(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbab. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Cnztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

ch.Il!

Nummer 152

Fernruf 179.

Gouverneur Dr. Ebermeier über Kamerun.

Ter Gouverneur von Kamerun, Dr. Eberm.iier. der lange Jahre in spanischer Verwahrung gewesen ist, hat vor der Berliner Gesellschaft für Erdkunde einen be­merkenswerten Vortrag über unsere Kolonie Kame­run und ihr Schicksal im Krieg gehalten. Bekannt ist, daß gleich den Deutschen in Togo auch die Deutschen in Kamerun durch ihr Nusharren viele feind­liche Kräfte gebunden und dadurch mittelbar auch zu der glänzenden Verteidigung von Deutsch-Ostafrika bei­getragen haben. Zwar hatte es nicht an Stimmen ge­fehlt, die für baldige Uebergabe angesichts der völligen Aussichtslosigkeit des Kampfes waren (Kamerun war gänz­licheingekesselt"): aber der Gouverneur ist stolz darauf, daß die Kampfesstimmung die Oberhand behielt. Auch die Ausdauer und Treue der Schwarzen (mit Ausnahme der Tualas) ist zu rühmen. ^ Eine kleine, auf einer An­höhe umstellte Mteilung ließ sich nicht entmutigen, son­dern sagte den Feinden:Und wenn unsere Gebeine hier neben denen der Feinde bleichen sollten: wir bleiben. Tann wird der deutsche Kaiser sagen:ihr habt recht gehandelt, ihr wißt zu sterben!" Bei Frontangriffen holte ßch der Feind immer blutige Köpfe.' Aber der schließliche Ausgang konnte bei der völligen Unvorbe­reitung der Kolonie nicht zweifelhaft sein. Munitions­mangel zwang im Mai 1915 zum allgemeinen Rückzug auf die spanische Grenze. Es ging in voller Ordnung, ein würdiger Abschluß für die hervorragenden Leistungen unserer Truppen: 1000 weiße, 15000 farbige Truppen inmitten von rund fünf Millionen von Einwohnern bei Kriegsausbruch gegenüber einer zehnfachen, aufs beste ausgerüsteten Uebermacht. Tausende von Schwarzen wa­ren bereit, den Deutschen ins Elend zu folgen und mußten durch Gewalt (da Nahrungsmangel herrschte) davon ab­gehalten werden.

Der Krieg hat sehr lehrreiche Erfahrungen gebracht. Zunächst, daß England die Kolonie lange vorher mit einem Spionen netz überzogen hatte. Es stellte sich heraus, daß die immer zahlreicher gewordenen englischen Kaufleute, die meist sehr gut deutsch sprachen, Beauf­tragte des Sir Francis Oppenheimer aus Frankfurt a. Ms waren! Der jahrelangekaufmännische" Beistand des englischen Generalkonsuls in Duala war aktiver eng­lischer Offizier. Aufgeklärt ist jetzt auch, wo die Tualas die immer wieder auftauchenden Gewehre her hatten: sie waren von den Engländern ständig damit versorgt worden! Die Deutschen, die ja zumenschlich" gegen die Schivarzen gewesen sein sollten, hatten die Tualas stets mit Samethandfchuhen angefaßt, mit Geld und guten Worten. Tiehumanen" Engländer arbeiten jetzt gegen sie mit Maschinengewehren. Kein Wunder, daß die Tualas jetzt die deutsche Herrschaft zurücksehnen, und sich dieser, halb sogar an den König von Spanien gewendet haben.

Erwiesen ist gegenüber bisherigen Anschauungen, daß Kamerun keineswegs das ungesunde Land ist, als das es galt. Der Gesundheitszustand war im Kriege un-. erwartet befriedigend. Irrig war auch die Annahme gewesen, daß Kamerun nur eine Handelskolonie sei, es ist vielmehr ein reiches Feld für Landwirtschaft und Viehzucht. In großen Teilen kann Kamerun als ein Siedlungsland für Weiße gelten. Frischer Mut und Unternehmungsgeist herrschte in Kamerun, als der Krieg «usbrach. In der kurzen Zeit der Besetzung haben aber «uch die Feinde bereits den Wert von Kamerun erkannt. / Nach spanischen Zeitungen hat der französische Gouver­neur von Kamerun einem leitenden StaatSmanne aanz «ffen gesagt, daß er Kamerun zwei französischen Provinzen gleichsetze. Es sei ein reiches Land mit einer bevor­stehenden großen Entwicklung, und er werde ganz ent­schieden dafür eintreten, daß Deutschland es nicht mehr zurückerhalte. Dieses Urteil eines verbissenen Feindes Wiegt schwer. Es ist überaus wichtig, daß in Deutsch­land der koloniale Gedanke wacherhalten wird. Wenn uns eine nationale Wiedergeburt beschiedeu ist, so muß Mist auch eine koloniale Wiedergeburt folgen!

