Nr. 52.
Amts- und Vnzei§eb!att für den OberamtsbeZirk Calw.
96. Jahrgang.
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Freitag, 4 . März 1L21.
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Die Antwort auf Deutschlands Vorschläge von London
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LrohUchlishüie«. — Sr. Simms emsie VpraEe.
EiüirliAnsUli. — Were srinidk«.
ftt. Enttäuschungen erlebten wir"schon während des Welt kriegcS zur Genüge und auch im gegenwärtigen Schicksalsringcn bleiben wir davon nicht verschont. Wir haben stets die Meinung vertreten, daß rin erträgliches Kompromiß-Abkommen völlig unwahrscheinlich ist und haben nach Verfolg der unS zugcgangenen neuesten Meldun recht behalten. Die Forderungen, die uns auscrlegt werden, find und bleiben auch fernerhin für uns unannehmbar, sie werden sich nie und nimmer erfüllen lassen. Daß nun ein Scheitern ddr Verhandlungen rncht ausgeschlossen ist, lehrt uns dos von den Alliierten Unterzeichnete Abkommen, besser gesagt Ultimatum an unsere Vertreter in London. Bruch oder Unterwerfung: einen anderen Ausweg aus der Londoner Krise gibt . chtmehr. Die deutschen
Vorschläge wurden rund abgelehnt und den deutschen Vertretern ein Ultimatum unterbreitet, dessen Annahme Selbstmord für uns wäre. Obwohl vielleicht der Verband schweren Herzens einem völligen Bruche entgegensehen würde, ausgenommen Frankreich, ist da raus zu erkennen, welche .Sanktionen' man eigentlich spielen lassen wolle und die vielen Aenderungen dieser Zwangsmaßnahmen beweisen, daß man den Endzweck jedenfalls nicht ganz erreichen kann; dies ist trotz aller Schroffheit der Bedingungen, die einzige Brücke, durch die vielleicht ein einigermaßen günstiger Gehweg geschaffen werden könnte. Aber mehr dürfen wir mit einem völligen Scheitern der ganzen Verhandlungen auch nach Verlauf der llltimatumssrist rechnen. Auf dieses Scheitern müssen wir uns »orbereiten. Es werden dann Wochen, Monate der Unruhe, der Aufregung, des Leidens kommen. Doch dieser Gedanke darf uns nicht mürbe machen. Wir wissen, daß es keine Gewaltmaßnahme gibt, die uns zwingen kann zu zahlen was wir nicht haben. Die Alliierten werden auf dem Wege derGewalt, densie scheinbar in ihren Wahnsinnssorderungen betreten wollen, nicht auf ihre Kosten kommen, nicht einmal auf die Kosten der Gewaltanwendung. Ganz Europa würde unter dem vernichtenden, unter dem Todesurteil an Deutschland ins Wanken kommen. Tage würden für die Völker Hereinbrechen, die in ihren Folgewirkungen unberechenbar wären. England sitzt in einer Zwickmühle wie nie; seine Vertreter legten bei den Beratungen eine derartige Nervosität an den Tag, die einem aufmerksamen Beobachter zu denken geben. Gewisse Engländer sehen die einzige Möglichkeit der Lösung der Frage in der Verschiebung der Konferenz bis die amerikanische Regierung im Sattel fitzt. England ist wie ein steuerloses Schiss und kann sich durch die widersprechenden Urteile über Deutschlands Wirtschaftsleben gar kein rechtes Bild machen. Die Legend« über das deutsche Wohlergehen hat stark an Boden gewonnen.
Stunden der Enttäuschungen, sind bittere Stunden und die vier Tage Galgenfrist sollen in erster Linie dazu benützt werden, auf alles was da kommen mag in Geschlossenheit sich zu sammeln, um eine Einheitsfront nationalen Denkens und Fühlens zu bilden. Fühlung tut jetzt allen Ständen not, nur das als einmütig erkannte Ziel fest zu heben, dann kann der Morgen, dem wir in unserer Schreckensnacht entgegenhoffen, der argen der Freiheit und der Versöhnung, der Vernunft und der Menschenwürde nicht mehr ferne sein.
