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Nr. 39
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw
96. Jahrgang.
Erscheinungr-veile: 6m"lmöchentlich. Att-eig.'irpreiü: DiekLeinspaltigeZeileOOPsg. ««^4 BezuaSp reis. In der Stadt mir TrLqerlohn Mk. 12.V0 vierteljährlich Postde,ugspr«iü
Reklamen 2.—Mk.— Aus dem retunzeisien kvmmr ein Zuschlag von — ^ernsvr. V. 1" ^Lvruvr LoLI. Mk. 12.9^ mit Bestellgeld. — Echlug der Anzeigenannahme S Ubr vormittags.
Das Bochlel zur Lmdonw Koniereaz.
Kon,erenz des Sachverständigen-Ausschusses.
Berlin, 16. Febr. Am Freitag werden die Beratungen des engeren SachoerständfgenaiiSschusscs zur Formulierung der deutschen Fnedensvorschläge in London fortgesetzt werden. In der Zwischenzeit haben die verschiedenen Sachverständigen die Unterlagen geprüft, w-' be einen vorläufigen Ueberblick über die deutsche Produk- tionSbilanz ermöglichen sollen. Es handelt sich dabei um die Zusammenfassung der statistischen Daten über die Leistungsfähigkeit der rinzclnen Industriezweige, natürlich auch der landwirtschastlichen Produktion. Tie Erhebungen stießen zum Teil auf nicht geringe Cchwierigkeiten, da das Material vielfach erst beschafft werden muß. Minister SimonS wird Ende dieser Woche wieder in Berlin Untres» sw, dann hofft man in der Sachverständigenkommission schon fest umrissenc Projekte besprechen zu können. Die Bekanntgabe des dkutschcn Programms wird kaum vor Ende des Monats erfolgen.
Wiederaufbau Nordfrarikrelchs.
Berlin, 16. Febr. Tie „Deutsche Mgeme.ne Zeitung" nennt heute die Vorschläge Ser französischen Zeitung „L'Oeuvre", die das Hauptgewicht auf den Wiederaufbau Rordsrankrrichs gelegt hat. die .einzig praktische der Wiedcrherstellungsfrage". In einer Zuschrift «on zuständiger Stelle wird dabei ausgesührt, daß man von deutscher Seite von Anfang an bereit gewesen sei und seit dem Oktober 1S!9 nicht aufgehört habe, der französischen Negierung, insbesondere den, damaligen Wiedcraufbauministcr Loucheur. Vorschläge in dieser Richtung zu unterbreiten. Auch in Spa und zuletzt in Brüssel sind die deutschen Vertreter auf diese Projekte zurückgekommen, leider bisher vergeblich. (Warum man diesen unseren Vorschlägen zur Herbci- zichung von deutschen Arbeitskräften französischerseits immer entgegentrat, ist sehr leicht zu erraten; sie fürchten, das Land werde baischewisiert und von Agenten diese Zeit ousgenützt, um die Brandfackel auch nach Frankreich zu übertragen. Trau, schau, wem ... denkt eben der Frainmaun. D. Schritt!.)
Zur auswärtigen Lage.
Waffenschmuggeleien.
Berlin, 16. Febr. Durch die Ententekommission in Königsberg war ein Verzeichnis der in Ostpreußen befindlichen Massen aufgestellt worden, deren Uebergabe im Westen zu erfolgen hatte. In den letzten Wochen ist ein derartiger Transport von den Polen in Dirschau angehalten und beschlagnahmt worden. Die Reichstreuhandgesellschaft, die für die vollständige Ablieferung des ehemaligen Beuteguts zu sorgen hat und haftbar ist, teilte dies der Interalliierte» Kommission in Königsberg mit. Die Wagen waren mit einem Ententeoermerk versehen. In sämtlichen Lkagen befanden sich französische Feldgeschütze und Protzen, die nach Bischossheim in Hessen gebracht werden sollten. Der französische Verbindungsoffizier in Königsberg hat wiederholt mit der Warschauer Regierung vorhandelt, um dis Rückgabe der Geschütze durchzusetzen. Bisher 'erfolgte, wie der .vorwärts" erfährt, die Rücksendung an die Reichstreuhandgesellschaft nicht und die Interalliierte Kommission machte auch keine Mitteilung darüber, daß die Polen die Geschütze zur Ver- siigung gestellt hätten.
