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äer A. oelschläger'schen Vuchäruckeret I

Nr. 280

Donnerstag, den 28. November 1929

102. Jahrgang

Wiederzusammentrilt des Reichstags

Das Arbeitspensum bis Weihnachten

--- Berlin, 28. Nov. Nach einer mehrwöchigen Pause ist der Reichstag gestern wieder zu einem Sitzungsabschnitt zu- sammengetretcn, der sich mit einer kurzen Unterbrechung bis kurz vor die Weihnachtstage ausdehnen wird. Indessen sind gröbere gesetzgeberische Maßnahmen nicht zu erwarten. Man wirb das N e p u b l t k s ch u tz g e s e tz, und zwar voraus­sichtlich nach einigen Abänderungen, zu denen sich der Ncichs- innenminister Scvering bereits verstanden haben soll, ver­abschieden, und weiter das Standesherrengesctz, über das im Ausschuß nach monatelangen Verhandlungen endlich ein Kompromiß erzielt werden konnte. Das eigent­liche Interesse wendet sich natürlich der Beratung des Hu- genbergschenFreiheitsgesctzes" zu, die am morgigen Frei­tag vor sich gehen wird. Doch rechnet man auch hier mit kei­nen Sensationen, da die Regierungsparteien sich nicht an der Diskussion beteilige» werden.

Die gestrige Ncichstagssitznng war von verhältnismäßig kurzer Dauer. Sie wurde durch Neichstagspräsident Löbe mit der Verlesung einer ganzen Anzahl nachträglicher Bei­leidstelegramme znm Tode Dr. Stresemanns eingcleitet. Verschiedene kleinere Vorlagen wanderten ohne Aussprache an die Ausschüsse, darunter auch ein Gesetz, bas Schutzbcstim- mungen für die Ausfuhr deutscher Kunstwerke verlangt. Die Regierung sagte einer dankenswerten Anregung des Zentrums zu, mit Oesterreich die Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu erfaßen. Den breite­sten Raum in der Diskussion nahmen die Beratungen über dte Gewährung von Neichszuschüssen für die Ansiedlung von Landarbeitern ein. Es handelt sich dabei insbesondere um den Bau von Etgcnhäusern der Landarbeiter. Auch diese Vorlage wurde, wie eine weitere über Bergmannssiedlun­gen, dem Ausschuß überwiesen. Damit war das knapp be­messene erste Tagewerk erledigt. Heute wird unter anderem über den Antrag entschieden werden, am heiligen Abend den V-Uhr-Ladenschluß einzuführen.

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Der Polenverlrag im Auswärtigen Ausschuß

TU. Berlin, 28. Nov. Der auswärtige Ausschuß des Reichstages behandelte gestern unter dem Vorsitz des Abg. Scheide mann l«-1 die Po len fragen. Minister des

Auswärtigen, Dr. Curtius, erstattete über die deutsch- polnischen Verhandlungen und die damit zusammenhängen­den politischen Fragen einen ausführlichen Bericht. Als erste Diskussionsredner nahmen die Abg. Ulitzka tZ.) und Hoetzsch jDntl.) das Wort. Weiter sprachen noch die Abgeordneten Dauch sDVP.) und Frau Sender sS.j. Gesandter Rau­scher berichtete über die einzelnen Phasen der deutsch-pol­nischen Verhandlungen und deren Ergebnisse. Neichssinanz- minister Dr. Hilferding und Ministerialdirektor Dr. Dorn behandelten die finanzielle Seite des Problems. Be­schlüsse faßte der auswärtige Ausschuß nicht. Die Beratung wird heute fortgesetzt.

