(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftlettnng: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 218

Fernruf 179.

^lläbaä, Monwg, äen 20. Zeplember 1920.

Fernruf 17S.

34. )gfirgemg

ErzvergersErlebnifl § irnKrieg".

Bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart ist soeben das Buch des früheren Reichsfinanzministers Erz- bergerErlebnisse im Weltkrieg" erschienen. Vieles, was in dem 396 Seiten umfassenden Buch geschrieben ist, ist schon-b ekannt. Erzberger gibt ein zusammenhängendes Bild seiner Tätigkeit im Weltkrieg. Kein vollständiges. Er sagt, daß er die Stunde noch nicht für gekommen halte, seine gesamten Erlebnisse zst erzählen; politisch« und persönliche Gründe legen ihm diese Zurückhaltung auf. Er gibt die Dinge, so wie er sie sah und sehen konnte. Als einflußreiches Mitglied der Zentrumspartci mit weitgehenden Beziehungen zum katholischen Aus­land hatte er Gelegenheit, manche Dinge auch von der Kehrseite kennen zu lernen.

Erzberger beginnt mit der Darlegung seiner Beteili­gung an der deutschen Propaganda. Gerade in diesem Punkt fühlt er sich zur Diskretion verpflichtet, immerhin teilt er mit, daß er gegen den durch Mittels­männer angebotenen Ankauf einer französischen Zeitung ausgetreten sei. Die 10 Millionen Franken wurden trotzdem ausgegeben. Er beklagt es, daß eine Einheitlich­keit in der deutschen Auslandspropaganda nicht zu ge­winnen war. Darum legte er den Hauptteil seiner Tätigkeit auf die Aufklärung der Katholiken im neu­tralen und feindlichen Ausland. Dazu gehörte vor allem die Aufklärung des Vatikans. Bereits im Septem­ber 1914 wurde den zur Papstwahl, in Rom versammel­ten'Kardinälen eine Denkschrift in lateinischer Ueber- jetzung vorgelegt, in der ansgeführt war, daß Dentsch- -lano nicht ans Eroberungslust den Krieg archfechte, sondern um seine Existenz kämpfe. Dabei wird darauf hingewiesen, daß der Angriff vom orthodoxen Mosko- witertum ausgehe, dessen Sieg eine schwere Schädigung des Katholizismus bedeuten würde. .Erzberger schil­dert hier auch seinen Anteil an der Tätigkeit des katho­lischen Propaganda-Ausschusses, die sich namentlich gegen die Propaganda der französischen Katholiken wandte. TieInternationale Katholische Union" w/ir der deut­schen Heeresleitung als eine den deutschen Interessen nachteilige Organisation bezeichnet worden. Erzberger hat diese Verdächtigung in einer Denkschrift widerlegt.

Neben seiner Rolle in den Friedensbemühungen von '1917 dürfte Erzberger wohl seine römischen Ver­handlungen vom Frühjahr 1915 als den Höhe­punkt seiner diplomatischen Tätigkeit betrachten. Er nimmt für sich das Verdienst in Anspruch, die Er­nennung des Fürsten Bülow zum Botschafter in Rom durchgewtzt zu haben. Mit Bülow setzte sich Erzberger auch über Idessen Konflikt mit. der Zentrumspartei von 1906 auseinander. Bülow versicherte, daß er die volle' Gleichheit der christlichen Konfessionen stets als einen Grundsatz seiner inneren Politik angesehen habe. Ja- gow, der Staatssekretär des Auswärtigen, war gegen die Entsendung Vülovjs. Wer das entscheidende Wort gesprochen hat, sagt Erzbergcr nicht. Bülows Tätigkeit wurde im Auswärtigen Amt zunächst übel ausgenommen. Man sagte, seine ersten Berichte, die der Natur nach düster gehalten sein mußten, wären eine absichtliche Mache, die seine späteren Erfolge umso größer erscheinen lassen und ihm so den Weg zur weiten Kanzlerschaft ebnen sollte. Erzberger spricht hier von einemwiderlichen Intrigenspiel". Nach seiner Darstellung hat Bülow die italienischen Verhältnisse richtig beurteilt. Das große Hindernis für den von allen Beteiligten als notwendig erkannten österreichisch-italienischen Ausgleich war der österreichische Botschafter Baron M acchio. Erzberger ging im Februar 1915 nach Rom. Auch er stellte fest, daß Italiens Neutralität nur mit Gebietsabtretungen auf­recht zu erhalten war. Er machte entsprechende Vor­schläge an die deutsche Regierung/ Daraus ist hcrvor- znhcben, daß der Heilige Stuhl ans Wien einwirken müsse. Außerdem wäre es notwendig, daß Deutschland an Oesterreich Zugeständnisse mache und zwar durch Regulierung der Elbe ohne Schissahrtsabgaben und lleberlassung des Kohlcngebiets von Sosnowice. Doch die Verhandlungen kamen nicht in FliA Im Mai reiste .Crzberger wieder nach Rom. Er telegraphierte an maß­gebende Wiener Kreise, daß die Sache auf des Messers Schneide stehe. Unterredungen mit Son'nino und SIr­land ra ließen ihm nicht den geringsten Zweifel über den Ernst der Lage. Wie gerade dieser Tage bekannt

