SS. Jahrgang
Nr. 106 .
Amts- und Anrerqeölatt für den Oberamtsbezirk Calw.
»-Ick-inunaSwcl!«! « mal wöchentlich. Anrelg-upreik: Die N,InsPal!lg-Z-ile MPsg.
x«!I-m,i, M! L— Aus Sammelanzelgen komm! «in Zuschlag -on 100°/» — Kernspr. 0.
DimStaz, 10. Mai 1921.
Lerufttprrit: In dir Stadt mitrrLgerlahn Mk-lLSV «Intel,LhrUch. Postbezug». p»e>» Mk, IL.S0 mit Bestellgeld. — Schiltst der Anzeigenannahme S Uh» «oimittag».
M der EaWÄW m Beck«.
Me Berliner Presse über die vermutliche Haltung -er Parteien zum Ultimatum.
Berlin, 10. Mai. Ueber die Stellungnahme der Parteien zu dem Mmatum, wie sie die gestrige Beratung der Reichstagsfraktionen «geben hat, berichten die Berliner Blätter, daß die Deutsch-Nationale VolkSPartei die Unterschrift unter die Ententenote einmütig ablehne. Die Deutsche Volkspariei sei ebenfalls in ihrer Mehrheit für bie Ablehnung. Das Zentrum sei größtenteils für Annahme, desgleichen di« Demokraten. — Der »Lokalanzeiger" will allerdings wiflen, daß die demokratische Fraktion gegen die Unterzeichnung sei. Die Sozialdemokratie habe durch die Entschließung ihrer Aelchstagssrecktioi, ihre Bereitwilligkeit zur Annahme kundgegeben. - Die Zentrale der USP. und die unabhängige ReichStagSfraktion treten in einer in der »Freiheit" veröffentlichten Erklärung für die Unterzeichnung der Ententenote ein und versprechen sich durch das gemeinsame Zusammenwirken der Arbeiter aller Länder und durch die verderblichen Folgen des Ultimatums für das internationale Wittschaftsleben eine Aenderung der bisherigen Gewaltpolitik Ler Entente. (Oh weh!) — Das »Berliner Lageblatt" und die »Bossisch e Z eitu n g" glauben an die Möglichkeit eines Wiederauflebens der allen Koalition, wie sie vor den Juniwahlm im Reichstag bestand, also an eine Rcgiemng, die sich aus Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten zusammensehen würde. — Laut »Vossischcr Zeitung" haben sich Zentrum und Demokraten bereits damit einverstanden erklärt. Als voraussichtliche Kandidaten für den Reichskanzlerposten werden die Sozialdemokraten Hermann Müller und Reichstagsprästdent Löbe genannt. Im Gegensatz gu dieser Version meldet allerdings der »Vorwärts", das Zentrum stehe auf dem Standpunkt, daß es nur in eine „Annahme"- Regimmg eintreten könne, wenn ihm seine bisherigen Weggefährten In der Regierung, Demokraten und Deutsche Volkspartci, weiter die Treue hielten.
Gemeinsame Entschließung d. sozialdemokratischen Reichstagsfraktion und des Parteiausschusfes.
Berlin, 8. Mai. Die Annahme des Ultimatums hat nur dann einen Zweck Und die Besetzung des Ruhrgebiets ist nur dann zu verhindern, wenn die bayerische Regierung die vorbehaltlose Erklärung abgibt, die Einwohnerwehren rechtzeitig, d. h. bis 30. 6., zu entwaffnen und aufzulösen. Die Forderungen der Entente in der Reparationssrage widersprechen in einige« Punkte« dem Friedensvertrag, überschreiten weitaus die Leistungsfähigkeit des deutschen Bottes »nd fordern «»seren schärfsten Protest heraus. Aber unter dem Druck der brutalen militärischen Gewaltandrohung, angesichts der unabsehbaren politischen »nd wirtschaftlichen Folgen ihrer Verwirklichung, besonders auch wegen der für Oberschlesien daraus entspringenden Tesahren, erklären sich Partei und Fraktion bereit, jeden ernsten Versuch zur Erfüllung des Londoner Finanzdiktats zu unterstützen. Der Versuch, die zur Erfüllung notwendigen Milliarden aus unserer Wirtschaft herauszuholen, muß jedoch schon in seinen Anfängen scheitern, wenn sich nicht jene Kreise des Bürgertums, die heute noch Leiter unserer Wirtschaft sind, für ihn mit allen Kräften einsetzen und wenn nicht die notwendige» organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, die geeignet sind, die höchste Steigerung der wirtschaftlichen Leistungs- Wgkeit Deutschlands herbeizufiihren. Ebenso hängt das Gelingen der bayerischen Entwaffnung vor allem von dem Willen «nd der politischen Einsicht des Bürgertums ab. Die Verant- Avrtung für das Kommende fällt aber in erster Linie dem Kürgertum und den es vertretenden Parteien zu.