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Nrriester Sitzungsbericht in London.
London, 3. März. Der deutsche Bericht über die heutige Sitzung der Londoner Konferenz lautet:
Die heutige Sitzung der Konferenz sand um 12 Uhr mittags St. Zames-Palast statt. An ihr nahmen außer der deut- Ichen Delegation die englische, französische, italienische, japanische und belgische Delegation teil. Von deutscher Eene waren Reichsminister Dr. Simons, die Staatsekretär Bergmann. Schröder und Lewald, die Ministerialdirektoren v. Simson und von le Cuire, der Botschafter Sthamer, sowie die Sondervertreter Preußens und Bayerns, Geh. Rat Felltnger und Staats- ^t v. Meine!, anwesend. Lloyd George ergriff sofort nach Beginn der Sitzung das Wort, um die Antwort der Alliierten aus die deutschen Gegenvorschläge zu geben. Zn längerer Rede führte er aus, daß die deutschen Vorschläg^emen Angriff gegen en Grundgedanken des Versailler Fricdensvcrtrags darstellten.
liege durchaus nicht in der Absicht der Alli-erten Deutsch- «aud zu unterdrücken. Zm Gegenteil, diese seien davon über
zeugt. baß ein jrcies, zufriedenes und blühendes Deutschland eine notwendige Vorbedingung für den Frieden und das Wohlergehen Europas sei. Deutschland habe im Friedensvertrag seine Verantwortlichkeit für den Krieg anerkannt und habe deshalb für die Kriegsschäden Reparation zu leisten. Es sei bereits ein weitgehendes Entgegenkommen der All'icrten, daß sie im Gegensatz zum Frankfurter Fnedensvertrag von 1871 auf den Ersatz sämtlicher Kriegskosten verzichtet hätten. Er sei der Meinung, daß das deutsche Volk noch nicht genügend den Umsang der Zerstörungen würdige, drc durch den von dem kaiserlichen Deutschland heraufbeschworenen Krieg verursacht worden seien. In längeren Ausführungen hierzu schilderte Lloyd George die Verwüstungen und Zerstörungen, dre in den alliierten Ländern, insbesondere in Frankreich, angerichtet seien und die nur zum geringen Teil von kriegerischen Operationen herrührten. Die Alliierten seien durchaus geneigt gewesen, die deutscherseits vorgebrachten Anträge gegen die Pariser Beschlüsse mit vollem Ernst zu prüfen wenn Deutschland z. B. eine Verkürzung der Zahlungsfrist von 42 Jahren gefordert oder statt der 12^igen Aussuhrabgabe eine feinen Bedürfnissen entsprechendere gleichwertige Maßnahme vorgeschlagen hätte, so hätte hierüber gesprochen werden können. Demgegenüber müsse er feststellen. daß die deutschen Gegenvorschläge als Grundlage einer Besprechung oder Prüfung völlig ungeignet seien, im Gegenteil, eine Beleidigung und Herausforderung der Alliierten bildeten. Berücksichtige man, daß Deutschland >m übrigen schon in vielfacher Hinsicht den Friedensvertrag von Versailles verletzt habe, so müsse man zu der Folgerung kommen, daß die deutsche Regierung ihren Verpflichtungen nickt Nachkommen wolle oder — was noch schlimmer sei — die Kraft nicht habe, ihren Willen durchzusetzen. Angesichts dieser Sachlage habe er namens der Alliierten die deutsche Regierung aufzufordern. bis Montag Mitteilung zu machen, ob sie die Pariser Beschlüsse annehme oder Gegenvorschläge zu unterbreiten, die eine gleickwertige Ausführung der aus dem Friedens- vertrag Deutsckland obliegenden Verpflichtungen sicherstellten. Andernfalls