ILM
Errztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
für das obere Enztal.
Erscheint täzlich, Ausgenommen 5onn- u. feiertags. Se^ugspreis monallich Mk. 4.50, vierleljästrlich 13.50 lrei ins lssus geliefert; äurch äie Post bezogen im inneräeutlchen Verkestr Mk. 13.50 unä SO pfg. post- bestellgelci.
Anzeigenpreis: äic einspaltige petitreile oäer äeren kaum 50 pfg., auswärts 60 pfg., keklamereilen 1.50 Mk., bei größeren Aufträgen kabatt nacti Esril. Pchluö äer Anreigenannastme: täglich 8 Ustr vormittags.
Druck der Buchdruckerei WildLader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.
Nummer 159
Fernruf 17b.
Miläbsä, Vien5tsg, äen 13. )ul> 1920.
Fernruf 179.
54. luttrgung
Warum oer Krieg verloren ging.
Tie Literatur über den Weltkrieg hat in den letzten Tagen eine.bemerkenswerte Bereicherung erfahren durch ein Buch, das der bekannte österreichisch-ungarische General Alfred Krauß erscheinen ließ. („Die Ursachen un- ,erer Niederlage". Verlag I. F. Lehmann. München.) Krauß führte beim Ausbruch des Kriegs eine - Division gegen Serbien, dann ein Armeekorps, war General- stabsches des Erzherzogs Eugen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen und- befehligte zuletzt eine Armee im Osten. Als der Generalftabschef von Conrad Hötzendorsf von dem jungen Kaiser Karl abgesägt, oder wie der Kaiser sich ausdrückte, „abgeschossen" wurde, da kam Krauß als Nachfolger in Frage, aber er wäre, wie der deutsche General v. Cramon in seinem Buch über den Welt< krieg schreibt, dem Kaiser Karl wegen seiner selbständigen Art auf die Dauer nicht genehm gewesen und so fiel die Wahl auf Arz von Straußenburg. Krauß schreibt .natürlich zunächst vom österreichischen Standpunkt aus, sein Urteil ist aber auch da beachtenswert, wo er von den deutschen Verhältnissen spricht und sie nicht selten einer herben Kritik unterwirft.
Krauß spricht zunächst von den zahlreichen Unterlassungen und Versäumnissen, dem Fortrvursteln und Gegeneinanderregieren in Oesterreichs-Ungarn, von den verpaßten Gelegenheiten vor dem Krieg und während des Kriegs. Die Monarchie war morsch, sagt er, aber nur in ihrer Führung, nicht in ihren Grundlagen- Da konnte von einer kraftvollen, zielsicheren Außenpolitik! nicht die Rede fein, sowenig wie in Deutschland.
Der Operationsplan der beiden Mittelmächte, deren Zusammenarbeiten gleich im Anfang zu wünschen übrig ließ, war nach der Ansicht des Generals Krauß verfehlt. Die deutsche Heerführung habe den genialen Plan des verstorbenen preußischen Generalstabschefs Grasen Schli essen in den Grundzügen unglücklich abgeändert und noch unglücklicher ausgeführt. Sehr schwere Vorwürfe erhebt aber Krauß gegen die österreichisch-ungarische Heeresleitung, der es in den ersten Kriegstagen offenbar an dem klaren Einblick in die Lage und an Entschlußkraft gefehlt habe. Es sei ein Fehler gewesen, nur die eine Hälfte des Heeres gegen Rußland und dazu in fehlerhafter Richtung zu verwenden, die andere aber zunächst gegen Serbien, in gleichfalls verfehlter Richtung angreifen zu lassen.