Sitzung des Relchstagsausschusses für aus- wiirtige Angelegenheiten.
Berlin, g. Mai. Der RcichLtagSauLschuß für auswärtige Ange- ltginhttten trat heute Abend zu einer Sitzung zusammen, die ebenso die bie vorherigen einen rein informatorischen Charakter trug. Zu dies«» Zweck hatten außer den Mitgliedern des Ausschusses auch Ee anderen Abgeordneten Zukitt, für die aber ebenfalls das Schweigegebot gilt. Neben dem Reichskanzler und dem Außen- Minister Dr. Simons nahmen fast sämtliche Mitglieder des Kabinetts »» der Sitzung teil. Die erläuternden vertraulichen Ausführungen i» dem Ultimatum der Entente, insbesondere des deutschen Botschaft ms in Paris, Dr. Mayer, und des Staatssekretärs Bergmann, d«k- - Uch im allgemeinen mit den Ausführungen, die diese Herren schon m» Nachmittag in der Sitzung des interfraktionellen Ausschusses der »?Aru"Ssparteien im Reichsjusuzminiskrium gemacht hatten. Zu ^Ichlustfassungen irgendwelcher Art kam es nicht. In den späten «°kndstuniwn tagten außerdem fast alle Fraktionen, jedoch ist es zu
" Positiven Stellungnahme für oder gegen de« Berka- bisher ^ «icht,«komme,n
Ser Mische Werks« ans Lberschlesien.
Eine unverschämte Rote Frankreichs.
Berti», S. Mai. Die französische Regierung hat auf die deutsche Note bezügl. Oberschlestens unter dem 7. Mai folgende Antwort gegeben: Herr Geschäftsträger! Ich habe die Ehre, Ihnen den Empfang des Briefs vom S. Mai 1921 zu bestätigen, durch den Sie die Güte hatten, von den ernsthaften Unruhen mir Mitteilung zu machen, die in Oberschlesten entstanden find, und anfragten, ob die interalliierten Besatzungstruppen imstande seien, die Ordnung wieder herzustellen und mir zur Kenntnis brachten, daß die deutsche Regierung bereit sei, jede verlangte Hilfe zu leisten. Ich beehre mich. Ihnen mitzutcilen, daß die übermittelten Meldungen aus deutscher Quelle ln tendenziöser Weise die im übrigen bedanerlichen Vorgänge darstelle,», die sich in einem Teil des oberschleflschen Abstimmungsgebiets zugekagen haben. Der Grund für die Unruhen ist ohne Zweifel zu sehen ln de» aus deutscher Quell« veröffentlichten Nachrichten, die unzutreffenderweise meldeten, daß die Alliierten sich entschieden hätten, den größten Teil des Industrie- und vergbau- gebirts Deutschland zuzuteilen. Diese falsche Meldung hat dm Aufstand der Insurgenten entfesselt. Wie dem auch sei, die interalliierte Kommission, die mit der Verwaltung des Abstimmungsgebiets beauftragt ist, hat in einmütiger Uebereinstimnmng die energischsten Maßnahmen zur schnellen Wiederherstellung der Ordnung und zur Wiederherstellung der Sicherheit der Einwohner Mer Rationalitäten, die in dem Abstimmungsgebiet liegen, getroffen.
Die alliierten Truppen haben doll (?) ihre Pflicht getan. Die jetzt einlaufenden Meldungen lassen eine wesentliche Besserung in den wichtigste« Zenken der Grubenreviere feststellen. Die interalliierte Kommission hat an Ort und Stelle die notwendigen Rekrutie» rungSmaßnahmen angeordnet, um die Lücken wieder herzustellen, die in der Polizei durch den Abgang polnischer Elemente entstanden sind. Sie hat dadurch der Bevölkerung die Beruhigung verschafft, die st« wünschte. Von irgend einer der interalliierten Kommisston von Oberschlesten geleisteten Hilfe kann nicht die Rede sein. — Genehmigen Sie, Herr Geschäftsträger, die Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung (gez.) Briand.
