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54. Mni-gang
Fernruf 179
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.
Nummer 128
Fernruf 179.
Die Gefahr im Osten.
' Auf die Folgen, die der russisch-polnische Krieg für den deutschen Osten haben kann, weist Rittmeister Arnold Rechberg in einem beachtenswerten Artikel in den „Leipz. Neuesten Nachr." hin. Nach zuverlässigen Nachrichten, so schreibt er, ist das Heer der Moskauer Sowjetregierung, das in Polen operiert, etwa eine Million sünfhundert- tausend Mann stark. Tiefer Zahl gegenüber erscheint eine Verstärkung der deutschen Grenztrnppen nicht ausreichend. Cs darf nicht vergessen werden, daß gerade die hervorragendsten deutschen Truppenführer mit alleiniger Ausnahme des Generals v. Seeckt aus dem kleinen deutschen Heer uusgeschieden sind. Ebenso haben viele der heften jüngeren Generalstäbler, welche den Strategen als ausführende Organ? nm-utbehrlich find, die Armee verlassen. Von den deutschen Frontofsizieren haben viele der besten den Abschied genommen. Auch bezüglich der Kampfkraft der deutschen Truppe scheint es nicht berechtigt, sich in unbegründeter Sicherheit zu wiegen.
' Tie Truppen der ehemaligen deutschen Armee, welche Lu Beginn des Weltkriegs gegen die an Zahl überlegene russische Armee gesuchten haben, waren vor allein auch mit allen: notwendigen Kriegsmaterial reichlich v ersehe n. Anfolge der Entwas.ftrungsbestiirinlnngerr des FriKens- vertraas von Versailles wird das dem deutschen Heer prr Verfügung stehende Kriegsmaterial täglich geringer und zur Verteidigung unzureichender. Demgegenüber haben die Operationeil der roten bolschewistischen Armeen gegen Tenikin und Kolrschak im Kaukasus und in Persien und deren jetzige Operationen gegen die von französischen Generalstäblern 'geführten Polen bewiesen, daß, die rote Armee der Moskauer Sowjetregierung strategisch besser geführt ist, als die ehemalige kaiserliche russische Armee geführt wurde.
Die Erfolge dieser Operationen haben ferner bewiesen, daß die Note Armee mit 'Kriegsmaterial völlig hinreichend ausgerüstet sein muß und daß auch die russischen Eisenbahnen leistungsfähig genug sind, um auf ihnen grössere Truppenmassen bewegen zu können. Es ist daher nicht sicher, ob es gelingen wird, die an Zahl weit überlegenen russischen Armeen, wenn sie durch Polen durchbrechen sollten, an der deutschen Ostgrenze mit dem kleinen deutschen Heer anszuhaltep.. Dazu kommt, daß, wie ebenfalls :m Ausschuß der Nationalversammlung erörtert wurde, die Moskauer Sowjetregienmg versuchen wird, gleichzeitig mit einem Durchbruch ihrer Armee durch Polen bolschewistische Erhebungen in Mitteldeutschland und iin Nuhrgebict zu veranlassen. Wieweit die dafür vorbereiteten Organisationen entwickelt sind, läßt sich mit Bestimmtheit nicht Nachweisen. Es ist daran zu erinnern, daß noch mindestens eine halbe Million Russen, z. T ehemalige Kriegsgefangene, in deutschen Bergwerken beschäftigt werden. Die Anhänger des Bolschewismus in Deutschland haben ganz sicher auch jetzt noch genug Waffen, um eine deutsche „Rote Armee" ausznstellen, welche sich im Rücken der gegen die Rote Armee der Sowjet- eegienmg kämpfenden deutschen Truppen im geeigneten Augenblick erheben könnte.
Die Absichten der Moskauer Sowjetreaierung sind von vornherein nie andere, als die rein militärischer Herrschaft und Eroberung gewesen. Ihre Kampfweise ist aber von der bisher bekannten Kampsweise europäischer Kriegführung durchaus verschieden und ist in dieser Beziehung vielfach noch nicht richtig erkannt worden. Das wesentlichste Kampfmittel der Sotpjetregiernng ist nicht ihre Armee, sondern die Propaganda. Für diese Propaganda bedient sich die Moskauer Sowjetregierang, we'che ihrerseits die russischen Arbeiter durch militärische Gewalt zu harter Fron zwingt, in Mittel- und Westeuropa bolschewistischer Ideen. In Asien dagegen genannt sic dir mohammedanischen Völker damit, das; sie den Bolschewismus als mit dem Koran verwandt darstellt und Lenin als den Nachfolger Mohammeds im Kamps gegen das Christentum als hie Ungläubigen bezeichnet. In Indien und Irland nützt sie außerdem nationale Bewegungen aus.
nD Neues vom Tage. E/
As*- ' Ernenn,mg.
