Nr. 89.

Amts- und Anzeigcblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

96. Jahrgang.

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Dienstag, 19. April 1921.

»ezug«prei«.- In der Siail mit Lriigerlohn Mk. >2.00 viertel iihrlich. Postbezug«. pre>« u-.t. lS.vo mit Veste»geld. Tchlnst der «nzetgeiianuahme S llur vormittag«.

Der Druck der Entente

in der Neparationsfrage.

Sine offiziöse englische Stimme

zur Reparationsfrage.

London, 19. April. In einer vom Reuterschen Bureau ver­breiteten Meldung heißt es: In amtlichen britischen Kreisen ist nichts Bestätigendes bekannt über die zahlreichen Gerüchte aus Berlin betreffend eine bevorstehende Aktion Deutschlands im Hinblick aus seine Verpflichtungen am 1. Mai laut Friedens­oertrag. Was die wiederholten Gerüchte über eine geplante Vermittelung anbelangt, so find keine solchen Angebote der bri­tischen Regierung mitgeteilt worden. Zm Zusammenhang da­mit wird darauf hingewiesen, daß, wenn Deutschland ei« ver­nünftiges 0) Angebot vorhat, keine Notwendigkeit zu einer Vermittlung besteht. In federn Fall wird nachdrücklich hervor­gehoben, daß nach Ansicht der britischen Regierung diese Frage unmittelbar zwischen Deutschland und den Alliierten erörtert »erden muß und daß erwartet wird, daß Deutschland den ersten kchritt tut. Es sei ganz klar, heißt es in der Reutermitteilung weiter, daß den Deutschen die Ausgabe zusalle, vor dem 1. Mai den Alliierten vernünftige (!) Vorschläge darüber zu »nterbrei- ten, wie sie ihrer Verpflichtung Nachkommen wollten. Bisher sei noch keinerlei Plan für eine neue Konferenz der Alliierten gefaßt worden, aber ob Deutschland neue Vorschläge mache oder nicht, eine Versammlung der Alliierten werde sobald wie mög­lich nach dem 1. Mal notwendig sein, deren Ort und Zeitpunkt noch festgesetzt werden müsse. London habe keinerlei Mitteilung ider die gemeldete Absicht der Vereinigten Staaten, sich wieder in der Reparationskommission vertreten zu lassen, erhalten. Man müsse sich vergegenwärtigen, daß die Vereinigten Staaten sich vollkommen freiwillig zurückgezogen hätten und daß das jetzige Gerücht sich, wahrscheinlich aus die Tatsache beziehe, daß der amerikanische Vertreter der bei dem Ausscheiden der letzten Regierung aus dem Amt abgereist sei, jetzt durch einen Vertre­ter der amerikanischen Regierung ersetzt werden solle.

Lloyd George über die Reparationen.

London, 18. April. (Reuter) Lloyd George sagte Im Unter­haus, Deutschland sei noch im Verzug bezüglich der Reparationen, des Verfahrens gegen die Kriegsbcschuldigten und der Entwaffnung. Es habe bisher keine Neigung (?) gezeigt» praktische Vorschläge zur Ausführung des Friedensvertrags in diesen Punkten vorzulegen. Es sei daher gebieterische Pflicht der Alliierten, über weitere Schritte eine Konferenz zu veranstalten. ES könnte sich als notwendig er- tvchen. hie Unterwerfung unter die Bestimmungen des Friedensvcr- trags zu erzwingen. Der Premierminister fügte hinzu, er könne sicht sagen, wann und wo eine solche Konferenz stattfinden werde. Ne Regierung würde auf Grund der Annahme Vorgehen, daß das iritische Volk wünsche, den Vertrag von Versailles durchgcführt zu sehen Falls das Unterhaus von einer anderen Anschauung ausgche, I» könne, wenn es dies wünsche, jederzeit eine Diskussion statt- sinden. Es handelt sich um ausgesprochene Schikane zum Zwecke dm Erpressungen.

Der englische Handel gegen das Reparationsgesetz.