Die Polen streuen Zucker aus.
Berlin. 16. Febr. Nach einer Warschauer Meldung soll die polnische Regierung an die französische Regierung mit dem Ersuchen herangetreten sein, von der Liquidation des in Frank- reich befindlichen Eigentums der aus Oberschlesien stammenden deutschen Staatsangehörigen bis zum Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses Abstand zu nehmen. In der polnischen Meldung wird behauptet, daß die französische Regierung sich bereit erklärt habe, dieser Anregung Folge zu leisten. — Dazu bemerkt die „Deutsche Allg. Zeitung": Es handelt sich hier um eine der zahlreichen Nachrichten, die von den Polen verbreitet Verden, um leichtgläubige Oberschiesier zur Stimmabgabe für Polen zu verleiten. In unterrichteten Kreisen ist von einer Hinausschiebung der Liquidierung des oberjchlesischen Eigen- kums durch die französische Negierung nichts bekannt. Aber such wenn sich diese Nachricht bestätigen würde, so wäre das ohne Belang, da es nur wenige Oberschlesier in Frankreich gibt, ^ denen die Liquidierung des Vermögens überhaupt in Frage ' könnte und weil in diesem Fall das Reich die Ver- >g übernimmt, die von der Liquidation Betroffenen voll i» entsch ädigen.
Ausland.
S e lügen aus Prinzip.
Der „Matin" bringt ein längeres Zitat aus einem angebü' :n Artikel von Walter Nathenau aus dem Jahre 1916: Die ersten Sätze
des angeblichen Zitats lauten: »Wir haben den Krieg ein Jahr zu früh angesaugen. Sobald wir einen deutschen Frredc» errungen haben werden, wird man sofort mit der Wiederorganisation Deutsch lands auf breiterer und soliderer Basis als je zuvor für den nächsten Krieg beginnen müssen." — Das Zitat ist eine Fälschung. Walter Rathenau schreibt im „Berliner Tageblatt": »Ich habe im ganzen Jahr 1916 überhaupt keinen Artikel im »Berliner Lokalanzeiger" veröffentlicht und mich niemals im Sinne der angeführten törichten Redeweise geäußert".
Vorträge PoirrearLs über die Kriegsursachen.
Paris, 16. Febr. Der ehemalige Präsident der Republik, Pom- carcs, hat heute den zweiten der von ihm angekündigtcn sechs Vorträge über die Kriegsursachen gehalten. Er setzte vor allen Dingen die Geschichte der französisch-russischen Allianz und die Geschichte der srmizösisch englischen Entente auseinander, deren friedlichen Charakter er dem nach seiner Ansicht kriegerischen Charakter des Dreibunds gegenüberstellte, namentlich was den Geist der beiden Hauptkonira- henten. Deutschland und Oesterreich, betreffe.
Poineartzs Aufstieg.
Paris, 16. Febr. Der Senatöaus>..,uß auswärtige Ange^ legenhciten hat gestern nachmittag an Stelle des Senators de Selves den ehemaligen Präsidenten der Republik, Poincare zu seinem Vorsitzenden gewählt. Poincare erhielt 19 Stimmen, de Selves 13 Stimmen. Zu Vize Präses ersten wurden gewählt'de Selves und Doumorgue.
„Hcure Norm eile" bezeichnet die Wahl PoincareS als eine bedauernswert« Wahl und fragt, ob die Kommission denn nicht ihre Rechte hätte wahren können, ohne den gefährlichsten Mann des Parlaments an die Spitze zu stellen. Ob man es wolle oder nicht, Poincare sei gegenwärtig die Hoffnung Mer Reaktionäre und aller Chan vinisten und zwar in dem Maße, daß sogar die Sozialisten nötigenfalls entschlossen seien, gegen ihn den Block der Linken aufzurichtcn. Selbst der »Jntransigeant" habe die Gefahr, die PoincareS Wahl für Frankreich bedeute, für so groß gehalten, daß er gestern abend einen Alarmruf auSgestoßen habe.
