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Nr. 242.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw

98. Jahrgang

Montag,

Oktober

itrscheinungSrveise: 6rualwöchentlich. Anzeigenpreis: Tie tleinspaltige Zeile 76 Pfg

-itklanttn Mk. 2.66 Auf Lammelanzeigcn kommt ein Zuschlag von 100°^ Z-ernspr. 9.

Bezugspreis: In der Stadt mir rrcigerlohn Mk. 12.90 vierteljährlich. Prftdezugs- I

preis Mk. 12.90 mit Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme S Uhr vormittags, i

Der Sieg Briands über Lloyd George:

Annahme des Genfer Urteils durch England und den BstschafLerrat.

Ausschaltung des Obersten Rats.

SerWWeWorilslüderGÄerGzltBejhrzW.

London, 17. Okt. Der .Observer" bringt eine Uebersicht über die Entscheidung des VölkerbundSraiS in der ob erschleichen Frage, die hm!e veröffentlicht werden soll. Das reine Ergebnis der Lösung des Völkerbunds ist dem Blatt zufolge, daß die Hälfte des oberschlesischcn Industriegebiets, das infolge seiner jahrhundertelangen Entwickelung unter deutscher Verwaltung einer der wichtigsten industriellen Mittel­punkte Europas geworden ist, und besonders das wirklich crtrags- nichr Industriegebiet Odrrschlrfiens Deutschland weggcnommen und Polen gegeben wird. In der Hauptsache läuft die Lösung auf fol­gendes hinaus: 1. Politisch. Die neue Grenzlinie schneidet mitten durch das Jndustriedreieck. Sic ist sestgclegt worden nur nach dem Enmdssh, eine Mindestzahl von Polen auf deutscher und eine Min­destzahl Deutscher auf polnischer Seite zu lassen. 2. Wirtschaftlich. Mim hat versucht, der politischen Grenze dir Bedeutung zu nehmen, indem man ihr gewisse wirtschaftliche Maßnahmen aufcrlegte, die dazu bestimmt sind, den einheitliche,, Charakter des Jndustricdr-ieüs wäh­rend ei.vs Zeitraums von 15 Jahren zu wahren. Cs wird die Schaffung einer gemischten Kommission den Deutschen und Polen »orgrschiagcn, sofern beide Parteien dies wünschen, unter dem Borsitz tineS Bolrerbundsvrrtreters. Diese Kommission soll die Befugnis haben, die praktischen Einzelheiten zur Durchführung des Planes aus- Mbeiien. Dieser Kommission soll zur Seite stehen eine andere von Mischten Ausschüssen. 3. Bei der Frage der Eisenbahnen soll z. B. ein gemischter Ausschuß einen Plan zur Aufrechterhaltung des ge­samten Eisenbahnshstcms sowohl auf deutscher wie auf polnischer Seite der Grenzlinie als gemeinsamem System für das Gebiet des Fnbustriedreiecks ausarbciten. Die Einnahmen aus den Eisenbahnen sollen nach der Länge der Schienensirecke, sowie nach dem Umfang des Verkehrs unter den verschiedenen Zonen verteilt werden. 4. Es sei klar, daß eine politische Grenze sofort eine Zollgrenze werde. Um diesem Einwand zu begegnen, schlage der Völkerbundsrat vor, daß Mj Uebergangspcriode» geschaffen werden sollen, a) eine Periode dm sechs Monaten und b) eine Periode von 14 ^ Jahren, während dmn die normale Zollabgabe eingestellt werden solle. 5. In der Periode von sechs Monaten soll beiden Staaten vollkommen gestattet ßi", ihre Geschäfte so zu organisieren, als ob die politische Grenze ikrhanpt nicht bestände. Wenn beispielsweise ein besonderer Artikel, d« nach Deutschland eingcsührt werde, zur Verarbeitung nach Ober- Wcsien in eine Fabrik geschickt werden solle» dir auf polnischer Seite dk neue,, Grenze liege, so werde der Gegenstand die neue Grenze pas­sen, ohne daß dafür ein Zoll entrichtet werden müsse. 6. Bei der Periode von 14 Jahren sollen alle Rohstoffe, dir aus der polnischen rdrr der deutschen Zone stammen oder in einer dieser Zonen ver­staucht werden sollen, die Grenze ohne Zoll hin- und herpassieren. Deshalb können z. B. deutsche Waren, die in deutschen Fabriken, die " der neuen polnischen Grenze liegen, fertiggestcllt werden sollen, Mrei ansgchen. Dasoffene Loch" im Osten! 7. Die ge­eichte Kommission soll befugt sein, ein allgemeines Uebereinkom- eu zwischen Deutschland und Polen auszuarbeiten, das eine voll- amdige Aussuhrsreihcit der Artikel Vorsicht, die von den Industrien ^ der jeweilig anderen Seite der Grenzlinie benötigt werden. Eine astndere Klausel sei beigefügt, die Deutschland nicht gestatte, auf «n aus Polen Einfuhrzölle zu legen. 8. Während der Periode ^"15 Jahren sollen keinerlei Zwangsenteignungen gestattet sein.

