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Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik mrd Anreigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und SchrtftleAzmg: Th. Gack iu Milbbab.

Nummer 224

Fernruf 179.

Milödsä, Montsg, äen 27.'September 1^70.

Fernruf 17».

34. 'fstirgm-g

Die Zukunft des Handwerks.

Es gab eine Zeit, und es ist noch gar nicht so lange her, da galt jeder für einen ausgemachten Narren und rückständigen Menschen, der noch an eine Zukunft des deutschen Handwerks glaubte und der nicht die Katheder- ' lehren der stark marxistisch angehauchten Leuchten der Volkswirtschaft nachbetete, daß das Handwerk unzeitgemäß, überlebt sei, da jeder Kleinbetrieb unwirtschaftlich arbeite und daher ein volkswirtschaftlicher Schädling sei, der mit Fug und Recht von dem modernen Großbetrieb mit seiner Anpassungsfähigkeit an die neilzeitlichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen verdrängt werde. Eine Zeitlang schien diese Lehre durch die tatsächliche Entwick­lung bestätigt zu werden. Tas Handwerk hatte eine schlechte Zeitu und tausend tüchtige Meister und sozial wertvolle freie Existenzen sind der übermäßigen, durch das freie Spiel des Kapitals hervorgernsenen Ausbreitung der Industrie, die in letzter Linie den Zu­sammenbruch Deutschlands herbeigeführt hat, geopfert worden.

Tie Lehre von dein naturgemäßen Verschwinden des Kleinbetriebs in der modernen Wirtschaftsentwicklnng ist aber durchaus unhaltbar. Das zeigte sich schon in der Landwirtschaft, bei der die Betriebszählung in den neun­ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine erhebliche Zunahme der Kleinbetr iebe festgestellt chatte. Tie Unentwegten in der Volkswirtschasts-Wiiscnschaft mußten sich jetzt wenigstens zu dem Zugeständnis bequemen, daß ihre Lehre vom alleinseligmachenden Großbetrieb aller­dings auf die Landwirtschaft nicht anzuwenden sei. Und als auch das Handwerk ihnen nicht den Gefallen tat, ihremwissenschaftlichen" System zulieb zu ver­schwinden, da machten sie notgedrungen die weitere Ein­schränkung, daß nurgewisse Handwerkszwcige" dem Untergang verfallen seien, die übrigen werden in dem unaufhaltsamen Entwicklrt.ngsgang durch Unterordnung, durch Beschränkung auf dieFlickarbeit" ein kümmer­liches Dasein behaupten können.

Daß auch diese Ansicht durch die tatsächliche Entwick­lung widerlegt wird, daß vielmehr dem Handwerk ebenso wie den Kleinbetrieben der Landwirtschaft durch die Wie­deraufnahme einer straffen Organisatio n und durch genossenschaftlichen Zusammenschluß, die man in dem Dusel der drei oder vier ersten Jahrzehnte der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts leichtherzig über Bord werfen zu dürfen glaubte, eine neue Blüte bevorstehe, das gibt nun auch ein sonst so manchesterliches und kapitalistisches Blatt wie dieFranks. Ztg." zu an­gesichts der Tatsache, daß das deutsche .Handwerk immer noch etwa fünfviertel Millionen selbständige Betriebe zählt, die rund elf Millionen Menschen, also einem Sechstel der Bevölkerung Deutschlands Unterhalt geben. Es ist dies ein wesentliches Verdienst der mächtigen Orga­nisationstätigkett im Handwerk.

Im vorigen Jahr ist der Reichsverband des Deutschen Handwerks gegründet worden. Er umschließt die iin Handwerks- 'und Gewcrbekammcrtag vereinigten Kam­mern, die Jnnnngs- und Fachvcrbände des selbständigen Handwerks, den Deutschen Genossenschäftsverband, den Verband deutscher Gewerbevereine und Handwerkerver- einignngen und die sogenannten Handwerkerbünde. Er ist (^gründet als bernssständische Spitzcnvertretung aller Organyatidnen im Handwerk, um Ordnung und, Aus­gleich der Funktionen zu schassen und eine gesetzliche Regelung der berufsständischen Neuordnung des Hand­werks vörznbereiten. Ter Reichsverband und der Hand­werks- und Gewerbekammcrtag haben eine gemeinsame Geschäftsstelle in Hannover. Tic Zahl der Mitglieder des Reichsverbandes beträgt etwa zwei Millionen Per­sonen; er ist von allen Reichs- und Staatsbehörden als Spitzeninteressenvertretung des gcsanven deutschen Hand­werks anerkannt. Das ist ein' großer organisatorischer Fortschritt, der bereits nndentet, daß in das -Handwerk neues Leben gekommen ist.

