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Nr. 106.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

96. Jahrgang.

L r!ch«inu n g§ Iv e i se: 6 mal wöchentlich.

«eümnen Mk. 2. llus Eannnelvn,eigen

AnzeigenPreis: Die

kommt ein Zuschlag

kleinsPLltigc geile MPsg.

von ffernspr.U.

Mont««. ». M«i 1921.

i vezuglprei«: In der Stadt mitreüaerlodn Mk.IL.SO vteriklMrlich. PvftdezugS- I preis Mk. I2.Ä0 mit Bestellgeld. Schlich der Anzeigenannahme 8 Uhr vormittag«.

Vor Ablauf des Ultimatums.

Zur Regierungskrisis.

Berlin, 7. Mai. Der Reichspräsident empsing heute Nor mittag den Botschafter Dr. Mayer, der in den Morgenstunden aus Paris hier eingetroffen ist. Botschafter Dr. Mayer be­sprach mit dem Reichspräsidenten die außenpolitische Lage und die Frage der Regierungsbildung.

Die deutschen Eisen- und Stahlindustriellen zur Lage.

Berlin, 7. Mai. Tcr Verein deutscher Eisen- und LIa1>lind»stricllcr hat auf seiner gestrigen Mitgliederversammlung folgende Entschlie­ßung gefaßt und an dm Reichspräsidenten, den Reichskanzler, den Minister des Acußern, den RcichswirischastSminister und den Reichs- Minister des Innern gescmdl: 1. Die in Berlin tagende Mitglieder­versammlung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustriellcr wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen das Gerücht, daß die dmtsche Industrie der Unterzeichnung des neuen Ultimatums der En­tente nicht widerspreche. Die deutschen Eisen- und Stahlindnstriellen, mEMdcre die rheinisch-westfälischen Industriellen, wsllcn lieber alle mit der Besetzung des Ruhrgcbicts drohenden Lasten und Opfer Ms sich nehmen, als unerfüllbare Bedingungen anzunchmen, die früher oder später doch die Besetzung des Ruhrgebiets zur Folge haben würden. Genügt doch nach den neuen Bedingungen die Nichterfül­lung eines Punktes, um den Feinden für weitere Zwangsmaßnah­men, wie für die Besetzung des Rnhrgcbicts, gar einen Rechtstitcl zu »erschaffen. 2. Tie überaus traurige Lage OberschlcsicnS zeigt, daß die interalliierten Besatzungstruppcn die im Versailler Vertrag über­nommene Pflicht des Schutzes der Bevölkerung nicht erfüllen. Dir Mitgliederversammlung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindu- strikllcr verlangt daher entschieden, daß deutsche Truppen marschieren, che es zu spät ist.

Willkür und wieder Willkür.

Prusfcl, 8. Mai. WieLibre Belgique" mitteilt, hat der Boischafterrat endgültig beschlossen, daß brr Bahnhof von Her- terthal belgisch bleibt. Damit ist also das deutsche Verlangen abgelchnt worden.

Die Vorbereitungen zum Ranbzug.

Paris, g. Mai. Wie derJntransigcant" mittcilt, sind die 4. und 5. französische Kavalleriedivision zwischen der englischen und belgischen Besatzungszone im Rheinland bcrcitgestellt. Sie sollen innerhalb 24 Stunden nach dem Befehl zur Besetzung des Ruhrgebicts 120 Kilo­meter vorrückcn.

Paris, 8. Mai. Wie Havas mittcilt. dementieren die zu­ständigen Kreise in Frankreich formell die Nachricht, französische Kavallrriepatrouillen seien schon gestern Vormittag bis ins "vhlgebiet vorgedrungen.

daris, 8. Mai. WiePetit Parisien" mittcilt, soll nach Schatzungen in unterrichteten Kreisen schon gut die Hälfte der aährerklasse ISlö in den Rheinlanden angckommcn sein.

Theorie und Praxis.