würden 1. Duisburg. Ruhrort und Düsseldorf sofort besetzt werden, 2. die Alliierten von ihren Parlamenten die Genehmigung einholen, von jeder Zahlung für Waren aus deutschen Lieferungen einen prozentualen Abzug für Reparationszwecke einzubehalten, 3. die an der Westgrenze eingehenden Zolleinnahmen unter Aufrechterhaltung des deutschen Tarifs beschlagnahmen und eine neue Zollgrenze am Rhein errichtet werden, an welcher nach den Festsetzungen der interalliierten Rheinlandskommisston Export- und Importzölle erhoben werden. Lloyd Gorge schloß seine Rede mit der Frage, ob Dr. Simons gleich eine Antwort geben wolle oder eine neue Sitzung heute nachmittag vorziehe. Reichsminister Dr Simon» ent- gegnete, die Rede des Herrn Lloyd Georges würde mit der Sorgfalt geprüft werden, die ihrem Umfang und ihrer Bedeutung entspreche. Die Delegation werde die Antwort bis Montag Nachmittag erteilen. Im übrigen legte Dr. Simons dagegen Verwahrung ein, daß Herr Lloyd George die Absichten der deutschen Regierung unrichtig beurteilte, und betonte, daß für die von den Alliierten angedrohten Zwangsmaßnahmen nach Ansicht der deutschen Regierung keinerlei Anlaß vorliege Attimatrmr der Alliierten an Deutschland.
London, 3. März. Havas-Akeldung. Die amtliche Erklärung, welche die Alliierten heute bekanvtgeben, hat folgenden Wortlaut: Zm Verfolg mehrerer Zusammenkünfte — 3 Sitzungen der Konferenz —, die in den letzten 24 Stunden nach Ueber. reichung der deutschen Noten stattsanden, ist eine vollkommene Verständigung unter den Alliierten zustandegekommen. In der Antwort auf die deutschen Gegenvorschläge in der Sitzung der Konferenz, die augenblicklich im St. James-Palast stattfindet, legte Lloyd George Dr. Simons klar, daß die Gegenvorschläge der deutschen Regierung keine nähere Prüfung verdienen und daß die vom Deutschen Reich in der Reparationsfrage eingenommene Haltung eine neue Außerachtlassung der von Deutschland den Alliierten gegenüber eingegangenen Verpflichtungen darstelle. Er erinnerte an die Verstöße gegen die Vertrage in Betreff der Kohlenlieferungen, der Entwaffnungs- dedingungen, der Zahlung von 2l> Milliarden Goldmark und der Bestrafung der Kriegsverbrecher. Er bemerkte ferner, daß
Deutschland dadurch, daß es sich weigere, die ihm von den Alliierten in der Rcparalionssrage zugestandcnen Er' ' i- gen anzunehmen, durch diese Tatsache selbst gleickzeitig aus die verschiedenen Vorteile verzichtet, die ihm auf der letzten Konferenz zugebilligt wurden. Unter diesen Umständen gab Lloyd George Dr. Simons zu verstehen, daß, wenn die Deutschen bis zum Ablauf einer Frist, die bis Montag läuft ni^t die Grundlage des Pariser Abkommens über Reparationen angenommen Hab«, die Alliierten beschlossen haben. Deutschland gegenüber sofort folgende Zwangsmaßnahmen in Anwendung zu bringen: Besetzung von Duisburg-Ruhrort und Düsseldorf, Erhebung von Abgaben auf den Verkaufspreis der deutschen Waren in den alliierten Ländern, Errichtung einer Zollgrenze am Rhein. Der deutschen Abordnung wird außerdem klipp und klar erklärt, daß etwa möglich-e Abänderungen der in Paris getroffenen Bestimmungen nur die Art und Weise der Bezahlungen betreffen würden, etwa in der Art, dcr Herabsetzung der vorgesehenen Jahreszahlungen von 42 aus 30.
