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Nr. 304.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
k6. Oahrkong.
Z«r Wem Lage.
Borschlüge oder Angebote.
In Brüste! hat Deutschland eine Denkschrift über sein« Wirtschaftslage vorgelegt und durch den Reichsbankpräfldenten Haven- stein erläutern lasten. In Paris hat'man daraufhin Unzufriedenheit geäußert. Man Hab« Vorschläge erwartet; sie seien auSgeblie- ben. Auch von deutscher Seite ist dieser Vorwurf gegen die Rcichs- regterung gelegentlich wiederholt worden. Wenn Deutschland keine Vorschläge mache, meinten die fremden und heimischen Tadler, zwinge man die Verbandsmächte geradezu, einfach eine Summe zu bestimmen und sich selbst die .Bürgschaften' zu verschaffen. Sollte man auf Deutschlands begrenzte Leistungsfähigkeit Rücksicht nehmen, so müsse Deutschland selbst angeben, wie viel und wie cs das leisten könne; und wenn seine Finanzen zerrüttet seien, so müsse eL eben den Weg finden und zeigen, auf dem seine Arbeitslast unmittelbar, ohne unerträgliche Belastung des Staates, nutzbar gemacht werden könne. Nicht Geldzahlung sei das wesentliche dessen, was man draußen erwarte, sondern Teilnahme an dem gemeinsamen Aufbau, besonders der zerstörten Provinzen Nordfrankretchs. — Ist es wirklich so?
Geht man den Aeußerungen, namentlich Frankreichs, auf de» Grund, so findet man, daß sie von Vorschlägen sprechen und ein Angebot meinen. Welches ist denn vom französischen Standpunkt Msehen, die Lage? Seine zerstörten Gebiete hat Frankreich schon heute zu mindestens Dreiviertel aufgebaut. Es braucht, um diese Arbeit zu vollenden, weder Rat noch Hilfe von Deutschland. Was Is will, ist Ersetzung der Kosten. Und sollten sich die französischen
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Berlin, 28. Dez. Die Botschasterronjerenz hat durch eine Note vom 17. November der deutschen Regieung mitgeteilt, daß nach ihrer Auffassung die Entscheidung der interalliierten militärischen Kontrollkommission in der Frage der Ausstattung der deutschen Festungen mit Artillerie dem Buchstaben wie dem Geiste der Artikel 162 bis 180 des Vertrags von Versailles ent- -Z spreche, und daß sie diese Entscheidung nur bestätigen könne. M Die Retchsregierung hat nun an die Votschafterkonferenz eine Note richten lassen, worin sie mitteilt, daß sie nicht anzuerkennen vermöge, daß die Entscheidung mit den Bestimmungen des Friedensvertrages in Einklang steht. Zn der Begründung dieses Standpunktes hebt die Note hervor:
Nach dem Vertrag soll Deutschland das System der Befestigungswerke an seine Süd- u. Ostgrenze in dem Zustand vom 10. Zanuar 1920 und mit den Geschützen, die an diesem Tage die Bestückung bildeten, behalten dürfen. Nach der Entscheidung der Kontrollkommission seien aber von den 14 Festungen an der Süd- und Ostgrenze Deutschlands 11 ihrer Geschütze beraubt und damit tatsächlich aus der Reihe der Festungen gestrichen.
Von den übrigen drei festen Plätzen werde nur für Swinemünde die beantragte Zahl von Geschützen zugelassen. Für Pillau werden statt 75 nur 35 Kanonen bewilligt und Königsberg soll nur etwa 20 schwere Geschütze behalten. Die Entscheidung der Kontrollkommission verstößt auch gegen den Geist des Vertrags, denn von dem System der Befestigungswerke, das Deutschland noch zu seinem Schutze gegen einen bewaffneten Einsall behalten sollte, bleibt darnach an der Südgenze nichts, an der Ostgreiize nur «in gänzlich unzureichender Rest übrig.