London, 18. April.Daily News" berichten, das Repara- onsgesetz mit seiner 50 proz. Einfuhrabgabe füge dem eng- >ichen Handel einen so ernsten Schaden zu, daß die Forderung * englischen Handelswelt nach Aufhebung des Gesetzes oder "srr Abänderung seiner Durchführung jeden Tag wachse.

Die französischen Forderungen

für den Wiederaufbau.

Paris, 19. April. In der gestrigen Kammersitzung wurde die eratung des Budgets der Ausgaben für 1921 fortgesetzt, die von wischland nach dem Friedensvertrag von Versailles zurückerstattet r en müssen. Der Berichterstatter d'Aubigny gab ein ziemlich ist Bild über das, was in den befreiten Gebieten geschehen

In erster Linie beschäftigte er sich mit der Feststellung des Scha­len E Tätigkeit des Credit National, der den Geschädig- unj, .Schüsse leiste. Die durch die Departements, die Kommunen e Privatpersonen angemeldeten Schäden beliefen sich, auf den « ^14 (!) berechnet, auf 34665«MOOS Francs. Hierzu

ie man für Beschädigung der Staatsdomänen und der Eisenbahn bede rine Milliarde Francs hinzufügen. Dabei müsse man

^ Zahlreiche Schadenanmeldungen noch ausstehen und Ziike dem wahren Wert nicht entsprechen. Die genaue

la» ^ "E erst dann erfahren, wenn die kantonalen Kommis- Trokst" KriegsschSdengerichte ihre Arbeiten vollendet hätten, don ^""de er, daß der Betrag der Schäden nach dem Wert ivl4 nicht geringer sei als 30 Milliarden. Bis jetzt habe man

20 864 000 OVO Francs ausgegeben und dabei seien die Ausgaben für den Stows^ ' m' 4 bis S Milliarden augenblicklichem Wert nicht eingerechner. . 'llmrden aus dem genaunten Betrage seien in Waren und Geld ausgezahlt worden. Die Wiederherstellung habe ungefähr fünfmal soviel gekostet als der Preis von 1914 ausmachte. Es seien also noch 26 Milliarden zu repariere», die bei einem Koef­fizienten von 4:104 Milliarden ausmachten. Da man annehmen könne, daß 1V bis 15 Jahre für den Wiederaufbau notwendig seien, könne mit einer Aenderung des Koeffizienten gerechnet werden. Der Berichterstatter würde einen Koeffizienten von 3^ für gerecht halten. Mau käme also dann auf etwa 80 Milliarde». Diese Summe müsse als Maximum gelten. In der Debatte wandte sich Abg. Crespcl wiederum gegen die Verwendung deutscher Arbeiter aus wirtschaft­lichen und moralischen Gründen. Er will höchstens die Verwendung deutschen Materials zulasten. Die Debatte wird dann nach Be­merkungen des sozialistischen Abg. Basly, Bürgermeisters von LenS, auf heute Dienstag vertagt.

Anforderung der deutschen Goldbestände durch die Entente?

Berlin» 18. April. Wie wir erfahren, ist von der Repara­tionskommission an den Vorsitzenden der deutschen Kriegslasten­kommission die Aufforderung gerichtet worden, die Goldbestände der Re'chr-bank und der übrigen deutschen Notenbanken bis zum 1. Mai nach Plätzen im besetzten Gebiet, etwa Köln oder Kob­lenz, überzuflihren. Diese Maßnahme soll eine Sicherheit für die deutschen Leistungen auch nach dem 1. Mai sein. Die deutsche Regierung soll sich verpflichten, daß ohne Zustimmung der Re­parationskommission über dieses Gold zur Befriedigung anderer Gläubiger nicht verfügt wird. Eine schriftliche Uebermitt- lung dieser Aufforderung steht noch aus. Jedenfalls darf schon jetzt kein Zweifel darüber gelasten werden, daß hier eine For- derng vorliegen würde, der von deutjcher Seite unter leinen Umständen entsprochen werden kann.

Dke Beratung

über die vorzunehmenden Gewaltmaßnahmen.