. >e Deutschen, die auf polnischer Seite der Grenze leben, haben astend 15 Jahren das Recht, für die deutsche Untcrtanenschast zu "«nen. lg. Pix deutsche Mark wird als gesetzliches Zahlungsmittel ik'w ^»sichen Zone anerkannt. 11. Dir deutsche Sozialgesetzgebung ,. Kraft, bis die polnische Regierung allgemeine eigene Ge- ^ "gearbeitet hat. 12. Die Wasserversorgung im ganzen Jn- ^ Fall soweit die bestehenden Systeme in Be- ""Eu, bleibt in dauernder internationaler Dienstbarkeit. 13. k ""genblickliche System der elektrischen Kraftversorgung soll be- eiben. Die Polen sollen jedoch nach einem Zeitraum von drei aniill"?^ haben, eine der beiden Kraftstatiouen im Dreieck ^ Kraftstation, die für den Ankauf durch Polen in likst d ist die von Chorzow, das auf polnischer Seite

ikiM ^ "udere Kraftstation, nämlich die von Hindcnburg, auf er Seite liegt. DerObserver" kann über den genauen Ver- li""" Völkerbund vorgeschlagenen politischen Grenzlinie in Ich» Angaben machen. Man könne jedoch mit ziem-

Herheit annehmen, daß neben Pleß und Rybnik drei der

wichtigsten industriellen Mittelpunkte, nämlich Kattowitz, Könizshittie und Tarnowitz, an Polen fallen würden. DerObservcr" erklärt die Auslieferung von Kottewitz und Königshütte, die bei der Abstimmung eine Mehrheit von 17 537 bezw. 21525 Stimme» zugunsten Deutsch­lands aufgcwiescn hätten, als der bei weitem ernsteste Punkt in dem VölkerbundSplau. Vor allem sei wichtig, daß KattowH der Eisen- bahnmittelpnnkt des südlichen Teils des Industriegebiets ist. Die Haupilinie BerlinKrakau gehe über Kattowitz. Der südwestliche und westliche Teil des Bergwerksgcbiets gehöre Polen. Die Zink- Gegend, die fast vollkommen im östlichen Teil des Industriegebiets liege, von östlich Bcuihen bis Antonienhüttc und bis zum Lipine- Vogcn, werde ebenfalls polnisch. DerObservcr" weist darauf hin, daß obgleich die deutschen Interessen bis zu einem gewissen Grade in dem oberschlesischen Gebiet, das man Deutschland jetzt wegnehm«, ge­schützt seien, der Zeitraum, in dem dies der Fall sei, nur 15 Jahre bettage. Danach trete Polen in den Vollbesitz. Das Kapital, die Lei­tung und die gelernten Arbeiter in den jetzt Polen zugesprochenen Gebieten seien vollkommen deutsch.

In einem Leitartikel schreibt derObservcr", der Völkerbunds­plan bedeute keine Lösung der obcrschlesischen Frage. Durch den Völ­kerbund sei der Streit um Oberschlesicn wieder an Deutschland und Polen zurückvcrwiesen worden. Wenn die Lösung überhaupt dauernd sein solle, sy könne ohne das Zusammenwirken Deutschlands und Polens der Völkerbundsplan kaum zur Durchführung gebracht wer­den. Die britische Regierung habe die Vorschläge des Völkerbunds- ra!s angenommen. Sie sei dazu verpflichtet gewesen. Ein anderer Weg sei nicht denkbar gewesen. Ein deutscher Korsanty oder Zcli- gowski würde nicht ein einziges Zeichen der Ermunterung vonseitc» Englands erhalten.

