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Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitnng: Th. Sack in Wildbad

Hummer 223

Fernruf 179.

Wjlöbaä, Sumslug, äen 25. September t920.

Fernruf 179.

54. 'Mrgang

Ss;luLagsgedmrken.

Säen und ernren.

Sieh nicht aus nach dem Entfernten.

Was dir nah liegt, mußt du tun,

Säen mußt du, willst du ernten,

Nur die fleißige Hand wird ruhn.

Spitta.

Reichs, von der Dr.

in der

Obgleich die Einrichtung des sogenannten Böller- Hunds nach dem Sinn und'Geist,- aus dem er angeb­lich gegründet sein soll, sowie nach dem ausdrücklichen Wortlaut seiner Satzungen den Abschluß von Sündc'rbünd- nissen verbietet, haben Frankreich und Belgien jetzt ein geheimes M ili t är ab k o mm en getroffen, Vas ganz unverkennbar seine Spitze gegen Holland, ans bas der belgische Größenwahn schon ein Auge geworfen hat, ferner gegen Deutschland und gegen Eng­land richtet. England ist ja schon daran, Belgien friedlich zu durchdringen" und zwar zunächst mit seinem Geld, indem es die westliche Eingangspforte zu Nie- derdtutschland, den Hasen Von Antwerpen mit dem zu erbauenden Schelde-Kanal auf die manierlichste Weise in seine Hand bringt, ähnlich wie seinerzeit den von Frankreich erbauten Suezkanal. Der Festsetzung Eng­lands am Rhein will aber Frankreich einen Riegel Vor­schüben. Arüi in Arm mit Belgien glaubt das an Be- töliernngsschwund leidende Frankreich, dem überdies aus der Vermischung mit den afrikanischen Schwarzen schwere menschenmordende Seuchen prophezeit sind, das Vor­dringen der Angelsachsen ans dem Festland eindämmen zu können. Darüber werden sich die Verbündeten noch einmal auseinanderznsetzen Habcn7 Das Militärbünd­nis hat aber jetzt schon für Deutschland sehr trau­rige Ergebnisse gezeitigt. Zwei schöne Bezirke, Enpen und Malmedy, uraltes Eigentum des Reichs, sind nach chen brutalsten Gewaltmaßregeln der Belgier von Deutsch­land losgerissen worden und der Völkerbund, der an­fänglich durch die von der deutschen Negierung ein- gercichten Beweisstücke über das belgische Unrecht stutzig gemacht war, hat auf den Bericht desbrasilian is ch e n Gesandten da Cunha hin dann doch gefunden, daß der deutsche Widerspruchungerechtfertigt" sei und er hat Enpen und Malmedy Belgien zngesprochen. Das ist also die erste Probe davon, wie im VölkerbundRecht" gesprochen wird. Nicht um die Gebietserweiterung mit etwa 63 000 deutschen Einwohnern, handelt es sich für Belgien, sondern um die Erlangung militärisch wichtiger Punkte als Einfallstore in die Rheinprovinz, ebenso wie die Besitzergreifung von Elsaß-Lothringen nicht der Liebe Frankreichs zu denverlorenen Söhnen", die gar nicht seine Söhne sind, entsprungen ist, sondern u. a. dem Begehren, ln den beiden Wafsenplätzen Straßburg und Metz jederzeit bequeme Gelegenheiten zum Einfall in Cüddeutschland zu besitzen.

Deutschland ist klein geworden, ohne Selbstvertrauen, .ohne Mut. Es versteht sein Unglück nicht zu tragen, weil es seine eigene Lage noch nicht begreift. So fällt es von einer Krisis in die andere. Eben noch wollte das Reichslabinett auseinander fallen. Der Reichssi- uanzmimster Tr. Wirth hatte sein Rücktrittsge- such eingereicht zunächst ans dem äußeren Anlaß, dag der Neichsverkehrsminister Grüner und der Rcichs- Postminister Giesberts den Beamten und Arbeitern ihrer Verwaltungen ohne Verständigung mit dem Finanz- minister Lohnvcrsprechungcn gemacht hatten, die dein Fi- uanzminister unerfüllbar schienen. Mit der Geschästs- gebarung dieser beiden Reichsbetriebe ist Dr. Wirth über­haupt sehr wenig einverstanden, haben sie doch in die­sem Jahr zusammen einen Fehlbetrag von nicht weniger als 18Milliarden Mark, während sie früher den Bundes­staaten bzw. dem Reich eine beträchtliche Einnahme abge- worfen hatten. Freilich beschäftigen sie jetzt Lmndert- tausendc von Leuten, die für den' Betrieb gar nicht nötig wären. In Berlin allein gibt es 60 000 Briefträger für Dienstleistungen, die vom dritten Teil bequem gesorgt werden könnten.

Der wahre Grund für die Rcgicrungskrisis liegt aber tiefer als in den persönlichen Meinungsverschiedenheiten.