Die Fehler der Feldherren, vor der Berufung Hin- denburgs und Ludendorffs, waren freilich, wie Krauß sagt, nur ein Spiegelbild der Fehler der Politik. Die Politik hatte es unterlassen, die Grundlagen für einen Operationsplan zu schaffen. Die ungenügende Vor-, bereitung und die passive Politik, die den richtigen Zeitpunkt versäumte, war der größte politische Fehler der. Mittelmächte, der das Versagen der Operationspläne verschuldete. Der ausschlaggebende militärische Grund der gemeinsamen Niederlage sei der, daß die Mittelmächte — und zwar meist getrennt — ihre. Hiebe gegen die Stärke der Gegner, statt gegen ihre Schwäche richteten. Sie hätten die Schwachen zuerst schlagen sollen, ehe sie den Entscheidungskampf gegen die Stärksten nn Westen begannen. Den Angriff auf Verdun tadelt Krauß sehr; statt dessen hätte gleich nach der italienischen Kriegserklärung ein gemeinsamer wuchtiger Angriff gegen Italien ausgeführt werden müssen. — Hier wrichh der Oesterreicher aus dem Verfasser. x- Der Angriff im Herbist 1917 sei nicht umfassend genug gewesen und zu früh abgebrochen worden — eine Ansicht, die von derjenigen Ludendorffs erheblich abweicht. Der Weltkrieg sei nicht mit der Marneschlacht, sondern erst im Jahr 1916 verloren worden. Verdun, Tirol, Wolhynien uno die sinnlose Schöpfung Polens waren die Marksteine unseres Niedergangs.
Herb ist das Urteil des Generals Krauß über Kaiser Karl. Er war zu unserem Unglück weder Feld- ^rr noch Politiker, wollte aber beides fein — wie Wilhelm II. Graf Tis za — übrigens der einzige Staatsmann, den Oesterreich-Ungarn besaß — hat durch femen ungarischen Eigennutz Wirtschaft, Politik und Heer- Nihrnng unaufhörlich geschädigt. Ein vernichtendes Ur- seil fällt aber Krauß gegen den Grafen Czernin und 'fme Politik. „Er mag das Brandmal für ewig an üch tragen, einer der Schuldigsten am Niederbruch des ^olks zu sein". Einem Czernin aber stand Bethmann Hollweg gleich. Krauß schließt: Der Weltkrieg war
von den Mittelmächten unbedingt siegreich zu beenden, die schlechte Politik nahm auch den Siegen die Kraft dee tiut'cheidung.
Die Konferenz in Spa.
Nur 10. Juli abends traten die beiderseitigen Sachverständigen in der'Kohlenfrage in die Beratungen ein, die bis tief in Vie Nacht dauerten. Die Deutschen machten den Vorschlag, monatlich eine Million Tonnen an den Verband zu liefern, diese Menge sollte aber in einem ewissen Prozentsatz vermehrt werden, wenn die Koh- eusörderung in Deutschland steige. Als die Sitzung am 11. Juli durch dchi Vorsitzenden Ministerpräsidenten Delacroix (Belgien) eröffnet wurde, waren die Kohlensachverständigen, noch zu keiner Einigung ' gekommen. Die Deutschen hatten schließlich 44 000 Tonnen täglich als Borzugslieferung angeboten unter der Voraussetzung, d«ß die Maiförderung im Durchschnitt für den Arbeits- v,g erhalten und zur Verfügung des Reichskommissars Kr die Verteilung in Deutschland verbleibe. Das sei nur 'ein Betrag von 58 Prozent des deutschen Verbrauchs vsn 1918, wobei die Verschlechterung der Kohlenbeschaf- stircheir noch gar nicht berücksichtigt sei. Um die Kohlen- f?rderrkna zu steigern, beabsichtige Deutschland, 50000 BerKdaüo rroch einzustellen, wovon eine Mehrleistung von 'i.7 Dnrnen für Manu und Tag erhoff: werde. Von
der Mehrfördeimng, die über den Durchschnitt im Mai 1920 (rund 44 000 Tonnen täglich bei 23 Arbeitstagen mit 6 Stundenschicht) erreichtt werde, sollen die Verbündeten 40 Proz. im ersten, 25 Proz. für das nächste Jahr erhalten, während der Rest zur Verfügung Deutschlands bleiben müsse.
Dem Vorschlag gegenüber beharrten die Verbündeten in der Sitzung gm 11. Juli, in der sich Lloyd George als erkrankt entschuldigen ließ, auf ihrer Forde-l rung von 2,5 Millionen Tonnen monatlich. Das würde ein volles Viertel des Gesamtbedarfs der deutschen In-" dustrie und Landwirtschaft bedeuten, das Zweieinhalbfache des deutschen Vorschlags, und die Entziehung einer solchen Menge würde für die deutsche Volkswirtschaft geradezu vernichtend sein.
