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Amts- und Anzerqeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
96. Jahrgang.
tzrscheinungSw eise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Die kleinftraltige Zeile MPsg. Reklamen Mk. 2.— Auf Lnrnnieianzeigeu kommt ein Zuschlag von 1000/o — Fernspr. 9.
Montau, 11. April 192!
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Sie einzige Methode.
V.Vr. ES ist nicht zu erkennen, ob der französische Ministerprä- ffrrnt Briand seine Rede vom 5. April ans Mitteilungen seines -Limdmannes Viviani hin geinacht hat, der z. Zt. in Amerika in nun Sondermission u. a. für die französische Auffassung in der Re- pawtionsfrage Verständnis wecken soll. Das Deutschland untergeschobene Bestreben, sich mit Amerikas Hilfe von der Erfüllung der Lersailler Verpflichtungen zu befreien, kann dnrch die Handlungen md Unterlassungen der Reichsregienmg in den letzten Monaten in keiner Weise belegt und must daher mit aller Entschiedenheit zuriick- zewiesen werden. Herr Briand hat in seiner Scnatsrcde vom letzten Dienstag wieder von dem „schlechten Witten des deutschen Schuldners" gesprochen und die deutschen Vorschläge in London ein .höhnisches Angebot" genannt. Er hat mit seiner Schlußfolgerung, daß noch dem Scheitern der Londoner Konferenz nur noch der Vertrag von Versailles bestehe, formal durchaus recht; daß aber durch ein Dekret der Reparationskoimnisston aus Deutschland das hcrauS- zeholt werde» könne, worüber man sich in mündlichen Verhandlungen nicht einigen konnte, dürfte Air leitende französische Staatsmann wohl selbst nicht glauben. Daran wird auch nichts geändert, wenn — wie Briand in Aussicht stellt — „die starke Hand des Verbandes «ns Deutschland niedersällt".
Briand will die Mittel der deutschen Großindustrie uud einen Teil der deutschen Bodenschätze zur Zahlung der Kriegsentschädigung henmziehen. Würde es sich hierbei nur um eine privatrechtliche Eigentumöverschiebung handeln» so würde damit die Produktivität der deutschen Wirtschaft an sich nicht gestört. Eine solche Beschlagnahme deutscher Vermögenswerte soll aber nach der in Paris wiederholt geäußerte» Anschauung nicht nur eine Sicherung bedeuten, stadem die vollen Erträge der betreffenden verpfändeten Werke und wirtschaftlichen Hilfsquellen den Gläubigern Deutschlands zuleiten. Das würde in der Tat eine „Zwangsvollstreckung" sein, wie sie in der genannten Rede Briands wiederum in Aussicht gestellt wird. Fast 2)H Jahre sind vergangen, seit Deutschland die Waffen nieder- legte. I» dieser ganzen Zeit haben die Verbandländer gehofft, den richtigen Einblick in die deutsche Zahlungsfähigkeit zu gewinnen. In dieser Zeit ist aber die deutsche Wirtschaftskraft in Verfall geraten; gleichzeitig ist aber auch der deutsche Reformwille geiiihnrt worden, da es unseren politischen und wirtschaftlichen Führern aussichtslos "schien, eine endgültige Ordnung herbeizuführen, ohne die Höhe eines viele Milliarden betragenden Schüldposteus zu kennen. Jeder Geschäftsmann weiß, daß ein in Zahlungsschwierigkeiten geratenes Unternehmen einer gewissen Frist bedarf, um für die Abtragung der Schuldsumme endgültige Vorschläge zu machen. Bis dahin muß sich der Gläubiger mit einem Provisorium begnügen. Die deutschen Borschläge i März sehen ein solches Provisorium vor, indem dis zum Jahre 1926 mäßige Raten zugesagt und dann endgültige Vorschläge zur Abtragung der Restschuld in Aussicht gestellt wurden. Tie Leiter der deutschen Politik müßten von allen guten Geistern verlasien sein, wenn sie hierbei den .Hintergedanken gehabt haben sollten, die Reparation zu sabotieren. Ein 60 Millionm-Volk kann vicht 5 Jahre lang seine Wirtschaft in künstlicher Stagnation halten, m nach außen hin den Eindruck der Zahlungsunfähigkeit zu machen. Tu abwartcnde Politik, welche die Verbandsstaatsmänner für gut efanden, war ein schwerer Fehler, indem sie uns bis heute außer tand setzten, die Ueberschüsse zu erzielen und bereit zu stellen, aus wen allein eine vernünftige Reparation geleistet werden kann, votz der neuen Drohungen des leitenden französischen Staatsmanns ist nüchternes Verhandeln und Festsetzung einer Ucbergangsfrist v»t mäßigen Leistungen die einzige Methode, wie die Ansprüche Nqner Gläubiger aus dem Versailler Vertrag befriedigt und eine lchvxre Katastrophe mindestens für ganz Europa vernnedcn werden kann.
