(Enztalbote)

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Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Gack in Wildbad

54. lakrgang

Miläbaä, Montag, äen

Fernruf 179.

Fernruf 179.

Nummer

Tatsachen zur Kohlenfrage.

Zum großen Verdruß, minister Simons auf

Verbündeten Konferenz in Spa

Frage der staatlichen Zugehörigkeit O b"ersch lesiens angeschnitten. Aper das Schicksal dieses wichtigen Koh­lengebiets kann nicht mit Stillschweigen übergangen wer­den, wenn so viel von deutscher Kohlenförderung und von fremden Ansprüchen darauf die Rede ist. Von Inter- esse sind die Ausführungen, die dieFranks. Ztg." in dieser Beziehung macht. Das Blatt schreibt:

Im letzten Friedensjahr 1913 -hatte Deutschland eine Gesamtkohlenförderung von 1911/2 Millionen Tonnen; aus dem Ruhraebiet stammten davon 1141/2 Millionen M,22 Prozent), aus Oberschlesien 43,44 Millionen (22,35 Prozent), aus dem Saargebiet 17 Millionen (3,95 Prozent). Der Ueberschuß der Ausfuhr über die Einfuhr betrug 33 V2 Millionen Tonnen; hätte Deutsch­land damals die Saar und Oberschlesien nicht besessen, also 60 Millionen Tonnen weniger Förderung gehabt, so wären wir statt eines Kohlenausfuhr-Lands ein auf Zukauf ausländischer Kohle angewiesenes Einfuhrland gewesen. Verlieren wir jetzt Oberschlesien, dann ex­zeugt Deutschland auf absehbare Zeit weniger Kohle, als es auch bei verhängnisvoller Einschränkung der heimischen Wirtschaft für diese braucht. Dann muß Deutschland Kohle aus fremden Gebieten kaufen und kann Kohlen­abgaben an das Ausland, Kohlenleistungen an die En-r tente aus dem Friedensvertrag überhaupt nicht mehr leisten.

Daß wir Oberschlesien behalten, ist also die unbedingte Voraussetzung für jede Kohlenlieferung überhaupt. Nach den Denkschriften, die von den deutschen Sachverständigen den Verbündeten in Spa überreicht worden sind, hat die deutsche Steinkohlenförderung mit Einschluß von Ober­schlesien (ohne die Saar) im Jahr 1919 108 Millionen Tonnen oder 57 Prozent der Förderung von 1913 be­tragen; die Steigerung der Braunkohlenförderung hat gerade nur die weitere Verminderung des Heizwerts durch die Verschlechterung der Kohlenqualität wettgemacht. Für das Jahr 1920 wird, wiederum einschließlich Oberschle­siens, mit einer Erhöhung der Förderung auf 126 Millionen Tonnen gerechnet (davon 30 Millionen in Oberschlesien). Von diesen erwarteten 126 Millionen Tonnen würden nach Deckung des.Selbstverbrauchs der Zechen, des Bedarfs der Eisenbahnen und der Schisfahrt sowie der Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke (alles schon aus Grundlage der bisherigen schweren Einschrän­kung!) für Hausbrand, Industrie und Land­wirtschaft insgesamt 711/2 Millionen Tonnen übrig bleiben, während innerhalb der jetzigen Grenzen Deutsch­lands 1913 für diese Zwecke 85,7 Millionen Tonnen, verbraucht wurden. Von diesen 711/2 Millionen Ton­nen gehen aber die Mengen ab, die wir nach Holland, der Schweiz und Skandinavien liefern, um von ihnen Waren und Kredite zu erhalten. Alles aber,, was wir an die Entente an Kohlen liefern, geht gleichfalls auf Kosten dieser 711/2 Millionen Tonnen für Hausbrand, Industrie und Landwirtschaft., Die Rech­nung ist also klar. Die Entente fordert monatlich 2 Mil­lionen Tonnen (ein Fünftel unserer gegenwärtigen Ge­samtproduktion einschließlich Oberschlesien!), das macht 24 Millionen Tonnen pro Jahr. Es bliebe für den deutschen Wirtschaftsve rbrauch eine Gesamt­menge von 411/2 Millionen Tonnen, das i st weniger uls die Hälfte dessen, was wir 1913 für die gleichen Zwecke zur Verfügung hatten. Bisher haben wir geliefert: September 1919 417 000 Tonnen, Oktober 599 000 Tonnen, November 622 000 Tonnen, Dezem­ber 675 000 Tonnen, Januar 425 000 Tonnen, Februar 673000, März 573 000, April 718 000, Mai 962 000 Tonnen. Auch im Mai, der demnach bisher die höchste Lieferzahl auswies, war also die Ablieferung weniger uls die Hälfte von dem, was die Entente jetzt fordert. Wir alle aber wissen, was in dem vergangenen Winter und Frijhjahr und bis jetzt der Kohlenmangel als Einschnürung für unser gesamtes Wirtschafts­leben und an Zuspitzung der politischen Konflikte bedeutet hat. Von Oktober 1919 bis März 1920 ist nach der amtlichen Denkschrift der eingeschränkte Gesamtbedarf der vwdurstie an allen Arten von Brennstoffen nur mit 57 Prozent gedeckt worden. . , -

- Wir machen seit Monaten verzweifelte Anstrengungen, die, Kohlenförderung zu heben. Die Bergarbeiter leisten Ueberschichten. Nene Massen von Arbeitern werden heran­gezogen; insgesamt sollen es 150000 werden; die Ko­sten'für die Beschaffung der dafür benötigten Wohnun­gen wurden im Oktober 1919 auf 34 Milliarden ge­schätzt, heute dürften sie gegen 15 Milliarden betragen.

