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Nr. 187.

Amts- und Auzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

96. Jahrgang.

HL-,n-,ng«w-!se.'v-imI wöchentlich. Rnzeigcnpr«»: Di-kleinlpattig-geil«SOPfg.

NeNameu Mt. L. Ans Sammelanzeigen kommt ein Zuschlag von 100 ^ Ferner. 9 .

Samstag, den 13. August 1921.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trttgerlohn Mk. 12.90 vierteljährlich. Postbezugs-

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preis Mk. 12 .M mit Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme.

vormittags.

D-r plötzliche Beschluß des Obersten Rats, die Entscheidung über die oderschlefische Frage dem Völkerbund zu überweisen, hat die öft smtliche Meinung in aller Welt aufs höchste überrascht. Die Uebcr- veismig geschah selbstverständlich nicht aus dem Bestreben heraus, eine möglichst gerechte Lösung auf diese Weise zu erzielen, sondern zu dem Zwecke, die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der englischen und französischen Negierung in dieser Frage nicht zu einem offenen Konflikt sich cmswirkeu zu lasten. Die beiden führen­den Ministerpräsidenten Lloyd George und Briand hatten sich in ihrer Stellungnahme, zweifellos unter dem Druck der Parteien md d-r öffentlichen Meinung ihrer Länder, so stark exponiert, daß sie ohne den Verlust ihres Ansehens nicht gilt mehr zurückgehcu Knuten. Außerdem stand für England die russisch-asiatische Frage, sür Frankreich das Bündnis mit Polen im Vordergrund. Die Lö­sung. die von England ausgcgange» ist, ist ebenso geschickt wie prak­tisch für die Entente, denn erstens wird die Entscheidung des Völker­bundes zweifellos der Auffassung der Entente im weitesten Maße Rechnung tragen, zweitens wird auf diese Weise der versteckte Kon­flikt zwischen England und Frankreich ausgeschaltct, und dirttcns gibt man sich mit dieser moralischen Gebärde den Anschein, als wolle man die oberschlesische Frage wirklich einer gerechten Lösung ent- gegensühren. Tatsächlich wird aber auch der Völkerbund nicht auf der bestehenden Rechtsgrmrdlage des Versailler Vertrags und der Abstimmung sein Urteil fällen, sondern nach den innerhalb der En­tente bestehenden Machtverhältniffcn.

Deutschland hat vorläufig, solange die Ruhe und Ordnung in Oberschlesten aufrecht erhalteu wird, keiner: Grund, sich dieser Lösung zu widersetzcn, denn es ist anzunchmcn, oder wir hoffen eS wenigstens, daß bei dieser Entscheidung auch Deutschland nochmals seinen Rechtsstandpunkt zur Geltung bringen kann.

Fm übrigen wird nun Herr Briand als Ersatz für seine Nieder­lage sich auf einem anderen Gebiete wieder zu rächen versuchen, das tverden wir anläßlich der Behandlung der KriegSüeschuldigtenfrage ja bald sehen. Man wird die in Leipzig gefällten Urteile nicht an­erkennen, und wird wieder zwecks Rechtfertigung neuer Erpressungen Arte» unerfüllbare Bedingungen stellen, und auch in der Frage der Aufhebung der wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen am Rhein >vird Frankreich nun erst recht sich unnachgiebig zeigen, denn allen Anzeichen nach ist die Haß- und Wahnsinnspolitik der französischen Rationalisten noch nicht auf ihrem Höhepunkt angekommcn. Der Plötzliche Abbruch der Konferenz scheint uns aber auch noch andere Rachen zu haben, die nicht im Zusammenhang mit der oberschle- jffchrir Frage stehen, sondern wohl eher mit den Vorgängen in Ruß­land. im Orient und in Asten. Wir werden darüber wohl schon in nächster Zeit etwas zu hören bekommen. O. 8.

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Paris, 12 . Aug. Man ist übereingekommen, die ober- Mesisch« Frage aus Grund der Artikel 11 und 12 des Bölksr- "»dssiatut dem Völkerbmrd zur schiedsgerichtlichen Erledj- »«<! zu überweisen.

, ^*i2' 12. Aug. Havas meldet, daß die Verweisung der ober- Westschen Frage an den Völkerbund auf englischen Wunsch hin er- k Sie, der von Japan and Italien unterstützt wurde.

m Erkliieungen der Vertreter des Obersts« Rats.