Paris, 8. Mai. Der belgische sozialistische Minister für unst und Wissenschaft, Destree, der in dem gestrigen Minister- für die Sanktionen gestimmt hat, erklärte demTemps"- orrespondenten: Ich bin wie alle Sozialisten Anhänger der st« vtion von Amsterdam, ich verteidige sie. Aber das ist nur ,e»ne. Jetzt muß man mit Realitäten rechnen und praktische »»nahmen ergreifen. Heber die Beteiligung Belgiens an Er eventuellen Besetzung des Ruhrgebiets sagte der belgische rltgsininjsjer: Augenblicklich befinden sich die Jahrcsklassen 2 .. ^18 unter den Waffen. Ich werde deshalb zu einer

"limobilisation der Jahreskiajsc 1818 schreiten. Man wird die , "Eien, also Unteroffiziere und Reserveoffiziere, einbe- lo»s" s»kner drei Jahresklasscn des Enenbahnerbatail-

Amerika tut wieder mit.

len ' . In einer von den Vereinigten Staa

dak Ü" ^"öMdsregierung gerichteten Note, die mitteil den ^ V^^Üten Staaten die Einladung annehmen, sich i »nd d, Oberste» Rates, der Rcparationskommissio

I» ^^asterrats vertreten zu lassen, heißt cs: Bei vol legend unserer überlieferten Politik, uns allen Ang« iolat europäischer Bedeutung fernzuhalten, ver

t« ^°6ierung der Vereinigten Staaten mit größ

^eselun" Frage einer geeigneten wirtschaftliche:

für die ^ """ einer billigen Lösung der Angelegenheiten, di daher rum Bedeutung sind. Die Regierung wünsch

diese '»-Z. ""A 'ch."" den Beratungen zu beteiligen, die übe »er v-k!»i-ü ^EMden. Die Note nennt sodann die Name: te, ^ amerikanischen Vertreter für die Beratungei

rdandsreg.erung ""d schließt: Di« Regierung der Ver

einigten Staaten stellt mit Befriedigung fest, daß die in Lon­don vereinigten Vertreter der Verbandsregierungen der Ueber- zeugung Ausdruck gegeben haben, daß die Mitwirkung Ame­rikas ihnen wertvolle Dienste leisten werde für die Regelung der gewaltigen internationalen Fragen, die aus dem Krieg entstanden sind. Was dieFernhaltuiig" von der rein euro­päischen Politik anbelangt, so ist das eine reine Phrase, denn jede europäische Politik wird heute nach den Gesichtspunkten der Welt Politik der Entente betrieben.

Wie Havas meldet, erklären die Beamten des Staats» dcpartcments, daß die amerikanischen Vertreter Leim Obersten Rat und beim Botschafterrat keinerlei Vollmachten erhalten werden, im Namen der Vereinigten Staaten irgend welch» Verpflichtungen zu übernehmen. Sie werden den Sitzungen hauptsächlich als Beobachter beiwohnen. Wie Havas weiter meldet, hat sich der Botschafter der Vereinigten Staaten in London, Oberst Harwey, nach England »ingeschifft, um seinen Platz im Oberstell Rat wieder einzunehmen, bis der neue Bot­schafter der Vereinigten Staaten in Frankreich, Herrick, an seine Stelle treten kann. Hughes Wallace, der den Botschafter- postcn in Paris verläßt, wird die Vereinigten Staaten im Bot- schastcrrat vertreten. Reuter meldet, daß der amerikanisch« Kommissar in Paris, Roland Boydvn, Vertreter im Rcpara- tionsausschuß werden soll.

Die Ansicht der Amerikaner.

London, 7. Mai.Daily Telegraph" meldet aus Newyork, in Amerika sei ziemlich allgemein die Ansicht verbreitet, es sei Deutsch­lands augenblickliche Pflicht, die Bedingungen der Alliierten anzu- nehmcn und den ehrlichen Versuch zu machen, sic zu erfüllen. Wenn sich der Rcparatioiisplnn in seinen wirtschaftlichen Folgen als un­durchführbar erweise, so würden, nach Ansicht Washingtons, die Al­liierten bereit sein, ihn von Zeit zu Zeit abzuändern, um ihn der veränderten Lage anzupassen. DieAnpassung" an die Lage haben wir ja seit dem sog. Friedensschluß schon zur Genüge kennen gelernt.

Englische Phrasen.

