Nummer 76

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Amtsblatt für Wläbscl. Chronik unä Anreigenblsti

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Wiläbuc!, Zumstug, clen - ^pril 1S20.

34. Islirgung.

SorrnLagsgedarrkett.

Osterglaubcn.

Du wirst niemals zu einem Osterglauben kommen, der Wahrheit hat und Wert, wenn du nicht in dir selbst ewiges Leben sich regen suhlst. j -

i l ' Fr. Rittelmeyer. Ä

MW

sarr.

DÄMM!

Unter äußerst schwierigen Umständen und nach mancher­lei Wandlungen ist das neueReichskabinett gebildet Morden, wenn inan von einem neuen Ministerium reden will, denn die jetzige Reichsregiernng setzt sich in der Hauptsache aus den früheren Kabinettsmitgliedern zusam­men und nur drei Minister sind neu hinzugetreten. Aus dem Kabinett Bauer wurde ein Kabinett Müll er. Die Tatsache, daß ein neues Kabinett am 29. März sich der Nationalversammlung vorstellen konnte, ist aber allein schon ein Zeichen, daß wir aus den Wirren der letzten Wochen langsam wieder herauskommen Die Kefäh'-- lichste Krise ist Überstunden. Vor acht Tagen noch war das keines'w^s sicher. Der Ausschuß der gewerkschaft­lich organisier cn Arbeiter, Angestellten und Beamten hatte sür die vor? feinem Beschluß abhängige Beendigung des Generalstreiks Bedingungen gestellt, die das Beibehalten Ver seitherigen Koalitionsregierung ernstlich in Frage stellten und, wenn sie restlos angenommen worden wären, die fernere Mitwirkung der Zentrumspartei und der demokratischen Partei unmöglich gemacht hätten. Aber keine Suppe wird so heiß gegessen, als sie gekocht wird und mit den Stunden kam auch der Rat. Es gehörte eine nicht geringe politische Geschicklichkeit dazu, die in greif­bare Nähe gerückte reine Arbeiterregierung abzuwenden, durch die das weit überwiegende Bürgertum von der Re­gierung glatt ausgeschlossen worden wäre. Ein vollkom­mener Zusammenbruch und vielleicht ein furchtbarer Bür­gerkrieg wäre die Folge gewesen. Daß heute ohne die Arbeiter oder gegen sie nicht regiert iv-erden kann, ist eine allgemein- erkannte und anerkannte Tatsache, aber Maß muß sein in allen Dingen. Das hat man denn auch auf seiten der Gewerkschaften eingesehen, von denen ein Führer der Unabhängigen Sozialdemokraten, Crispien, bei dieser Gelegenheit sagen konnte, sie seien zum ersten Mal um :ines rein politischen Hintergrunds willen aus ihrer her­kömmlichen Neutralität herausgetreten und haben den größten Kampf geführt, den die Arbeiterschaft in Deutsch­land je gesehen habe.

In der Sitzung der Nationalversammlung vom 29. März legte Reichskanzler Müller die Richtlinien sei­nes Kabinetts dar. Es wird die Geschäfte fortführen, bis der Reichstag wahrscheinlich Ende Mai gewählt ist. Eine besondere Aufgabe erblickt die Regierung in der unnachsichllichen Bestrafung der Teilnehmer am Putsch des Herrn Kapp, von denen eine ganze Anzahl bereits verhaftet oder steckbrieflich verfolgt ist. Zunächst ist mit der Einziehung der Vermögen der Beteiligten begonnen worden. Strafe muß sein: aber man wird dem Zen- trumsabgeördneten Bolz zustimmen müssen, wenn er verlangt, 1> der Aufruhr der roten Radikalen im Ruhrgebiet, im Voigtland nsw. mindestens dieselbe strenge Ahndung erheische. Da wird gemordet, geplündert und gebrandsthatzt, wie nur je einmal in einem ivilden Krieg. Daß dabei russische Bolschewisten Mitwirken, gibt der Sache eine besondere Bedeutung. Unter den gefallenen Ausrührern in Magdeburg wurden verschiedene Russen festgestellt. Also die .Bolschewisten haben die Hand im Spiel.

Diese Tatsache sollte doch auch der Entente zu den­ken geben, und darum ist cs schwer zu verstehen, wie sie der deutschen Negierung bei dem Ansuchen, Verstärkungen in das Ruhrgebiet zur Herstellunng der Ordnung sen­den zu dürfen, solche Schwierigkeiten in den Weg legte, daß Frankreich geradezu die Besetzung von Frankfurt, Tarmstadl und einiger anderer Städte alsBürgschaft" verlangte. Sehen denn die Verbündeten nicht ein, welchen Dienst Deutschland ihnen selbst leistet, wenn es die bol­schewistischen Zuckungen aln ihrer Grenze unterdrückt? Und immer wieder ist es das haßbetörte Frankreich, das die Schwierigkeiten macht- Die Amerikaner sind hell­sichtig und klug genug, um die Aufgabe Deutschlands zu erkennen und zu würdigen; in einer in Paris übergebenen