Paris, 18. April. Wie Havas mitteilt, sind die militärischen und wirtschaftlichen Sachverständigen heute zusammengetreten, um wei­terhin die Maßnahmen zu prüfen, die für den Fall ins Auge zu fasten sind, daß Deutschland gegenüber Zwangsmaßnahmen ange­wendet werden. Es ist wahrscheinlich, daß noch weitere Sitzungen folgen werden, um den Gesamtplan der Zwangsmaßnahmen endgül­tig ferkigzustellen. Dieser wird militärischer und wirtschaftlicher Natur sein. Bevor er Deutschland gegenüber zur Anwendung kom­men wird, soll er den übrigen Vcrbandsregierungen vorgelegt wer­den. Man will ihn daher in allen Einzelheiten zuvor genau mrS- gearbeitet haben.

London, 18. April.Daily Telegraph" meldet, daß zwischen Frankrejch und seinen Alliierten einen Gedankenaustausch über die Frage weiterer Zwangsmaßnahmen im Gange sei.

Paris, 19. April. Di« Agence Havas dementiert die Nach­richt, die Gendarmerie in Lille habe bereits die Einberufungs­befehle für das 1. Armeekorps bezüglich der Jahresklasse 1918 und 1919 erhalten. Es. sei weder für den ersten noch für einen anderen Bezirk ein Einberufungsbefehl ergangen. Wenn die Nachricht auch zutreffend wäre, so würde sie doch dementiert werden.

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Deutscher Protest gegen die Zollgrenze für das Rheinland.

Berlin, 18. April. Die deutsche Friedensdelegation in Pari­hat der Botjchafterkonferenz aus Anlaß der Errichtung eines besonderen Zollregimes für die Rheinland« eine Note über­geben, in der sie gegen dieses Steuerregime erneut Protest er­hebt. Die Ordonnanz der Rheinlandskommission, durch die das Zollregime eingeführt worden fei, stelle nach Form und Inhalt eine neue flaggrante Verletzung des Vertrags von Versailles und des Abkommens über die militärische Besetzung der rhei­nischen Gebiete dar. Für den Erlaß der Verordnung könne sich die Rheinlandskommission weder auf den Friedensvertrag, noch auf das Rheinlandsabkommen, noch sonst auf völkerrechtliche Verträge stützen. Die Rheinlandskommission sei durch das Ab­kommen über die militärische Besetzung der rheinischen Gebiete als das oberste Organ der an der Besetzung beteiligten Mächte für die vertragsmäßige Durchführung dieser Gesetze bestellt worden. Die deutsche Regierung müsse daher die Regierungen der Besetzungsmächte verantwortlich machen für die von ihrem Vollzugsorgan vollführien Vertragsverletzungen und legt gegen die vorstehend gekennzeichnet«» Maßnahmen der Rhcinlands- kommission feierliche Verwahrung ein. Gleichlautende Noten hat die deutsche Regierung den Regierungen in London, Paris, Brüssel und Rom zugehen lassen.

Die Neparationsvorschläge des Allgemeinen deutsche» Gewerschaft * «des.

Berlin, 19. April.Vorwärts" undFreiheit" veröffent­lichen die Leitsätze über die Reparationsfrage, die der Allge­meine Eewerkschaftsbund der Reichsrcgierung unterbreitet hat. Es werden darin neue Anerbieten über den Wiederaufbau Frankreichs gefordert, die der französischen Regierung sofort zu machen seien. Mittels einer großen internationalen Anleihe soll die Finanzkalamität Frankreichs und Belgiens gemildert werden. In Ausführung der Beschlüße der internationalen Gewerkschaftskonferenz in Amsterdam soll ein internationales Reparationsinstitut gebildet werden, dem das Sjudium der technischen Organisation und die allgemeine und finanzielle Verwaltung der Wiederaufbauarkeiten zu übertragen ist. Der eigentliche Wiederaufbau soll unter Beteiligung deutscher Ar­beitskräfte geschehen.

Zur auswärtigen Lage.

Die dauernde Bedrohung durch Polen.

