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Nummer

(Enztalbote)

Amtsblatt für Wlldbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Cnztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

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Fernruf 179.

Mjläbsä, Mitt>voäl, äen 15. September 1920.

Fernruf 179.

54. ^siirgemg

Die QuaLitätsarbeit.

Von amtlicher Stelle wurde neulich ausgesprochen, daß die industrielle Erzeugung in Deutschland hinsichtlich der Qualität vielfach arg nachgelassen habe. Man braucht nur an die Tuchstoffe, Zündhölzer, Zigarren usw. zu erinnern. Vor Jahrzehnten, als die deutschen Industrie sich eben mächtig zu entwickeln begann, wurde bei Gelegenheit einer amerikanischen Weltschau über ihre Erzeugnisse das vernichtende Wort gesprochen:Billig und schlecht". Das hat man sich in Deutschland dann Wohl bemerkt: das Augenmerk wurde nicht mehr aus­schließlich auf die Waffenfabrikation gelenkt, mit sol­chem Erfolg, daß das neidischeMade in Germany" (hergestellt in Deutschland) zu einem Ruhmestitel für deutsche Waren wurde. Die deutsche Ware wurde wegen

ihrer gediegenen Qualitätsarbeit auf der ganzen Welt so bevorzugt, daß vielfach fremde Länder ihre Erzeug­nisse mit d em StempelMade in Germany" als deut­sche Waren ausgaben.

Dieser Vorzug der' Qualitätsarbeit droht nun aber nach dem Zusammenbruch wieder verloren zu gehen, und doch bleibt die deutsche Ware sozusagen die einzige Vi­sitenkarte, die wir (um Ausland abzugeben habest, und *ach der Beschaffenheit, der Güte der deutschen Waren, die man draußen sechs Jahre lang entbehrt hat, und die man jetzt, da sie allmählich wieder erscheinen, sehr sorgsam und kritisch Prüft, beurteilt man uns und unsere Aus­sichten für die Zukunft. Nachdem wir nun ein volles Jahr mit einer Exportpolitik derfreibleibenden Preise" wild drauflos gewirtschaftet haben, und das geistige Erbe eines halben Jahrhunderts sorgsam aufbauender Arbeit leichtherzig vergeudet haben, was in einem Jahrzehnt nicht wieder einzuholen sein wird, bleibt umso mehr das deutsche Fabrikat der einzige Wert- und Grad­messer für die Leistungsfähigkeit unseres Volks.

Auf der letzten Leipziger Herbstmesse hat, wie dis Leipz. N. Nachr." schreiben, der neue Reichskunstwart Dr. RedSlob seine Ideen über ein Zusammenwirken zwischen der deutschen Industrie und der deutschen Künst­lerschaft entwickelt.Gut ist es nur in einem Land, in dem ein jeder stolz ist auf seine Arbeit". Das ist ein Wort, daS nicht eindringlich genug allen eingeschärft werden kann. Und es' ist erfreulich» daß trotz Krieg und Zusammenbruch die deutsche Arbeit ihren Zusam­menhang mit den Grundsätzen nicht verloren hat, die in dm letzten Jahrzehnten vor dem Krieg allmählich eine gründliche Erziehung unseres ganzen Volks und seiner Anschauungen zuwege gebracht hatten, eine Erziehung, die darauf hinauslief, daß auch die große Masse wieder Freude am edlen Material und seiner kunstvollen Be­handlung und Verarbeitung, d. h. an einer Qualitäts­arbeit zu finden begann. Mit Qualitätsarbeit müssen wir unsere Rohstoffe und die Lebensmittel, die wir nicht selber erzeugen, dem Ausland bezahlen.

Und weil die Sache so ernst liegt, weil eine Ilnver- käuslichkeit der deutschen Fabrikate alsbald tausende deut­scher Arbeiter brotlos machen würde, muß mit dem­selben Nachdruck auch eine andere Seite des Wortes Qualität hervorgehobeu werden. Stolz sein kann man »ur auf eine Arbeit, die einwandfrei fertiggestellt wird und an der nichts zu tadeln sein darf. Das läßt sich leider von einem großen Teil der Erzeugnisse deutscher Werkstätten und Fabriken nicht mehr sagen. Schon beim Einkauf alltäglicher Bedarfs- und Verbrauchsartikel ma­chen wir die peinliche Entdeckung, wie mangelhaft gar vieles angefertigt ist. Mit noch kritischeren Augen aber sieht das Ausland die deutschen Fabrikate an.