Trotz eindringlicher Vorstellung hat sich die Votschafterkonferenz der Entscheidung der Kontrollkommission angeschlossen und die Kommission hat die Auslieferung der hiernach für überzählig geltenden Geschütze verlangt. Der deutschen Regierung steht kein Weg mehr zu Gebote, ihr Recht zur Geltung zu bringen.
Sie muß sich der Entscheidung der Alliierten beugen, legt aber gegen die Verletzung des Vertrages nachdrücklich Verwahrung ein.
Die Note weist dann auf die seit dem Beschluß der Botschafterkonferenz wesentlich veränderte Lage an der deutschen Ostgrenze hin und führt aus: Wenn die dort liegenden festen Plätze sämtlich aller Verteidigungsmittel beraubt würden, so fehle die letzte Möglichkeit, einem eindringenden Gegner Widerstand zu leisten. Die deutsche Regierung bittet daher die alliierten Gegner, nicht darauf zu bestehen, daß Königsberg und Küstrin, sowie die Feste Doyen, die als vorgeschobene Posten dem ersten Ansturm des Gegners Stand zu halten haben würden, sofort entwaffnet werden. Sie bittet, ihr dafür bis zur Klärung der Verhältnisse im Osten Aufschub zu gewähren. Die Note teilt zum Schluß mit, daß die Befehle zur Ablieferung und Zerstörung aller übrigen Geschütze, soweit sie von der Kontrollkommission nicht genehmigt sind, am 16. und 20. Dezember ergangen find.
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Mittwoch, den 29. Dezember 1S2V.
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aus wirtschaftlichem und politischem gebiete haben im letzten ^atzre eine Verschärfung erfahren, die jecler Deuffckempft'ndende auf; liesste bedauern muß. Und da; umsomehr, als draußen vor den grenren unserer Vaterländer die Icinde nur aul den Augenblick warten, wo sie dem ausgehungerten, surge- raubten und suk; schwerste mißhandelten deutschen Volke den gnadenstoß seiner gesamtstaatlichen Dasein; geben können. Angesicht; dieser dauernd drohenden gekshr ist er oberste Pflicht jede; Organ; der Ocstentlichkeit, in unserem Volke das nationale kmpfinden ru Heden, aber auch da; nationale gewissen, d. h. da; Pflichtgefühl gegen da; Vaterland, ru schärten, gegenüber der öeobschtung diese; obersten geböte; müssen alle einseitigen Interessen politischer und wirtschaftlicher Art soweit als möglich in den Hintergrund gedrängt werden.
Wenn da; „kaltvrr Lsgvlatl" bei Verfolgung diese; Ziele; auch hier und dort auf Schwierigkeiten stößt, die au; der verschiedenartigen Zusammensetzung seine; Leserkreise; erklärlich sind, so weiß e; sich doch mit der großen Mehrrahl seiner Leser ein;, wenn er seine bisher streng durchgeführte «tUlrale Haltung auf innerpolitischem gebiete deidedslt. und die politischen AurLisLiulttlebungen den Partei-Zeitungen überläßt, lm lnteresse der öeftiedigung de; gesamten Leserkreise; ist die Schriftleitung aber stet; bemüht gewesen den Dsch- rtchtendiensl de; Matter so ru gestalten, daß alle billigen Ansprüche befriedigt werden konnten, veber die wichtigsten Lagerftsgen unterrichten jeweils klare und gediegene Leitautsätze, in der Sonnisgr-Deilsge, die öeittäge von nur guten Schriftstellern bietet, glauben wir, auch dem anspruchsvolleren literarischen geschmack Rechnung tragen ru können, ebenso