Gute Ernteaussichten. "" """

Nach den Mitteilungen des Württ. Statistischen Lan- vesamts von Anfang Juni stand der Winterweizen im Landesdurchschnitt mittel bis aut. der Sommerweizen,

Miläbsä, krettsg, äen 11. luni 1920.

Winterroggen und Sommerroggen noch etwas besser. Auch Haber, Sommergerste, Kartoffeln, Hopsen, Zuckerrüben, Klee, Luzerne und Wiesen zeigen einen guten Stand. Aepfel schwanken zwischen gut und mittel, Birnen stehen mittel und Weinberge gut. Beim Wintergetreide, das einen fast zu üppigen Stand hat, ist mit Lagerung zu rechnen. Ter Winterroggen steht in Blüte oder hat schon verblüht. Auch das Sommergetreide ist in der Ent­wicklung weit voran: eine frühe Gerstenernte steht in Aussicht. Doch zeigt sich vielfach Unkraut (Hederich), auch schädigendes Auftreten des Drahtwurms und der Fritfliege. Die Kartoffeln stehen gut und sind selbst in rauhen Gegenden behackt, teilweise sogar schon behäu­felt. Frühkartoffeln werden früher als sonst auf den Markt kommen. Tie Futter- und Zuckerrübenfelder sind in den milderen Gegenden schon vollständig fertig be­arbeitet. Tie Wiesen stehen prächtig, das Bodengras ist schön entwickelt. Tie Heuernte und der erste Klee­schnitt, die teilweise schon unter Dach sind, liefern rei­chen Ertrag. In Kernobst ist im Landesdurchschmtt ein befriedigender Ertrag in Aussicht. Aepfel stehen durchschnittlich etwas besser als Birnen. Auch die Wein­berge sind in der Entwicklung weit voran geschritten und zeigen reichen und vollkommenen Ansatz von Ge­scheinen. Die Früchte haben ihren Vorsprung gegen sonstige Jahre behalten, der Stand ist ausnahmslos gut und berechtigt, sofern die Witterung günstig bleibt, zu den besten Hoffnu j

^ rNeues vom Tage.

- ^ Erklärung gegen Putsche.

Berlin, 9. Juni. Die Korrespondenz der Deutsch- nationalen Volkspartei veröffentlicht folgende ^klärung: In letzter Stunde ist von der Regeirung wieder­holt und mit zunehmendem Ernst daraus hingewiesen worden, daß neben den Unmittelbaren Befürchtungen ge­rn älttätiger Unternehmungen von links nach den ihr zugegangenen Nachrichten auch die Möglichkeit von Rechts­putschen bestände, die insbesondere von einigen früher dem Milstär ungehörigen Persönlichkeiten vorbereitet wür­den. Uns ist von derartigen Plänen nicht das geringste bekannt, und wir haben der Regierung, die neuerdings auch mit uns in dieser Angelegenheit Fühlung genom­men hat, erklärt, daß wir keinen Anlaß zu einer Besorg­nis vor verfassungswidrigen Unternehmungen von rechts­stehender Keite sehen. Wenn es aber tatsächlich.Män­ner geben sollte, die trotz der unheilvollen Lehren des Kapp-Putsches, die ihr als warnendes Beispiel dienen sollen, sich mit verbrecherischen und aberwitzigen Ge­danken tragen, zuwider der Verfassung, mit Gewalt die ordnungsniäßige Entwicklung der Geschicke des deutschen Volkes "zu stören, so lehnen wir jede Gemeinschaft mit ihnen ab und werden solche rechtswidrigen Vorgänge ent­sprechend unserem Grundsatz, daß wir nur auf verfas­sungsmäßigem Wege Vorgehen werden, entschieden be­kämpfen. Wir erwarten andererseits von 8er Regie­rung mit Bestimmtheit, daß sie jeden Versuch von links, der Verfassung Gewalt anzutun, mit allem Nachdruck verteidigt und zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung ungesäumt und rücksichtslos gegen den^ Ver­brecher einspringt und von allen ihr zur Verfügung stehen­den Mitteln Gebrauch macht.

Die Neubildung der Regierung.

Berlin, 10. Juni. Die Frage der Neubildung der Regierung ist noch immer in der Schwebe. Die Un­abhängigen verharren in ihrer Ablehnung an der Koalitions­regierung teilzunehmen und von einer Verbreiterung der Koalition nach rechts will nach wie vor die Sozial­demokratie nichts wissen. Eine neue Lösung wird von der Deutschen Volkspartei angedeutet, die bereit sein soll, der bisherigen Koalition keine Schwierigkeiten mehr zu machen, falls sich das neue Kabinett auf der alten Grundlage bilden sollte.

Rücktritt des polnischen Kabinetts.