Paris, 12 . Aug. Zu dr Sitzung des Obersten Rats, in der lMc der oberschlesischen Frage an den Völkerbund

wurde, ist noch uachzutragen, daß Lloyd George der Sitzung, nachdem Vriand als Vorsitzender diesen mi?» eingebracht hatte, erklärte, die englische Regierung sei enal'i-r^ Erschlag einverstanden. Gestern abend hätten die bie? italienischen Sachverständigen anerkannt, daß

Ab»" » Lösung liege, dem Streit ein Ende zu machen.

^ ^uble sich nicht um eine Meinungsverschiedenheit ständ^" ^"ülaiid und Frankreich. Die italienischen Sachver- kch auch der japanische Delegierte seien derselben An-

Riik ^ englischen Sachverständigen. Damit sei keine

Haltung Frankreichs und seiner Sachverständi- äasi »besprochen; es muffe aber mit Nachdruck betont werden, lebe iudem es sich der französischen Auffassung wider-

sip, rjib dastehe. Die Schwierigkeit in der Frage an

Wtät » "iE "an der Frage selbst her, sondern von der Ner- bo»'* "ilentlichen Meinung. Der Oberste Rat habe sich °»dere An?^" Auffassung genähert, nur Frankreich habe eine «"deres x -s ^^halb sei es angebracht, die Frage vor ein nbunal zu bringen^ um zu einer Lösung zu kommen.

Der Beschluß, die Frage an den Völkcrbundsrat zu verweisen, sei nicht nur Sache eines, sondern der Gesamtheit der im Ober­sten Rat vereinigten Staaten.

Hierauf erklärte Briand, Frankreich werde die Entschei­dung des Dölicrbuuds ohne Vorbehalt annehmen.

Der italienische Ministerpräsident Bonomi führte ans, daß er sich mit Lloyd Georgs einig geworden sei, daß bei der unüberbrückbaren Auffassung die Frage an den Völkerbund überwiesen werden soll. Italien sei der Ansicht, daß es nicht zum Obersten Rat gekommen sei, um sich der französischen oder c-glischen Ansicht anznschließen, sondern um genau zu pr'che r, auf welcher Seite das Recht liegt. Zn diesem Sinne sei der italienische Sachverständige nach sorgfältiger Prüfung der eng­lischen Auffassung beigctreien. Wenn der Völkerbund entschie­den habe, sei auch Italien bereit, nach Oberschlesten Truppen- verstürkungen zu entsenden.

Daraus erklärte der japanische Delegierte, daß die zentralen Jndustriebezirke Deutschland zuz »sprechen seien. In­dessen nehme er nicht Anstand, die Angelegenheit dem Völker­bund zu überweisen.

Schließlich erklärte der amerikanische Delegierte, daß die Vereinigten Staaten von Anfang an der Ansicht gewe­sen seien, daß die oberschlesische Frage ein rein europäische sei. Heute, wo diese Frage dem Völkerbund überwiesen werde, dem Amerika nicht angehöre, glaube er, im Sinne seiner Regierung sagen zu können, daß die Vereinigten Staaten an dem Bvschluß sich nicht beteiligen werden.

Darauf schlug Ministerpräsident Briand vor, Deutschland und Polen durch den Obersten Rat zur Aufrechterhaltung der Ordnung zu mahnen, bis die Entscheidng gefallen sei.

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Lloyd George drückte noch die. Ansicht aus, vatz die Komiffare sich unbedingt unparteiisch zu verhalten haben.

Daraus trat der Oberste Rat in die Behandlung der Kriegs- bcschuldigtenfrage ei».

Die Mitteilung an den Völkerbund.

Paris, 13. Aug. Briand hat als Vorsitzender des Obersten Rais gestern abend den geschästsführenden Präsidenten des Völkerbunds­rats, Vicomte Jshii, von der einstimmig vom Obersten Rat gefaßten Entschließung verständigt, die Ansicht des Völkerbundsrats über den Verlauf der Grenze zwischen Deutschland und Polen in Obcrschle- sien einzuholen. Er bat gleichzeitig, dringend den Völkerbund cinzu- berufen.

Eine halbamtliche französische ErklLruug.

