' W

.Mc^

MH

(Enztalbote)

M

k (^-2

Usc-

?>

<M

iM

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Cnztal.

r-,E

krlcbeint täglich, ausgenommen 5onn- u, feiertags. Leeugspreis monallicb Mk. 4,50, vierteljäbrlicti 13,50 frei ins kjaus geüelerl: üurcb äie Post bezogen im innerdeutschen Verkelir Mk. 13.50 unü 40 pkg. post- bestellgelci.

Anreigenpreis: sie einspaltige petitreiie oöer üeren kaum 50 pfg auswärts 60 pfg., kekiamereiien 1.50 Mk., bei grökeren Aufträgen kabatt nach Larif. ZchiulZ üer Anreigenannsbme: täglich 8 Ubr vor­mittags.

-Uli!

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Plummer 115

^iläbucl, kreilug, äen 21. Mui 1920.

54. )s!irgsng

' Was geht irr Rußland vor?

Moskau ist ausfallend schweigsam geworden. Tie Pariser Presse wies schon vor einer Woche daraus hin, daß der Pariser Eiseltnrm keine Fnnksprüche aus Moskau mehr auffange, während'sich ihm sonst täglich Gelegenheit dazu geboten habe, Tagegen wurde ans Kopenhagen geme.det, daß in Moskau ein ernster Aus stand ausgebrochen sei. Jetzt liegt eine Meldung der Telegraphen-Union aus Lon­don vor, wonach man auch dort für die seit einigen Tagen bestehende Unterbrechung der drahtlosen Verbindung mit Moskau keine ausreichende Erkiärnng finde. Nach der einen Deutung sei in Rußland eine neue Revolution ausgebrochen, nach derr andern solle General Brussi- tow die drahtlosen Verbindungen zerstört haben, um seine Vorbereitungen ungestört treffen zu können. Es verlaute auch, daß die Boschewiken alles dransetzten, um Kijew zurückzugewinnen, und hiesür ihre Todesbataillone einsetzen wollten, Fenier entwickelten die Monarchisten Rußlands auf dem Balkan eine lebhafte Tätigkeit. Tie LondonerTimes" meldet ferner aus Neuyork, der ^Kom­missar des amerikanischen Roten Kreuzes in Rußland, Oberst Bryan, habe sich in einein Bericht über die innere Lage Sowjetrußlands, dahin ausgesprochen, daß die bol- schewikische Regierung sich ihrer Machtlos gkeit vollkommen bewußt sei. Es stehe eine Revolution, die ein schreckliches Blutvergießen im Gefolge haben werde, unmittelbar bevor.

Daß die bolschewikischen Machthaber die durch den An­griff der Polen geschaffene Gefahr richtig einschätzen, be­kundet ein Hilferuf Siuowjews au alle Arbeiter der Welt, Sinowjew, der Leiter der nördlichen Kommune, gebietet in Nordrußland fast uneingeschränlt. Seiner Tat­kraft ist es im vorigen Jahr gelungen, der Cholera .Herr zu werden. Ob er den Kampf gegen die Seuchen und den Hunger weiter erfolgreich führen kann, erscheint aber fraglich, denn nach dein Bericht eines im April d, I. aus Petersburg geflüchteten glaubwürdigen Gewährs­mannes herrschen dort grauenhafte Zustände, Ter Fleck­typhus, der jetzt in fast allen Teilen Sowjetrußlands, auch au der Front wüte, fordere unerbittlich seine Opfer. Bei der Unmöglichkeit, Diät zu halten, und dem fast völligen Mangel an medizinischen Instrumenten und Arzneimitteln sterben die zum Skelett abgemagerten Kran­ken in den eiskalten und verdreckten Wohnungen und'über­füllten Krankenhäusern wo Wasserleitungen chm. eben­falls nicht mehr funktionierten, zu Tausenden,

