M-E

ES

'ES-

^OSD

(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

: krlckteint tsglicb, «usgenommen äonn- u. keirrtsgs. : kerugsprris monstlictt Mk. 4.S0, vierteljSbrliik 13.L0 : frei ins Haus geliefert: durdi die Post bezogen im : inncrdcuttchen Verkekr Mk. 13.30 und 90 k>fg. post- : , bettellgeid.

Anreigenpreis: die einspaltige petitreiie oder deren kaum 30 pfg., auswärts 60 pfg.. kieklsmereilen f.30 Mk., bei grööeren Aufträgen kabatt nactt Larik. äcliluv der Anreigenonnskme: ISgiicb 8 Ubr vor­mittags.

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitnng: Th. Gack in Wildbad.

ol,'

GM

MW

«HKS

Nummer 222 Fernruf 179.

Ein wichtiger Kabinettsrat.

Der Finanzplan Tr. Wirths.

Bcrlin, 23. Sept.

WTB. berichtet amtlich: Gestern mittag fand unter ^ dem Vorsitz des Reichspräsidenten eine Kabine.tssitzung ! statt. Gegenstand der Verhandlungen war die Finanz- ^ läge des Reichs- Die Besoldung-frage, in der die l Schwierigkeiten der Finanzlage in letzter Zeit besonders ! deutlich zum Ausdruck kamen, bildete nur einen po- , litisch und sachlich allerdings wichtigen Teil der Be- s ratung. lieber die Grundlagen der zu befolgenden Fi- ! nanzpolitik ergab sich eine einheitliche Auffassung des Kabinetts- Zur Aufrechterhaltung des von dem ! Reichsfinanzminister eingereichten Rücktrittsgesuchs ! lag keine Veranlassung mehr vor. !

Der Reichssinanzminister leitete die Beratungen mit ! einer eingehenden Darlegung der Reichssinanzlage ein. ! Im Anschluß an diese Ausführungen erörterte das Kali- ! nett zunächst den Referentenvorschlag für die Besol­dung sord nun g. Tie Beratung führte zu dem Be­schluß, daß der Referentenvorschlag mit Vor­behalt kleiner Abänderungen zur Grundlage des Gesetz­entwurfs gemacht werden soll, lieber die Notwcndigieit des Erlasses eines Sperrgesetzes, durch das eine einheitliche Regelung der Beamtenbcsvl- dnn a im Reich und in den Ländern gesichert werden soll, i herrschte Einstimmigkeit- Die Vorlage wird dem Reichs- ! rat und dem Reichstag alsbald zugehen.

Der Reichssinanzminister entwickelte darauf eine Reihe i von Forderungen, die er zum Zweck der Gesundung der ! Neichsfinanzen als unumgänglich bezeichnet^ Hierbei ! wurde als einmütiger Wille des Kabinetts festg stellt, daß i die von der Nationalversammlung verabschiede.en Steu- ! ergesetze unbedingt dnrchgeführt werden. Ins- i besondere gilt dies von dem Reichsnotopfer. Ein G e§- j setzentwurf, der ans der Grundlage des Reichsnot- opsers einen erheblichen Teil seines Ergeb­nisses alsbald dem Reich zu führen soll, wird mit Beschleunigung eingebracht werden. Das Reichsfi- . nanzministerium wird dem Reichstag sofort nach seinem ; Zusammentritt Nachweise über den gegenwärtigen Stand der Steuerveranlagung und -Erhebung geben. Die wei­teren Erörterungen führten zur vollen Einmütigkeit in dem Beschluß, die Stellung des'Reichsfinanz- ministers im Reichskabinett zu stärken und seinen Einfluß auf die Finanzgebarung des Reichs zu ^ erweitern. Dieser Beschluß wurde wesentlich mit'Rück- - sicht darauf gefaßt, daß eine unbedingte Notwendigkeit ! besteht, zur Vermeidung des Zusammenbruchs unserer s Finanzen einen Stillstand und womöglichcn Ab­bau in den R ei ch s ans g ab e n herbeiznsührrn und alle Mittel zu ergreifen, um einer weiteren Geldent­wertung zu begegnen.

lieber folgende Grundsätze wurde ebenfalls Ein­stimmigkeit herbeigeführt:

In den ordentlichen Haushalt lni so len gründe tzllch keine neuen Ausgaben eingestellt w.rden. Eine MnmMge Einschränkung der bisherigen Ausgaben ohne Unlcr- blnduna des Ausbans von werbenden Anlag:» soll in allen Hmishärtsplänen durchgeführt werden. Weiter wurde beschlos­sen: Größte Sparsamkeit auf persönlichem und sachlichem Gebiet bei schärfster Nachprüfung a.lr Ansä';e auf Kürzung durck das Ne i ch sfi nanzm ini st e ri u in. Fortschreitender Abbau der bisher genehmigten Stell-». Erneute Nachprü­fung des Bedarfs in den einz:ln:n Ressorts unter Entsendung besonderer Kommissare oder sachverständig'! Beauftragter des Reichsfinarrzministeriums. Scharfer und beschleunigter Abbau der bestehenden Kri gsorgan'safton n. insbesondere der Kricgsgescllsrbakten und Kricgsstellen unter Mit­wirkung und M'tkont o 0 tes R.ichssinairzmii-isteriilnis. Schleu­nige Abwickelung des Kricgssonds und Abbau der noch be­stehenden Stellen des alten Heers. Das Re'chsfmanzmini- sterlum wird darüber beim Zusammentritt des Reichstags so- - fort eine Denkschrift vor ige':. Zusammen!:gung aller Organi­sationen, die gleichen Zw ck:n ti nrn: e'n lnso'.derer Kam- ^ missar vom Reichssi, auzministenum wird alsbald die Zu- : sammeulegungearbeit e'rl iten.

Das Neichskabinett ist aber der Auffaisnna, daß die j Beseitigung des Fehlbetrags von 16 Milliarden bei der Eisenbahn und von zwei M i l li ar d en bei der Post mit allen Kräften angestrebt werden muß. lieber -die notwendigen und bereits in Ang uss genommenen Maßnahmen machte der Reichsverkehrsminister eingehende Mitteilungen. Schließlich trat das Kabinett in eine Er­örterung der Sozialisierungsfragen ein und be­schloß einstimmig, den Reichswinschaflsminister zu be­

Niläbaä, kneitsg, äen 24. September 1920.

Fernruf 179.

54. ^sbrggng

auftragen, ans der nun vorliegenden Grundlage des Be­richts der SozialifiernngiMmmission umgehen d den Entwurf eines Gesetzes über die Soziali­sierung des Bergb ans vorzulegen. Die Ueber- prüfung der Er n ä hrun g Sp o litt k des Reichs im Zusammenhang mit der finanziellen Lage und die Wei­terbehandlung der Wirflchaslsflagen ersölgt im Wirt­schaftsausschuß des Neichskabinett^, das am Freitag die Programmatischen Beratungen sortsetzen wird.

Die Finanzlage ist mehr als e n ß

In seinem im Kabinettsrat vorgetragenen Bericht führt Reichssinanzminister Dr. Wirth aus:

Wir stehen offenkundig vor der Notwendigkeit, uns über die finanzielle Lage des Reichs Rechenschaft zu geben. Es genügt aber nicht, sich nur die Tatsachen vor Äugen zu halten und die furchtbare Wucht der Zahlen ins Gedächtnis einzngrabcn und Probleme zu sehen, sondern wir müssen zu weittragenden Entschlüssen kom­men und ein Wirtschafts- und Finanzprogramm für die nächste Zeit uns vornehmen. Schlechte Finanzen sind wohl auch der Ausdruck einer krankhaften Wirtschaft. ES seien deshalb heute nur wenige Zahlen wiederholt. Tie steigenden Summen sprechen eine lebendige Sprache. Niemand, insbesondere die Beamten, sollte sich der Ge­walt dieser Sprache entziehen.