Paris, 12. Aug. Havas meldet inoffiziell: Der Oberste Rat hat entschieden, die obrrschlesische Frage dem Völkerbundsrat zur Begut­achtung zu überweisen, indem er erklärt, daß er die Entscheidungen dieser Organisation zu den scimgcn machen werde. Es ist wahrschein­lich, daß Verstärkungen nach Oberschlesten entsandt werden. Der Vertreter der Ver. Staaten beim Obersten Rat hat erklärt, es scheine ihm immer mehr, daß diese Frage einen rein europäischen Charakter habe. Er hat sich an der Debatte nicht weiter beteiligt. Nach der Abreise Lloyd Georges wurde die Beratung fortgesetzt. Man be­schäftigte sich mit der Frage der Aburteilung der Kriegsbcschul- digten. (!)

Paris, 12. Aug. In dem heute Vormittag 9 Uhr zusammenge­tretenen Ministerrat hat Briand seine Kollegen über die Arbeiten des Obersten Rats unterrichtet, namentlich über den augenblicklichen Stand der oberschlestschen Frage. Die Minister haben einstimmig die von Briand geführte Politik gebilligt. Die Sitzung wurde um 10.15 Uhr geschloffen.

Die Auffassung der englischen Presse.

London, 13. Aug. Alle Blätter befassen sich mit der dramatischen Wendung, die die Pariser Verhandlungen über Oberschlesten ge­nommen haben. Die Blätter begrüßen es, daß durch Verweisung der oberschlestschen Frage an den Völkerbund ein Bruch der Entente vermieden wurde und heben hervor, daß dieser Vorschlag von Seiten Großbritanniens kam. «Preß Association* zufolge hat der Beschluß des Obersten Rats in britischen amtlichen Kreisen Befriedigung er­zeugt. Es sei wahrscheinlich, daß die Gesamtfrage dem Völkerbund anläßlich der Völkerbundsversammlung im September unterbreitet werden wird. Wie verlautet, soll auch die. Nähe dieses Ereignisses von gewissem Einfluß gewesen sein. Der politische Mitarbeiter desStar" schreibt, bisher habe der Oberste Rat den Völkerbund ausgeschaltet und vorgezogen, die Fäden in seiner eigenen Hand zu behalten. Aber jetzt, wo die Alliierten in ihrer Politik und in ihren Interessen einander hoffnungslos entgegenständen, hätten sie sich plötzlich des Völkerbunds erinnert und ihm das Durcheinander der oberschlesischen Frage zur Lösung übergeben. Der Ausschluß Deutsch­

lands aus dem Bunde würde die Unterbreitung dieser Frage nicht berühren, denn cs sei vorgesehen, daß in einem solchen Falle der außerhalb des Bundes sich befindende Staat cingeladen werde, die Verpflichtungen (!) der Mitglieder des Bundes zum Zwecke der Lö­sung einer solchen Streitfrage zu übernehmen. Es bcstehe kein Zwei­fel darüber, daß Deutschland hierzu bereit sein weide. Dcuisch- land strebe (?) nach der Aufnahme in den Völkerbund, und Deutsch­lands prompte Zustiimnung zu dieser Frage würde ein Beweis von bona fide" sein, der sich später als sehr glücklich erweisen werde. Pall Mall and Globe" schreibt, wenn Frankreich durch einen Son­dervertrag sein Schicksal an eine Macht kette, die so unstet in ihren Entschlüssen sei, wie das neue Polen, so müsse sich Frankreich auf die feste Weigerung seiner Alliierten gefaßt machen, sich in ein solches Unternehmen hineinziehen zu lasse». Wenn es sich erweisen sollte, daß Frankreich bereits in den Netzen der Gchelmdiplomatie stecke, dann solle es lieber abseits von den oberschlestschen Schwirriglcittn stehen und anderen die Verantwortung überlassen.

Englische Stimmen vor dem Ueberweisungsbeschlutz.

