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Nr. 299.

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Amis- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

95. Jahrgang.

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Mittwoch, den 22. Dezember 1S2Ü.

Vezugrvrel«: der rtadl mit Lragt-rlohu Mk. 12.90 vterlrijähriich. Posrt»,zng-pr«iS

Mk. 12.90 mit vestrvgetd. Lchtnst der Anzeiaeuanuaume S Uhr vorminag».

Das Ergebnis

der Dölkerbundsversammlurrg.

Die Völkerbundsversammlung hat nun den Vorhang über ihre Theatervorsührungen in Genf heruntcrgelassen, und mit einer moralischen Gebärde gegenüber dem Weltauditorium haben die Hauptspieler den Schauplatz ihrer Tätigkeit verlassen. Was diese Tätigkeit anbelangt, so bestand sie lediglich darin, die Organisation des Völkerbunds in der ganzen Welt zu Ansehen und Anerkennung zu bringen, und ihre Autorität zu stärken. Und wenn wir näher Hin­sehen. so dürfen wir uns auch nicht verhehlen, daß der Zweck der Tagung, die moralische Macht der Entente zu erhöhen, ganz we­sentlich gefördert worden ist zum Schaden Deutschlands. Wir müssen nämlich beachten, daß die Völkerbundsgründung der Alliierten diesen eine große Anzahl neutraler Staaten zugeführt hat, die sämt­liche worauf wir schon anläßlich der Gründung hingewiesen har­ten mit der Zeit mehr und mehr Ins Schlepptau der Entente geraten werden, und heute schon sehr stark von der »rechtlichen" An- schauungSwelt der Alliierten beeinflußt sind. Abgesehen von den romanischen Ländern Südamerikas, in denen zur Zeit die gewal­tige Propaganda für die Entente und gegen Deutschland fortgeführt wird, berührt uns besonders schmerzlich das vollständige Abschwen­ken der germanischen Staaten von Deutschland ins angelsächsisch-ro­manische Lager. Daß wir aus den Rasse- und sprachlichen Be­ziehungen zu den germanischen Staaten bis heute trotz engster kul­tureller Verbindung, die namentlich von deutscher Seite aus ge­pflegt worden war. keine» politischen Nutzen zu ziehen vermochten, liegt zweifellos an der Unfähigkeit unserer früheren Diplomatie, völ­kerpsychologisch zu denken und danach zu handeln, und an der Ab­neigung weitester Kreise dieser Staaten gegen unser damaliges Sy­stem, in dessen Auswirkungen sie wenn auch mit Unrecht eine Gefahr für ihre Unabhängigkeit erblickten. Eine Unterrichtung de« Auslands über unsere politischen Verhältnisse hielt man aber nicht für notwendig, und so vermochte der Propagandaapparat der En­tente schon vor dem Krieg diese Länder wenigstens gefühlsmäßig gegen uns einzunehmen. Heute ist es so. daß das schwrdischc Nobel- preiskomit« den größten Feinden de« Germanentums, den Angel­sachsen nn» Romanen, die bekanntermaßen seit Jahrhunderten die ag­gressivsten Völker sind, und diese Eigenschaft heute wahrhaftig klar bewiesen haben, den Friedenspreis zuerkannt Hst, ein blutiger Hohn auf diese von hohen sittlichen Zielen getragene Einrichtung, aber auch eine unauslöschliche Schande für das gesamte Germanen­tum. Es handelt sich hier nämlich nicht um eine formale Ehren­sache. sondern um eine hochpolitische Kundgebung, deren Bedeutung zum Vorteil der Entente und ihrer Kreatur, des sog. Völkerbunds, nicht hoch genug anzuschlagen ist. Die widerliche Verherrlichung des Franzosen Bourgeois, und der gewaltige demonstrative Beifall, als dieser die Ehrung für die Verdienste Frankreichs um das .Recht und die Gerechtigkeit" in Anspruch nahm, kennzeichnen die Stim­mung und Absichten der Entente in dieser Richtung klar. Um den Charakter des Völkerbunds zu erkennen, muß man auch den Sitz der Tagung einer kritischen Betrachtung unterziehen. Genf war während des Krieges die ausgesprochene »neutrale" Basis für die psychologische Kriegführung der Franzosen, die Welschschweizer haben «nS Deutschen gegenüber die feindseligste Stellung eingenommen, und es ist daher begreiflich, daß die Entente den Wunsch hatte, den Sitz des Völkerbunds vom Haag, wo bekanntlich noch der »Frie- dens"-Palast seligen Angedenkens verlassen steht, wegzunehmen, weil die Holländer doch zu .neutral" waren und man in Genf offene Herzen empfing. Alle diese Tinge erscheinen dem Außenstehenden zur Beurteilung des Völkerbunds vielleicht nebensächlich, wer aber die wahren Ziele des Völkerbunds, oder vielmehr der dahinter stehen­den Alliierten erkannt hat, der weiß, daß gerade in diesen Aeutzer- Uchkeltcn die glänzende Rcgiekunst der Entente zum Ausdruck kommt, die darauf berechnet ist, unter dem Deckmantel der Schaffung »inter­nationaler" Rechtsverhältnisse ihre wirtschaftliche, politische und mili­tärische Herrschaftsstellung in der Welt garantiert zu erhalten. Die Ententestaatsmänner sind ausgezeichnete Psychologen; sic wissen wohl, wenn sine Einrichtung, und wenn sic noch so sehr aus Unrecht und Gewalt beruht, eine Zeit lang wirksam ist. sie schließlich recht­lichen Charakter annimmt, und daß diejenigen, die sie anfechtcn wollen, als Friedensstörer und Rechtsbrecher angesehen werden. Und darauf läuft doch schließlich der Völkerbund in seiner heutigen Gestalt hinaus: Er soll für die Entente die moralische Fuchtel sein, die sie gegen alle diejenigen schwingen will, die sich gegen ihr Raub-' Und AiisbeutungSshstem aufzulehnen wagen.

