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für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt für das obere Cnztal.
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.
Nummer N8
^iläbuö, Mitt^ock, äen 26. Mm 1920.
54. ^skrgang
Beseitigung der Angestellten-
Die Berliner „Germania" (Zentr.) tritt nachdrücklich für die Beseitigung -der Angestclltenversicherung ein und es ist wohl anzunehmen, daß die Absicht bei den maßgebenden Stickten bereits greifbare Formen angenommen hat. Die „Köln. Ztg." meint dagegen, daß eine solche Entwicklung, ungeachtet eines vielleicht denkbaren ver- sichcrnngstechnischen, Fortschritts, dahin führen müßte, den Nest des Unterschieds zwischen Kops- und Handarbeit aufzuheben und das Ziel des politischen Sozialismus, Angestellte und Arbeiter in einer geschlossenen Kampfesfront zusammenznfassen, in die Nähe zu rücken.
In. der Sitzung der Nationalversammlung vom 19. Mai wurde ein Gesetzentwurf über die weitere Ausdehnung der Versicherungspflicht in der Angestelltenversiche- rnng angenommen. Die Versicherungsgrenze wird hiernach von 5000 bzw. 7000 auf l^OOO Mark erhöht. Bei dieser Gelegenheit fiel von demokratischer Seile eine Anspielung, daß in kürzester Zeit eine Ueberprü- fnng, der ganzen Angestellte n- ü n d InValiditätsversicherung werde erfolgen müssen. Man geht wohl kaum fehl, wenn man diesen Hinweis mit der seit längerer Zeit hervortretenden Absicht in Verbindung bringt, die Angestelltenvsrsicherung als Sonderversicherung einer bestimmten Berufsllasse überhaupt anfzuheben und sie in die allgemeine Arbeiter-, Invaliden- und Hinterbliebenenversichernng einzugliedern.
Die Neigung hierzu machte sich bereits bemerkbar, als der Gedanke einer besondern Angestelltenversichernng auftauchte. Die Gegner der Angestelltenversicherung waren besonders im Lager derer zu suchen, die zivischeu Angestellten und Arbeitern weder einen sozialen noch einen wirtschaftlichen Unterschied von solcher Bedeutung, anerkennen wollen, daß er eine Abtrennung der Angestellten vou der Arbeiterschaft auf dem wichtigen Gebiet der Sozialversicherung erforderlich mache. .Hinzu kamen finanzielle und versicherungstechnischc Bedenken, die eine Zersplitterung unseres gewaltigen Reichsdersichernngs- baues befürchten zu müssen glaubten. Allen diesen Hemmnissen zum Trotz setzte sich jedoch der Gedanke einer be- . sonderen Angestelltcnversicherung durch, nicht zuletzt an? das Drängen der Angestelltenschaft selbst, die auf dw Erhaltung ihres Standes als einer besondern Bcrnfs- klassc hinarbeite.
Hierin ist nun während des Jahrzehnts des Bestehens der Angestelltcnversicherung ein starker Wandel eingetreten. Der Werbearbeit der Sozialisten aller Richtungen ' wie auch der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung ist es Anzuschreiben, daß dieses Standesbewußtsein der Angestelltenschaft vielfach der Ucbcrzeugung von einer absoluten Interessengemeinschaft mit den Handarbeitern Matz gemacht hat.
Dazu kommt, daß der auf eine Reihe von Jahren berechnete Ausbau der Augestelltenversichcrung eine ständige Vermehrung des Beamtenapparats und damit wachsende Verwaltungskosten erfordert. Diese wurden nach den Beitragscinnahmen berechnet, nach dein ersten Geschäftsjahr mit 2. v. H. in Anschlag gebracht. Schon im nächsten Jalwe hatte man ein Steigen der Verwtiltnngs- kosten von 2,11 auf 3,08 v. H. zu verzeichnen, in den Jahren 1913 bis 1917 bewegte sich die Höhe der Kosten: 1913 2,11 v. H., 1911 3,08 v. H., 1915 4M v. H., 1916 5,6 v. H.', 1917 6,89 v. H., also um 4F8^ v. H. aufwärts, in Zahlen ansgedrückt von 2 927 877,95 Mk. auf. 6 795 841,42 Mk. Diesem Anwachsen der Vcr- waltungskosten um 4,78 v. H. steht ebenfalls als teilweise Folge 'des Kriegs für die gleiche Zeit eine Steigerung der Unkosten für die Invaliden- und Hinterbliebencnver- sicherung vou nur 1,7 v. H. gegenüber. Absolut betrachtet erfordert nun diese mit 8,5 v. H. immer noch höhere Verwaltungskosten, als die Angestelltenverstchernng, jedoch niuß daini't gerechnet werden, daß, wenn an die letzte erst einmal ihre eigentlichen Aufgaben, Nuhegeld- bewilüg ing, Zahlung von Waisen- und Witwenrenten, nach Ablauf der Wartezeiten in vollem Umfang heran- tmen werden, ihre Rentabilität überhaupt in Frage bestellt sein könnte.