Ueber die Sitzung des Auswärtigen Ausschusses am Mittwoch berichtet die Vossische Zeitung ergänzend, daß von Vertretern fast aller Parteien mit Ausnahme der Sozial­demokraten recht lebhafte Bedenke« gegen den Polenvertrag geltend gemacht worden seien. Dabei hätten die Redner der Deutschnationalen und des Zentrums insbesondere Zweifel darüber geäußert, ob der polnische Staat die in dem Liquida- tionsabkommcn übernommenen Verpflichtungen wirklich genau einhalten und nicht Mittel suchen werde, auf dem Weg über die innere Gesetzgebung die eben gemachten Zu­geständnisse an Deutschland wieder zu umgehen. Der deutsche Gesandte in Warschau, Ulrich Rauscher, habe auf Grund seiner Erfahrungen in Warschau demgegenüber die Auf­fassung vertreten, daß sich Polen an die einmal eingcgang- genen Verpflichtungen halten werde, da es selbst stark an der Durchführung des Vertrags interessiert sei. Vertreter anderer Parteien hätten Bedenken gegen die für Deutsch­land entstehenden erheblichen finanziellen Velastun- gen geäußert. Die Ansprüche der deutschen Staatsbürger, deren Eigentum in Polen beschlagnahmt worden sei, würden jetzt noch auf etwa 8lla Millionen Reichsmark geschätzt, «nd cs werde sich die Frage ergeben, ob Deutschland diese Ent­schädigung in vollem Umfang anszahlen oder durch Teilent­schädigungen die Ansprüche abfindcn solle. In letzterem Fall könnte auch die Notwendigkeit entstehen, daß solche Beschlüße mit Zweidrittelmehrheit gefaßt werden müßten, weil sie in gewissen Punkten der Neichsverfaßung widersprächen, wäh­rend bei einer vollen Entschädigung das Reich ungewöhnlich stark belastet werden würde. Man habe allerdings diesen Bedenken gegenüber auch nicht verkannt, daß es ein gewisser Vorteil wäre, wenn der Verzicht -es polnischen Staates auf das Nückkausrecht an 12 tM Banerngüter« erreicht werde.

Tages-Spiegel

Der Reichstag trat gestern zu einem aus 2 Wochen bemessenen Sitzungsabschnitt zusammen; er wir- morgen das Frei­heitsgesetz behandeln.

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Fm Auswärtigen Ausschuß des Reichstages wurde die Be­ratung über das deutsch-polnische Abkommen vegsn-.en, aber noch nicht z« Errde geführt.

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Der Reichstagsabgeordnete von Ksrdorsf sprach sich in einer Rede für die Bildung einer bürgerlichen Arbeitsgemein­schaft aus.

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Zwischen Moskau «nd Mnkden werden direkte Verhandlun­gen zur Beilegung des Konflikts im Ferne« Osten a»f- geuomme» werden.

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Fn Washington glaubt man nicht daran, daß die Londoner Konferenz eine Flottenvermindrrung zur Folge laben wird. DaS Secaufrüstnngsprogramm des Marineamts wird weiterhin dnrchgesnhrt.

Die Hilfsaktion für die Rußland-Auswanderer

Vier Millionen Goldrubcl für in Rußland verihl-.'ihenöe deutsche Kolonisten.

TU. Kowno, 28. Nov. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat der Rat der Volkskommissare der Sowjetunion vier Mil­lionen Goldrubel für diejenigen deutschen Kolonisten bewil­ligt, die auf die Auswanderung aus der Sowjetunion ver­zichten wollen. Die Sowjetregierung wird die deutschen Ko­lonisten teilweise nach Sibirien und teilweise nach dem Nord­kaukasus bringen lassen, wo sie in verschiedenen Kolonien untergebracht werden sollen. Die Sowjetregierung erklärte, daß eine weitere Auswanderung von deutschen Kolonisten vorläufig nicht in Frage komme, weil die deutschen Kolonisten angeblich selbst auf die Auswanderung verzichtet haben.