Daß die Kohlennot allgemein ist, darüber besteht kein Zweifel. Aber Frankreich verlangt mehr, als gerecht ist. Es fordert Ersatz für den Produktionsausfall der 1918 von deutschen Heeren in Nordfrankreich zer­störten Gruben. Aber für diesen Produktionsausfall (Frie­densförderung 20 Millionen Tonnen) hat es tatsächlich nahezu vollständigen Ersatz schon in den Gruben des Saargebiets, die wir ihm abtreten mußten. Wenn sich trotzdem sein Kohlenmangel jetzt so ver­schärft hat, cho insbesondere darum, weil cs durch die Wiedereroberung von Lothringen eine neueGroß- Industrie in seine Grenzen gezogen hat, der durch die Losreißung von Deutschland die natürliche Kohlen­grundlage fehlt. Unmöglich ist das französische^ Ver­langen, durch Auferlegung unerträglicher Kohlenlieferungs- verpslichtungen an Deutschland gewissermaßen zu den Eisenwerken, die Frankreich annektiert hat, nun. auch noch die deutschen Kohlengruben zu annektieren- Die internationale Kohlennot kann nur durch internationale Einteilung und internationale Produktivnsförderung er- träa''6, aemacbt werden.

kommen pierden, wird man noch manche Ueberraschung erfahren. So viel steht jetzt schon fest: unsere Kriegs­wirtschaft war von Anfang an auf ein falsches Gleis geschoben und doppelt falsch war es, dieses System noch so lange in die Friedenszeit zu übernehmen. Diese Arl von Zwangswirtschaft hätte, längst beseitigt werden müssen.

Die Bilanz der Retag.

Jetzt endlich veröffentlicht eine Kriegsgesellschaft, die Reichs-Textil-Aktien-Gesellfchaft, nach neuzeitlicher Un­manier Retag genannt,- eine gesetzmäßige Abschluß- rechuung für das Geschäftsjahr 1919/20. Die Kriegs- gesellschnft war nach Ausbruch des Kriegs mit zahllosen anderen nach dem Rezept des Herrn Walter Rat Henau in Berlin mit einem eingezahlten Aktienkapital von 4^ Millionen Mark gegründet worden. Da alle Bilanzen der früheren Jahren geheim gehalten werden, so kön­nen sie mit dem Ergebnis des letzten Jahrs nicht zum Vergleich herangezogen werden, aber schon der Einblick in dies eine Jahr genügt, um zu sehen, in welchem Maße, die Kriegsgesellschaften den Warenverkehr seit nunmehr fast 6 Jahren beeinflußt und verteu­ert haben.

Im abgelaufenen Jahr hatte dieRetag" eine Ge- samteinnahms von 148 Millionen Mark, davon entfallen auf den Ausverkauf der Kriegswirtschafts-Aktiengesell­schaft rund 27 Millionen, auf andere Waren der Retag rund 74 Millionen und auf Vermittlungsgebüh­ren vom Reichsverwertungsamt und anderen Aemtern rund 432/4 Millionen. Die Geschäftsunkosten be­trugen in dem einen Jahr 31,7 Millionen Mark, darunter an Gehältern 10495 292 Mark, an­dere Verwaltungskosten 3 845 293 Mk., Mieten 865 499 Mark. An Reingewinn verbleiben rund 641/2 Mil­lionen Mk., wovon an die Aktionäre 237 500 Mk. j5 Prozent Dividende) fallen, 54 Millionen an das Reichs­schatzministerium abgeliefert und 10 Millionen zurück- gestellt werden. Dem Beamtenpensionsfonds werden 75 000 Mark überwiesen und-99 225 Mk. auf neue Rech­nung vorgetragcn. Ter. Umsatz an Webwaren stellte sich im abgelaufenen Jahr ans 1325,6 Millionen: in den 5 letzten Jahren auf 2044 Millionen. Wenn nun auch von dem ungeheuren Geschäftsgewinn der Löwen­anteil dem Reich zufließt, so ist eine solche Gewinn­macherei doch einfach unerhört. Um das Zehnfache hätten die Waren an die Verbraucher billiger geliefert werden können. Die Kriegsgesellschaften waren doch an­geblich dazu eingerichtet worden, um kn 1>ew Zeiten des Kriegsmangels die Deckung des Bedarfs zu sichern, statt dessen hat es nicht bei ihnen, wie die rie­sigen Umsätze zeigen, wohl aber bei den Verbrauchern stets an Waren gemangelt und diese sind aufs ärgste übervorteilt worden. So ist es doch kein Wunder, wenn jetzt überall derKäuferstreik" eingesetzt hat, d. h. wem? jetzt kein Geld mehr zu kaufen da ist, während eine Reihe von Industrien wegen der überfüllten Läger die Betriebe schließen müssen. Erst kürzlich wurde berichtet, daßj die Fischgesellschaft einen Reingewinn von 900 Prozent gemacht hat. Aus den Bilanzen der übrigen Kriegsgesellschaften, die nun bei den hoffentlich sicher bevorstehenden Auslösungen nach.und nach aus. Tageslicht