Kriegssteuerm und Weinbau.
. K. W. Der Weinbau hat mit außerordentlich schwankenden und oft mit geringen Erträgen zu rechnen. Wirklich gute Jahre sind selten und müssen dann zum Ausgleich der leider sehr häufigen geringen und ,Fehljahre dienen. Der Deutsche Weinbau-Verband hat auf diesen Umstand bezüglich der Veranlagung zur Kriegsgewinnsteuer wiederholt hingewicsen und verlangt, daß der Ertrag der guten Jahre 1915 und 1917 nur als Ausgleich für vjele vorhergegangeue Mißjahre, nicht als Kri e g s g ew in n, zu gelten habe. Ter Verband ist mit seinen Forderungen leider-nicht durchgedrungen.
Tie Steuergefetze nehmen auf die Herkunft des Gelds keine Rücksicht. Es war 1913 nicht da, 1919 war es da, folglich gilt es als „Kriegsgewinn", wie der Kriegsgewinn des großen Heereslieferanten, des Spekulanten und des „Schiebers". Das ist ein offenbares Unrecht.
Die Gesetze lassen in den .Härteparagraphen (Gesetz über eine außerordentliche Kriegsabgabe für das Rechnungsjahr 1919, 35; Gesetz über eine Kriegsabgabe vom
Vermöqensznwachs vom 10. September 1919, W 24 und 32) immerhin die Möglichkeit „zur Vermeidung besonderer Härten" eine andere als die in den Gesetzen allgemein vorgesehene Veranlagungswlft zu. Steuerpflichtige Winzer müssen demnach sofort nach Emp fang des Steuerbescheids auf Gruird der Härteparagraphen bei ihrem Finanzamt gegen den Bescheid im Sinn der genannten Eingaben des Deutschem Weinbanverbands Berufung ein legen, wenn sie nicht den in den Kriegsjahren zufällig erzielten Erlös ans dem Weinbau nngerechterweise als „Krieqsge- winn" versteuern wollen.
Neues vom Tage.
Ernennungen.
Berlin, 25. Mai. Der Reichspräsident hat die Mit-^ glieder des Reichsrats, den bayerischen außerordentlichen' Gesandten und bevollmächtigten Minister! Dr. v. Preger, den sächsischen Gesandten Staatsminister a. Dr. Koch und den württ. Gesandten Hildenbrand für die Dauer ihres Hauptamts zu Mitgliedern des Reichsdisziplin a r h o fs in Leipzig ernannt.
Ans dem Parterleben.
Berlin, 25. Mai. Das bisherige Mitglied der Nationalversammlung Fräulein Gierke ist aus der Deutsch- nationalen Volkspartei ansgetreten. Frl. Gierke, deren Mutter eine Jüdin ist, war von der Partei diesmal nicht wieder in die Kandidatenliste ausgenommen worden.
München, 25. Mai. Zwischen den bürgerlichen Parteien in Bayern ist die Vereinbarung getroffen worden, daß diese Parteien den Wahlkampf untereinander in sachlicher Form führen und in der Abwehr gegen die Radikalen znsammcnstehen.
Paasche jr. erschossen.
Berlin, 25. Mai. Bei einer Haussuchung bei dem früheren Kapitänleutnant Hans Paasche auf sinem Gut. Waldfrieden bei Kreuz (Kreis Arnswalde) nach Waffen wurde Paasche, als er zu fliehen versuchte, am letzten Freitag von 'einem Reichswehrsoldaten erschossen. — Paasche, der einzige Sohn des früheren nationalliberalen Reichstagsabg. Paasche, war früher Marineoffizier, mußte aber, da er m Kiel großen Auswand trieb und mit verschiedenen Dienststellen in Streit geriet, als Kapitän- lcutnant seinen Abschied nehmen. Beim Ausbruch der Revolution 1918 trat er in einen radikalen Arbeiterund Soldatenrat ein. In letzter Zeit liefen bei der Regierung in Schneidemühl wiederholt Anzeigen ein, daß Paasche auf seinem Gut ein Waffenlager für einen spar- takistischen Putsch habe. Das Lager sollte durch eine Grenzschntzpatrouille beMaarmwm imd-LaMie verhaftet werden.
Hanota x französischer Botschafter beim Vatikan.