ES ist nicht etwa eine Angelegenheit, die nur die mn deutschen .Kunstgewerbe unmittelbar beteiligten Kreise Kngeht; es ist die Lebens- und Existenzfrage unseres Hesamten Volks, ob wir wieder imstande sind, Qualitäts­arbeit in jeder Beziehung und auf ollen Gebieten zu leisten. Nur d>aun, wenn jeder, Arbeiter wie Fabrikant, «ine Ehre darin smcht, daß kein Stück deutscher Ar­beit die Fabrik verläßt, das nicht völlig einwandfrei ist, uno wenn auch der deutsche Exporthandel kein Er­zeugnis oeutscher Arbeit über die Grenze läßt, das nicht den Charakter der ulten deutschen Solidität trägt, nur dann werden wir mit deutscher Qualitätsarbeit aus dem Weltmarkt das wieder eircholen können, was uns ebenso bitter not ist, Rohstoffe und die uns fehlenden Lebens­mittel. Und nur über deutscher Qualitätsarbeit wird

das Ausland die Kriegsjahre und das häßliche Bild ver­gessen, das ein feindlicher Verleumdnugsieldzug seiner Vorstelluugswelt einzuprägen gesucht hat.

Neues vom Tage.

Ein landwirtschaftlicher Licserstrcik.

Berlin, 13. Sept. Tie Landwirte des Kreises Kö­nigsberg in der Neumark haben seit einigen Tagen ihre Lieferungen nach Berlin eingestellt, um dadurch die Abberufung des ihnen unangenehmen neuen Landrats zu erzwingen. Tiefer ist seinerzeit au die Stelle des wegen seiner Haltung im KaPP-Putsch abgesetzten Land­rats v. Keudell getreten und wird beschult!'gtz während der Erntezeit einen Landarbeiterstreir ins, Leben geru­fen zu halten. Ta sich das Ministerium des Innern bisher geweigert hat, dem Ersuchen der Landwirte de» Kreise- auf Amtsentsctzuna des demokratischen LaudratS stattzugeben, sind die Landwirte in den Streik getreten und Haber« such die Milchlieferuugen nach der Reichs­hauptstadt eingestellt.

Hanau, 13. Sept. Ter Deutsche Landbund der Pro­vinz Hessen-Nassau hat an den preußischen Mini­ster des Innern Severe ng (S-oz.) eine scharfe Er­klärung abgcchen lassen: Ter Laudbund habe erfahren, daß dee Regierung beabsichtige, die alten bewährten und allgemein beliebten Lau dritte aus ihren Aemteru zu entfernen und sie durch solche zu ersetzen, die den herr­schenden Regierungsparteien in Preußen, Sozialdemo­kraten, Demokraten und Zentrum, angehöreu. Dadurch würde der ausgesprochene Wille der großen Mehrheu der ländlichen Bevölkerung vergewaltigt. Tie kurhesii- sche und nassauische Bauernschaft sei aber entschlossen, sich mit allen geeigneten Mitteln gegen die willkürliche Verletzung ihrer staatsbürgerlichen Recht« wehren. -

Wiedereintritt der Sozialdemokratie in di* Regierung?

Berlin, 14. Sept. Auf dem Bezirkstag Groß-Berlin der Sozialdemokratischen Partei sagte Abg. Schlegel, die Partei dürfe sich nicht länger von der Regierung sernhalten, wenn ihr nicht eine Stellung um die ander» verloren gehen soll. Die politische Lage dränge dazu, daß die 'Partei schjon vor den Neuwahlen in Preu­ßen (wo die Sozialdemokratie noch die Führung der Re­gierung in Händen hat. D, Schr.) sich an der Reichs- regicrung beteilige,

Ein Teil der Sozialdemokratie ist nach Berliner Blät­tern für den unbedingten Eintritt der Partei in die Reichsregierung, während der andere Teil mit dem früheren Reichskanzler Müller eine Beteiligung ab­lehnt, solange die Deutsche Volkspartei im Kabinett vertreten ist.

Die Erste Kammer im Reich.

München, 14. Sept. Die Korr. Hofsmann meldet gegenüber den Nachrichten einiger Blätter, in Bayern bemühe man sich für die Einsetzung einer Ersten Kam­mer im Reichs, daß darüber keinerlei Vorbesprechungen mit der Reichsregierung stattgefunden haben.

Ter kommunistische Abgeordnete Eisenberger wur­de, als er von einer Versammlung in Troßberg zurück- lehrte, wegen Aufreizung zum Klassenkampf auf dem Bahnhof München verhaftet.

Eisenbahner-Tagung.

Dresden, 14. Sept. Die außerordentliche Haupt- verfammlung des Deutschen Eisenbahnerver- bands, die vorgestern hier zusammengetrcten ist, be­handelt die Frage des Zusammenschlusses mit dem Süd­deutschen Verkehrsverband. Vorstandsmitglied Schef­fel sprach über die wilden Eisenbahnerstreiks. Die Haupt­hetzer sitzen in Frankfurt a. M die ersichtlich nur politische Zwecke verfolgen. In der Frage des Trans­ports von Kriegsmunition habe die Regierung den nö­tigen Ernst vermissen lassen, allerdings seien die Ar­beiter auch Zu weit gegangen, wie mau an dem Vor­gehen der Eisenbahner in Erfurt ersehe, die auf einen Anschluß au Sowjet-Rußland und auf einen Krieg mit Frankreich hinarbciten. Der deutsche Eiseubahnerver- baud habe sich dem Internationalen Transportarbciter- buud angeschlossen. Das Reichsverkehrsministerium ist aus der Tagung nicht vertreten.