^Verkitt, 3. Juni. Wie die „Börscnzlg." meldet, ist Lrinz Wilhelm Lu Wich, der ehcnmlme Fürst
Miläbklä, Montag, äen 7. ^uni 1920.
von Albanien, der deutschen Gesandtschaft in Stockholm als Legationsrat zugeteilt worden. (Prinz Wilhelm ist der jüngere Bruder des Fürsten Friedrich, des Schwiegersohns des früheren Königs Wilhelm von Württemberg.)
Leere Pntschgernchle.
Berlin, 3. Juni. Das „Berl. Tageblatt" und andere Blatter meldeten, in der Nähe von Berlin sammeln s:ch s üd d entsche, besonders bayerr s ch e Truppen'zu einen: Putsch am 6. Juni, wo linksgerichtete Persönlichkeiten verhaftet werden sollen. Auch Pläne gegen die Juden sollen bestehen. Tie Arbeiterschaft wolle man durch reichliche Zuteilung von Lebensmitteln in Ruhe hatten. Prinz August Wilhelm von Preußen in Potsdam stehe an der Spitze des Putsches.
Amtlich wird zu dieser Meldung des „Tageblatts" durch« WTB. sestgestellt, das; alle Behauptungen des Blattes in vollem Umfang unbegründet sind. Im ganzen Umkreis von Berlin befinden sich keinerlei Trup- peuch die sich nicht befehlsgemäß dort aushalten. Diese Truppen flehen geschlossen hinter ihren Führern. Prinz August Wilhelm befindet sich gar nicht in Potsdam, sondern ist auf Retten.
Leins LsrmkÄ.r,szeiLÜ«g»
Lnsft'lSors, 6.' Juni. Die Zeitungsverleger in Düsseldorf wurden durch die dem Transportarbeiterverband angeschlossenen Zeitungsträgerinnen gezwungen, an Sonn- und Feiertagen das Erscheinen der Zeitungen einzustellen. Die Schweiz überläßt Getreide an Baden.
Bern, 6. Juni. Ter Bundesrat hat von den amerikanischen Weizen- und Mehivorrüten, die in Mannheim für die Schweiz lagern, angesichts die schwierigen Zrnährnngsverhältnisse Baden eine gewisse Menge zum Selbstkostenpreis überlassen. .
Aus dorn besetzt?:, G"brct. sr
Düren, 6. Juni. Tie Besatznngsbehörde in Türen beschlagnahmte ohne weiteres ein in der Nähe der Stadk gelegenes Gelände von 500 Morgen zur Errichtung eines Flugplatzes. Die Fläche, die mit Getreide und Kartoffeln angebaut war, wurde völlig zerstampft. Der Reichsklommissar für das besetzte Gebiet hat bei der Rheinlandskommission Einspruch erhoben. (Nach dem Friedensvertrag ist Deutschland verpflichtet, den Feinden Flugplätze zur Verfügung zu stellen.)
Berlin, 6. Juni. Aus Nordschleswig wird der „Vos- sischen Zeitung" gemeldet, daß das Geschäftsleben in der ersten Zone auf dem toten Punkt angelangt ist.
Gleiwitz, 6. Juni. Nach einer wüsten Schlägerei zwischen französischen Soldaten und Mitgliedern einer geschlossenen Tanzgesell'chaft stürmten 150 Franzosen, wie die „Brest. Morgenzeitung" meldet, eine in der Nähe liegende Polizeiwache und richteten die Beamten übel zu. Auch die zu Hilfe gerufene Sicherheitspolizei geriet mit den Franzosen zusammen. Schließlich ergrifft:: die Franzosen die Flucht.
Bcuther, i. O., 6. Juni. Tie Kommission der Verbündeten hat angeordnet, dßß zum Schutze der Inter-! essen der polnischen Bevölkerung (!) den Landräten polnische Beiräte bcigegeben werden, die das Recht haben, sämtliche Akten einzusehen und gegen die Verordnungen der Landräte Protest zu erheben. Bei der Schulverwaltung der Regierung in Oppeln soll ein höherer polnischer Schulrat mit dem gleichen Rechte arbeiten.
Tie „Oberschlesische Grenzzeitnng" meldet aus Warschau: Die polnische Regierung hat ans Rom die amtliche Benachrichtigung erhalten, daß der päpstliche Nuntius, Erzbischof Ratti, auf Grund eines besonderen päpstlichen Edikts vom 26. April zum päpstlichen Abstim mun gskommissar für Oberschlesien, Ost- und Westpreußen ernannt worden ist.
Deutschland und der Völkerbund. !
London, 6. Juni. Lloyd George hatte auf der Konferenz von San Remo versprochen, die Anregung Italiens, daß Deutschland in den Völkerbund ausgenommen werden solle, zu unterstützen. Die Verbündeten haben nun aber aus den Widerspruch Frankreichs, Belgiens, Kanadas und Australiens beschlossen, der Frage nicht näher zu treten.