Im Jahr 1919 stellte die Reichssinanzverwaltung ei­net: Haushalt auf, der ordentliche Einnahinen und Aus­gaben nach dem Soll in Höhe von 15,8 Milliarden hatte, ferner außerordentliche Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 47,2 Milliarden, somit Gesamteinnahmen und -Ausgaben mit 63 Milliarde!'. Der Voran­schlag für das Jahr 1920 sieht, wie er jßtzt dem Reichstag zugeht, Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 39,8 Milliarden vor, wobei allerdings zu berücksichtigen wäre, daß diejenigen Reichseinnahmen aus Steuerge­setzen, von denen ein Teil den Ländern und Gemeinden znfällt, mit dem vollen Aufkommen in Einnah­men und mit dem an die Länder und Gemeinden abznführenden Betrag von 9,4 Milliarden Mark in Ausgaben nachgewiesen sind, sodaß nach Abzug dieser Summe die eigentlichen Ausgaben des Reichs im ordent­lichen Plan sich auf 30,4 Milliarden belaufen. Dev außerordentliche Plan sieht Ausgaben vor in Höhe von 39,7 Milliarden und Einnahmen von 2 Milliarden, hat also einen Fehlbetrag von 37 Milliarden. In diesen Zahlen sind die reichseigenen Betriebe, Eisen­bahnen und Post, nicht mit enthaltein Für diese wird vielmehr ein eigener Haushalt aufgestellt, bei dem jetzt für Aie Reichseisenbahnverwaltung ein Fehlbetrag von über 16 Milliarden und bei der Post ein Fehl­betrag von über 2 Milliarden feststeht. Wenn es nun auch gelungen ist, den ordentlichen Haushalt bei höchster Anspannung aller Einnahmequellen auf dem Pa­pier auszugleichen, so verbleibt immerhin aus den nicht gedeckten Ausgaben des außerordentlichen Haushalts und der Post und Eisenbahnen ein Gesamtfehlbetrag von 55,7 Milliarden Mark.

Bei den Ausgaben sind im außerordentlichen Haus­halt allein Aufwendungen aus Anlaß der Durchführung des Friedensvertrags und seiner Vorverträge für das Rechnungsjahr 1920 25 Milliarden vorgesehen. Dazu kommen noch die finanziellen Anforderungen an das Reich für Entschädigungen an Reichsangehörige ans An­laß des Fricdensvertrags, die geschätzt werden auf 17 Milliarden, für die Abtretung der deutschen Handels- Zotte auf 90 Milliarden, für die Liquidation des deutschen Eigentums iin Ausland ans lOhz Milliarden, für die Ablieferung von Kriegsgerät nsw. ans 13 H 2 Milliarden. Mach dein Kriegsschädengesetz vom 3. Juli 1916, sowie nach den in Vorbereitung befindlichen Kriegsschäden ge­sehen für Schäden im Ausland, in den ehemals deutschen Schutzgebieten nsw. Die Gesamtforderung für Entschä­digungen an Re ich sangehörige infolge des Kriegs beläuft sich demnach ans 131 Milliarden, wobei das in den letzten Wochen erfolgte Sinken des ,Markwerts noch nicht berücksichtigt ist.

Nicht enthalten sind in diesen Zahlen die Summen, die das Reich für Lieferungen und Leistungen zu tragen hat, die als Wiederherstellung im Sinn des .Friedensvertrags an die Verbandsstaaten bewirkt wor­den sind und weiter bewirkt werden und deren Ge­samthöhe sich überhaupt noch nicht übersehen, läßt. Die

> Sriedensansgaben für das Rechnungsjahr 1919 sowie , für das erste Drittel 1920 und der voraussichtliche j Bedarf für die Zeit vom 1. August 1920 bis einschließlich ! 3l. März 1921 werden sich ans mindestens rund 54 Mil- ! liarden belaufen, wobei betont tverdcn muß, daß es § sich zum sleößten Teil noch keineswegs um endgültige Zahlungen, sondern nur um Vorschüsse auf Entschädi­gungen handelt, deren Festsetzung oft kaum noch begann ! neu hat. Eine Ziffer verdient noch besondere Beachtung:

! daß für den genannten Zeitraum allein für Be- ! satzungsheere, den Wiederherstellun^saus- ! schuß und andere Berbandsko mini schonen 14,9 Milliarden erforderlich sein werden.