Das französisch-belgische Bündnis.

Paris, 14. Sept. Nach Havas ist das durch die Generalstäbe Frankreichs und Belgiens ausgearbeitete Bündnis unterzeichnet worden.

Die.LondonerWestminster Gazette", das Blatt As- auiths, sagt, es sei bedauerlich, daß Frankreich und Belgien ihren Vertrag nicht dem Völkerbund vorlegen wollen. Es sei eine Lebensfrage für den Völkerbunds daß er nicht umgangen und überlistet werde. >

Der Streik in Italien znsammengebrochen.

Mailand, 14. Sept. Der sozialistischeAvauti" schreibt, die große Bewegung der Metallarbeiter sei nach ungeheuren Kosten ergebnislos gescheitert, weil die Hälfte der Arbeiter ferngeblieben sei. DerSe- coto" sagt, die Arbeite« hätten an dem Versuch der Bcüchewisierung genug. (

Die russischen Bevollmächtigten äusgewiesen.

London, 14. Sept. DieDaily News"" melden, den russischen Handelsagenten seien von der englischen Re­gierung ihre Pässe zurückgegeben und sie seien aufge- svrdert worden, England zu verlassen. Gegen Kame- new sei von Lloyd George die Beschuldigung erhoben, er habe seine Hände im Spiel gehabt, als die geraub­ten russischen Kronjuwelen in England zum Kauf an- gebotcn wurden, ferner habe er geheime Verhandlungen mit dem radikalsozialistischm BlattDaily Herald", das 76 000 Pfund Sterling von Rußland erhielt, geführt. Weiter Haber er Beziehungen mit der britischen Arbeiter­organisation, die sichAktionsausschuß" nennt, unter­halten und er habe die britische Regierung über die For­derung derBürgermiliz" in den russis-polnischen Frie- dcnSverhandlungen belogen. Trotzdem sollen Verhand­lungen über die zwischen England und Rußland schweben­den Hauptfragen nicht aufgehoben werden. j

Krassin bleibt vorerst in London. ch

Erzbergers Erinnerungen.

Berlin, 14. Sept. TieVossische Zeitung" bringt Auszüge aus einem jetzt erschienenen Buche ErzbergerS s (Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart) über seineErleb- ! nisse im Weltkrieg", lieber die Einzelheiten der Dar« stellung, sagt das Blatt, wird sich ohne Zweifel eine lebhafte Auseinandersetzung entwickeln. Von besonderem politischen Interesse seien die Mitteilungen, die Erz­berger über den Abschluß des Waffenstillstands zu ma­chen habe. Nach der T. U. soll Erzberger die Grün­dung einer radikal-demokratischen Arbeiterpartei beab-.. sichtiaen.

Streik. f

Dessau, 14. Sept. Tie Angestellten der Dessauev Industrie sind wegen Lohnforderungen in den Ausstand getreten.

Neue polnische Forderungen.

Danzig, 14'. Sept. Nach einer polnischen Meldung hat die polnische Negierung durch Vermittlung des Ge­neralkommissars für Polen in Danzig dm zuständigen Behörden in Danzig die Rechnung für die Kosten der Unterhaltung der seinerzeit durch Tanziger Eisenbahn­beamte angehaltenen polnischen Rückwanderertransporte üüberreicht. Tie verlangte Entschädigung beträgt 462 371 Mark. Als Geschädigte werden 1368 Personen ange­führt. st

DasCommnnique".

Aix-les-Bains, 14. Sept. Havas meldet: Tie beiden Ministerpräsidenten Millerand und Giolitti ha­ben am Montag in ihren Besprechungen zu ihrer Genug­tuung festgestellt, daß sich ihre Ansichten in den politi­schen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den bei­den Ländern decken und daß sie entschlossen sind, in vol­lem Einverständnis miteinander die großen nach dem Krieg entstandenen Aufgaben, wie die allgemeine Frie­densarbeit und die Wiederherstellung geordneter wirt­schaftlicher Beziehungen, einer Lösung eutgegenzuführen. Tie Durchführung der verschiedenen Friedens­verträge wurde als der Eckstein der Verhandlungen bezeichnet, wobei Millerand hervorhob, daß die Aus­führung des Versailler FriedensvertragZ für Frankreich eine Lebensnotwendigkeit sei. Tie beiden Ministerpräsi­denten waren ferner darin einig, daß alle noch bestehen­den Kriegszustände und Feindseligkeiten behoben wer­den , müssen... .Gmmüber Mßlsnd. kam man überein.