wie durch die einander rwanglo; folgenden Lrrählungen und Aomsne im haupldlatt. ln Zukunft soll der unterhaltende Lei! such noch durch besondere Lei- träge erster schwäbischer Schriftsteller und Dichter über unsere engere und weiter« Heimat bereichert «erden. Dem lokalen Lei! wird wie bisher sorg- tältigste Aufmerksamkeit gewidmet werden, und wir werden unsere Lemühungen, in den öerirk;- orten Mitarbeiter ru gewinnen, denen wie uns die OerNändigung rwilcfteu Ziaai und h»«d am Herren liegt, nicht aufgeben. :: :: :: :: r: ::
So wird auch im «eue« Jahre die Haltung unsere; Matte; von dem Lestreben geleitet sein, den nationalen gedanken ru pflegen, und in steter Verfolgung diese; Ziele; werden wir alle krlolg versprnchenden versuche fördern, die eine KMdekUUg Ser Klasse«- u«a Mr»lcftattr- 6 ege«sätre herbei- rukübren geeignet sind. In diesem Zinne bitten wir auch kernerhin um die wohlwollende Unterstützung unserer öestredungen durch alle Levölkerungskreise in Stadt und öerirk. :: :: :: :: :: :: ::
Verlag unä Schllttleitung
ilez „Laiwer ragvlatt"
Sachverständigen wirklich nicht Zutrauen, hinsichtlich der Zahlungsart ihrerseits Vorschläge zu machen? Sie tun es nicht, weil sie wissen, was wir uns ebenfalls sagen sollten: daß es im Ergebnis gar kein beträchtlicher Unterschied ist, ob man die Gesamtheit dessen, was Deutschland hergebrn soll, in Sachleistungen oder Geldleistungen ausdrückt. Auf den Betrag kommt es an. Verpflichtet sich der Staat auf eine Geldschuld, so kann er sie unter allen Umständen nur in Gestalt von Waren entrichten; verpflichtet er sich auf die Leistungen von Waren, so muß er diese Waren seinen Staatsangehörigen bezahlen. Die Summe der Abgabe bleibt dieselbe. Frankreich will, aus begreiflichem Grunde, daß Deutschland eine solche Summe nenne, gleichviel ob sie in Milliarden oder in Leistungsangeboten auSgcdrückt ist. Denn damit hätte Deutschland mindestens ein ge-
«e,u«»vr»t»: In der stad« mt« Lriigerl-yn Mk. tr.go vi«teI1I>hrNch. B»s«d»t»,«vrei»
Mk. ILgo mit »«ftellgeld. — Schluß der «n,eifttnan„avm, » Udr »aklliitlag«.
Misses Maß seiner Zahlungsfähigkeit zugegeben. Ein solches Angebot herauszuholen, ist der Sinn d«S Verlangens nach »Vorschlägen'.
Die nächste Sitzung des Dölkerbundsrats.
Genf, 26. Dez. (Priv.-Tel.) Wie auL Paris gemeldet wird, hat der Rat des Völkerbundes den Vertreter Brasiliens da Cunha mit der Einberufung und Leitung der nächsten Sitzung deL Völkcrbund- ratcs beauftragt, die bekanntlich Anfang Februar in Genf statt- findcn soll, um über die Ausfühmng der Beschlüsse der Genfer Versammlung zu beraten. (Frf. Z.)
Wirtschaftskrise in Belgien.
Aus Brüssel kommen alarmierende Nachrichten über das fast plötzliche Einsetzen einer ökonomischen Krise in Belgien, die trotz aller Rcgierungsmaßnahmen mit jedem Tag größere Fortschritte macht. Die Krise breitet sich hauptsächlich in den industriellen Bezirken von Gent, Verniers, Antwerpen und im Hennegau aus. In Gent sind dereits 10000 Weber ohne Arbeit. Mehrere Stahlwerke find daran, ihren Betrieb auf einen Monat stillzulegen. In Louillert wurden bereits zwei Hochöfen ausgeblasen.
Abbruch der russisch-polnischen Verhandlungen.