Berlin, 18. April. Von unterrichteter Seite wird dem W. T B. geschrieben: Seit Beginn dieses Jahres hat Polen noch die Jahr­gänge 96, 97, 98, 99 und 00 unter den Fahnen. Von diesen fünf Jahrgängen sollten fristlos anfangs April entlasten werden sämtliche Infanteristen der Jahrgänge 96, 97 und 98, die am 21. März länger als zwei Jahre bienten. Rach inzwischen ergangener Weisung des polnischen Kriegsministeriums soll dieser Vesehl auf die Bezirke Posen und Krakau neuerdings keine Anwendung fin­den. Demnach werden die gegenüber Schlesien bereitgestellten pol­nische» Truppen nicht geschwächt. Sie find sogar gegenüber dem Stande von Mitte März wesentlich verstärkt worden dadurch, daß der zwei Tage vor der Abstimmung in Oberschlesien zu einer vier- zehntägigen Uebung eingezogene Jahrgang 01 noch nicht wieder ent­lassen worden ist. Die bisher an der polnischen Ostfront verwandte 9. Kavalleriebrigade ist seit Anfang April im Raume Warschau Wloclawet untergcbracht. Polen befindet sich seit der Ratifikation des Versailler Vertrags mit Deutschland im Friedenszustand. Mit Rußland hat es am 18. März 1921 Frieden geschloffen. Gegen wen unterhält Polen diese starke Truppenmacht?

Französische Beschuldigungen gegen Bayern.

Berlin, 19. April. Wie dasBerliner Tageblatt" aus Wien meldet, verlautet dort aus gutunterrichteter Quelle, daß die französische Regierung an die bayerische Regierng eine Note ge­richtet habe, in der Frankreich gegen angebliche bayerische Um­triebe in Tirol protestiert. Bayern sei nach der Note für die Anschluß-Volksabstimmung in Tirol verantwortlich und habe dadurch den Friedensvertrag von Versailles verletzt Die fran­zösische Regierung behaupte, im Besitze eines umsastenden Be­weismaterials für das Vorgehen Bayerns zu sein. Wenn deutsche Volksgenossen nach der Vereinigung mit dem Reiche streben, so beruht das nach französischer Auffassung immer am Umtrieben.

Die Ausführung des englisch-russischen Handels­vertrags.

Reval, 18. April. In Ausführung des Handelsvertrags zwischen England und Rußland ist von der Sowjetregierung durch Dekret vom 11. ds. Mts. an die inneren Ressorts eine Anweisung c^ngen, in der^u. a. bestimmt wird: Der frei« Schiffsverkehr ist vorzubereiten. Das persönliche Vermögen britischer Agenten ist zu sichern. Zwangsenteignung von Ein­fuhrwaren aus England ist unzulässig. Die Rechte der briti­schen Handelsschiffe und britischen Bürger in den Häfen und während des Aufenthalts in Sowjetrußland werden geschützt. Ausfuhrverbote von Waren nach England sind aufzuhebcn. Die Seehäfen sind bereitzustellen, ebenso Lagerräume, Transport­mittel und Tonnage. Die Sortierung und Sammlung von Rohmaterialien nd Exportwaren für England ist einzuleiten. Die Einfuhr von Gegenständen persönlichen Gebrauchs ist de» einreisenden britischen Bürgern erlaubt. Der Post- und Tele- grapbenvertehr ist zu regeln.

Amerikanische Auffassung über die Wirtschaftsverhiiltnisse in Rußland.

London, 18. April. Aus Washington wird vom 17. ds. Mts. gemeldet, daß in der Erwiderung auf die Anfrage Eompers bezüglich der augenblicklichen kommerziellen Verhältnisse in Rußland Staatssekretär Hughes weiter aussührte, Rußland sei nicht nur infolge des Krieges gegen Deutschland, sondern auch Infolge des dreijährigen Bürgerkrieges ein gewaltiges Vakuum geworden. Es sei ihm unmöglich, Beweise dafür zu bieten, daß unter diesen Verhältnissen irgend welche Aussichten auf «ine Erleichterung unter dem augenblicklichen politischen und