Die Konferenz in Spa.

Ter Kahlenvertrag mit Vorbehalt untsrzeichnet. Schluß der Konferenz.

Spa, 17. Juli.

Die gestrige Vollsitzung fand um 5 Uhr nachmittags im Schloß de la Freineuse statt. Von der deutschen Ver­tretung war Reichskanzler Fehrenbach, Reichsminister Tr. Simons und der bäuerische Staatsrat Tr. v. Meinel anwesend. Reichsminister Dr. Simons machte Mit­teilung, daß die deutsche Regierung in der Kohlenfrage in drei Punkten Einwendungen mache: in der Finanz­frage, in der oberschlesischen Frage und in der Besetzungs­frage.

In der Finanzfrage wünsche Deutschland, daß die Angebote der Prämie von fünf Goldmark für die Tonne und der Vorschuß, der aus dem Unterschied zwi­schen deutschem Jnlandpreis und dem Weltmarktpreis für die Kohlenlieserung berechnet werde, nicht nur für die über Land gelieferte Kohle, sondern auch für die.über See gelieferte bewilligt werde.

In der. 0 b er sch lesisch en Frage bestehe die deut­sche Regierung auf Bürgschaften, die ihr die Lieferun­gen mit Ostkohle für den Fall von Schwierigkeiten im Ruhraebiet sichern.

Zu Par. 7 betr. Einmarschbestimmung könnte die deutsche Regierung ohne vorherige Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften ihre Zustimmung nicht geben. Sie schlug deshalb eine solche Fassung vor, daß diese Bestimmung nur für den Fall vorsätz­licher Verletzung gelte.

Die Verbündeten zogen sich zu einer langen Beratung zurück und teilten schließlich mit, daß die deutschen Be­stimmungen nicht angenommen werden könnten. ,

Nach Besprechungen mit dem Reichskanzler erklärte Dr. Simons, er bitte um eine Unterbrechung der Sitzung, da die deutsche Vertretung sich beraten müsse. Zu dieser Beratung wurden Reichsminister Wirth, Tr. Hermes und Tr. Scholz sowie die Staatssekretäre Albert, Bergmann und Müller eiligst hinzugerusen. Es fand sodann eine Kabinettssitzung statt, die nach eingehender Besprechung zu dem Ergebnis kam, an folgenden zwei Punk­te n f q st z u h a l t e 11 : 1. Daß in der 0 berschlesi -

sch en Frage eine Zusage in dem von Lloyd-George ge­äußerten Sinne erfolge. 2. Daß Par. 7 des Ver­trags wegfalle.

In der 0 b er s ch l esi sch e n Frage erklärten die Verbündeten, daß der deurichen Regierung ein beglaubigter.

Auszug aus dem amtlichen Sitzungsprotokoll mit den Erklärung des Herrn Lloyd-George übergeben werde, wo­durch die deutschen Bedenken wphl zerstört wären. Hin­sichtlich Par. 7 schienen sie jedoch keine Nachgiebigkeit zu zeigen, sondern versuchten immer und immer wieder durch die militärischen Drohungen die deutsche Unterschrift zu erzwingen. Tie Vollsitzung trat dann wieder zusammen.

Ministerpräsident Millerand erklärte, die deutsche Regierung habe anscheinend immer noch nicht verstan­den, daß-es der unbeugsame Wille Frankreichs sei, die Erfüllung des Fricdensvertrags sicherzustcllen. Minister­präsident Lloyd Geqrge erklärte, er begreife den Wider­stand gegen die Unterzeichnung der Einmarschbestimmun­gen nicht. Er sei der Meinung, daß die deutsche Re­gierung hier unter Einflüssen von außen stehe. Ja, es seien anscheinend Bestrebungen von deutsch er Seite im Gang gewesen, denen an der sofortigen Beset­zung des Ruhrgebiets durch die Verbündeten ge­legen sei.

Reichsminister Dr. Simons betonte den festen Wil­len der deutschen Regierung, den Friedensvertrag zur Ausführung zu bringen.' Deutschland wisse wohl, daß die Verbündeten die Macht hätten, die Durchführung des Vertrags zu erzwingen. Umsoweniger verstehe man deutscherseits die Drohung mit militärischen Maßnahmen. Die deutsche Regierung kenne keine Einflüsse von außen.