganzen Welt gehört werden und daß sie das aßgestumpfte Weltgewissen wieder schärfen. Ist es doch der blutigste Hohn aus den Vertrag von Versailles und das Selbstbestimmnngsrecht der Völker, was die Belgier in den fast rein deutschen Gebieten von Eupen und Malme du getrieben haben. Tort war von der gerühmten Volksabstimmung gar keine Rede; wer gegen die belgische Besitzergreisung war, mußte seinen Namen in eine sogenannte Protestliste einzeichnen. Wer dies aber tat, dem würden die Lebensmittelkarten entzogen und er wurde auf jede Weise gequält oder des Landes verwiesen. So kam es, daß von der fast 70 000 Seelen zählenden gut rcichstreneu Bevölkerung nur einige Hundert den Mut der Verzweiflung fanden, ihre Namen doch auf die Liste zu setzen, wohl wissend, was ihrer warte. Und der sogenannte Völkerb und hatte auf alle Proteste der Ncichsregieruug nur ein l tes Achselzucken. Tie Bevölkerung habe ja Gelegenheir gehabt, meinte er, sich zu entscheiden. Ta die Entscheidung nun für Belgien ausgefallen sei. lasse sich nichts ändern; das Land falle eben „wieder" von Rechtswegen an Belgien. Wieder! Niemals hat das Land zu Belgien gehört! Belgien ist überhaupt nur ein Kunstcrzeugnis der listigen englischen Politik und erst im Jghr 1839.
durch-diD gegen'Holland gesponnenen Ränke entstanden. Wo blieb der „aufrichtige Freund" von Spa, Lloyd George, wo der Italiener Giolitti, der angeblich die Freundschaftsbande zu Deutschland wieder knüpfen will? Sie haben den schmählichen Bruch des Frie- densvertrag geduldet und sind mitschuldig. Tenn der Raub von Eupen und Malmedy war eine längst abgekartete Sache, die Vorbedingung für den französische belgischen G e hei m v e r tr a g. Dieses Militärbündnis, dessen Inhalt immer noch, trotz der Bestimmungen der Völkerbundssatznngcn, geheim gehalten wird, ist mit Nichten ein Bündnis zur Abwehr, sondern zum Angriff gegen Deutschland und Frankreich brauchte das von dem ihm nun - ganz ausgelieferten Belgien in Besitz genommene Gebiet, um ein bequemes Aufmarschgelände und die wichtigen Eisenbahnen zu haben, die ihm das Einfallstor in die Rheinprovinz öffnen. Ist das Rheinland in Feindeshand, dann ist die Widerstandskraft Deutschlands, namentlich wenn ihm auch das Grubeugebiet von Oberschlesien fehlt, in kurzer Zeit gebrochen. Um die Franzosen, die bekanntlich schon vor der Kriegserklärung 1914 an der belgischen Grenze starke Truppenmassen zum Einsall ins rheinisch-westmlische Industriegebiet angesammelt hatten — im Einverständnis Belgiens! —, fernzuhalten, mußte damals die deutsche Heeresleitung den Einfall iu Belgien unternehmen; mären die Franzosen, »nie beabsichtigt, mvorgekommeu, so märe der Krieg vor Ablauf eines Vierteljahrs für uns verloren und der Kriegsschauplatz wäre Deutschland gewesen, nicht Belgien und Frankreich. Darum hat jetzt der Völkerbund dem Vertragsbruch zugestimmt; er geht ja auf Kosten Deutschlands und da ist alles recht, wenn es nur nicht so weit geht, daß Deutschland von England oder Italien nichts mehr kaufen kann. Tas bißchen Eupen und Malmedy macht da aber nicht viel aus, es vermindert nur die Verteidigungskraft Deutschlands -cnd das ist ja gerade der Zweck des ganzen Verbands.