London, 12. Aug. Der Stillstand in den Pariser Verhandlungen über Oderschlesien und die bevorstehende Abreise Lloyd Georges nach London haben, wie die Blätter melden, hier großes Aufsehen erregt. Die gesamte Presse bespricht die Lage eingehend.Daily Expreß" meldet aus Paris, daß Briand Lloyd George über die militärischen, finanziellen und industriellen Abmachungen Frankreichs mit Polen in Kenntnis gesetzt und erklärt habe, er könne den Engländern keinen Zoll Bilden nachgeben, ohne vorher die Kammer befragt zu haben. Der Berichterstatter dcsDaily Telegraph" erklärt, es bestehe der starke Verdacht, daß als das Ergebnis eines Meinungsaustausches zwtschrn den Oberhäuptern Frankreichs und Polens vor einigen Mo­naten gewisse wirtschaftliche und vielleicht territoriale Verpflichtun­gen Frankreichs gegenüber Polen bestehen.Daily Expreß" be­zeichnet die Lage als sehr ernst. Frankreich Habe ein Ucbereinkommcn mit Polen geschlossen, das nur als Geheimvertrag bezeichnet werden könne. Der Stillstand in den Pariser Verhandlungen sei Frankreichs Werk.Daily Telegraph" zufolge ist gestern eine Mitteilung von Seiten Lloyd Georges über die Verhandlungen dcs Obersten Rats in der oberschlestschen Frage hier cingctrofscii. Chamberlain berief darauf einige Kabinettsmitglieder zu einer Konferenz zusammen, auf der das Schreiben Lloyd Georges erörtert wurde. DieTimes" erklären in einem Leitartikel, man könne nur hoffen, daß der Ernst der Lage die Staatsmänner Großbritanniens und Frankreichs zu einer befriedigenden Lösung zwingen werde. Nach derDaily Mail" bestehe Lloyd George energisch darauf, daß das gesamte Herz des oberschlestschen Industriegebiets einschließlich der drei Städte Beuthen, Gleiwitz und Hindenburg an Deutschland falle. Er sei zu einem ganz geringen Zugeständnis an der Westcckc dieses Bezirks be­reit. In Paris würden an leitender Stelle Versuche unternommen, um zu verhindern, daß her Oberste Rat heute auseinandergehe, ohne zu einer Lösung der oberschlestschen Frage gekommen zu sein. In­folge der Kompromißversuche des amerikanischen Botschafters und auch dcs italienischen Premierministers sei gestern Abend die Stim­mung in Paris etwas optimistischer geworden.

Berliner Preffestimmen.

Berlin, 13. Aug. In der Beurteilung des Beschlusses dcs Ober­sten Rats, die oberschlesische Frage an den Völkerbundsrat zu ver­weisen, sind sich sämtliche Blätter in einem Punkte eins, nämlich in dem, daß die neue Verzögerung der Entscheidung über Oberschlesten aufs schwerste nicht nur die Interessen der oberschlestschen Bevölke­rung schädigt, sondern auch neue Beunruhigung in die weltpolitische Lage hiueinträgt. Die Blätter sind sich darin einig, daß der VLlkcr- bundsrat so schnell wie möglich sein Gutachten über Oberschlesten ab­gibt. Dis Frage, welche Aussichten die neue Wendung Deutschland bietet, wird von den Blättern verschieden beantwortet. DasB e » liner Tageblatt" glaubt, sagen zu dürfen, daß materiell in der Frage der Grenzfestsctzung die Situation Deutschlands sich durch die Uebcrweisung vor das Forum des Völkerbunds nicht verschlechtert habe. Sie habe sich auch insofern nicht verschlechtert, als durch die eingetretene Wendung der Bruch der englisch-französischen Entcme vermieden sei. Durch das Gewicht der Gründe, die Deutschland zur Sei.te stehen, gestützt, könne es volles Vertrauen zum Völkerbundsrat haben. Im Gegensatz zu dieser Auffassung spricht dieGer­mania" von einer Enttäuschung. Das Blatt schreibt:Weit schlimmer als die Hinausschiebung der Entscheidung ist für Deutsch­land die Gewißheit des Verlustes von Plcß und Rybnik. Oberschle­sien wird zerstückelt. Daß der Völkerbund den deutschen Anspruch auf das gesamte Oberschlesten anerkennen wird, darf man nicht mehr erwarten. Das ist der betrübende und schwerwiegende Schluß, den das deutsche Volk aus dem gestrigen Abschluß der Pariser Verhand­lungen über Oberschlesten ziehen muß." DerVorwärts" ur­teilt über die deutschen Aussichten folgendermaßen:Man darf wohl annehmen, daß Lloyd George diesem Vorschlag nicht zugcstimmt hätte wenn er eine diplomatische Niederlage seines Landes befürchten