Es ist die allgemeine Wirtschafts- und Fi-

3 abiuettssitznng am 22. September ein erschütterndes , Bild entrollt^ Mit aller Entschiedenheit sprach er es ! - uns: entweder muß jetzt von Grund auf eine andere Finanz-- und Wirtjchgftspolitik gemacht werden, oder der Rcichswagen ward in den Abgrund sausen und zw >el- len. Er wolle aber dann nicht der Wagenlenker sein uno kerne Verantwortung tragen. Die bestimmten Darlegun­gen des Reichsfinanzministers müssen auf die Kabi- nettsmitglieder einen tiefen Eindruck gemacht haben. Der amtliche Bericht über die Sitzung sagt, in vollster Einmütigkeit sei dem Minister Vollmacht erteilt worden, den von ihm zugleich vorgelcgten Plan einer wirk­lichen Finanzrcsorm rücksichtslos dnrchznführen. Die Reform besteht vor allem darin, daß leine neuen Aus­gaben gemacht und keine neuen Stellen mehr errichtet werden, vielmehr wird man nun genau Nachsehen, wo man möglichst kräftige Abstriche machen und unnötige Posten und Pöstchen eingehen lassen kann. Zu dem Behuf wird der Neichsfinanzminister in den Verwal­tungen der verschiedenen Neichsministerien Umschau hal­ten und er wird manches entdecken, was vor seinen Augen keine Gnade sidet. Selbstverständlich werden die Finanz­gesetze mit verdoppeltem Eifer durch geführt und der Minister hat vorläufig den Staatssekretär Mösle hinausgcschickt, um bei den Finanzämtern Dampf zu ma­chen. Das Reich braucht viel Geld. Wie soll es den diesjährigen Etatsfehlbetrag von rund 56 Milliarden deik- len, wie die 131 Milliarden ersetzen, die die von den Fein­denberaubten A- slandZi eutschcn und die bestohlenen Nee. er nach dem 'Friedensvertrag zu beanspruchen haben, wenn die Schulden und Verbindlichkeiten des Reichs schon auf 285 Milliarden angewachscn sind und 72 Milliarden Pa­pierzettei umlaufen, die wir unser Geld nennen! Und wie sollte es werden, wenn cs wahr wäre, was der PariserMatin" schrieb: Deutschland werde bis März- 1921 unweigerlich 15 Milliarden Franken, nach heutigem Kurs etwa 67 Milliarden Mark an derWiederherstel­lung" au Frankreich abzuzahlen haben! Oder wenn der Manchester Guardian" Recht hätte, wenn er die Kriegs­entschädigung auf 160 Milliarden Schilling oder 1920 Milliarden Mark beziffert!

Wir müßten neben den äußersten Anstrengungen des ganzen Volk, neben größter Sparsamkeit im privaten Leben wie in den Verwaltungen ein leitendes Genie erster Klasse haben, um die deutsche' Wirtschaft wieder auf eine Grundlage stellen, daß sie die Stürme, die über uns dahinbrausen werden, überdauern kann. Im Aus­land scheint man nicht mehr viel Zutrauen zu unserem guten Willen oder zu der Möglichkeit zu haben, denn die deutsche Valuta ist wieder recht tief gesunken. Im Juli stand die Mark im Ausland auf 15 Pfennig und darüber, heute gilt sie nur noch 7 Pfennig. Tie Reichssinanzverhältnisse sind eben im Ausland, besonders im feindlichen so gut, wenn nicht besser bekannt als in Deutschland selber; die Nachricht von der Zwangs­anleihe hat das Ausland stutzig gemacht und oben­drein tauchte wieder einmal das Gerücht ob begrün­det oder nicht aus, die Reichsfinanzverwaltung beab­sichtige die Abstempelung der Reichs noten, die aus die Ungültigmachnng eines Teils der Noten oder auf einenkleinen Staätsbankrott" hinauLäuft. Das Ausland hat sich darauf vielfach seiner deutschen Noten, die es nach vielen Milliarden besitzt, entledigt und sie auf den Markt geworfen", wie der Börsenausdruck es nennt. Tic Mark wurde entwertet wie vor iVa Jah­ren, als ebenfalls die Absicht einer Abstempelung be­stand; die Preise steigen und alle Bemühungen um den Preisabbau" sind für die Katze. Es ist höchste Zeit, das? in die Finanzverwaltung ein anderer.Zug kommt und -daß eine starke Hand und ein klarer, fester Wille gründlich Ordnung schasst. Denn täuschen wer uns nicht: wenn es nicht gelingst das Vertrauen des Auslands wre- derherzustcllen und wenn die unerbittlichen Forderun­gen der Feinde, nicht erfüllt werden, so wird,, auch wenn die Konferenzen von Brüssel diese ist am 2§. September eröffnet worden und Gens nicht alle französischen Wünsche eriüllen sollten, das Rnhrgebiet totsichcr besetzt werden; die Entente wird uns die Kriegs­entschädigung diktieren und deren Eintreibung durch eine Finanzkontrolle über Deutschland sichern-, Nnt der finanziellen und wirtschaftlichen Selbständigkeit ist es ans und Deutschland ist nur noch Vasallenstaat.