Auch die Franzosen bekamen in jener Reichstags- sijmng ihr Teil zu hören und ebenso der Völkerbund. Wird sie zwar nicht groß genieren, aber es ist nun doch einmal von einer Stelle aus gesprochen, die man nicht totschweigen kann und die wirksamer ist, als die „papierenen Proteste" der Reichsregierung. So ein klein wenig werden sich die Größen des Völkerbunds über die wuchtigen Anklagen doch Wohl „unter vier Augen" unterhalten bei der ersten Generalversammlung des' Völkerbunds, die am 15. November in Genf eröffnet wird, nachdem er sich vor einigen Tagen in seinem dortigen Palast häuslich eingerichtet hat. Es ist schon die Rede davon gewesen, daß Teutschlandin Gnaden in den Bund ausgenommen werden soll. Oesterreich hat tatsächlich den Rat um seine Aufnahme gebeten. Mag sein, daß das Sechsmillionen-Oesterreich sich damit etwas besser stellte, das Sechzigmillionen-Tentschland würde aber im Völkerbund sicher nicht gut fahren. Bis jetzt haben wir wenigstens noch den Schein der Freiheit; in diesem Völkerbund würden wir auch noch den Schein verlieren und ganz der Willkür der „Sieger" ausgekiefert sein. Eupen und Malmedy und die schwarze Schmach sind brennende Warnungszeichen. Wir wollen doch lieber erst abwarlcn, wie Amerika sich zu dem Völkerbund stellen und ob es unter seinem Einfluß einen anderen, wirklichen Bund der Staaten geben wird, dem wir als ebenbürtiges Mitglied ohne Bedenken beitreten könnten. Bis jetzt kann noch kein Mensch sagen, wie sich der nengewählte Präsident Harding zum Völkerbund stellt; er läßt vorerst bei den größere'' s und ganz großen Amerikanern Umfrage halten, was sie dazu meinen. Schließlich wird es, wie gewöhnlich, i darauf ankommen, was die Neuvorker Großsinanz meint. > Vorläufig hat Harding mit dem Wahl schlagwort „Gegen f den Wilsonschen Völkerbund!" die Schlacht gewonnen, und ! das genügt. Tas Weitere ist Sache der zünftigen und j der Börsendiplomatie und die ist schon ganz feste bei ^ der Geheimarbeit. ,
Deutschlands Ausnahme in den Völkerbund ist nach s der wiederholten Erk.ürung Lloyd Georges abhän- i gig von der Gewährleistung, daß es den Friedensver- i trag erfülle. Und da hat nun der englische Minister- i Präsident in der üblichen poilichen Rede beim Lord- H mayor-Bankett in der Lonvoner Guild-Ha'.l d. h. , beim Festessen zu Ehren des neugcwäh en Oücrbürger- ! Meisters im Rathaus seine große Befriedigung ausgesprochen, daß Tenßchlano bis je.t seine Vertrags- '
nach
aus
Verpflichtungen eingelöst und d n guten Willen vor allem in der prompten Durchführung der Selbstent- waffnung gezeigt habe. Zwar seien noch g nug Gewehre, Handgraneten usw. versteckt, aber das sei neb n- sächlich, gewissermaßen eine innere Angelegenheit der Deutschen, denn mit diesen Kicimvafsen werden sie sich nur gegenseitig selbst umbring.n. Aber zu einem „Angriff" sei Deutschland nicht mehr fäh g, vor allem sei jetzt seine Flotte fertig, — und das ist die Hauptsache. Nach tker Ansicht Lloyd Georges wäre also Deutschland jetzt so ziemlich reif für den Völkerbund.