Angesichts dieser verzweifelten wirtschaftlichen Lage in jedem größeren Ort des Landes und der Erfolge der Polen erscheint es kaum glaublich, daß. die Sowjetregie- ruug ihre militärischen Pläne im Kaukasus und Persi.m, von denen die englische Presse seit geraumer Zeit immer wieder berichtet, noch ernst.ich verfolgen kann. Beachtens­wert ist die Antwort, die Bon ar Law im englischen Unterhaus in Erwiderung auf mehrere Anfragen gab: Als im Oktober v. I. die russischen Grenzstaaten einen Anriff Sowjetrußlands befürchteten, bat die polnische Re­gierung um Unterstützung. Tie englische Regierung konnte finanzielle Hilfe nicht leisten, bot aber Polen einen Vor­rat überzähligen .Kriegsmaterials an, unter der Bedingung, daß es auf polnische Rechnung befördert werde." Das Vorgehen englischer Hafenarbeiter, die sich weigerten, einen Dampfer, der Kriegsmaterial nach Dan­zig bringen sollte, abzufertigeu, macht Schule. Nach einer Meldung aus Mailand haben sich die Eisenbahner in Brescia geweigert, einen aus Frankreich kommenden Zug mit Kriegsmaterial, der für Bukarest bestimmt war, durch Italien weiterzuleiten. Sie begründeten ihr Verhalten mit dem Hinweis, daß es sich um Kriegsaterial handle, das zum Kampfe gegen Sowjetrußland verwandt werden solle.

/,Die Sowjetregierung hat sich auf der Grundlage der kommunistischen Diktatur für den Frieden im Innern und nach Außen ausgesprochen, welch letzteren sie durch die Entsendung einer Haudelsgesaudtschalt unter Krasfiu uach Kopenhagen einleiten wollte. Allein, wie demHamb Fremdeubl." aus Helsiugfors g.s hricb.n wird, von ciuer Warenausfuhr aus Rußland kann bei den jetzigen trost- wieu Z,stände kaum die Rede sein. Tiefriedliche" .ho.iiik des Bolschewismus ist denn auch im Innern und --sichern auf große Schwierigkeiten gestoßen und fürs kr gescheitert. Im Innern sind trotz einzelner Erfolge .'s' ' at u Berichten russischer Flüchtlinge die produk- uo n Kräfte Le? Vo.ks nicht in genügendem Maße zur

Arbeit zu bringen. Zwi-cheik Petersburg und M'oSlau verkehrt täglich eine mi i ärilcheLetutschla" (Lo'omouve mit 12 Wagen!, saust gehen nur zwei Pe-soneuzüge in der Woche, liebe,eiustimmeud wird von allen Seile.i berichtet, daß die Roten Armeen nick den: Ueber^aug zu Arbeitsarmeen auseinanderlauleu. Es arbeileu zum Teil Kommunisten, zum Teil die gepreßten, o't bürgerlichen Zwangsarbeiter, In der äußeren Po.-ltik b deute-, der nicht zustandegekommene Wagen'i lst..na mit Fiu.ulaud und der Angriff der Polen eine neue Weu.mug in der E-R stenz Sowjetrußlands. Wenn mau mit Recht aunehmcn kann, daß die Entente Angesehen - hat, daß Europa aus die Tauer nicht ohne die Rohwaren Ruhlmds existieren kann, so bedeutet die neueste Wendung in der Entenie- Politik daS Eingeständnis: Wir haben uns irreführe!: lassen; Handels- und diplomr.t sehe Bezi.huug u mit Sow­jetrußland sind in absehbarer Zeit ebenso' anssichts'os. wie es der Versuch des Tauschhandels m't Hi fe der russischen Genossenschaften war; wir machen deshi b eine neue Wendung, bestätigen Estland und Lettland sürS erste nicht, lassen Polen und, wenn es geht, Finnland gegen Rußland marschieren, Japan in Sibirien, Wrau- gell von der Krim aus wirken und erreichen aus diese Weise entweder den Sturz der Sowjetgewa t oder wenig­stens die Befreiung weiter Gebiete von ihr und deren Eröffnung für westeuropäische Beziehungen.

Et wäre aber verfrüht,- schon fegt ein Urteil über den Ausgang des polnisch russischen Kampses zu km. Tie gefährlichsten Waffen der Bvlschewiki sind nicht die Geschosse, sondern Agitation und Flugblätter. Bolsche­wistische Strömungen waren in Polen von jeher stark. Bekannt ist der .Haß der Ukrainer gegen ihr gefährlichstes Bedrückervolk, die Polen, Auch in der Ukraine ist der Bolschewismus eine bedeutende Macht, Je weiter die polnischen Heere vorrücken, desto stärker werden sie den zersetzenden Einflüssen des eroberten Landes preis- gegeben, Desto kräftiger regt sich zugleich in Rußland neben dein Fanatismus der um ihre Existenz ringenden Bolschewiki auch der alte russische Nationalismus.