Köln, 7. Mai. DieKölnische Zeitung" veröffentlicht eilten Aufsatz von Professor Maynard Keynes. Der Verfasser nennt die Entscheidung des WiederherstcllungsansschusseS, daß Deutsch­lands ganze Zahlungspflicht nach dem Vertrag 132 Milliarden beträgt, zwar einen unzweifelhaften Triumph für den Geist der Gerechtigkeit (!), hält aber sein« Kritik an dem Vertrag auf­recht. Auch die neuen Vorschläge seien unausführbar. Deutsch­land könne L6?S der Ausfuhr oder 2 Milliarden jährlich zahlen, aber keineswegs beides. Trotzdem kommt der Verfasser zu dem Schluß, daß Deutschland, da ein dauernder Weltfrieden das höchste Interesse aller sei, den Plan nicht znrücklveisen sollte. Zum Schluß sagt Keynes, der neue Plan füge nichts zu den Lasten des Vertrags hinzu, in mancher Beziehung erleichtere er ihn. Die Bekanntgabe des Planes ist in Uebereinstimmung mit dem Vertrag und führt nur aus, was Deutschland seit 2 Jahren Ursache hatte, vorauszusehen. Der Plan verlangt nicht von Deutschland unmittelbar, d. h. in den nächsten 6 Mo­naten, etwas zu leisten, wozu es unfähig ist. Er zieht das Verlangen nach Auslieferung der Goldreserve der Reichsbank zurück und ersetzt eS durch das ganz und gar verschiedene Ver­langen einer Zahlung von 1 Milliarde in Gold oder in fremder Valuta innerhalb dreier Monaic, eine Zahlung, die zwar nach­teilig sein kann und nicht beständig wiederholt werden könnte, die aber gewiß geleistet werden kann. Es ist tatsächlich der­selbe Betrag, den Deutschland bereits in seiner an die Vereinig­ten Staaten übermittelten Note anbot. Was di« entfernteren Zahlungen betrifft, so wird Zeit und Erfahrung lehren, ob sie möglich sind. Ich stimme mit denen überein, die nicht wollen, daß Deutschland unter Drohungen unaufrichtig anerkenne, was es weder erschwingen kann noch will. Ich dockte, es wäre mög­lich, daß Deutschland den jetzigen Forderungen der Verbünde­ten willfährt, ohne von der Stellung zurückzuweichen, die eS ein­genommen hat und die sich schließlich als richtig erweisen wird. Man sollte u. E. diesem Mister Keynes mit seinen faden Ge- schwätzen bei uns nicht so viel Achtung schenken, denn er will doch nur die öffentliche Meinung Deutschlands über die wahre Stimmung in England irreführcn, wie das die gesamte liberale Presse Englands immer getan hat.

London, 7. Mai.Wcstminster Gazette" schreibt, es sei sehr zu hoffen, daß Deutschland dem Ultimatum der Alliierten stattgebc, solange es noch Zeit sei. Dies sei vom Standpunkt der Deutschen wie auch von dem der Alliierten aus gesehen, einer Besetzung des Ruhrgebiets weitaus vorzuziehen. Der Star" schreibt, in der ReparationSfrage bestehe jetzt wirklich eine hoffnungsvolle Atmosphäre Das Blatte weist darauf hin, daß Asquith, Lord Robert Tevil und ClhnrS, alle gemeinsam dir revidierten Vorschläge der Alliierten gebilligt haben.

Ser polnische Mwsall »«! Mrschleste«.

Fortdauer der polnischen Angriffe.

Kaiivwitz, 8. Mai. Die im Reishof in Königshütte untergebrachie polnische Kommandantur hat einen Aufruf erlassen, in dem sie die Einwohner aufforderl, sich mit polnischen Ausweisen zu versehen, die im Reishof zu haben seien.

Oppeln, 8. Mai. Nach bis zum 8. Mai abends cingelausencn Mel­dungen verläuft die Linie des von den Aufständischen besetzten Ge­biets, vom Norden des Kreises Roscnberg beginnend, östlich Scich- wltz östlich Bankau westlich Wcudrin östlich Turawa und Kraschewo östlich der Malapane und Tarnau westlich Lcschnitz östlich Kandrzin, sodann längs der Oder bis zur Grenze. In der rein deutschen Stadt Kaliowitz ist das Standrccht verhängt wor­den. Jeder Zivilist, der mit Waffen angetrofftn wird, wird nach Befehl der Interalliierten Kommission erschossen. Wahrscheinlich aber nur die Deutschen. Die Stadt Königshüttc befindet sich in den Händen der Ausständischen. Nur das Rathaus wird von fran­zösischen Truppen besetzt gehalten. Zwischen Glciwitz und Peters- dorf hat eine Schießerei stattgcfunden. Bei Bankau im Kreise Kreuz­burg scheiterte rin Angriff der Aufständischen. Ebenso mutzte Lcsch- nitz im Kreise Groß-Strehlitz von den polnischen Banden wieder ge­räumt werden. Tic Notlage der deutschen Bevölkerung wachst von- Stunde zu Stunde. Dementsprechend steigert sich auch der Erregungs­zustand, in dem sich die deutschen Kreise befinden.