Dazu bemerkt das W.T.B.: Die Darstellung der Note der französischen Regierung zeigt, daß man in Frankreich die wahre Lage in Oberschlesien nicht sehen will. Der Vorwurf der tendenziösen Berichterstattung ist ebenso haltlos wie die Annahme, der Grund der Unruhen sei ohne Zweifel in den aus deutscher Quelle veröffentlichten Nachrichten zu sehen. Es wird festgestellt, daß von keiner deutschen Stelle und von keiner deutschen Zeitung vor dem 1. Mai eine Meldung veröffentlicht worden ist, wie sie die »Oberschlefische Grenzzeitung" am 1. Mai veröffentlichte. Wenn die »Oberschlefische Grenzzeitung" die Meldung aus Berliner Quellen zurückführrn will, so ist das nur eine plumper Täuschungsversuch. Dazu kommt noch, daß die Meldung ganz offenbar nichts anderes war als ein verabredetes Zeichen, um den planmäßig vorbereiteten Aufstand auSbrechen zu lasten. Es wird weiter festgestellt, daß eine Besserung der Lage in Oberschlesien leider nicht eingetretm ist. Korfanty ist nach wie vor im größten Teil des Abstimmungsgebiets Herr der Lage; nach wie vor ist die deutschgeflnnte Bevölkerung im größten Teil des Gebiets schutzlos den Bedrohungen der Aufständischen ausgesetzt. Me bisher von der interalliierten Kommission getroffenen Maßnahmen haben der oberschleflschen Bevölkerung keineswegs die Beruhigung verschafft, die sie wünschte. Die Erregung der bedrohten Bevölkerung ist vielmehr ständig im Wachsen, da die interalliiert« Kommission bis jetzt nicht in der Lage gewesen ist, mit ihrm Machtmitteln den gesetzmäßigen Zustand wieder herzustellen. Im übrigen zeigt dir Note, daß man in Frankreich jede» Eingreifen Deutscher zur Besserung der Lage ablehnt.
Etne französische Stimme über de« Aufstand.
Paris, 9. Mai. Der »Figaro" erhielt von seinem Sonderberichterstatter aus Benthe» folgendes Telegramm: Ich habe 200 Kilometer in dem AufstandSgebiet zurückgelegt. Entgegen dem amüichen Optimismus dauert die Aufstandsbewegung an. D«S gmrze flache Land wird von bewaffneten Pole» besetzt gehalten. An den unmittelbaren Zugängen der von den Aufständischen besetzten Städte befinden sich zahlreiche Maschinengewehrposten. Die Versorgung, besonders mit Milch, ist für Beuchen, Kattowitz und die Industriestädte schwierig. Vergangene Nacht wurden Granaten- und Ma- schinengewehrangriffe westlich von Beuchen gemeldet. Ich habe persönlich dir Begeisterung der Polen feststellen können. Die Lage bleibt ernst.
Windige Redensarten des englische« Ministervräfidente«.
London, 10. Mai. (Reuter.) Im Unterhaus erklärte der Untersekretär im Auswärtigen Amt, Haresworth, die Lage in Oberschlesten fei ganz ungeklärt, doch würden Anstrengungen
gemacht, um die Wiederaufnahme der Arbeit in den Bergwerken zu erzielen. Die alliierten Regierungen erwägten die von der Vollsabstimungskommisfion zur Beilegung der Schwierigkeiten gemachten Vorschläge und seien aufs äußerste bestrebt, die Ordnung wi eder herzustellen und die Polizei durch lokale Rekrutierung zu stärken. Die polnische Regierung sei aufgefordert worden, die Grenze zu schließen und jede Beihilfe und Ermunterung ihrer Konnat tonalen zu verhindern. — Lloyd George erklärte: Es ist ein sehr unglücklicher Zufall, der gerade in dem Augenblick eintritt, wo die deutsche Regierung eine Entscheidung in der Entwaffnungsfrage trifft. Wir find im Begriff, alles zu tun, was in unseren Kräften steht, um einen Druck auf die polnische Regierung auszuüben.