Der Friedensschluss übereilt. i
Paris, 6. Juni. Die Pariser Blätter tadeln den
Abgeordneten Tardieu heftig,.der in der Kammer
erklärt hatte, England und Amerika seien bereit gewesen, auf Frankreich einzuwirken, daß auf die Besetzung des linken Rheinnfers verzichtet und die Kriegsentschädigung herabgesetzt werde, falls Deutschland sich weigere, den Friedensvertrag zu unterschreiben. „Eclair" schreibt, es ser traurig, feststellen zu müssen, daß ein französische, Abgeordneter, der auch Friedensunterhändler war, den Deutschen solche Waffen liefere, um die Lostrennung de, Rheinlande von Preußen zu bekämpfen.
Brüssel, 6. Juni. Der „Soir" meldet: Die belgische Kommission für den Wiederaufbau hat sich dem Beschluß der französischen Wiederaufbaukommission am 27. Mai angeschlossen, daß eine weitere. Herabsetzung der Scha-, denersatzforderungen Deutschlands unmöglich sei. !
Tie englisch-russischen Verhandlungen.
London, 6. Juni. Tie Verhandlungen des internationalen Wirtschaftsrats mit Krassin, die am Freitag statt- sinden sollten, sind abgesagt worden. Es ist fraglich ob die Verhandlungen in nächster Woche wieder ausgenommen werden. Lloyd George ist aufs Land abgereist, ohne Krassin noch einmal gesprochen zu haben. Krassin gilt als Werkzeug des aus England ausgewieft. neu Bolschewisten Litwinow. s
Einwanderungssperre in England. ^
London, 6. Juni. Die englische Regierung läßt keine Ausländer mehr einwandern, die in England Arbeit suchen.- Die Regierung will zunächst alle arbeitslosen ehemaligen Soldaten unterbringen. , ^
Keine Vermögensabgabe in England.
London, 6. Juni. (Reuter.) Tie Regierung hat die Absicht, eine Abgabe auf die in: Krieg erworbenen großen Vermögen zu erheben, endgiltig aufgegeben. , ^
Der Streit um die Aalands-Jnseln. '
Helsingfors, 6. Juni. Die Erregung gegen Schweden ist durch den Besuch einer Abordnung der Aalands-Jnseln in Stockholm noch gesteigert worden. Die finnische Regierung wurde ansgesordert, für alle Fälle Vorsichtsmaßregeln zu treffen. - >-
Krieg im Osten. ^ "
Moskau, 6. Juni. Nach einer Nadiomeldung stehen die Sovjettrnppen auf der ganzen Front gegen Po'.en in hin- und herschwankenden Kämpfen. Im Raum vor Wilna, an der Beresina und in: Kiewer Gebiet, sonn südlich davon haben die Polen Erfolge errungen, währen,: weiter südlich die Russen an mehrere Punkten vorge- komincn sind.
London, 6. Juni. (Reuter.) Ein allgemeiner bolschewistischer Angriff hat am Pripjet und Tnjepr bc-
cwnnen. ^
Nm das russische Gold.
Stockholm, 6. Juni. Ter französische Gesan. te mach le bei der schwedischen Regierung die Ansprüche Frank reichs auf das russische Gold wegen der früheren An leihen an Rußlaich geltend. (Tie Sovjetregierung ha bekanntlich in Schweden große Bestellungen in Maschinen gemacht, die sie in Gold bezahlen will.) ^ ^
Washington, 6. Juni Der Staatssekretär des Auswärtigen Polk hat sein Entlassungsgesuch eingereicht das von Wilson angenommen wurde. (Polk war im vorigen Jahr, nachdem auch Lanstng wegen Streitigkeiten mit Wilson sein Amt niedergclegt hatte, von Wilson zum Staatssekretär ernann worden. Wilson soll jetz: übiigens geistig völlig unzurechnungsfähig sein. Sei! einigen Tagen sind nach einer Washingtoner Nachrichl die Fenster seines Schlafzimmers in: „Weißen Hans", dem Präsidentenpalast, mit Eiscngittcrn versehen. Wilson hat seit September v. Js. das Hans nicht mehr verlassen. Er soll schon längere Zeit nicht mehr fähig sein, zu arbeiten, die „Regierung" liege in den Händen seine: ehrgeizigen Frau.)
Wirtschaftlicher Wochenüberblick.
G'lbinnrkt. Der Valutaverkehr steht gegenwärtig im Mit tetpnnkt der ganzen Volkswirtschaft. Er bildet ihr Barometer Line wilde Spekulation hat sich seiner bemächtigt, dienlich stellte es sich heraus, daß nach dein schönen Aufstieg des deutschen Markknrses in Zürich auf 17.60 Rappen der ausländisch! Markt mit Hausse Engagements übersättigt war. Das führte ;u einem jähen Rückgang bis auf 12.35 Rappen am 3. Juni, wozu aücrhand erlogene politische Gerüchte über Putschversuche in Deutschland h.rüalten mußten^ Am Freitag stand die Mark