Die Lage in England.
Eine Entspannung der englischen Streiklage.
-2 April. Reuter. Am Schluß einer Sitzung des Ar- «dreibundS wurde amtlich bekannt gegeben, daß zwischen de« i "" de» Bergwerksbcsitzcrn am Montag Morgen eine d d ^vsprechung stattfindcn werde, ferner daß der Bergarbeiterocr- iänds den mit ihm zusammengeschlossenen Ilnterver-
lMaevu Warnung veröffentlichen wird, worin alle Mitglieder die werden, sich jeder Handlung zu enthalten, die sich gegen d>ür!> k der Bergwerke nötigen Maßnahmen wenden
ßck » ? " die Anwendung von Gewalt durch die Regierung nach "4 Ziehen müßte. V
10. April. Reuter. Die gestern abend erfolgte uner- d-MeM ,E"dig»ng, daß der Bergarbeiterverband seine Mitglieder «>stß ' gegen die zur Sickerung der Bergwerke nötigen
Men zu unternehmen, .hat die Lage beträchtlich entspannt.
Für Montag wird eine weitere wichtige Entwicklung der Dinge erwartet. Während des ganzen gestrigen Tages ströniten ununterbrochen Freiwillige durch London, die sich für alle Nörstandsarbciten während des Streiks zur Verfügung stellten. Sämtliche eingehenden Berichte zeigen auch weiterhin eine Abneigung der Eisenbahnen, dm Streik zu unterstützen.
Die Schutzmaßnahmen der englischen Regierung gegen den Streik.
London, 9. April. Das Unterhaus hat die von der Negierung angeordneten Maßnahmen zur Kenntnis genommen. Die Polizei wird verstärkt. Neue Polizeiagenten werden in Dienst genommen und ein außerordentlicher Ausnahmezustand wird auf 90 Tage organisiert. Die Reservisten wurden ei »berufen. Die demobilisierten Offiziere müssen sich dem militärischen Dienst stellen. Freiwillige von 18—40 Jahren werden angenommen. Die Aufforderung des Kriegsministerium an die Bürger, die imstande sind, Waffen zu tragen, hat dem ganzen Lande ge-aw die Lage außergewöhnlich ernst ist. Zur Verteilung der Nahrungsmittel im Falle eines Transportarbeiterstreiks sind umfassende Maßnahmen getroffen.
Lloyd George Diktator.
London, 9. April. Die königl. Proklamation, die gestern abeiü» im Parlament verlesen wurde, macht Lloyd George zum Diktator im weitgreisenden Vollmachten. Nach der Entschließung des Arbeiterdreibunds wurden Thomas, Williams und Herbert Smith zum Eeneralstab der Arbeiter ernannt. Sie dirigieren den Kamps der Arbeiter.
Die tötlichen Folgen des Streiks.
London, 9. April. In einem Artikel heben die „Times" die tödlichen Folgen hervor, die der Streik für den Handel und das Geschäft Englands nach sich ziehe. Amerika werde dckdurch noch größere Gelegenheit geboten, die englische Märkte Europas zu versorgen als letztes Jahr. Auch Deutschland werde bei einem Angriff auf den englischen Außenhandel unterstützt. Das Blatt hofft, daß die Regierung, Bergwerksbesitzer und Bergarbeiter sich den unberechenbaren Schaden vor Augen halten werden, den die Ration alsdann erleiden müsse, wenn der Handel Englands vollständig ins Chaos verfällt. — „Daily Herald" veröffentlicht eine Erklärung Hodges, des Sekretärs des Bergarbeiter- vcrbandes, an das Blatt, worin es heißt: Der Krieg ist erklärt worden gegen Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Hodges erklärte die Regierung sei von dem Wunsche beseelt, die Arbeiter zu unterdrücken. Die Arbeiter würden niemals durch einen Beschluß der Regierung, ihnen Bedingungen durch militärische Gewalt aufzuzwingen, erschreckt werden. Sie hätten nur um bedingungslose Konferenz gebeten. Statt dessen hätte man ihnen Bajonette entgegengestcllt. Hodges schließt: Die Regierung muß gehen. Es ist unsere Pflicht, ficherzustellen, daß sie geht.