Kemvorthy fragte, ob das deutsche Reparationsgefetz in Kraft bleiben werde, falls die augenblickliche Regelung zu einem befriedigenden Abschluß gelange. — Lloyd George erwiderte, er müsse erst sehen (l), wie sie arbeite. — In Beantwortung weiterer Anfragen erklärte Lloyd George, er könne keine Antwort erteilen, bevor er nicht wisse, daß Deutschland die Bedingungen angenommen habe. — Baldwin brachte dis Entschließung ein, die die Grundlage der Jndustrieschckhbill bilden soll und die sich befaßt m(t Schlüsselindustrien, der Wüh» rungsfrage und dem Dumping.
Eine Erklärung der interalliierten Kommission.
Oppeln, 9. Mai. Dis interalliierte Regierungs- «nd Plc- biszitkommisfion erließ einen Aufruf an die oberschlefische Bevölkerung, in dem es heißt: Die alliierten Mächte stimmen in der Verurteilung der in Oberschlesten vorgekommeneu Unruhen vollständig überein. Ihre Entscheidungen werden dadurch nicht beeinflußt. Sie werden sich dabei ausschließlich von dem Ergebnis der Abstimmung und den Festsetzungen de» Frieden? Vertrags leiten lassen.
Der Botfchafterrat hat keine Eile.
Paris, 9. Mai. (HavaS.) Der Botschafterrat setzte im Laufe des Vormittags die Prüfung der Maßnahmen fort, die dazu geeignet stick, die Ordnung in Oberschlesten wieder herzustellen und die Gemüter zu beruhigen. Tr beschloß, die Bevölkerung über den tatsächlichen Stand der Grenzregulterungsfrage zu unterrichten. Dieselbe unterliegt noch der Prüfung. Keinerlei Entscheidung ist bisher ge- fallen. Der Botfchafterrat beschloß andererseits, einen Schritt bei der polnischen Regierung zu unternehmen, um sie aufzufordern. mit an der Wiederherstellung des Friedens zu arbeiten und sich nach Kräften zu bemühen, die polnische Bevölkerung in Oberschlesten zu beruhigen. Der Botschafters hält es für seine Ehrenpflicht, seine volle Anerkennung auszusprechen für die Kaltblütigkeit und den Opfermut, welche dlr verbündeten Truppen bei den oberschleflschen Unruhen bewiesen haben.
Anglanbliche Forderungen des polnische« Räuberhauptmanns Korfanty.
Berlin, S. Mai. Der Führer der polnischen Aufständischen in Oberschlefien, Korfanty, hat mit Hilfe der amtlichen polnischen Funkstelle in Posen am 8. Mai folgenden Funkspruch an den Reichskanzler gerichtet: Aus sicherer Quelle erfahre ich, »aß bewaffnete Orgesch-Leute «nd in Zivil gekleidete Reichswehrsoldaten den Pfarrer Drozdrk aus Konstadt, ferner einen gewissen Gruber-Kanzy und zwei andere Personen aus Kon- padt sowie einen allen gebrechlichen Greis Dzajcati aus Karlsruhe (Kreis Oppeln) als Geiseln verschleppt haben. Ich Hab« bis jetzt keine Geiseln genommen, weil ich das Eeiselnehme« für einen barbarischen Brauch hatte. Wir haben lediglich Gefangene abgeführt, welche mit der Waffe in der Hand abgefaßt worden find. Sie werden menschlich behandelt. Ich lasse Lw. Exzellenz wissen, daß, wenn die als Geiseln genommenen Polen nicht binnen 48 Stunden, d. h. bis-Dienstag, den 10. 5, abends 18. Stunde in ihre Wohnorte zurückgebracht und als frei Leute behandelt werden, ich am Mittwoch die doppelte Anzahl der angesehensten Deutschen in den von unseren Truppen besetzten Gebieten als Geiseln in die Gefängnisse werde ab- führen lassen.
Die Reichsregierung lehnt es ab, mit dem Führer der Aufständische« t« Oberschlesien in irgend welch« Verhandlungen einzutrete« und der Funkspruch ist heute Morgen zugleich dem deutschen Bevollmächtigten in Oppeln übermittelt worden, um von dort aus den Tatbestand festzustellen und mit Hilfe der Interalliierten Kommission die von Korfanty angedrohten Re- pressallen zu verhindern. Wenn Korfanty aber behauptet, er habe keine Geiseln nehmen lassen, so muß im Gegensatz dazu festgestellt werden, daß in zahlreichen Orten angesehene deutsche Bürger von den Insurgenten als Geiseln festgesetzt und verschleppt worden find und noch festgehalten werden. Von der Interalliierten Kommission, den alliierten Regierungen, sowie von der Polnischen Regierung ist die Freilassung dieser Geisily