wurde, war Italien in der Tat schon einen Monat vor­her ziemlich festgelegt. Sönnino und Salandra haben aber die andere Seite im Glauben gelassen, daß nichts entschieden sei. Wien wußte bei den Italienern kein Vertrauen zu erwecken, und diesen genügte auch nicht die Bürgschaft Berlins für die Erfüllung der Wiener Versprechungen. Einen großen Teil der Schuld schiebt Erzberger dem Baron Macchio zu, der im eutschei­denden Augenblicke zögerte, seine Unterschrift unter die von Bülow und Erzberger gemachten Vorschläge zu setzen, obwohl Burians Zustimmung als sicher anzunehmen war. Es ist aus den Erzbergerschen Darlegungen nicht zu schließen, die leitenden italienischen Minister hätten den Eintritt in den Krieg vermeiden wollen und eine bessere diplomatische Arbeit hätte Erfolg gehabt.

Erzberger behandelt sehr eingehend die Geschichte der päpstlichen Friedensbemühungen von 1917. Seine persönliche Rolle ist. durch seine eigenen frühe­ren Erklärungen schon ziemlich genau bekannt geworden. Das Mißlingen führt er darauf zurück, daß die deutsche Diplomatie nicht genügend darauf einging und gleich­zeitig versuchte, über Spanien einen Fadeq nach London zu spinnen, der nicht einmal richtig angeknlipft worden sei, zum Teil wegen des noch unaufgeklärten Verhaltens der Madrider Regierung. Die unglückliche Episode der österreichisch-französischen Sonderver­handlungen von 1917 schildert Erzberger vielleicht pu optimistisch. Die Veröffentlichungen des Prinzen

Srxtus lassen zu deutlich erkennen, daß Kaiser Karl in seinem Entgegenkommen an die Franzosen viel zu weit gegangen war. Erzberger war zu jener Zeit nicht über die volle Tragweite des kaiserlichen Schrittes unter­richtet. Die Abtretung Elsaß-Lothringens wurde, wie Erzberger mitteilt, schon im Frühjahr 1915 bei den italienischen Verhandlungen erwähnt. Burian fragte, warum Oesterreich Trient abtreten solle, um Italien zu befriedigen, während Deutschland mit dem «Verzicht auf Elsaß-Lothringen den Krieg sofort beendigen könnte. Das ist übrigens ein Kapitel, das nach Erzberger heute noch nicht erschöpfend behandelt werden kann.

In Konstantinopel hatte Erzberger schon zu einer Zeit, als die Oesfentlichkeit keine Ahnung von der Wahrheit hatte, sehr ungünstige Eindrücke empfangen. Was er sah, läßt sich deutlich genug an dem sinken­den Kurs der deutschen Mark und dem steigenden Kurs des französischen Franken in der Türkei demonstrieren.

Das Buch enthält ausführliche Darlegungen über die Rolle der Frei mauer ei im Weltkrieg, über den U-Bootkrieg, über den Uebergang zum parlamentarischen Regime, den militärischen Zusammenbruch, den Gang nach Compitzgne, den Waffenstillstand und den Kampf um die Unterzeichnung des Friedens in Weimar. Erz­berger schildert die Ereignisse von seinem persönlichen Standpunkt aus,. bringt aber manche interessante Züge in das Bild. Dabei unterlaufen auch kleine Jrrtümer, die vielleicht eine weitere Erörterung in der Oeffentlich- keit nach sich ziehen werden. CharakteristisH ist es, daß eine auf allen diplomatischen Feldern so rührig ein­greifende Persönlichkeit wie Erzberger den Kaiser nnr dreimal gesprochen hat. Im Juli 1917, anläßlich der Friedensresolution des Reichstags, mußte Erzberger in einer Unterredung mit Schrecken.gewahren, wie wenig der Kaiser die Lage erkannte. Als etwas Neues teilt Erzberger mit, daß er mit dem Kaiser nochmals in den erregten Tagen vor Abschluß des Friedens wegen der A usl i e f erun g s fr a g e in Verbindung getreten war. Aber er will sich noch nicht näher darüber aussprechen.

Der Schiffahrtsvertrag des Nordd. Lloyd.

Wie dieBremer Zeitung" meldet, sind die zwischen dem Norddeutschen Lloyd und der United States Mail Steamship Company in Neuyork gepflogenen Verhand­lungen über ein enges Zusammenarbeiten dieser Gesell­schaften im deutsch-amerikanischen Schiffsverkehr zum Ab­schluß gelangt. Während nach amerikanischen Gesetzen die U/S. Ätail die Führung ihrer Geschäfte in Ame­rika selbst in die Hand nehmen muß, hat der Morddeutsche Lloyd die Generalvertretung für di^ U. S. Mail für Mitteleuropa übernommen.