Es ist deshalb nicht zu verwundern, daß die schwebende Schuld des Reichs gewaltig in die Höhe geht und daß ihr Anwachsen und die damit verbundene Papierflut als lawinenhast bezeichnet werden muß. Die s ch w e- bende Schuld des Reichs ist im Jahr 1920 und zwar bis zum 18. September um 4 7,5 M illi ard en M k. gewachsen. Die diskontierten Schatzanweisungen und Schatzwechsel beliefen sich am 18. September auf 132,3 Milliarden Mark, wozu sich weitere Zahlungsverpflich­tungen ans Schatzanweisungen und Schatzwechseln, sowie Sicherheitsleistungen in Höhe von 19,4 Milliarden ge­sellen. Die Gesamtschuld mit Einrechnung der fun­dierten Schuld im Betrag von 91 Milliarden beträgt demnach 2 4 2,7 Milliarden. Dazu treten die den Ländern noch abznnehmenden schwebenden Schulden und die Zinsverpflichtungen an die Länder aus An- I laß der Uebernahme der Eisenbahnen im Gesamtkapital-, s betrag von 25 Milliarden und die von den Ländern ! verauslagten Beträge für Familienunterstützun­gen, Kriegswohlfahrtspflege nsw. in Löhe von 16 Milliarden.

Diese Zahlen rechtfertigen wohl oao Urteil, de ß unsere Finanzlage mehr als ernst bezeichnet werden muß. Man darf sich deshalb nicht verwundern, daß der Reichssinanzminister der Erledigung der Bcsoldungsord- nung, die neue große, dauernde Lasten bringt, mit größ­ter Besorgnis entgegcnsieht, vor allem dann, wenn fest- gestellt ist, daß allein die Reichseisenbahnverwaltung einen Zuschuß von über 16 Milliarden in diesem Jahre, t erfordert. Das beschlossene Gesetz vom 30. April 1920 erfordert an Grundgehältern, Onchuschlägen und Teue-^ runasznschlügen jährlich 9,9 Milliarden. Tie Mehr-i kosten (einschließlich dessen, was die Nationalversamm­lung noch zugefügt hat in Höhe von -rund 2 Milliarden Mark) betragen 7,8 Milliarden Mark gegenüber der früheren Besoldung. Der jetzt zur Ent­scheidung stehende sogenannte Referentenvorschlag, der übrigens im Benehmen mit allen Ressorts und den Be- amtenorganisationcn Sande kam, erfordert eine Mehr- aufwendnng von 82 l Millionen gegenüber dem Gesetz! vom 20. April. Die jetzt noch geäußerten Wünsche der Beamten würden nach Berechnung des Neichs^inanzmini- steriums eine weitere Mehrforderuna von'rund 863 Millionen Mark bedeuten, wobei diesen Wünschen gegen­über noch besonders finanzpolitisch in Betracht kommt« daß sie auch in den Ländern und Gemeinden wie­derum zu neuen Forderungen führen müssen und ebenso Rückwirkung auf die Tarifverträge der Angestellten, sowie der Reichs- und Staatsarbeiter äußern würden.

*

Die Regiernngskrisis kann nun als über­wunden betrachtet werden. Das Kabinett ist, wie der amtliche Bericht absichtlich wiederholt hervorhebt, mit ,,voller Einmütigkeit" dem Resonnplan Dr. Wi.ths bci- getrcten. Die beidenStörenfriede", die durch außer­ordentliche Forderungen dem Reichssinanzminister das Konzept zu verderben im Begriff waren und die auch das größte Defizit in ihrem Ressort sertiggebracht ha­ben, Gröner und Giesbcrts, konnten den er­schütternden Zahlen Dr. Wirths ihren Stand­punkt nicht weiter behaupten. Wenn es einmal heißt: in einem Jahr hat die deutsche Finanzwirisch:ft einen Fehlbetrag von etwa 56 Milliarden (in Wirklichkeit wird er noch höher werden) und davon entfallen auf die Reichsbetricbe der Eisenbahn und Post über 18 Milliar­den, dann hat man übergenug. Indem in dieser Weise drauf losgewirtschaftet wurde, hat das Reich einschließf- lich seiner Verpflichtungen an die Einzelstaaien und Ge­meinden eine Schuldenlast von 284 Milliarden, abge­sehen von seinen Entschädigungsverpflichlnngcn an Reichs­deutsche im Ausland und für die fahrlässig geopferte