Genf, Paris und London.

Annahme der GenferEntscheidung" durch den englischen Mimsterrat.

Balsour, nicht Lloyd George als Sprecher.

Paris, 15. Okt. Havas meldet aus London, d^ß die englische Regierung gestern im Ministerrat die Entscheidung des Völker­bundes betreffend Oberschlesien angenommen habe, nachdem Balsour Bericht erstattet hatte. Der Modus des endgültigen Ausführungsverfahrens bilde den Gegenstand eines Meinungs­austausches zwischen den Regierungen von Paris und London, was die völlige Uebereinstimmung als hergeftellt zu betrachten erlaube, nachdem einige formelle Einzelheiten geregelt sein würden.

Wie derMatin" meldet, ist es wahrscheinlich, daß die eng­lische Regierung den Sachverständigen Sir Cecil Korse nach Pa­ris entsenden wird, um sich mit dem Jusiituar des Ouai d'Orsay, Fromageot, über die Mitteilung, die Deutschland und Polen zu­gehen soll, zu verständigen. Es handle sich darum, genau nach dem Buchstaben des Versailler Vertrags zu verfahren, sowohl was die Erenzfrage als auch das Wirtschaftsregime des Indu­striegebietes anlange, wenn man die Empfehlung von Genf als Entscheidung der Alliierten übermitteln würde. Cs scheine die Absicht der Alliierten zu sein, daß die Ueberw-isung der zugeteil­ten Gebiete in spätestens einigen Tagen erfolgen könne. Man sehe keine Schwierigkeiten zwischen London und Paris voraus. Allerdings sei die Antwort der englischen Regierung dis gestern abend noch nicht eingetroffen.

Berlin, 15. Okt. Am Donnerstag hat sich (nach den Porzh. N. N.) der englische Geschäftsträger in Paris nach dem Ouat d'Orsay begeben, um, wie Pariser Blätter Mitteilen, Briand zu erklären, daß die englische Regierung keineswegs einen Zusam­mentritt des Obersten Rats zu einer persönlichen Aussprache der Ministerpräsidenten von Frankreich und England sür not­wendig halte, und daß demgemäß, dem Vorschläge Frankreichs entsprechend, der Botschafterrat beauftragt werden könnte, als Vertreter des Obersten Rates die oberschlesische Angelegenheit weiter zu behandeln. Hierdurch, so schreiben die Pariser Blätter in einem offensichtlich inspirierten Artkel, verschwinde das eng­lisch-französische Mißverständnis ebenso schnell, wie es auf­getaucht sei. Dieser Schritt de» englischen Geschäftsträgers wird in Paris von der gesamten Presse als ein« Wendung der englischen Politik dargestellt, soweit sie wirklich bestanden haben sollte, die dem Einfluß Balsour» zngeschriebe» wird. Außer­

dem wird in einer gewöhnlich gut informierten Londoner Korrespondenz behauptet, daß unter dem Eindruck der Genfer Entscheidung die Haltung in London revidiert worden sein soll.

Der Londoner Korrespondent desPetit Paristen" meldet, daß die Forderung der Prüfung der Genfer Entscheidung in der Downing Street besonders deshalb erhoben sein sollte, weil der Völkerbundsrat über die von ihm verlangte Festlegung einer Grenzlinie hinaus neue Vorschläge wirtschaftlicher Art gemacht hat. Diese Vorschläge mutz man daraufhin prüfen, ob sie mit dem Versailler Vertrag in Uebereinstimmung sind. Zm übrigen wird sowohl in Genfer Telegrammen wie in Notizen der Pa­riser Presse darauf hingewiesen, daß die Annahme dieser Vor­schläge von dem freien Willen der beiden beteiligten Völker abhängig sei. (?)