Warschau, 10. Juni. Der Deutsch-Polnische Presse­dienst meldet: Das Kabinett hat feinen Rücktritt einge­reicht. Der Staatschef hat ihn angenommen und die Regierung gebeten, die Geschäfte vorläufig weiterzuführen.

Fernruf 179.

54. (Ml-gsng

! Scheidemann für Zusammenschluß der sozialdemo- § kratischen Parteien.

! Berlin, 10. Juni. Scheidemann läßt durch dieB. l Z." erklären, er habe nicht binnen 2 Monaten die Revo­lution angekündigt, sondern nur in einer vertraulichen Be- ! sprechung gesagt,viel wahrscheinlicher als die rosigen ' Hoffnungen des deutsch-nationalen Stadtverordneten scheint mir die Auffassung zu sein, daß wir in kurzer Zeit wieder ^ einen Bürgerkrieg haben könnten." Bei derselben Ge- , legenheit versichert Scheidemann, daß es für die mehr- ! heitssozialistische Fraktion npr eine Möglichkeit gebe, ein ! enges Zusammengehen mit den Unabhängigen. Eine j Mehrheitsbildung ohne die U. S. P. könne für die sozial- ! demokratische Partei nicht mehr in Frage kommen, i

j Ausweisungen Deutscher aus der ersten Zone in

Schleswig.

Berlin, 10. Juni. In Verbindung mit dem Streik in der ersten schleswigschen Zone wurden zahlreiche Aus- ! Weisungen verfügt. Dabei sind zahlreiche deutsche Arbeiter ^ unter den brutalsten Maßnahmen abgeschoben worden i und zum Teil auch den Familienangehörigen der Aus- ' gewiesenen bei Vermeidung der Ausweisung die Abreise ! bis zum Sonntag anbefohlen worden, Einige der Arbeiter wurden auch zeitweilig in Haft genommen. Nach einer Verfügung der alliierten Kommission ist der Paßzwang in der ersten Zone für die Ausreise nach Sylt vom 14. Juni ! wieder eingeführt worden. Die Pässe werden von dem Paßbüro der alliierten Kommission in Flensburg visiert.

Begnadigungen.

Berlin, 10. Juni. Aus Münster wird gemeldet: Der Reichspräsident hat 62 im Bereich des Reichswehr- kömmandos Münster während der Unruhetage gefällte kriegsgerichtliche Urteile gegen spartakistische und un­abhängige Aufrührer im Gnadenweg aufgehoben.

Das 209000 Mann-Heer.

Berlin, 10. Juni. WTB. erfährt von zuständiger Stelle: Vom 10. Juni ab liegen in der 50-Kilometerzoue, wie von der Entente bestimmt, nur noch 10 Bataillone, 5 Schwadronen und 1 Batterie. Diese Verbände bilden einen Teil des Übergangheeres, dessen Herabminderung auf 200000 Mann durchgeführt ist.

Ausdehnung des Kriegs iw Osten.

Basel, 10. Juni.Daily Expreß" meldet: Litauen hat soeben mit der Entfaltung einer großzügigen Offen­sive begonnen, um sein Gebiet von den eingedrungenen Polen zu räumen.

Basel, 10. Juni.Dayly Herald" meldet funken­telegraphisch aus Moskau: Ein Erlaß der Sowjetregie­rung beruft acht der Reserve angehörigen Jahrgänge der Roten Armee unter die Waffen zur Verteidigung der Sowjetrepublik.

Bestrebungen auf weitere Verschiebung von Spaa.

Paris, 10. Juni. Zu der neuerlichen Verwicklung der europäischen politischen Lage durch den Rücktritt des italienischen Kabinetts und die in Deutschland durch die Wahlen herbeigeführte Regierungskrise bemerkt eine Havas- Note, angesichts dieser Aussichten frage man sich in amt­lichen alliierten Kreisen, ob das italienische und das deutsche Kabinett so rechtzeitig gebildet werden würden, daß sie sich noch vor der nahen Zusammenkunft der Alliierten in Brüssel als der Vorbereitung für Spaa den Parlamenten vorstellen könnten. Andernfalls müßte die Konferenz in Spaa von neuem vertagt werden. Die internationale Finanzkonferenz in Brüssel zwischen den Vertretern der Alliierten, der Deutschen und der Neutralen könne viel­leicht stattfinden, ohne das Ergebnis der Konferenz in Spaa abzuwarten. Sie würde dann die Aufgabe haben, Maßnahmen zur Herstellung des wirtschaftlichen Gleich­gewichts in Europa zu treffen vor allem durch eine inter­nattonale Anleihe.

Räumung des thrazischen Gebiets.

Berlin, 10. Juni. Aus Konstantinopel wixd gemeldet, daß die französischen Truppen das thrazische Gebiet Nun­mehr vollständig geräumt haben.