Die englische Presse zum Streik.
London, 9. April. Ein Teil der Morgenpresse ist der Ansicht, daß, obwohl die größte industrielle Krise, der sich England je gegenübergcstellt sah, ihren Höhepunkt erreicht hat, immer noch Hoffnung vorhanden ist, daß der Friede noch gesichert werden könne. Die „Times" sprechen von einer dramatischen Pause, die in einem wirklichen Waffenstillstand oder sogar in wirklichen Frieden verwandelt werden könne. Die Verschiebung der Streikaktion bis Dienstag Mitternacht bedeute einen endgültigen Schritt vorwärts. — Demgegenüber ist „Daily Telegraph" nicht der Ansicht, daß irgend etwas eintreten würde, das den Streik verhindern könne. — „Daily Herald" ist sogar der Meinung, daß sowohl das Kapital als auch die Bergarbeiter es vorziehen, den unvermeidlichen Kampf jetzt auszufechtcn. — Inzwischen lausen Gerüchte ein, daß der Streikbefehl bei den Arbeitern nicht allgemeine Zustimmung findet. Ein Teil der Liverpools Eisenbahner telegaraphierte beispielsweise an Thomas, sie wollten nicht in Len Ausstand treten und seien überzeugt, die ganze Streikbewegung sei auf ein bolschewistisches Manöver zurück- znfiihren, uni in England die Revolution zu entfachen. Diese Eisenbahner erklärten, sie wüicken keine Aktion unterstützen, dir England in Anarchie stürze und Deutschland zur Verminderung seiner Verantwortlichkeit dienen könne. — Die „Morning Post" vermutet ebenfalls hinter der ganzen Bewegung bolschewistische Umtriebe. Das Blatt ist überzeugt, daß sie Antwort auf den Appell des ersten Ministers an die Nation zur Unterstützung der Regierung überwältigend sein werde. _
Zur auswärtigen Lage.
Die letzte Viertelstunde.
Beelin, 11. April. Die französische Öffentlichkeit ist enttäuscht darüber, daß die Reden Briands auf die deutsche Öffent
lichkeit nicht die gewünschte Wirkung ausgeübt haben, die man in Paris erwartet hatte. Die gesamte Regierungspresss wieder, holt daher noch einmal die bekannten Drohungen und betont, daß die letzte Viertelstunde Deutschlands gekommen ist. I» einer zweifellos offiziösen Notiz hält es der „Petit Puristen" für notwendig, die Presse darauf aufmerksam zu machen, daß die Rede Briands Taten angelündigt habe und daß diese in Vorbereitung begriffen seien. Zunächst sei die Besetzung de» Ruhrgebiets in Aussichr genommen und hierfür feien bereits alle Einzelheiten geregelt. Weiterhin aber würden die Alliierten wahrscheinlich versuchen, sich durch wirtschaftliche Druckmittel selbst bezahlt zu machen, und zwar entweder durch besonder« Steuern oder durch Beschlagnahmen. Deutschland setzte sich also der Gefahr aus, am 1. Mai seine reichsten Jndustriebezirke von den Alliierten besetzt und ausgebeutet zu sehen.