Delacroix fragte, ob die Deutschen ihre zugesagten Wiedergutmachungsvorschläge Vorlagen wollten. Ueichsmin. Simons erwiderte, die Wiedergutmachungsvorschläge seien fertig und sollten in der Nachi mittagssitzung übergeben werden. Da sie aber in engem Zusammenhang mit der Kohlenfrage, über die eine Einigung noch nicht erzielt sei, stehen, ersuche er um kurze Vertagung zu einer Besprechung mit den Sachverstän- oigen Nach kurzer Unterbrechung wurden die Verhandlungen wieder ausgenommen und Simons überreichte die Wiedcrgutmachungsvorschläge, indem er betonte, daß der Plan zusammen mit der Kvhlenfrage, mit der er ein Ganzes bilde, zu prüfen sei. Die Kohlenfrage sei von allen die schwerwiegendste und könne nur im Einvernehmen mit > den Bergwerksbesitzern und Bergarbeitern gelöst werden, deren anwesende Vertreter er zu hören bitte. - , '
Hugo Stiunes, Vertreter der Bergwerksbesitzer führte an, was bisher schon geschehen sei, um die Koh-len-i förderung zu erhöhen und was weiter hiefür in Aus-i sicht genommen sei. Er legte in deutlicher, manchmal scharfer Sprache dar, daß mehr von Deutschland nicht gefordert noch geleistet werden könne, Deutschlands Leistungsfähigkeit sei durch die. Schuld der Entente geschwächt. Er warnte ernstlich vor Ueberspannung der Forderungen.
Noch schärfer sprach sich der Vertreter der Bergarbeiter, Abg. Hue aus. Die BergarbeitersHaft sei durch! die langjährige Hungerblockade geschwächt. Sie sei aber doch bereit, durch Ueber schichten eine Mehrförderung, die in erster Linie Frankreich zugute komme, zu bewerkstelligen. Die Arbeiterschaft stehe aber auf dem Standpunkt, daß die Sschsstundenschicht die Grundlage bilde. Tie ganze Kohlenfrage sei eine Frage/ die alle Länder angehe und nur durch gemeinsames!. Abkommen geregelt werden könne. Die Verbündeten sollen ja nicht glauben, daß die Diplomaten am grünen Tisch irgend etwas feststellen können, wenn die Arbeiter es nicht auszuführen bereit seien. Deutschland wird 2,5 Millionen Tonnen monatlich liefern, wenn der V.erch a n d.. d ie Leute, die in
§ der ganzen deutschen Industrie dann we- ; gen Kohlenmangels arbeitslos werden, unterhält!
Die entschiedenen Worten der beiden Sachverständigen — auch von der schwarzen Schmach war die Rede machten auf die Verbandsvertreter offensichtlich großen Eindruck und die vorherige Spannung, die zu einer neuen Krisis und einem neuen Diktat Entweder — oder führen zu wollen schien, wie bei der Entwaffnungs- frage, war zunächst behoben. Die Sitzung wurde auf Montag vormittag 11 Uhr vertagt.
Der Wiedergutmachungsplan.
Spa, 12. Juli.
Der in der gestrigen Sitzung von der deutschen Abordnung vorgclegte Plan für die Sachleistungen besagt:
Deutschland ist aus Grund des Art. 236 und der Paragraphen 1—4 der Anlage IV zu Teil VIll des Friedensvertrags verp lichtet, zum Zmeckeck der unmittelbaren Wiederherstellung der vom Kriege betroffenen Gebietsteile der verbündeten und vereinigte» Mächte diesen nach näherer Bestimmung des Wieder- autmachungsausschusscs Material zu liefern, dessen Wert für die Wiedergutmachungsschuld angerechnet wird. Der Wiedergutmachungsausschuß hat diese Lieferungen noch nicht festgesetzt. Der deutschen Regierung sind bisher nur die Änforderungslisten der beteiligten Staaten zur Aeuherung mitgeteilt worden. Diese letzten, die die verschiedensten Gegenstände, vom Fischlaich, über Weh, jede Art Rohstoffe, industrielle Erzeugnisse bis zu ganzen Fabriken umfassen, haben eine eingehende Prüfung erfahren. Es wird festzustellen sein, welche Lieferungen im Rahmen der Leistungsfähigkeit Deutschlands angefordert werden kön- 'neil. und welche mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage, insbesondere den Mangel an Rohstoffen,, ganz oder zum Teil unausführbar sind.