Mit wie großer Erleichterung man den Schritt des englischen Geschäftsträgers empfindet, zeigt ein Satz imFigaro". Das Blatt sagt: Man erblickt hier eine direkte Beruhigung darin, daß Lloyd George einen neuen Zusammentritt des Obersten Rates nicht verlangt. Bei der großen Erregung, die die ober- schlesische Frage in Pariser politischen Kreisen und in der Presse hervorgerufen hat, ist es von Wert, sestzustellen, wie die opti­mistischen Aeußerungen über einen glatten Verlauf der ober- schlesischen Frage Stimmung machen sollen und wie weit bei diesem Unterfangen der Wunsch der Vater des Gedankens ge­wesen ist oder ob es sich tatsächlich um eine Entspannung zwi­schen Paris und London handelt. Die von allen Blättern fest­gestellte tiefgehende Enttäuschung Lloyd Georges über die Genfer Entscheidung läßt einen Fingerzeig in dieser Richtung zu.

Annahme derLösung" des Völksrbundrats durch die Botschasterkonferenz.

Paris, 15. Okt.Havas" meldet: Die Botschafterkonserery hat sich in ihrer heutige« Sitzung der vom Bölkerbundsrat emp­fohlenen Lösung hinsichtlich der Grenzziehung in Oberschlesien und der wirtschaftliche« Vereinbarungen, die zwilchen Deutsch­land und Polen getroffen werden sollen, angeschlossen. Sie wird in ihrer nächsten Sitzung, die auf Montag festgesetzt ist, die ver­schiedenen Einzelheiten zu ihrer Durchführung prüfen.

DieUnparteilichkeit" in Genf.

Berlin, 15. Okt. ImBerliner Tagebl." wird (nach den Psrzh. N. N.) die seltsame Unparteilichkeit und Sachverstöndig- keit beleuchtet, die in Genf am Werke war: Keinem der deut­schen Sachverständigen aus Oberschlesien, die nach Genf reisten, ist es geglückt, bis zu den vier Erleuchteten (d. h. den Vier der exotischen Viererkommission) vorzudringen. Eigentlich hätte der Eeneraftekretär des Völkerbundes, der Engländer Francs Drum, mond, an den Beratungen und Sitzungen der Vier beratend teilnehmen sollen. Herr Drummond war verhindert und sein Stellvertreter versah dieses wichtige Amt. Dieser Stellvertre­ter war zufällig ein Franzose, Herr Monet. Herr Monet und Hymans waren entschieden die Rührigsten, und zu ihnen kam als Dritter im Bunde der polnische Gesandte Askenasy, den eine herzliche Freundschaft mit Herrn Hymans verband.

DieDeutsche Allgemeine Zeitung" aber weist auf die wirk­liche Rolle hin, die die Tschechoslowakei und ihr in allen Sätteln gerechter Ministerpräsident Benesch gespielt haben. Es heißt da:Wie verlautet, gedenkt man die beabsichtigte Zerreißung der Wirtschaftseinheit Oberschlesiens dadurch zu beschleunigen, daß ein Ausschuß zur Regelung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingesetzt wird. Diese Kommission soll aus einem Deutschen, einem Polen und einem Neutralen bestehen. Frankreich aber werde versuchen, an die Stelle des Neutralen einen Tschechen zu setzen, obwohl die Tschechoslowakei von der Entente im Frie­densvertrag ausdrücklich als kriegführende Macht gegen Deutsch­land aufgeführt ist. Die Tätigkeit des Anschusses würde von vornherein zur Komödie werden. Polen und Tschechen hätten die Mehrheit und der Deutsche würde den Statisten abgeben. Die ersten Ansätze in diesem Projekt reichen bis zum April 1920 zurück. Frankreich hat den Plan also von langer Hand vor­bereitet. Seiner Durchführung gilt auch die Reise des Dr. Be­nesch nach Paris. Ein weiteres Glied war die etwas geheim­nisvolle Reise des Generals Le Rand im vergangenen Juni. Man leugnete es ab, daß der General sich nach l aris begeben hatte, und das war auch völlig richtig, denn Le Rond fuhr nur nach Prag, dort fanden die endgültigen Besprechungen statt, durch welche die Heranziehung der Tschechoslowakei zur Zerrei­ßung Obepschlesiens endgültig fertiggestellt wurde.

Verhandlungen kein Diktat?

Paris, 15. Okt.Havas" berichtet: Die britische Regierung hat gestern die französische Regierung benachrichtigt, daß sie die franzö«