Auch Hcrve ist mit der deutschen Presse sehr unzufrieden mit Ausnahme eines einzigen Blattes, der „Voss. Zeirung", die von Herve das Lob erhält, daß ihre Sprache diejenige der Vernunft sei. Im übrigen scheint es bei aller Entschlossenheit, an der in der Tat nicht zu zweifeln ist, ernsthaften Kreisen bei dem Heranmchmen der letzten Viertelstunde nicht wohl zu Mute zu sein. So macht Periinax im „Echo de Paris" darauf aufmerksam, daß dis französische Regierung sowohl vonseiten Englands wie vonseiten Amerikas auf die stärksten Proteste gefaßt sein müsse. Wenn eine friedliche Verständigung möglich sein könne, so würde Frankreich darüber glücklich sein. Aber alles weise daraufhin, daß der Bruch in den Auffassungen der beiden Länder unüberbrückbar sei. Ein weiterer Punkt, über den man sich io Paris offenbar große Sorgen macht, besteht in der Entwicklung der inneren Lage in England. Zweifellos legt das gesamte französische Volk großen Wert darauf, daß Frankreich bei einem eventuellen Vorgehen gegen Deutschland England auf seiner Seite habe. Aber die Befürchtung nimmt immer mehr zu, -aß die Londoner Regierung durch eine Verschärfung der innenpolitischen Lage in einer solchen Aktion verhindert werden könnte. Dis Pariser Presse übergeht diesen Punkt vorläufig mit Stillschweigen, um die Wirkung der Regierungserklärung gegenüber Deutschland nicht abzuschwächen. Dagegen macht sich in der rechtsstehenden Opposition bereits der Versuch be« merkbar, dem Kabinett Briand durch alle möglichen Schwierigkeiten einen Strick zu drehen.
Neichsminister Dr. Simon zur Neberreichung des Memorandums an Amerika.
Paris, 10. April. Der „Matin" berichtet über eine Unterredung seines Berner Vertreters Sauerwein mit dem Minister Dr. Simons, in der dieser erklärte: Ich habe nicht versucht, ein Eingreifen der Vereinigten Staaten zu erlangen. Mein Zweck bei der Ueberrei- chung des Memorandums war einfach der, den deutschen Standpunkt gegenüber dem der Alliierten auseinanderzusetzen. Was mich betrifft, so erinnern Sie sich, daß ich in Spaa unfern guten Willen, die verwüsteten Gebiete aufzubauen, klar ausgesprochen habe. Aber eS handelt sich nicht nur um den Wiederaufbau, Frankreich will ohne Zweifel Geld haben. Das ist viel schwieriger, denn Geld haben wir nicht. Wir können das Problem nur durch ein« Verständigung mit Frankreich lösen. In der Rcparationsfrage ist Frankreich die beherrschende Macht und keiner seiner Alliierten wird es daran hindern, immer schärfere Zwangsmaßnahmen anzuwenden. Ich habe niemals auf die Uneinigkeit unter den Alliierten gerechnet. Also, man muß mit Frankreich verhandeln. Aber ich glaube nicht an dir Methode von Paris und London. Man muß neue Grundlagen suchen und neue Verhandlungsarten. In Brüssel war man auf einem guten Wege. Ich habe unsere Thesen in London, so wie ich instruiert war, entwickelt. Ich hatte kein Recht, den in Paris vorgeschlagenrn abändernngsfähigen Pakt anzunehm n und ich konnte weder einen andern Vorschlägen noch anregcn, die Frage einer Konferenz von Sachverständigen zu überweisen. Man hätte sonst geglaubt, daß ich die Grundlagen der abänderungsfähigen Annuitäten selbst ablehnte. Rach meiner Ansicht gibt es eine Möglichkeit, in kurzer Zeit'etwas ähnliches zu finden. Die Zahlungsfähigkeit eines Landes unterlegt nicht nur tech,6si:..c Beurteilung, sie ist auch eine psychologische Frage, denn die AroeitSdedingungcn spielen dabei eine sehr wichtige Rolle. In dieser Hinsicht bin ich optimistischer, was Deutschland anbetrifft, als viele andere. Aber das Abkommen, das man treffen will, muß in weitestem Maße diesem psychologischen Faktor Rechnung tragen. Ich kann Ihnen sagen, daß ich nicht Minister in einer Negierung bleiben winde, die nicht den absoluten Willen hätte, ihre Verpflichtungen - - ävsiersie,! der Leistungsfähigkeit
Deutschlands zu erfülle». klebrigen» oin ich der Ansicht, daß wir in wenigen Tagen in unwiderlegbarer Weise unseren gute» Willen beweisen werden. Ich bin überzeugt, daß das französische Volk es verziehen wird, unseren guten Wille» auf di« Probe zu stellen, als