Die Oedensflnt in Belgien.
Der Brüsseler „Standard" verichtct, daß zeit oem Waffenstillstand bis zum 1. Januar 1921 in Belgien 1456 054 Orden verliehen worden seien. Die Kfften für die Orden, belaufen sich auf 3557 726 Franken.
Lord Curzon tritt für Frankreich ein.
Laudon, 16. Febr. Lord Curzon bezeichnete in einer Rede im Oberhaus den Wahlsieg des Generals Smuts in Südafrika «ls einen Sieg nicht nur für die Union, sondern auch für das Reich als Ganzes. Ueber die Pariser Konferenz führte Curzon ans, die Hauptaufgabe sei unzweifelhaft die Durchführung der Bedingungen des Versailler FnedenSvertroges. Dieser Vertrag sei unterzeichnet und ratifiziert worden. In vielen wichtigen Punkten seien jedoch seine Bedingungen bisher nicht durchgeführt worden. Das wahre Bollwerk des europäischen Friedens und damit des Weltfriedens sei das dauernde Zusammenwirken der Großmächte und insbesondere Großbritanniens und Frankreichs. Dieses Zusammenwirken sei aus der letzten Konferenz in Paris warm betont worden.
Sinnfeinrr brbrshen emru Prrsorrrnzug.
Lonoon, 16. Febr. Nach einer Rentermeldung aus Cork hat heute früh eine starke Abteilung Sinnselner aus dem Bahnhof von Innishamon (Grafschaft Cork) einen Personenzug. indem sich 46 Soldaten befanden, angegriffen. Die Soldaten erwiderten das Feuer. Drei Soldaten wurden schwer, drei leicht verwundet. Die Angreiser verloren zwei Tote. Sechs Personen, darunter eine Frau, wurden ebenfalls getötet, und mehrere Personen verletzt, darunter zwei Frauen schwer. Ein Hilfszug ist mit den Toten und Verwundeten heute nachmittag in Cork angekommen.
Befreiung eines zum Tode verurteilten
Sinn«Feiners.
London, 16. Febr. Nach einer Meldung aus Dublin haben die Sinn-Feiner gestern abend den zum Tode verurteilten Sinn- Feiner Terling, der einen Offizier erschossen hatte, aus dem Gefängnis befreit. Die Befreiung erfolgte in der Weise, daß eine Kompagnie Soldaten mit ausgepflanzten Bajonett unter Führung eines Offiziers die Auslieferung des Gefangenen verlangte, um ihn in ein anderes Gefängnis Lberzuführen, und zwar auf Grund von gefälschten Papieren. Wie sich später zeigte, handelte es sich dabei um verkleidete Sinn-Feiner, die auf diese Weise ihre Genossen befreien.
Englisch'tschechosischer Handelsvertrag.
Paris, 16. Febr. Zu der Neffe des tschechislowakffchen Ministers des Aeußeren, Dr. Benesch, nach Frankreich sagt Pertinax im „Echo de Paris", Benesch, der gewünscht habe, daß die tsche
choslowakische Organisation eine Umgestaltung und Erweiterung erfahre, die den besonderen Bedürfnissen Polens und Ru- mäiens hätten entsprechen können, habe damit Glück gehabt. Die Bitterkeit, die man in Warschau über die Regelung der Tschechener Frage und die von der Tschechoslowakei zur Zeit der bolschewistischen Gefahr geübte Neutralität empfunden habe, hat Polen zu Sonderabkommen mit Rumänien geführt. Man habe somit ein rumänisch-polnisches Bündnis gegen Moskau und ein solches zwischen der Tschechoslowakei und Jugolawen gegen ein etwaiges Wiedererstehen der Doppelmonarchie. — Einem Vertreter des „Journal" gegenüber erklärte Dr. Benesch, er sei nach Rom und Paris gekommen, um sich mit den Alliierten über die Möglichkeiten zu verständigen, Oesterreich zu Hilfe zu kommen. Dies werde auch der Zweck der Reise nach London fein, wo er außerdem einen englisch-tfchechosischen Handelsvertrag abzuschließen gedenke.
Die militärische Lage Rußlands.