Erica mit Sowietrußland ist gesährlich: friedlicher Ver­kehr noch gefährlicher und fürs erste in Folge der neuen Offensive und der endgültigen Zerstörung des russischen Wirtschaftslebens gänzlich aussichtslos. Abwarten und den Todeskamps Rußlands im Innern aufmerksam be­obachten, ist das einzige, was übrig bleibt."

Deutsche Nationalversammlung.

Berlin, 19. Mai.

Heute trat die Nationalversammlung noch einmal zu einer kurzen Tagung zusammen, um einige Entwürfe, ans deren Erledigung vor der Reichstagswahl die Re­gierung und die Mehrheitsparteien Wert legten, zu ver­abschieden, Zunächst wurde der Gesetzentwurf über die steuerliche Behandlung der im Reichsausgleichgesetz und ini Euteiguungsgesetz geregelten Ansprüche und Verbind­lichkeiten mit einigen Abänderungen nach den Anträgen des Ausschusses uud des Abg, Becker (D. Volksp.) in zweiter uud dritter Lefuug angenommen, Reichssinanz- minister'Dr. Wir th leugnete nicht, daß in dem Ge­setz manche. Ungerechtigkeiten enthalten seien, aber man müsse sie bei den ungeheuerlichen Finanzschwierigkeiten in Kauf nehmen. Nehmen doch die schwebenden Schulden des Reichs um 9 bis 4 Milliarden monatlich zu. Tie Ausdehnung der Krankenversichernngspslicht ans Ange- stellten-Einkommen bis zu 15 000 Mk. wurde angenom- en, ein überraschend Angebrachter, aussicbtsloser Antrag des Sozialdemokraten Hoch, die Grenze auf 25000 Mark zu erhöhen, mit allen bürgerlichen Stimmen ab- gelehut. Der Gesetzentwurf betr. die Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit wird von den Deutsch- nationalen durch deren Redner v. Graefe scharf be­kämpft. Nach einer Aussprache über die gewohnte An­wendung der Geschäftsordnung, nach der die Erledigung der Vorlage nicht mehr möglich gewesen wäre, beschließt die Mehrheit, in außerordentlicher Weise die Beratung aufzvnehmen. Zwischen der zweiten und dritten Lesung eines jeden Gesetzes muß nach der Geschäftsordnung ein voller Tag liegen, die dritte Lesung hätte also nicht vor Freitag stattfinden können, wo das ohnehin schwach besetzte Haus wegen der Pfingstfeiertage nicht mehr be­schlußfähig gewesen wäre. Schließlich wurde der Ent­wurf in 2. Lesung angenommen. mckJl UL.Wi -. .

?! a. Gill'ng (3) bittet den Antrag Hoch (Enveiternnq der Krankenvcrsicheningspflicht ans Einkommen bis 25 000 Mark) n'-nilehnen.

Abg. Weilhausen (D.d.P.) b-merkt, daß der Antrag Hoch aus W'lstagitativn zurückzuführen sei.

Abg, Mumm (D.natl.Vv.): Ein Heraussetzen der Bersicherungs- ar n;e ist zweckmäßig. Der sozialdemokratische Antrag ist aber a-natorisch. Der Rcichsarbci'sminister arbeitet gegen das Sclbst- bestimmungsrecht der Angestellten.

Abg. AnA; (3): Wenn man die Versicherungsgrenze sprung­hack erhöhen will, könnte man sie ebensogut so hoch ansetzen, daß auch die Minister unter die Versicherung fallen.

Der Antrag Hoch wird abgelehnt, die Vorlage in der Kom< n.i ionssastuin mit eiligen unwesentlichen Aenderungcn angenom. men, ebenso in dritter Lesung.

. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die A h bung der MiNtä g lichtsba k l.