Note billigen sie die deutsche Forderung und mißbilligen die französische. Die Italiener bezeichnen die Haltung Frankreichs so ungefähr als gefährliche Verbohrtheit und selbst England kann die Berechtigung des deutschen Be­gehrens nicht bestreiten, aber Lloyd George wagt sich nicht in offenen Gegensatz zu Frankreich z i stellen. Es ist ja ohnedies zwischen den Verbündeten längst nicht mehr alles so, wie es einst war. Der frühere Wiederaufbau- Kommissar Barthou hat erst in der französischen Kammer sein Herz ausgeschüttet. England habe vom ganzen Krieg nur den Profit, Frankreich die Lasten gehabt. Das war noch nie anders, Barthou hält«: also nicht nötig gehabt, sich in eine Bitterkeit gegen die Engländer hineinznreden. Bezeichnend ist der Vorfall, der in Paris und London peinliches Aufsehen machte, trotz alledem. Denn was Barthou öffentlich aussprach, denkt jeder Fran­zose bei sich. Aber daß wir Deutschen Sie Prügelknaben sein sollen, daS ist doch nicht einzusehen. Der Reichs­kanzler sagte in der Nationalverfmmlung, daß er auf das französische Ansinnen sich natürlich nicht einlas­sen tverde. Mit dem Aufruhr muß die Regierung schließ­lich auch ohne die Gnade des Verbands fertig werden. Sie hat in Bielefeld mit Vertretern der Gewerkschaften und der drei sozialistischen Parteien ein Abkommen ge­troffen, das die Forderungen der Berliner Gewerk- zentrale znr Grundlage hatte. Aber dieKampf- ckrale" der Noten Armee hielt sich nicht daran. A März saudw nun die Regierung ein Ultimatum.

30. März mittags 12 Uhr sollten die Waffen nieder­gelegt, die Gefangenen befreit und die Berliner Regie­rung anerkannt werden. Die Frist verstrich, aber die Unterwerfung erfolgte nicht. Es wurden neue Verhand­lungen geführt und es scheint, daß die Regierung das Ultimatum zurückgezogen hat. Jedenfalls sind die Macht­befugnisse des militärischen Befehlshabers im Ruhrge­biet, des Gkrerals vonWatter, dessen Abberufung die Aufständischen verlangen, durch die Entsendung des mit außerordentlichen Vollmachten ausgestatteten Zivilkom- missars Severing in das Ausstandsgebiet wesentlich ringeschränkt worden. Ueber die goldene Brücke sind nun auch die Gewerkschaftsleiter und die Führer der Unab­hängigen gegangen. Für den Fall, daß die Reichswehr­truppen in das Ruhrgebiet einmarschierten, war der ^ Generalstreik angedroht, der sich tvvhl über ei­nen großen Teil des Reichs erstreckt hätte. Aller­orten, auch in Süddeutschland, war man auf das Losschlagen" gefaßt, das tatsächlich geplant ge­wesen zu sein scheint, denn die Regierungen hatten um­fassende Sicherheitsmaßregcln getroffen. Da wurde aus Berlin gemeldet, daß der Generalstreik einstimmig ab­gelehnt.sei. Sollten nun doch Unruhen ausbrechen, so wer­den sie voraussichtlich vereinzelt bleiben.

Auch Dänemark hat seine Krise. Und das hat Ke Abstimmung in Nord-Schleswig getan. Eine politische Richtung in Dänemark kann von der schönen deutschen Provinz Schleswig nicht genug bekommen. Tie erste Abstimmungszone ist ja leider mit einigen Be­zirken,'die überwiegend deutsch waren, verloren gegan­gen. Die zweite Zone, namentlich die fast rein deutsche Stadt Flensburg, hätten jene Dänen nun auch gern haben wollen, obgleich die dänische Bevölkerung dort kaum den siebten Teil der Bevölkerung ausmacht. Mit gütiger Unterstützung der englischen und französischen Be­iatzung hoffte man sich über die Kleinigkeit des Friedens­vertrags, der die A b st i m m n u g entscheidend sein läßt, schon wegsetzen zu können. Der Stimmzettel hat bekannt­lich zugunsten Deutschlands entschieden. Das wurmte die Unersättlichen mächtig und sie wandten sich an den Kö­nig Christian X., ob da nicht doch noch etwas zu machen wäre. Ter König ging auf ihre Pläne ein und es wurden dänische Truppen in die erste Zone und Kriegsschiffe abgesandt, die gegen das hc.flose Deutsch­land nötigenfalls einen Handstreich ausführen sollten. Aber das Ministerium Zahle widersteht,- sich dem Plan mit aller Entschiedenheit; es hielt an dem Sclbstbestim- mungsrecht fest, und lehnte die Einverleibung der zweiten Zone im Hinblick auf daS Ergebnis der Abstimmung ab. Der König ließ sich von der Gegenpartei dazu drän­gen, am 29. 'März das Ministerium Zahle gegen sei­nen Willeir zu verabschieden und ein neues Kabinett bil­den zu lassen, von dem erwartet wird, daß es den Kriegsgewinnlern willfähriger sei. Das alte Kabinett und dessen Parteien, die Sozialdemokraten und Radikalen, s sind aber keineswegs gesonnen, den Gewaltakt hinzuneh-

men; und am Dienstag soll der Generalstreik einfetzen. Ter König hat sich eine böse Suppe eingebrockt. Einen gehörigen Denkzettel hat er verdient und der wird ihm tvohl auch werden.