Oppeln, 8. Mai. Nach den letzten hier vorliegenden Nachrichten ist Kandrzin, das vorübergehend in die Hände der polnischen Banden gefallen war, nach schlverem Kampfe behauptet worden. Der Verlust der Insurgenten beträgt 70 Tote.

Korfanty.

Berlin, 7. Mai. Korfanty erklärt in seiner Note an dir Alliierten feierlich, alles getan, zu haben, was in seiner Macht gestanden hätte, um den Au Wand zu verhüten. Bereits un­mittelbar nach der Abstimmung hat seineOberschlcsische Erenzzeitung" die Vertreibung der Deutschen aus Oberschlefien, gefordert und unmittelbar vor Beginn des Aufstandes am I. Mai Hai die Grenzzeitung in den phantastischsten Ausdrücken gegen die Grubenbesitzer gehetzt. Daraufhin, also nicht spontan, wie Korfantys Note weiter behauptet, brachen Ausstand und Ausstand aus. Ebenso unwahr ist die Behauptung, die Be­wegung sei ein« elementare, denn alliierte Offiziere haben dem Spezialkorrespondenten desNewyork Herald", Erisfith, er­klärt, die Aufftandsorganisation sei von langer Hand vorbe­reitet. Ebenso ist Korfantys Drohung, die Bergwerk« und die industriellen Anlagen zerstören zu lassen nicht vom Augenblick diktiert, denn der oberschlesische Spezialkorrespondent des Pa­riserJournal", Hrlsey" hat bereits am 27. Mörz diese Dro­hung in seinem Blatt, wohl nicht ohne Fühlung mit Kor­fanty, angedeutet. Der diplomatische wie der militärische Feld- zugsplan Korfantys haben also langst sestgestandcn.

Oppeln, 7. Mai. Einem Berichterstatter der amerikanischen Zei­tungNewyork World" erklärte Korfanty, an dem Ausbruch des Auf­standes sei er selbst schuldlos, doch habe er sich später seinem Volk« nicht entziehen können. Er habe die industriellen Werke, sowie die Wasser- und Elektrizitätswerke fest in der Hand und brauche daher ans die Besetzung der Städte keinen Wert zu legen. Am Montag werde der Generalstreik abgesagt, aber er wolle 40 000 Mann unter den Waffen behalten. Gestern habe er einen Vertreter nach Oppeln entsandt, der mit der interalliierten Kommission verhandle. Unange­nehm könnte ihm lediglich eine Entsendung englischer Truppen wer- den, doch werde er auch dann der Lage gewachsen sein.

Die polnischen Sozialisten

für den Raub O ierschlefiens.

Warschau, 8. Mai. Gestern abend fand uns dem Theater­platz eine von mehreren tausend P«rsonen besuchte Versamm­lung der polnischen sozialistischen Partei statt, in der die Sym­pathie für den Aufstand in Oberschlesien und der Wille, den letzten Blutstropfen für Oberschlesien zu vergießen, kundgegr- b«n wurden. Im Anschluß daran wurde ein Umzug durch die Stadt veranstaltet. Ebenfalls wurde vor dem Schloß Belve­dere eine Studentenversammlung abgehalten, bei der Kund­gebungen für Oberschlesien beschlossen undNieder mit Deujlch^- land" gerufen wurde.

Das »einzige Mittel-.

Berlin, 7. Mai. TaL Zentralkomitee der USP. erläßt mit Rück­sicht aus die Ereignisse in Oberschlesien eine Erklärung, in der sie dal» Proletariat aller Länder zu entschlossener Bekämpfung der durch dm von den rinzrlnen Entcnteftaaten unterstützten nationalistischen Putsch der Polen drohenden Kriegsgefahr aufruft, die nur durch ein inter­nationales Zusammenwirken der Arbeiter beseitigt werden könne. Oh heilige Einfalt!