Präsident Fehrenbach teilt mit, die Opposition der Rechten werbe bei der zweiten Lesung des Gesetzes keine Schwierigkeit!! machen, dagegen gegen eine dritte Lesung am morgigen Tage Widerspruch erheben, Es sei aber unwahrscheinlich,' am Frei­tag vor Pfingsten noch ein beschlußfähiges Haus beisammen zu haben. Das wäre dann ein unrühmliches Ende der National­versammlung.

Abg. Lobe <S.): Meine Partei will das wichtige Gesetz unter allen Umständen durchberaten.

Abg. Gräfe (D.natI.Vp.1: Bei der Wichtigkeit des Gesetzes können wir auf die geietzmäßige Fckst zwpchen den Lesungen nickt verzichten.

Abg. v. Payer (D.d.P.): Die Rechte will die Notlage des Hauses ausnützen. Wir schlagen vor, die Beratung fortzüsetzen.

A.,g. Gräfe (D.natl.Vp.j (ritt sür die Militärgerichtsbarkeit ein und begründet eine Anzahl Eoentualanträge aiis Acndening des Gesetzes. Wenn Sie heute die Milgtärjustiz abwllrgen, wird es über kurz oder lang heißen:Es lebe die Militär. stMlz!"

Abg. Stücklen (S.): Der Gesetzentwurf entspricht der Ver­fassung. Mit der Verhinderung der 'Annahme des Gesetzes will die Rechte nur eine Galgenfrist gewinnen.

Abg. Meitzer (D.d.P.): Militärgerichte haben höchsten« im Krieg oder auf hoher See Berechtigung. Wir wollen eine aus dem' Ehrgefühl des Soldaten aufgebäute Disziplin.

Das Gesetz wird nach den Ansscl>ußbesch!üssen angenommen, ebenso dasjenige betreffend die Heeresjustiliäre.

Neues vom Tage. ^

Ebert kandidiert nicht mehr ?

Berlin, 20. Mrii. In einer Geweckschastssitzung würde mckgeteilt, Ebert werde nicht mehr nm das Amt des Reichspräsidenten sich bewerben. Er wolle keine Wahl mehr annehmen.

Ter Posten eines Generalqnartienneisters (Chefs deS Generalstabs) soll nach demVorwärts" in eine Unter- staatssekretürsstelle umgewandep, jedoch durch einen Offi­zier besetzt werden. Nach dein Friedensvertrag darf Deutschland keinen Generalstab mehr haben.

Nach denPol. Pari. Nachr." sind der Unabhängige Sozialist Abg. Raute zum Landrat in Bitierseld und der Unabhängige Redakteur Easparek zum Londrcck in Sangerhanse» ernannt worden. >

Die Reichsgetreideordnung für 1920.

Berlin, 20. Mai. Der -Reichsrat nahm gestern die neue Reichsgetreideordnung für die Ernte 1920 an. Tie Verordnung wird an der Zivangsbewirtschaftnng sämtlicher Getreidearten festhalten. Auch der Hafer unterliegt wie­der der Zwangswirtschaft. Die neue Verordnung über die Versorgung mit Herbstkartoffeln ans der Ernte 1920 sieht ebenfalls von der freien Wirtschaft ab. Das bis­herige System soll aber derart geändert werden, daß die landwirtschaftlichen Genossenschaften und die Organisa­tionen des Kartosfelhandels mit den Landwirten Ver­träge über Lieferungen von Kartoffeln abschließen können. Für den Fall, daß diese Verträge bis zum 1. August l920 zusammen über vier Millionen Zentner erreichen, sieht die Verordnung von einer weiteren öffentlichen Bewirtschaftung ab und überläßt den verbleibenden Rest der Ernte den Erzeugern zur beliebigen Verwendung, auch zur Fütterung.

Berfammlungsstörung.

Lndwigshafen, 20. Mai. Als gestern abend der Abg. Tr Stresemann in einer von der Deutschen Volkspartei einberufenen öffentlichen Versammlung spre­chen wollte, setzte aus der Galerie ohrenbetäubendes Lär­men ein. Wiederholte Versuche, dem Redner Gehör zu verschaffen, wurden durch Johlen und Pfeifen vereitelt. Schließlich wurden Stühle von der Galerie geworfen, wodurch einige Personen verletzt wurden. Ein Polizei­aufgebot räumte den Saal.