Der Reichsverband des Deutschen Handwerks hat kürz­lich in Verbindung mit dein Handwerks- und Gewerbe­kammertag eine Hauptversammlung in Jena abgehack­ten, die sich eingehend mit der Frage befaßte, wie die gesetzliche Organisation des Handwerks und Gewerbes neu zu gestalten sei. Unter Hinweis ans Artikel 164 der Verfassung des Neickna, der da? Handwerk in Ge- P'pgebung und Verwaltung zn sörderip verspricht, per-.

langt eine EntschlieUrng ein neues^Nercys-Hand- werkergcsetz, das als Rahmengesetz unter Aufhebung des VI. Abschnitts der bestehend«: Gewerbeordnung die Verufsvertrciung des Handwerks und Gewerbes aus der Grundlage der P fl i ch tzu g e h ö ri g kei t Jnnnngs - oder Fachverbänden und Handwerks- und Gewerbekam- mcrn überträgt. Eine entftbeidende Abwendung von der 'verhängnisvollen völlig m Gewerüefreiheit im Handwerk ist schon im Jahr 1897 erfolgt, als eine .Handwerker­novelle die Zwangsinnuug.m schuf. Es hat damals hef­tige Meinungsverschiedenheiten und Kämpfe gegeben, auch unter den Handwerkern selber, von denen ein Teil die Gewerbefrcihcit, wie sic die Gewerbeordnung von 1869. eingeführt halte, nicht ausgckwn wollte. Tie Zeiten ha­ben sich inzwischen sehr geändert, und man sieht heute, wie dieFranks. Ztg." betont, auch diese Frage, wie. so manche, anders an als früher. Im Handwerk selber scheint kein Widerstand mehr gegen die Pflichtzngehörig- keit zu Innungen oder Fachvereinen vorhanden zu sein, und das entspricht ja auch den Verhältnissen, die sich gebildet haben und außerdem den bernssständischen Ge­danken stärker hervortreten zu lassen. Die Entschließung der Jenaer Tagung fordert, daß die Zuständigkeit der BernfSoertreiungen des Handwerks über die Befugnisse der heutigen gesetzlichen Interessenvertretungen hinaus stark zu erweitern sei. Man darf wohl behaupten, daß das Handwerk vor einer entscheidenden Pe­riode seiner Entwicklungsgeschichte steht. Es

scheint kein Wahn, sondern gut begründet zu sein, das gibt das Blatt offen zu, daß sich künftige Formen eines .hö­heren wirtschaftlichen und sozialen Gemeinschaftslebens keineswegs bloß ans der Großindustrie sondern auch aus dem mittleren und Kleinen Gewerbe ergeben können. Wenn man bloß, von heutigen Geisteszuständen auf die Mög­lichkeiten des künftigen Deutschlands schließen wollte, dann wären die Aussichten s«st überall sehr trübe, aber es ist ja gerade die Hoffnung auf die Wiederkehr und die Stärkung der Gemeinschaftsgefühle, die uns durchhalten läßt. Es kann natürlich gar keine Rede davon sein, daß das Handwerk irgendwie sozialisiert wer­den könnte. Eine Entschließung der Jenaer Tagung besagt u. a., daß nur Unternehmungen mit monopolar­tigem Charakter sozialisiert werden sollten, und nur dann, wenn dadurch nicht nur eine gerechtere Vertei­lung der Erzeugnisse, sondern auch eine erhö hte Pro­duktion gewährleistet fti. Sicherlich ist der Gesichts­punkt erhöhter Produktion heute, in der Zeit eines fürch­terlichen Warenhungers nicht außer acht zn lassen, aber daß er unter allen Umständen maßgebend sei, wäre eine Verkennung der Sache. Die mittelalterlichen Zünfte in ihrer guten Zeit waren auch Sozialismus, aber die Ver­mehrung der Produktion des einzelnen Handwerksmei­sters war so wenig ihr leitender Gesichtspunkt, daß ge­rade das Umgekehrte richtig ist: er sollte gar nicht be­liebig viel verdienen, sondern sich den Bedürfnis­sen der anderen einordnerr. Nun lassen sich na- 7 türlich diese Dinge nicht einfach auf die heutige Zeit ^ übertragen, aber wenn die Gemeinschaftssormen des Hand- i Werks immerdar nur die erhöhte Produktion im Auge , hätten, dann würden sie recht eigentlich kapitalistisch sein und gerade das nicht erfüllen, was sie für den gesell­schaftlichen Aufbau leisten sollen.

Organisationen allein tun es nicht, sondern es kommt auch ans die Menschen an, die in ihnen wirken, auf den , Geist, der das Ganze durchzieht. Diesen rechten Geist ^ aber werden die Organisationen beleben und pflegen können.

Der Ernährungsplan.

Berlin, 26. Sept.