Die deutsche Presse zum Ultimatum.
Berlin, 4. März. Die Antwort auf das von Lloyr, George den deutschen Delegierten gestellte Ultimatum kann, wie die „Kreuzzeitung" sagt, nur ein festes Nein sein. Wenn uns dieser Schritt auch neues Elend bringe, so könne er uns doch einmal zum Aufstieg führen.
Der „Berliner Lokalanzeiger" schreibt: Zwischen den An- sckauungcn der Alliierten und den unseren gibt es keine Brücke. Wenn Lloyd George das wirklich glaubt, was er ausgesprochen hat, dann wohnen die Deutschen und die Böller der Entente aus verschiedenen Planeten. Zahlungen in Höhe jener Summ« zu übernehmen, die die Alliierten in Paris zusammengerechnet haben, können wir nicht. Deutschland hat dies seil Bekanntwerden der Pariser Beschlüsse immer wieder gesagt. Es kann auch jetzt nicht anders sagen, man mag gegen das Völkerrecht und selbst gegen den Rechtsstand, den der Versailler Frieden geschossen hat, Etrafmaßnahmen in Anwendung bringen, dem deutschen Volk ist nur eine Möglichkeit gegeben: fest zu bleiben.
Die „Germania" sagt: Wenn es überhaupt noch «inen Weg gibt, die für uns untragbaren Pariser Beschlüsse in eine Form zu gießen, die wir mit Aufbietung unserer ganzen Leistungsfähigkeit meistern zu können glauben dürfen, dann werden wir ihn gewiß betreten. Der gestrige Donnerstag hat unseren Rest von Glauben an die Gerechtigkeit der Welt stark erschüttert und es gehört gewiß der ganze Optimismus dazu, mit dem allein wir den Wiederaufbau unseres Vaterlands in Angriff nehmen konnten, nach dem letzten schwachen Strohhalm noch zu greisen, den dieses harte Zwangsgebot von Ultimatum uns zu lassen scheint. Die Welt soll aber nicht sageg, wir hätten den Bruch herbeigeführt, oder auch nur auf uns genommen, ohne ven letzten Schatten von Hoffnung und Möglichkeit zu erschöpfen.
Das „Berliner Tageblatt" fragt: Was soll es bedeuten, wenn man von den neuen Vorschlägen, die man bis Montag erwartet, eine gleichwertige Ausführung der aus dem Jriedens- vertrag Deutschland obliegenden Verpflichtungen verlangt? Wenn das heißen soll, daß man nur Vorschläge zulassen wolle, die einen gleich-en Wert wie die Pariser Beschlüsse, also 228 Milliarden Eoldmark, darstellen, so braucht man nicht bis Montag zu warten, denn eine solche unredliche, wucherische Forderung ist vom ganzen deutschen Volk abgelehnt worden, und wird weiter von ihm abgelehnt Eine geringere Summe kann manchmal mehr Wert haben als eine höhere, wenn nämlich die höhere nur auf dem Papier oder in den Wolken steht und die geringere sicher und wenigstens teilweise sogleich in die Hand« des Gläubigers gelangen kann. Sollten die Alliierten bereit sein, diesen realen Wen einem das Auge blendenden Scheinwert vorzuziehen, dann würde — aber auch nur dann — eine Einigung noch möglich sein.
Der „Vorwärts" erinnert an die Erklärung von Hermann Müller-Franken, die dieser am 27. Februar im Namen der so- zialdemokratischcn Ncichstagssraktion abgegeben hat und in der es heißt: Eine deutsche Negierung. Sie bereit wäre, die Pariser Vorschläge für aussührkar zu erklären, wird sich nicht finden. Cie würde das Vertrauen weder des Inlands noch des Auslands verdienen, denn sie würde sich einer Unwahrheit schuldig machen. Die Feststellung Lloyd Georges, daß Deutschland tm