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für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Kummer 241

Fernruf 179.

Miläbuä, Zum5te>g, äen 16. Oktober 1920.

Fernruf 17>.

54. ^erbrgcmg

Was für ein frohes Fest istKirchweih" einst ge­wesen! Wie hat man sich als Kind darauf gefreut! Aeußcrlich ist es ja vielfach auch heute noch ähnlich wie vor dem Krieg. Und doch ist alles anders. Unsere christlichen Feste sind an Aeußeres nicht gebunden.' Die Formen wandeln sich, die Sache bleibt. Die inwendige Herrlichkeit leuchtet umso mehr durch, je dünner die Hüllen werden.

Kirchweih sagt uns, was wir an der Kirche haben. Nötiger denn je ist heute, daß das gesagt wird. Biele haben es ganz vergessen. Wenn ich vor dem ehrwür­digen Bauwerk unseres alten Gotteshauses stehe oder drinnen mit der Gemeinde Gott zu Ehren singe, muß ich oft an das Apostelwort von den lebendigen Stei­nen (1. Petri 2, 5) denken. Lebendig sind die Steine solch eines Gotteshauses. - Sie reden, sie erzählen. Man muß nur Ohren haben, zu hören. Sie erzählen von vergangener Geschlechter Freuden und Leiden, sie reden von den ewigen Trostguellen des Gottesworts, aus denen so viele an dieser Stätte getrunken, manche gewiß mich sich gejund getrunken haben.

Freilich, vielen ist heute die Kirche fremd geworden; sic kommen nicht mehr hinein. Sie suchen daheim »der in der Natur, was sie brauchen. Viele suchen überhaupt nichts. Es soll nicht so sein. Nicht fremdes Land soll unser Gotteshaus uns sein, sondern heiliges Land, eine Stätte der Anbetung und inneren Erhebung. Dazu ge­hört freilich, daß wir draußen lassen, was draußen bleiben muß: den Schmutz, den Allrag, den Staub. Ein leuchten des Leben soll unscr.^Lcben wer­den. Dazu wellen uns Sonntagsstunden im Gottes­haus Helsen. -

Daß doch Kirchweih manchen wieder daran erinnern möchte, was wir an der Kirche haben sollen, haben

kennen!

K. F.

Im Reichsrat wurden kräftige Worte über die Fi­nanzier irt sch a f t in Deutschland gesprochen. Ter Mi­nisterialdirektor Sachs sagte:Tie neue Fiuanzwirt- schast ist die größte Lebensgefahr für das staatliche und nationale Bestehen Deutschlands geworden". Er wies daraus hin, daß das Reich vor dem Krieg mitsamt sei­nem großen Heer und der Flotte mir jährlichen Ausgaben von nicht ganz 3Vs Milliarden. Mark ausgekommcn sei, und im Jahr 1920 betragen sie rund 80 Milliarden. Da­zu kommen noch die Aufwendungen für die feindlichen Blutsauger im besetzten Gebiet, wofür der Neichshalt- Plan 15 Milliarden Vorsicht. Frankreich will sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Kosten seines der­zeit rund 830 000 Mann betragenden Heeres zn einem wesentlichen Teil bis jetzt etwa 115 000 Mann, ohne die Meierlei Kommissionen aus Deutschland abznwäl- M. Tie Kosten der fremden Schmarotzer, die aufr reichlichste versorgt werden müssen, belasten also den Rcichshaushalt in unerträglicher Weise und es wird Auf­gabe des Auswärtigeil Amts sein, Erleichterungen zu erwirken, denn es ist unmöglich, die Jahresausgabe von 95 Milliarden zu tragen, umsomehr als davon höch­stens 42 Milliarden onrch Stenern nsw. gedeckt werden rönnen, sodaß 53 Milliarden ungedeckt bleiben, die sich mit dem Fehlbetrag der Eisenbahnen und der Reichspost auf rund 70 Milliarden erhöhen; um diese Summe wird also in dem einen Jahr,1920 die Schuldenlast des Reichs steigen und die Geldentwertung und Warenvertenernng entsprechend zunehmen.

Neichssinanzminister Wirth hat schon darauf hinge- kviesen, wo der Grundsatz der Sparsamkeit in der Reichs- und Staatsverwaltung in erster Linie zur Gel­tung zu bringen ist: in der Wiederabschaffung der in den zwei letzten Jahren wie Unkraut aus der Erde ge­schossenen neuen Be amten stellen. Geheimrat Sachs führte dafür in der Rmchsratssitzung nur ein Beispiel M, das, wie er sagte/für fast sämtliche VerwaltungZ- zweige kennzeichnend sei. Das Rei ch s mini sterium des Innern, dem heute drei weitere Abteilungen Wirtschafts-, Ernährungs- und Arbeitsministerium an­gegliedert sind, hatte im Jahr 1917 eine Gesamtausgabe von 1,3* Millionen Mark bei einer Beamtenzahl von 196 Köpfen. 'ck diese Zahl ans 883 planmäßige

Beamte angev md die Gesamtausgabe beträgt 60

Millionen M , bei hatte das Ministerium 1917

die gleichen Auch wen und Obliegenheiten wie das heute um die drei Abteilungen vergrößerte Amt. In den Reichshaushalt für 1920 allein sind 24852 neue Be amtenstellen eingestellt. Für solche Ausgaben will der Reichsfinanzminister die Verantwortung nicht mehr tragen. Es bedurfte auch nur des ungeschmink­ten Berichts der Tatsachen, um das Reichskabinett zn überzeugen, daß das Reich tatsächlich am finanziellen Abgrund stehe. Nur ein starker Ruck kann es vielleicht noch znrückreißen.