Der Wirtschaftsausschuß, des Reichskabinefts nahm am Freitag unter dem Vorsitz, des Reichswirtschaftsminister die Beratung des Wirtschaftsprogramms aus. Ueber die Ernähr nngsla ge berichtete der Minister:

Das System der Erfassung und Verteilung aller wich­tigen Nahrungsmittel, das während des Kriegs gute Dienste geleistet hat, ist im Lauf der Jahre und im ! Zusammenhang mit dem Rückgang der allgemeinen Mo­ral und Staatsantorität in erheblichem Grade abgenützt ^ worden. Auf den Gebieten jcdocb, ans denen dicöffent- i liche Bewirtschaftung noch unbedingt. Mtwendigist, wird

Vie Regierung die staatlichen Machtmittel mit umso grö­ßerer Schärfe in Anwendung bringen. Dies gilt be­sonders für Getreide, Milch und Zucker. Auf anderen Gebieten, insbesondere bei Kartoffeln und Fleisch, muß die Regierung die Preis- und die Marktverhältnisse nnt schärfster Aufmerksamkeit beobachten. Alle schöpferische Kraft der Selbstverwaltung muß zur gemeinsamen Ab­wehr wucherischer Ausbeutung wie auch ge­werbsmäßiger oder privater Zurückhaltung von Lebens­mitteln vereinigt werden. Eine verständnisvolle Zusam­menarbeit sämtlicher Volkskreise kann viel dazu beitra­gen, den Uebcrgang zu erleichtern. Zur Förderung des Ausbaues dieser Bewegung finden in den nächsten Ta­gen Besprechungen im ReichsernährnngZininisterrum stark.

Ein wesentliches Mittel in der Bekämpfung der be­vorstehenden Sckwierigkeiten sieht die Regierung in der Schaffung ausreichender Reserven von Lebensmitteln/ Am 1. Oktober 1920, dem Tag des Außerkrafttretens der Fleisch-Zwangswirtschaft, wird die Reichs-Fleiichstelle über mehr als 70000 Tonnen ausländisches Fleisch, ausländisches Fett und sonstige Fleischwaren verfügen. Die wirkliche Fleischreserve wird ständig aus 30 000 Tonnen erhalten werden, die für drei Morpite j die bisher wöchentliche Ausgabe von 125 Gramm Fleisch i auf den Kops der Bevölkerung in den großen Bedarfs- ! gebieten für den nötigen Fall sicherstellt. Daneben schreibt I eine am 19. September 1920 Zerlassene Verordnung die s Gcnehmigungsvflicht für das Gewerbe des Viehhandcls, j den Schlußscheinzwang beim gewerblichen Viehhandel, in gewissem Umfang die Genehmigungspflicht für das Flei­schergewerbe und den Anshang der Kleinhandelspreise in den Ladengeschäften vor. Bei der Reichsfettstelle wird 'vorläufig eine ständige Schmalzreserve von 20 000 Tonnen gehalten. Ans ihr werden neben dem, was der Bevölkerung infolge der Zulassung einer begrenzten Einfuhr durch den freien Handel zur Verfügung stehen wird, die bisherigen Rationen auf dem üblichen Weg weiter ausgcgeben werden. An Kartoffeln steht ans den zwischen Erzeugern und Kommunnlver- bänden abgeschlossenen Lieferverträgen eine Reserve von 3 2 Millionen Zentnern zur Veftügnng. Hierzu tritt die von der ReichSkartosfelstclle siche'gcstellle Reichsrescrve von 20 Millionen Zentnern. Diese mehr als 50 Millionen Zentner betragende Re­serve bleibt nur unerheblich hinter der Menge zurück, die im Vorjahr von-der öffentlichen Wirtschaft für die Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden konnte. M a r- garine und Kun stsp eisefett werden der Bevöl­kerung im Wege des freien Handels in reichlicherem M a ß als bisher zugeführt werden.

Die inländische B ro tv e r so r g nng wird bei dem sehr ungünstigen Ausfall der Noggrnernte auch in: kommenden Wirtschaftsjahr große Schwierigkeiten bereiten. Zu ihrer Sicherung, besonders im Hinblick auf die ans drängenden Wunsch der Bevölkerung und der meisten Länder beschlossene Herabsetzung des Aus-

mahlnngssatzes bedarf es nicht nur der restlosen Ab­lieferung der inländischen Ernte, die im Notfall mit den schärfsten Zwangsmitteln durchgeführt werden muß, sondern auch einer sehr erheblichen Einfuhr von ausländischem Brotgetreide. Tic Genehmigung zur Ein­fuhr von amerikanischem Mehl kann aus den bekannten Gründen nicht erteilt werden, doch soll eine Wochenmenge vvn 125 Gramm gering ansgenrahlenen, ans ausländi­schem Getreide hergcstellten Weizenmehls zu dem Ein­standspreis der Bevölkerung zngeführt werden.

Der Wirtschaftsausschuß nahm von diesem Bericht des Reichscrnährnirgsrninisters Kenntnis in voller Einmütig­keit. Es soll versucht werden, die Wucherbekämpfung schärfer und wirkungsvoller zu gestalten. Im I Irland hängt ein großer Teil der zukünftigen Gestaltung der Ernährnngslage von dem verständnisvollen Zusammen­arbeiten sämtlicher an der Versorgung der Beoölkernng beteiligten Kreise, der Landwirtschaft, des Handels und der Verbraucher, ab. Das Ziel dieses Zusammenwir­kens muß die Schaffung eines Verbraucherschutzes sein. Tie unmittelbare Verbindung zwischen Er­zeuger und Verbraucher soll gefördert werden. Ter Ausschuß beschloß, vom 15. Dezember 1920 ab die Einfuhr von Salzheringen innerhalb eines noch f.st- znschenden Rahmens dem freien Handel zn überlasten.