Es erscheint folgender Plan zweckmäßig. -
1. Deut chland schafft eine umfassende Organkiation der gesamten Incuslrie einschließlich des Handwerks für die Durch- siihrunq der Lieferungen. Die Organisation ist zweifacher Art:
H Soweit die Anforderungen Spczialmaterial betreffen, das hauptsächlich von der Großindustrie hergestellt wird, erfolgt die Vergebung durch die Fachoerbänüe der Industrie.
b> Soweit es sich um Massenartikel handelt, an deren Herstellung auch Handwerk und Kleingewerbe beteiligt ist, werden die Lieferungen durch eine Ausgleichsstelle aus die einzelnen Länder des Reichs verteilt und die Länder vergeben die Lieferungen durch besondere Austragsämter an Industrie und Handwerk. Solche Auftragsämter sind errichtet oder, in der Bildung begriffen in Preußens das außerdem Zweigstellen für die einzelnen Provinzen errichten wirb, in Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen und den Hansastältsn. Sowohl die Länder als auch die Fachoerbände wrdcn zu Lei- stungsverbänden bestimmt. Als solche können sie nötigenfalls im Zwangsweg zur Bnoirkung der angesow-rien Leistungen an.;cha!t:n werden. Außerdem ü ernehmen beide die Haftung für di, tatsächliche Alihrung.
2. Die Sachlieferungen sind zum Weltmarktpreis zu berechnen. - '
3. Die besonderen Aufträge werden durch die von der deutschen Industrie bereits geschaffene Vermittlungsstelle für Wieder- qntmachüngsausträge in Frankfurt a. M. vermittelt.
4. Cs emosiehlt sich, daß von jeder der beteiligten vcrbüii- r.:en ü.:d v«:einigten Mächte eine dopp'lte Organisation geschaffen wird, die eine für die Prüfung der Aufträge, die andere für die Empfangnahme der Lieferungen.
5. Alle Organisationen sind aufzubauen auf Grundlage paritätischer Arbeitsgemeinschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
6. Sicherheitsmaßnahmen sind gegen die Mißbräuche auszu- arbciten, die sich bei bureaukraiischer Vermittlung von privaten Geschäften einschleichen.
Sodann heißt es weiter:
1. Die deutsche Regierung cri lickt den Zweck der jetzigen Verhandlungen darin, daß versucht werden soll, zu einer vereinbarten, endgültigen Regelung ihrer PZüdergutmachungspflich- ten zu gelangen.
2. Die deutsche Regierung weist darauf hin, daß nach ihren Berechnungen, die bis zum 1. Mai 1921 zu zahlende 20 Milliarden Mark Gold nicht nur schon jetzt geleistet sind, sondern daß bereits ein sehr erheblich höherer Betrag bezahlt ist. Unterlagen stehen zur Verfügung.
3. Eine Regelung für die Zukunft, die die deutsche Regierung als erfüllbar anerkennen soll, kann mir nach der wirtschaftlichen und finanziellm Leistungsfähigkeit Deutschlands bemessen werden. Hierbei ist besonders die Notwendigkeit zu berücksichtigen, den deutschen Reichskaushalt zu balancieren. Sonst werden rasch wachsende weitere schwebende Verschuldung und Papietgeldausgabe jede Leistungsfähigkeit untergraben.
4. Für das Maß der deutschen Letstnngsfähiakcit verweist die deutsche Regierung auf die überreichten Denkschriften. Sie geht davon aus, dag insbesondere keine weitere Schmälerung der schon fiurk geschwächten deutschen Volkswirtschaft cintritt und die unentbehrlichen weltwirtschaftlichen Hilfsquellen wieder gewonnen werde». Namentlich mutz Deutschland die notwendigen Lebensmittel, Futtermittel, Düngemittel und sonstige Rohstoffe zu angemessenen Zahlungsbedingungen einsühren können.
5. Wird die deutsche Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt, so
ergibt sich folgendes: ^