Ganz anders meinen die Franzosen. Zwischen dem Marschall Foch, dessen krankhaßen Säbclrappel ein englisches Blatt treffend eine „Gefahr für Europa" genannt hat, und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Clemenceau ist ein ganz artiger Streit ansgebrochen, der in den Pariser Blättern ausgesuchten wird. Ter Abgeordnete Tardieu, nächst Poincare einer der grimmigsten Hasser Deutschlands, spielt d abei die Rolle des Anwalts für Clemenceau. Ans dieser Zeitungsfehde erfährt man nun allerhano erbauliche Geschichten. Foch, der „nachträg iche Sieger", 'o l.e seiner schweren Niederlage am Chenin des Tames Verlangen des französischen Parlaments wegen Unfähigkeit abgesetzt werden. Clemenceau hat ihn gehalten. > Auch Wilson und Lloyd George verlangten seine Absetzung, weil er sich immer in Tinge mischte, die ihn nichts angehm. Clemenceau hielt ihn wieder. Nun wirft dieser Foch dem Herry Ciemenceau das schwere Versäumnis vor, daß er im Friedensvertrag nicht den Rhein zur endgültigen Grenze festgesetzt habe. Ohne diese Grenze sei man vor Deutschland nie sicher. Ter große Foch, ein gewaltiger Säbel- raßler und im Grund doch furchtsam und feig! Und so sucht er denn durch allerlei Mittel Clemenceaus Unterlassungssünde mit Hilfe Millerands wieder gut zu machen. Deshalb kommt in jedes neue Abkommen die „Strafbestimmung" der Besesuug weiterer Gebiete und er scheint es, wie Tardieu verriet, wirk ich auch schon durchgesetzt zu haben, daß das Rh.iug biet „länger als 15 Jahre" d. h. Wohl ewig „besetzt" bleiben soll. Um Mittel zum Zweck sind solche Leute natürlich nie verlegen. Mit den paar Hunderttausend Po-len, die leider in der kapitalistischen Glanzzeit nach und nach als billige Grubenarbeiter ins Rrhcgebict gezogen worden sind, soll eine regelrechte Verschwörung angezettelt sein, um durch einen revolutionäre^ Auf- stand den Franzosen einen Borwand zum Entrücken Kn geben, denn mit dein Aufstand wücde natürlich die vertragsmäßige Kohlenlieferung ins Stocken kommen. Ob diese Enthüllung der „München-Augsburger Abendztg." in allen Einzelheiten, die aus dem Verschwörerplan noch Untgeteilt werden, zutrifft, kann noch nicht festgestelll werden. Tie Reichsregierung hat eine Anfrage, ob ihr die Tatsachen bekannt seien, nicht bejaht und nicht verneint. Etwas wahres wird schon daran sein. Es paßt zur Art der Polen und der Franzosen, erklärt auch den fanatisch wilden Haß, der bei dem letzten Aufstand im Ruhrgcbiet gewütet hat. Der Deutsche kanr^ in der Erregung mal auch recht ungemütlich werden, aber der Fanatismus liegt nicht in seinem Blut.
Wir müssen auf der Hut sein. Es liegt etwas in der Luft. Tie Entscheidung über die Kriegsentschädigung steht bevor und Frankreich hat es wieder durchgesetzt, daß die Deutschen bei deren Festsetzung nicht Mitwirken dürfen. Alle die halbamtlichen Erklärungen aus London können den neuen Umfall Lloyd Georges nicht wegtänschen. Die Deutschen haben demnächst dem Sachverständigen des Verbands ihre Nachweise für die „Zahlungsfähigkeit" Deutschlands vorznlegen — du lieber Himmel! —; dann beraten die Finanzminister der Entente im Februar nächsten Jahres in Genf über den Bericht, den die Sachverständigen vorlegen: dann setzt der feindliche „Wiederherstellungsausschuß" die Höhe der Kriegsentschädigung fest und dann gibt der Oberste Rat seinen Segen dazu. Und das soll nach Lloyd George.kein Diktat sein! Tie Entschädigung wird uns vollends ruinieren und — was das Schlimmste ist — die feindliche Besetzung des Rheingebiets rechts und links auf lange Zeit hinausschieben. Tarein wird Lloyd George wohl einwilligen. Es wird alles brauchen, wenn er nicht auch noch der dauernden Rheingrenze zustimmt. Und es wäre dies wohl zu befürchten, wenn es nicht im eigensten Interesse Eng-