Nach dem Warschauer „Journal de Potogne' .>at Trotz» bei einer Sowjetkonfcrenz in Moskau sich ausführlich über die militärische Lage Rußlands geäußert und dabei u. a. folgendes ausgefiihrt:
Unsere Armee ist während der letzten 6 Monate bedenkend gewachsen. Wir besitzen mehrere Munitionsfabriken, welche mit großer Anstrengung arbeiten. Gleichzeitig machen wir im Auslände große Einkäufe von Kriegsmaterial, denn man muß M Betracht ziehen, daß unsere Verhandlungen mit unserem letzten Gegner Polen abgebrochen werden können und daß der kommende Frühling reich an unvorhergesehenen Zwisibensöllen werden kann. 8i vis pacem psra bellum. Um offen zu reden, wir sind in diesem Augenblick in einer Zwischensiellung. Wir haben Rußland alles weggenommen, was im Laufe der Iahr- hupderte die Grundlage seines Bestehens bildete und wir haben ihm keine neue Grundlage gegeben. Diese Grundlage können wir ihm nicht geben, solange es von Staaten umgeben ist, die unter dem kapitalistischen System leben. Entweder wird es bei uns wie überall werden oder es wird überall wie bei uns werden. Nicht der Friede wird diese letzte Hypothese verwirklichen lassen. Deshalb brauchen wir eine große und starb Armee.
Diese Rede ist in der Tat sehr offen. Sie enthält das Ei geständnis, daß der Sowjetstaat im Frieden seine Ziele nicht durchsetzen und folglich auch gar nicht bestehen kann. Der Hinweis auf die Möglichkeit neuer polnisch-russischer Verni ckelungen klingt bedrohlich. Von anderen mit den Verhältnissen Rußlands einigermaßen vertrauten Stellen wird dagegen ein Krieg gegen Rumänien als das Wahrscheinliche bezeichnet und die Vermutung ausgesprochen, daß das Militärbündnis, das allen Ableugnungen zum Trotz offenbar in Paris abgeschlossen worden ist, diesen Fall bereits vorsieht und ein militärisches Zusammengehen Rumäniens und Polens unter sranzösischer Leitung garantieren soll. Das Wichtigste für die Beurteilung dieser interessanten Rede ist freilich die Frage, ob sie auch wirklich so gehalten worden ist, wie das „Journal de Pologne" sie mitteilt.
Russische Truppen an der polnischen Grenze.
Warschau, 17. Febr. In halbamtlichen Kreisen der polnischen Hauptstadt will die Behauptung nicht verstummen, daß an der polnischen Grenze 42 Divisionen erstklassiger bolschewistischer Truppen mobilisiert sind.
Abrüstungs-Feldzug.
London, 16. Febr. Aus Washington wird berichtet, daß Senator Borah seinen Feldzug für die Entwaffnung sortsetze. Jetzt beantragt er die Einberufung einer Konferenz zwischen England. Japan und Amerika zum Zwecke eines Abkommens über eine wesentliche Verringerung der Schifssbauten in den nächsten fünf Jahren.
Wie man in Amerika die deutschen Zustände
ansieht.
In der in Chicago erscheinenden Sonntagpost findet sich ein Aufsatz von Dr. I. Kunst »Das ländliche Deutschland", von dem einige Ausführungen allgemeines Interesse finden dürfen. Es wird Bezug genommen auf einen Ort in Hannover mit 3- 4060 Einwohnern, über den der Verfasser seine Wahrnehmungen m>tteilt. Die Leute, sagt er, waren durchschnittlich nicht schlechter gekleidet als vor dem Krieg, sondern entschieden besser. Das ganze Auftreten ist heute viel franker und freier. Der verwildernde Einfluß dcS Kriegs ist leider Tatsache, äußert sich aber keineswegs als Verschlechterung der Umgangsformen. Irgend eine Festlichkeit findet durchschnittlich etwa jeden 2. Sonntag statt, natürlich ist auch an Bällen kein Mangel und das Kino fehlt höchstens in den aller kleinsten Kirchdörfern. Ueber die Ernährungsverhältnisse wird gesagt: der Bauer hat trotz