Tie U. S. Mail Steamship Company, eine vor kur­zem in Neuyork gegründete Gesellschaft, hat von dem amerikanischen Shipping Board den größten Teil der

in Amerika befindlichen früheren deutschen Reisedampfer übernommen, u. a. die früheren Norddeutschen Lloyd-, dampferGeorge Washington",Kaiser Wilhelm II.", Kronprinzessin Cecilie",Großer Kurfürst",Köln", Neckar",Rhein",Prinzessin Irene" undPrinzeß Alice", sowie die früheren Hamburger DampferAme­rika",Präsident Grant" und andere. Ter frühere Norddeutsche LloyddampferRhein", jetztSusguehan- na", ist zur Zeit init über» 2000 Reisenden, voller La­dung und Post auf der Heimreise nach Neuyork. Tie übrigen Dampfer werden nach Beendigung ihrer Aus­besserung in den Dienst gestellt werden. Die U. S. Mail hofft, daß bereits Ende Oktober weitere drei Dampfer den Verkehr; zwischen den Vereinigten Staaten und der Weser ausnehmen können: Ter Norddeutsche Lloyd wird der U. S. Mail Steamship Company zur Unterhaltung der früher vom Norddeutschen Lloyd betriebenen Li­nien zwischen Bmmen und Nordamerika seine Anlagen irr Bremen und Bremerhaven, sowie sein geübtes Per­sonal und feine im Lauf von Jahrzehnten gesammel­ten Erfahrungen zur Verfügung stellen.

Es ist beabsichtigt, in erster Linie den Dienst New» york Bremen und Baltimore Bremen und dane­ben einen regelmäßigen Dienst von Boston nach Bre­men und von Neuyork nach Danzig einzurichten. Der Norddeutsche Lloyd ist berechtigt, in diese Linien eigene Dampfer nach Maßgabe seines Wiederaufbaus einzustel­len. Ter Vertrag läuft auf fünf Jahre und kann von da ab durch gegenseitiges Uebereinkommen jährlich ver­längert werden.

lieber dem Abkommen der Hambnrg-Amerika-Linie mit dem Harryman-Konzern sind die Verhandlungen der Bremer Gesellschaft mit der Unüed States Mail Steam­ship Company viel zu wenig beachtet worden. Ter Grund­gedanke ist bei beiden Vertrügen der, daß die Ameri­kaner einen Weg-gesucht haben, die prachtvollen deut­schen Ozeandampfer, die ihnen aus der Kriegsbeutezu­gefallen" sind, nutzbringend zu verwerten, um den eng­lischen Gesellschaften gegenüber - dauernd den Ozean zu halten. Andererseits waren die Hamburger und Bremer Gesellschaften außerstande, ihr gut eingearbeitetes Perso­nal zu beschäftigen und.den ganzen Apparat Qs Schiffs­verkehrs wieder arbeiten zu lassen, nachdem das Ab­kommen mit der Entente zu dein Verlust unserer ge­samten Ozeanflotte geführt hatte.'

Es spricht für den prallischen Sinn der Amerikaner, den kritischen Moment erkannt und- im letzten Augen­blick noch ausgenutzt zu haben. War das aus den Schiffsbesatzungen und dem zahlreichen Bnreaupersonal bestehende Unternehmen unserer großen deutschen Ree­dereien einmal aufgelöst, so war es nicht so leicht wie­der zusammenzubringen. Andererseits ist's ein offenes Geheimnis, daß die Amerikaner, die selber gar keine, praktischen Erfahrungen auf dem Atlan ischen Ozean mit" solchen Schiffen haben, deutschen Riesendampfer gar nicht zu behandeln, geschweige denn auszunützen wissen.

Liegt doch beispielsweise der RiesendampferLeviathan" - ehemalsVaterland" heute mit schweren Maschi­nenschäden bei Neuyork, weil die amerikanischen Inge­nieure mit den deutschen Maschinen nicht ümzngehen wis­sen. Bei dem Geschäft werden beide Teile schließlich gut fahren, wenn es auch bitter und schmerzlich für uns Deutsche bleibt, unsere schönen Schiffe unter amerika­nischer Flagge fahren zu sehen.

Die deutsche Getreidewirtschaft.

Im Unterausschuß des Reichswirtschaftsrats für Er-, nährung und Landwirtschaft stellte der Vorsitzende der Reichsgetreidcstelle, Geheimrat Kleiner, fest, daß die diesjährige Ernte unbefriedigend sei. Die Roggen- ernte habe fast überall im Reich enttäuscht. Tie Absicht der Reichsgetreidestelle, für das Deputat der Landarbeiter eine gewisse Höchstmenge festzusctzen, sei durch den Beschluß-des Ernährungsausschlusses des Reichstags durchkreuzt worden, daß das Deputat in vol­lem Umfung freigegeben fei. Dadurch ergebe sich für die . allgemeine Versorgung ein Ausfall von 500000 Ton­nen, die wohl zum Teil wenigstens dem Schleich­handel verfallen dürften. Tie Reichsgctreidestelle schätze die neue Brotgetreideernte vorläufig auf 7 Millionen Donnen, die Anbaufläche habe sich um 7.35 Proz. vermindert.. .Me^ M g.iL e rmt e w?r.dx. als Mit-