Paris, 24. Mai. Laut „Echo de Paris" wird Gabriel Hanotaux, der frühere Minister des Auswärtigen und bekannte Historiker, znm französischen Botschafter beim Vatikan ernannt worden/
Lugano, 25. Mai. Der frühere König Konstantin von Griechenland hat die Schweiz verlassen und
sich über Chiasso zum Kirraufenthalt nach Salsomag-, giore (Oberitalien) begeben. '
Streik in Frankreich. i
Paris, 25. Mai. Die Eisenbahner werden den Streik fortsetzen. Tie Bergarbeiter in Cransac und Decazeville beschlossen, solange zu streiken, bis alle entlassenen Arbeiter wieder eingestellt sind. x ^
England verzichtet.
. London, 25. Mai. Nach der „Westminster Gazette" sagte Bonar Law: Tie Regierung ist darauf gefaßt, daß wir unsere gesamte Kriegsschnldenlast auf unsere eigenen Schultern nehmen müssen. — Der Verzicht auf eine deutsche Geldentschädigung wäre auch kein so großes Opfer, nachdem England dm Hauptteil der deutschen Kriegs- und Handelsflotte, das Hasenmaterial und fast sämtliche deutschen Kolonien in Besitz genommen hat. Die Engländer von den Bolschewisten geschlagen.
Paris, 25. Mai. Der „Temps" meldet: Die englischen Truppen, die bei Enseli (Persien) geschlagen wurden und sich auf Rescht zurückzogen, mußten auch Rescht räumen, da sie von den Bolschewisten umzingelt wurden. Sie zogen sich auf die Brücke in Mendjil zurück, die letzte strategische Stellung auf dem Weg von Kaswin nach Teheran.
Kampf zwischen Türken und Griechen.
Athen, 25. Mai. Das griechische Hauptquartier in Smyrna meldet, daß ein Zusammenstoß in der Gegend von Oedenisch zwischen türkischen Truppen in Stärke von etwa 700 Mann, die von irregulären Banden unterstützt wurden, und griechischen Truppen stattgefunden habe. Die Türken hätten eine „starke Niederlage" erlitten und viele Tote und Verwundete, sowie Gefangene znrückge- lassen. Die griechischen Verluste waren verhältnismäßig gering.
Krieg im Osten.
Basel, 25. Mai. Die Presse-Information meldet nach Telegrammen ans Warschau, daß an der Düna seit drei Tagen eine Entscheidungsschlacht zwischen Bolschewisten und Polen geschlagen werde. 325 000 Mann seien am Kampf beteiligt. Tie polnische Front soll durchbrochen sein. Viel französisches Heeresgerät fiel den Bolschewisten in die Hände. Zwei polnische Divisionen seien vernichtet. Tie Weißrussen sind im Aufruhr gegen die polw's hen Bedrücker. ,
London, 24. Mai. Nach dem „Daily Telegraph" liegt jetzt die . erste Gewalt in Rußland in den Händen des Generals Brussilow. Die Polen wurden auf Kiew zurückgeschlagen, in das die Russen bereits eingc- drungen sind.
London, 24. Mai. Nach einer Meldung der „Daily Mail" aus Tientsin berichten chinesische Beamte von Kaschgar in Osttnrkestan, daß eine große afghanische Swcit- macht unterwegs sei, um die Engländer anzngreifcn.
Karl der Abtrünnige.
Wien, 25. Mai. Der frühere Minister Graf Andre, jsy veröffentlicht das Telegramm des Kaiser Karl an Kaiser Wilhelm vom Oktober 1918, worin das Waffenbündnis ansgckündigt und erklärt wird, daß Karl binnen 48 Stunden einen Sonderfrieden mit sofortigem Waffenstillstand verlange. (Durch diesen Verrat, der den Feinden den Einmarsch in Deutschland ermöglicht hätte, wurde die deutsche Westfront unhaltbar.)
Der Aufstand in Mexiko.
Ncnyork, 25. Mai. („Associated Preß.") General CaileS, Präsident der vorläufigen mexikanischen Regierung erklärte, die Behörden hätten dem General Billa ein Ultimatum gesandt, sich bis morgen zu entscheiden, ob er mit der neuen Regierung im Krieg oder Frieden lebe. ' ' ' .
Ter „Daily Mail" wird ans Mexiko gemeldet.: General Obregon entsandte 2000 Mann zur Verhaftung des Mörders von General Carranza. — Nach einem Neuyorker Telegramm an die „Times" hat General Obregon Weisung zur Verhaftung des Generals Herreros erteilt, der von einem Kriegsgericht abgeurteilt werden ioll. Herreros soll die Ermordung Carranzas veranlaßt laben.
Washington, 25. Mai. (Havas.) Wilson hat den
mgreß ersucht, die Ver. Staaten zu ermächtigen, daß üe das Mandat für Armenien anvclmen.