So wurden denn dem Reichsfinanzminister außeror­dentliche diktatorische Vollmachten übertragen. AHbald wurden auch die Leitsätze bekannt gegeben, nach de­nen künftig die Verwaltungen in ihren Ausgaben sich zu richten haben, während bisher anscheinend jedes Amt auf eigene Faust wirtschaftete und die Sorge um die Be­schaffung der Mittel dem Finanzminister überließ. Zu­nächst wird eine scharfe Grenzlinie zwischen dem Reich und den EinzKstaaten gezogen, und es wird Sch da­mit gemacht, daß Ausgaben, die von Staaten, Gemein­den nsw. nicht getragen' werden können oder wollen, ein­fach dem Reich ansgeladen werden. Tie verschiedenen Reichsministerien haben in ihren Verwaltungen genau zu prüfen, welche Ausgaben unbedingt notwendig und welche zn vermeiden sind; Amtsstellen, die nicht dringend erforderlich sind, sollen ohne Rücksicht auf Personen und Parteien gestrichen werden. Nötigenfalls wird der Reichs­finanzminister Nachprüfungen anstellen. Ueberflüssige loder nicht dringliche Unternehmungen haben zu unterblei­ben. Ohne Genehmigung des Reichsfinanzministers dür­fen keine neue Stellen mehr geschaffen werden. Wichtig ist ferner, daß der Mißbrauch, Forderungen dadurch durchzusetzen, daß man im Reichstag einflußreiche Ab­geordnete oder ganze Parteien für sie zn gewinnen sucht, also hinten herum, abgeschafft wird und daß solche Ver­suche unter Umständen disziplinarisch geahndet werden.

Auch in den Einzelstaaten, wo es mannigfach nicht viel anders ist als in der Reichsverwaltuug, will man das Vorgehen des Reichssinanzministers zum Muster neh­men. In Bayern wurde bereits angeregt, dem Finanz- minister ähnliche Befugnisse zu übertragen, wie sie Dr. Wirth jetzt hat.

Man kann den Reichssinanzminister zu seinem ent­schiedenen Vorgehen nur beglückwünschen und man möchte wünschen, daß dieselbe Entschiedenheit dom Außenmi­nister Dr. Simons dem Verband und besonders Frank­reich gegenüber beobachtet werde. Es gibt da manches abzuwehren und dnrchzudrücken. Tenn was von die­ser Seite uns wieder zugemutet wird, das geht Uns Aschgraue. In der Provinz Hess. -Nassau beschlag­nahmen die Franzosen eine -'Ue von Domä­nen und großen Hofgütern und kümmern sich nicht darum, wie die deutsche Bevölkerung der Gegend Brot, Fleisch und Misch beschaffe. Ferner sollen alle schnellaufenden Dieselmotoren in Deutschland ver­nichtet werden; sie seienKriegsmaterial", weil solche Mo­toren in den Tauchbooten Verwendung fanden. Mit demselben Recht könnten die Feinde alle Kompasse, Fern­rohre nsw. vernichten, denn das sind auch Tinge, die auf jedem Kriegsschiff zn finden sind. Was die brutale, wahnsinnige Forderung für Deutschland bedeutet, muß man sich klar machen. Tie Dieselmotoren werden mit Oel gespeist, sie vermögen also den Kohlenraub von Spa einigermaßen auszngleichcn, oder sind vielmehr bei der Kohlennot hie einzige Rettung für viele Betriebe, wenn nicht für ganze Industrien. Was soll aus d n Groß­betrieben werden, in denen man die Motoren baut? Tau­sende von Angestellten und Arbeitern werden brotlos werden, denn eben wegen der Kohlenentziehung sind diese Betriebe nicht so bald auf andere Fabrikationen nmzu- stellen. lind dann hat nach dem Friedensvertrag das Reich zu bezahlen, was auf Beseht des Verbands an deutschem Privateigentum zerstört werden muß; es müßte also wieder Milliarden ausgeben für sinnlos vernichtetes, wertvollstes Gut.