EnglandsVorschlägeinderCjEUtumssrape

TU. London» 28. Nov. über den Inhalt der Vorschläge in der Eigentumsfragc, die die britische Regierung -er deut, sche» Negierung unterbreiten liest, erfährt der Vertreter der Tclcgraphen-Nnion znverlässig, daß darin die bisher gemach­te« Vorbehalte hinsichtlich dcsnnliquidiertenEigc,»» t« ms fallen gelaffen werden. Die britische Negierung ist da, nach bereit, dieses Eigentum voll znrückzugeben, ohne länger eine Ausnahme für die bereits in Angriff genommene« un­zureichend aufgeklärte« «nd ähnlichen Fälle zu mache«. Da, gegen hält die britische Regierung in -er Frage der Li § ui» dationsüberschüsse ««verändert an ihrem bisherige« Standpunkt fest.

Die finanziellen Schwierigkeiten, die einer Änderung der ablehnenden Haltung Londons entgegenstehen, werden auch auf deutscher Seite nicht verkannt. Wie ans sicherer Quelle verkantet» bereitet man nun zunächst nichtamtlich Vorschläge für einen Vergleich vor» der Deutschland wenigstens eine teil, weise Erfüllung seiner Fordernnge» sichern würde, ohne daß Snowden gezwungen wäre, dte hierfür erforderlichen Mittel haushaltsmäßig aufzubringen. Die britische Regierung hat fletS den Grnndfatz vertreten, daß sie von Dentschlanb nur sa viel Reparationen wünsche, als sie zur Deckung ihrer eigene« Verpflichtungen an Amerika brauche. Unter dem Aoungpla« ergäbe sich so bereits im ersten Jahr ei« Überschuß von 1 Mil, lio« Pfund, der sich im Verlauf der Zeit steigern würde. Ein Verzicht auf Liese Summ« würde, auf eine gewisse Reihe von Fahren verteilt, eine Teilbefriedigung der deutschen An- sprüche zulaßen.

Die D. V. P. wirbt für eine bürgerliche Arbeitsgemeinschaft im Reich

TU. Berlin, 28. Nov. Der Vizepräsident des Reichstages, volksparteilicher Abgeordneter von Lardorff, sprach am Mittwoch in der Vereinigung für Handel und Industrie bei der Deutschen Bolkspartei Berlin über die Bestrebungen der Partei. Er erklärte u. a.:

So wie die Dinge lägen, sei die Bildung einer Arbeitsge­meinschaft «nter den stets bereiten und arbeitswillige« bür­gerlichen Parteien das Erfordernis des Tages «nd der Stnn- de. Diese Parteien könnte« dann bei der Mahl ein Kartell schließe« und mit gemeinsamer Front kämpfen, ähnlich wie dies die Rechtsparteien bei der Ncichspräsidcntcnwahl getan hätte«. Die ihnen znflicßenden Gelder könnten gemeinsam verwaltet werde« und sie könnten den Kampf nicht gegenein­ander, fordern miteinander führen. Ob ein solches Kartell dann später zur Bildung einer großen Staatsxrrtei führe» könne, sei abzuwarteu.

Beilegung des Konflikts im Fernen Osten?

Verhandlungen zwischen Moskau und Mnkden

China unterwirft sich de» russische» Fordernnge«?

TU. Kowno, 23. Nov. Wie aus Moskau gemeldet wird, veröffentlicht das Außenkommiffariat einen amtlichen Be­richt, in dem über die Einleitung von Verhandlungen zwischen Vertretern der Moskauer «nd der Mnkdener Negierung Mit­teilung gemacht wird. In dem Bericht heißt es u. a.:

Am 21. November habe der Bevollmächtigte des Außen­kommissariats in Chabarowsk ein Telegramm aus Charbin erhalten, in dem für den ehemaligen Mitarbeiter des russi­schen Generalkonsulats in Charbin, Kokorin, und den chinesischen Obersten Wan die Erlaubnis zum Betreten rus­sischen Gebiets erbeten worden sei. Diese Vertreter der Mnkdener Negierung hätten bann eine Erklärung übermit­telt, daß die Mnkdener Negierung bereit sei, mit Rußland Friede« zu schließen «nd darum bitte, Vertreter zu Verhand­lungen zu entsende«. Am 22. November habe bann der Be­vollmächtigte des Außenkommißariats Tschumanowski der Mnkdener Negierung mitgetcllt daß die Sowjetregierung bereit sei, den Konflikt beiznlege«, wenn die chinesische Ne­gierung sämtliche russischen Forderungen bewillige, die der chinesische« Negierung am 29. August durch die Vermittelung der deutsche» Negierung mitgetcilt worden seien. Am 27. November habe der Außenkommißar Litwinow ein Tele­gramm erhalten, in dem sich Marschall Tschanghsueli- ang bereit erklärte, sämtliche russischen Forderungen, die am 2S. August in einer russischen Note aufgestellt sind, zu bewil­ligen. Er bitte, den Ort für eine Konferenz zur Beilegung des Konflikts mitzutcilen. Litwinow habe daraufhin am Mittwoch Tschanghsneliang telegraphisch geantwortet und vor- geschlagcn, die chinesischen Vertreter nach Chabarowsk zu entsenden, um dort mit dem Vertreter der Sowjetregie­rung, Tschumanowski, weiter zu verhandeln.

Von russischer amtlicher Seite wid weiter mitgeteilt, baß sich die Mnkdencr Negierung verpflichtet habe, 1. sämtliche russischen Rech!« auf die chinesische Ostbahn ans Grund d.S Pekinger und Muldcncr Abkommens vom Jahre 1321 wie-

-erhcrzustellc», L die russischen Staatsangehörigen, die sich in chinesischen Gefängnisse« befinden, sofort aus freien Fuß zu setzen und S. zwei Direktoren z« ernennen, die von russischer Seite für die Verwaltung der Ostbahn in Vorschlag gebracht werde».

In russischen diplomatischen Kreisen wird darauf hingewie- sen, daß bis zur endgültigen Beilegung des Konflikts die bisher ergriffenen Maßnahmen der roten Armee in der Mandschurei unverändert aufrechterhalten werden.

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Nichtamtlicher chinesischer Schritt -ci«t Völkerbund.

TU Genf, 28. Nov. Der ständige chinesische Vertreter beim Völkerbund, Wu Kats eng, der zugleich China beim Schweizer Bundesrat vertritt, hat am Mittwoch Schritte beim Generalsekretär des Völkerbundes unternommen. Von unterrichteter chinesischer Seite wird hierzu mitgetcilt, daß eine amtliche Anrufung des Völkerbundes durch die Nankingregierung in dem chinesisch-russischen Konflikt bis­her noch nicht erfolgt sei. Der chinesische Vertreter beim Völkerbund habe jedoch den Auftrag erhalten, den General­sekretär des Völkerbundes über die Feindseligkeiten zu un­terrichten, sowie mit ihm über die Möglichkeiten eines Ein­greifens des Völkerbuudsrates zu beraten.

Nach der fast cinstündigen Unterredung mit dem Gene­ralsekretär des Völkerbundes teilte der chinesische Gesandte mit, China sei nach wie vor zu einer friedlichen Beilegung des Streites mit Sowjetrußland bereit, sche sich jedoch ge­zwungen, den Völkerbund anznrufen, da die sowjetrussischen Truppen immer weiter in die Mandschurei einrückten. In Frage kämen gleichzeitig die sich a«S dem Kelloggpakt er­lebenden Mittel, «Ne auch ein uumittclbarcs Einschreiten des Völkervundsrates.

In gut unterrichteten Moskauer Kreisen wird erklärt, daß die russische Negierung die Einmischung des Völkerbun­des in den russisch-chinesischen Streit nicht znlassen wird, weil die Sowjetunion dem Völkerbund noch nicht Leigctrc- ten ist.