Millerand ist deshalb mit so großer, Mehrheit, mir 695 von 892 abgegebenen Stimmen, am 23. Sept- tember von der Nationalversammlung in Versailles für 7 Jahre zum Präsidenten der französischen Republik gewählt worden, weil er Frankreich die srste Zusage gemacht hat, er werde auch als Staats­präsident' über der genauesten Durchführung des Ver­trags von Versailles wachen und, wenn nöug, selber eingreisen, wenn er bemerken sollte, daß' die Strenge gegen Deutschland Nachlasse. Millerand wird also kein Bedenken tragen, die- von der Verfassung dem Staats­präsidenten gezogenen Schranken zu überspringen, um die Politik der schärfsten Niederhaltung Deutschlands zu sichern. In diesem Willen weiß er sich eins mit dem weitaus 'größten Teil des französischen Volks, dem es verheißen wurde, ans Kosten Deutschlands ein Fanlenzer­leben zu führen. Deutschland wird alles bezahlen, sagte der französische Finanzminister Mars l. Wie lange das Zahlen fortgeht, Peiß Marsal wahrscheinlich.nicht; wer auch nicht. Lange könnee es in dem bisherigen Maße ab^r nicht mehr dauern. Haben doch bisher, schon für die feindlichen Besatzungen es sollen 150 bis 160000 Mann sein und die verschiedenen Kommis,iouen nicht weniger als 149/2- Milliarden Mark, au gesendet wer­den müssen, während unser ganzes srüymes -Heer samt der Marine jährlich kaum eine Milliarde gckoftet hat. Wollen sie nicht bezahlen, sagt Millerand, so sollen sie bluten, das ist die Politik Frankreichs, minde­stens solange Millerand und das Pariser Großkapital Macht.haben. Deshalb wird der ruchlose Aufstand der Polen geschürt, deshalb soll auch Oberschle­sien weggerisscn -werdeni D'e französischen Ka­pitalisten möch'e.r sich der scklesiKen Grub n bemäch­tigen, wie sie, dich'uigen des Saargebirns und in Elsaß-- Lothringen an sich gerissen baren. Kann dann Deutsch­land dre zwei Mn-ionen Tonnen Kohlen nicht mehr liefern, so winkt ihnen noch der gewinn des Ruhrge­biets. Und das französische Heer von 700000 May» ist im Verein mit den Polen stets bereit, die Deutschen auch buchstäblich , bluten" zu. lassen, wenn sich irgcnd- «n Vorwand zu einem neuen!K r i e g machen läßt, denn Deutschland ist nach Clemcncean immer noch um 20 Mil­lionen 'Menschen zu stark, und die Franzosen werden von ihrer Angst vor den Deutschen nicht befreit sein, ehe nicht der Wunsch Elemeuceaus In Erfüllung geht und die 20 Millionen nicht mehr bestehen. Das -schönste ist, daß Deutschland nicht wenig zu dem Unterhalt des französischen Heers beitragen muß, gmz abgesehen von den Kosten der Besatzungen, Kommissionen usw., denn das, was Frankreich von Deutschland verlangt, geht über Wiederherstellung und Kriegsentschädigung weit hinaus.

So ist also der vom Reichssinanzminister vorgelegte Plan ^ zur Ordnung der deutschen Finanzwirtschast in jedem, Betracht die L-ebensuotwendigkeit für Reich und

Volk und es ist zu wünschen, daß er mit Geschick und Tatkraft durchgeführt werde. Deutschlands Ver­waltung war einst vorbildlich in der ganzen Welt- Die­sen Ruhm müssen und können wir wieder erlangen, wenn der richtige Geist, der in den Stürmen der letzten Jahre leider im ganzen Volk notgelitten hat, wieder bei uns einzieht. Darauf hat Dr. Wirth mit Recht hingcwie- sen. Nur mit dem Geist der Arbeitsamkeit der Selbst- bescheiduug und der hingebenden .Pflichterfüllung kaum die große Ausgabe gelöst werden, von der unser Sein oder Nichtsein abhängt. , :

Ministerpräsident Millerand ist, wie bereits kurz mitgeteilt, mit 695 von 852 abg gcbenen Stimmen zum Präsidenten von Frankreich gewühlt worden. Ter so­zialistische Kandidat D e l 0 r y erhielt 69 Stimmen.

Nach dem kurzen Zwischenspiel Dcschaucl tritt' wie­der ein Mann an die Spitze Frankreichs, der nicht, wie die Mehrzabl der französischen Präsidenten, nur etwas darstellcu will, sondern in die französische Politik ein­zugreisen bereit ist, wie es auch Poincare gwan hat. Ob Millerand sich dazu wirklich des Mittels der Ver­fassungsänderung bedient, wie er und seine Freunde an- gcdeutet haben, mag vorläufig dahingestellt sein, jeden­falls erstrebt er ausgedehnte Vollmachten für den Prä­sidenten.

Es ist vnznnehmen, daß Millerand die Liste seines