Als Kuriosium verdient erwähnt zu werden, daß die bolschewistische Regierung in Moskau wieder einmal ein Friede nsangebotderganzen Welt gemacht hat, im gleichen Augenblick, wo sie den Aufrmhr in Deutsch­land urrd im Zusammenhang damit den großen An­griff auf Polen ins Werk setzt.

Wilson will die Türkei aus Europa hinausdrängen.

Washington, 1. April. Wie Reuter meldet, ist in der Türkenfrage die Antwort der VereinigtenStaaren ans die letzte Note der Verbündeten abgesandt worden. Tie Antwort bemerkt, es sei unter den augenblicklichen Um­ständen nicht ratsam, daß die Vereinigten Staaten auf der Konferenz der Cntente-Staatshäupter vertreten seien, aber sie müssen ihre (d. h. Wilsons) Ansicht über die Sache offen zum Ausdruck bringen, daß es nämlich ein Unding sei, die Türkei in Europa zu belassen.

Rotterdam, 1. April. LautNienwe Rotlerdmnschem Courant" heißt es in der Note der Vereinigten Staaten unter anderem:

Tie Beweisgründe, die gegen die Belastung der Türken in Konstantinopel sprechen, umfassen gebieterische Um­stände, die unmöglich übersehen werden können. Ter Internationale Rat, der ins Leben gerufen werden soll, um Konstantinopel und die Meerengen zu verwalten, kann nur dauernden Charakter haben, wenn die Lebensintcrcssen Rußlands, sofern es eine Regierung erhalten hat, die von der zivilisierten Welt anerkannt werden kann, be­rücksichtigt tverden. Auch in der Frage der Durchfuhr durch die Meerengen und ihre Verwaltung in litzriegs- zeiten sollten ohne die Zustimmung Rußlands keine end­gültigen Beschlüsse gefaßt werden.

- Es erscheint billig, daß der Teil Westthrazieus, der außerhalb der für Konstantinopel vorbehalteucu Zone liegt, mit Ausnahme des nördlichen Teils der Provinz an Griechenland kommt. ^

Da jedoch die Bevölkerung des nördlichen Teils^ bul­garisch ist, so fordern Recht und Gerechtigkeit, daß die Städte Adrianopel und Kirkilisse mit den umliegender Gebieten au Bulgarien kommen. Ter Anspruch Bul­gariens auf diese Gebiete stützt sich auf völkische und ge­schichtliche Gründe, muß jedoch hauptsächlich deshalb in günstige Erwägung gezogen werden, da Bulgarien ge­zwungen wird, rein bulgarische Gebiete an seiner West­grenze an Serbien abzutreten, damit dieses Land emc günstige strategische Grenze erhält.

Wilson fordert außerdem die entgegenkommendste Be­handlung Armeniens durch die zivi.isierte Welt- Tic Grenze Armeniens muß so a.zoaen werden, daß alle ge­rechten Ansprüche des armenischen Volks erfüllt werden. ein Zugang zur See für den Bestand Armeniens unerläßlich ist, so sieht der Präsident die Zugehörigkeit des Hafens von Trapezunt an Armenien vor. G

Mit Bezug auf die Abtretung der Rechte der Türkei aus Mesopotamien, Arabien, Palästina, Sy­rien und einiger Inseln schlagen die Vereinigten Stau-: * ten die Befolgung des Verfahrens, das auch bei Oester­reich angewandt worden ist, vor: Tie Türkei müste diese Provinzen an die Großmächte aushändigcn, und diese müßten deren Schicksal beschließen. Die Note fährt fort: - - -

Was die Abmachungen bezüglich Smyrnas anlangt, so ist die amerikanische Regierung nicht in der Lage, darüber eine Meinung auszusprechen, da diese Frage zu umfangreich ist, als daß die amerikanische Regierung bei dem geringen Material, über das sie verfügt, ein genaues llrte-l darüber sich bilden kann. Tie amerikani­sche Regierung vertraut darauf, daß die türkische Frage mit Ehrlichkeit und unter peinlicher Rücksicht ans die H a n d els i n te re ssen der Sieger, der Be­siegten und der Neutralen behandelt werden wird.

?? ^ ' Ereignisse im Reich. T T ; .

Berlin, 3. April. Während in Berlin die Gefahr des Generalstreiks für den Augenblick beseitigt ist, treiben die wilden Verhältnisse im Ruhrgebiet mehr und mehr der Katastrophe zu. Tie sozialdemokratischen Führer bei-;