Paris, 28. Dez. Nach einer Meldung des „Exchange Telegraph" sind die Verhandlungen zwischen der russischen und der polnischen Delegation abgebrochen worden. Joffe habe erklärt, daß die internationale Lage Rußlands jetzt so günstig sei, daß die Klauseln des mit Polen abgeschlossenen Vertrags nicht mehr den Charakter der Notwendigkeit hätten und daß Rußland gezwungen sei, die polnischen Kriegsgefangenen nicht in ihre Heimat zuriickkehren zu lassen. Sie würden jetzt in Rußland beschäftigt werden.
Die Vorgänge in Fiume.
Rom, W. Dez. Wie die Agencia Stefani mitteilt, entbehren alle Gerüchte über nichtordnungsmäßigcs Verhalten der Regierungstruppen vor Fiume jeder Grundlage. Die Truppen machen von den Waffen nur im Falle der äußersten Rot Gebrauch. Die Aeußerun- gen der Verwundeten gehen einstimmig dahin, daß die Regierungstruppen die ihnen erteilten Befehle, Beschädigungen von Eigentum und Personen soweit nur möglich zn vermeiden, aufs genaueste befolgen. AuS der Lust gegriffen sind auch die von Fiume aus verbreiteten Gerüchte, daß Abteilungen der Regierungstruppen gemeutert hätten. Die Manneszucht der Regierungstruppen ist ausgezeichnet.
Rom, 28. Dez. (Agencia Stefani.) Heute Vormittag sind der Leiter der nationalen Verteidigung von Fiume, Venturi, und der Bürgermeister von Fiume in Abazzia mit dem General Ferraris zusammengetroffen. Da die beiden Delegierten der Regentschaft die Verhandlungen eröffnen wollten, ohne sich über ihre Stellung zum Vertrage von Rapallo zu erklären, brachte General Ferrario in unzweifelhafter Weise zum Ausdruck, daß vollständige und rückhaltlose Anerkennung des Vertrages die unerläßliche Vorbedingung jeglicher Unterhandlung sei. Die Delegierten waren anscheinend von der Erheblichkeit dieser Frage überzeugt und erbaten die Anberauniung eines neuen Zusammentreffens für den Nachmittag, um die Möglichkeit zu Beratungen in Fiume zu haben. Die von den Delegierten erbeten« Unterbrechung wurde bewilligt
Rom, 27. Dez. Nach einer .Stefani'-Meldung haben die Truppen vor Fiume bisher etwa SO Tote und 100 Verwundete gehabt. Die Legionäre haben 4 Brücken auf der Seite von Recina gesprengt. In der Stadttatsitzung gab der Bürgermeister der besorgten Stimmung der Bevölkerung infolge der Ereignisse bei Fiume Ausdruck und schlug vor, die Sitzung zum Zeichen der Trauer auf- zuhebcn nd auf dem Kapitol eine Trauerfahne zu hissen. Sein Ankag wurde unter lauten Kundgebungen aus der Versammlung und von der Tribüne angenommen.
Triest, 27. Dez. Der Bürgermeister von Fiume hat den Befehlshaber der Division von Adbazia um eine Zusammenkunft ersucht, welche auf den 26. vormittags festgesetzt worden ist. Hier find an Leichtverwundeten 5 Offiziere und 78 Soldaten, darunter ein Offizier und ein Soldat aus Fiume, angekommen.
Rom, 28. Dez. Die Zeitungen erfahren, daß Ministerpräsident Giolitti Vertreter verschiedener Kammergruppen empfangen habe, welche Auskünfte über die Ereignisse von Fiume erbeten hätten und daß Giolitti die übertriebenen Gerüchte von Toten und Verwundeten Lügen gestraft habe mit dem Hinzufügen, es sei der Befehl erteilt worden, Blutvergießen möglichst zu vermeiden. Er bestritt auch, daß Artillerie auf Privathäuscr geschossen habe und legte dar, man müsse das Vorgehen gegen Fiume beschleunigen, um einem Einschreiten vom Ausland her zuvorzukommen. Die Abgeordneten erklärten nach dieser Unterredung, sie hielte» das Verfahren der Regierung für gerechtfertigt.
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