- Sinnlos! Nein, cs liegt wohlberechnetes System in der Sache, der aus infernalischem Haß und blasser Furcht geborene Vcrnichtungswille Frankreichs, der sich im Ver­band immer wieder durchzusetzen weiß^ wie sehr die Berbandsgenossen auch unter sich und über Frankreichs Rücksichtslosigkeiten verärgert sein mögen. Die Brüs­seler Financhonserenz hat der Pariser Klüngel zu einer Farce geinacht, sie war jedenfalls die 31/2 Millionen Franken (15 Mill. Mark), die sie gekostet.Latz mickt

wert. In London war man empört; die englischen'Zei­tungen wurden sackgrob und Lloyd George erbat sich den Besuch des belgischen Ministerpräsidenten Dela­croix, um ihm ein Privatissimum zu halten. Diesmal sollte es ernst werden. Lloyd George bestand darauf, haß die Kriegs-Entschädigungsfrage von einer internationalen Konferenz von Sachverständigen, die der Wiederherstel­lungskommission eGnommen werden könnten, vorbera- !en und dann von der Konferenz in Genf entschieden werden sollte. In beiden Konferenzen sollten die Wer» kreier Deutschlands als gleichberechtigte Mitglieder keilnehmen. Der englische Außenminister Lord Cur- zon schrieb gar in einer Note nach Daris :Die Tent» Deutschen dürfen zu der nächsten Konferenz nicht wie vor die Schranken eines Gerichtshofs geladen werden."

Doch der Franzosen Sinn steht anderweit. Nach ihrer Auffassung ist der Vertrag von Versailles und die Kriegs­entschädigung im besonderen eine Sache, die nur Frank­reich und Deutschland angehe, Frankreich könne daher mit Deutschland verfahren, wie ihm beliebt. Es will weiter diktieren und verlangt von Deutschland, daß es ausdrücklich den Vertrag als gerecht anerkenne. In Wirklichkeit beruhen bekanntlich Waffenstillstand und Frie­densvertrag auf der hinterlistigen Täuschung der 14 Punkte Wilsons und aus dem schmählichsten Rechtsbruch,, dem Bruch der von allen Entente-Mächten gutgeheißenen Lansing-Note vom 5. November 1918.

Nun, Delacroix ging richtig nach London, hatte verschiedene Versprechungen mit Lloyd George und Lloyd George verzichtete auf die entscheidende Kon­ferenz in Genf! In Paris schlagen sie Purzelbäume. Zu niedlich, daß Millerand auf die furchtbar ernst sein sollende Note des Herrn Curzonin versöhnlichstem Tone", wie Havas boshaft meldete, den entgegenkom­menden Vorschlag machen ließ: Mit den Deutschen kön­nen Sachverständigenverhandlungen und Konferenzen in Genf oder in Tribsdrill gehalten werden, so viele deren den Herren Verbandsgenossen genehm sind, aber bei der Entscheidung dürfen keine Deutschen dabei sein; sie haben - das ihnen diktierte Urteil einfach entgegenzuneh­men. Wenn schon Lloyd George die Entscheidung übe» die Kriegsentschädigung nicht den Franzosen allem über­lassen will, dann soll wenigstens den Deutschen die Ge­legenheit benommen sein, auf ihn im letzten Augenblick eine Beeinflussung auszuüben, wie es in Spa geschehen war, wo per englische Machthaber sich durch die deutschen Krokodilstränen das feierliche Versprechen entkal­ken ließ, die Festsetzung der Entschädigung werde in Genf rrfolaen und zwar vor der sogenannten Finanzkonferenz des Völkerbunds in Brüssel. Dem soll vorgebaut wer­den. Wenn dann die .HerrenRegierungschefs'" unter sich sind, glauben Millerand und Delarcoix die Wachs­puppe Lloyd George schon wieder in die ihnen -zusagende Fasson kneten Zu können.

Das war seither so und es wird sich schwerlich etwas ändern, solange Lloyd George eben Lloyd George sund Diktator von England ist. In Wirklichkeit steht nicht nur Frankreich, sondern auch Großbritannien und ganz Europa unter der Diktatur Millerands und seiner sie­gestrunkenen Militärkaste. Das zeigt sich deutlich in Polen, das (ins französische Anstiftung durch einen angeblichen Freischärler Seligowski von der Art des Abentmrers Annunzio in Fiume trotz Waf­fenstillstand und Friedensverhandlungen den Lithauern Wilna wegnimmt und ganz Lithauen mit einem polnischen Gürtel zu umgeben und vom russischen Hin­terland abzuschnüren sich anschickt. Tie Engländer, deren sogenannte Ostsee-Interessen sie haben jaInter­essen" an jedem Fleck der Welt dadurch beeinträch­tigt werden, knirschen mit den Zähnen, protestieren und ziehen ihreMissionen" zurück. Ob sie damit mehr erreichen werden, als mit ihrem verunglückten Protest gegen die französische Gewaltpolitik in Oberschlesie n, muß vorerst dahingestellt bleiben. Wo es ihnen in den Kram paßte, haben sie es immer ebenso getneben, wie jetzt die Franzosen und an der furchtbaren Hun­gersnot in Rußland trägt ihre scheußliche, völ­kerrechtswidrige Blockade neben dem Wüten des Bolsche­wismus, gegen den jetzt im eigenen Land leine Gegen- Schuld. Die ganze islamitische Welt will sich zu einem Aufstand vorbereiten, um das Joch der «eng--, lischen Weltherrschaft, das eben schemts doch nicht so sanft ist, wie die Engländer rühmen, abzuschütteln. Ein Lichtblick» für das unterdrückte.EurMa,. ist Mx dsch.HiL