Weil der Völkerbund in erster Linie aber gegen Deutschland ge­richtet ist. dessen Wiederaufbau er für alle Zeiten verhindern soll, deshalb sollten wir keine Gelegenheit Vorbeigehen lassen, diese Or­ganisation zu bekämpfen und ihre Absichten Im Ausland gebührend

zu kennzeichnen, nicht aber, wie große deutsche Zeitungen, sie mehr oder weniger noch moralisch unterstützen. Die einzige positive Tal tzeS Völkerbunds war die Gründung des sog. internationalen Ge­richtshofs. der aber lediglich Streitfälle unter den Bundesmitgliedern zu regeln hat. Die Entscheidungen diese» Gerichts sollen für die Parteien jedoch nur bindend sein, wenn sie sich auf Fragen des Völ­kerrechts und eingegangener internationaler Verpflichtungen beziehen. Wenn also Streitfälle vorliegen, die das sog. nationale .Prestige" berühren, so steht es den Streitenden frei, den Spruch abzulehnen. und sich selbst zum Recht zu verhelfen durch den Krieg. Es ist immerhin interessant, sestzustellen, daß der .Völkerbund" der Entcnie letzten Ende» auch kein anderes »Rechts"-Mittel anerkennt, al» VaS »Recht des Stärkeren", und deshalb wird sa auch vbn den führenden Mitgliedsstaaten ein regelrechtes Wettrüsten veranstaltet, weil die Entente anscheinend den Kampf für »Recht, Gerechtigkeit und Frei­heit" noch nicht ganz auSgefochten hat. O. 8.

SGeudkr Elttili der deutsche« Eisenbahner.

Die Forderungen der Eisenbahner.

Berlin, 21. Dez. Zwischen den Organisationen der Eisen- Lahnbeamten und der Eisenbahnarbeiter sind laut .,Rassischer Zeitung" Verhandlungen zum Abschluß gekommen, n denen sich die beiderseitigen Organisationen solidarisch erklären und sich zu einem gemeinsamen Vorgehen verpflichten. In den Kreisen der Beamten hofft man, daß die Regierung bereit sein wird, sich auf neue Verhandlungen einzulassen. Wie derVor­wärts" mitteilt, handelt es sich bei den Forderungen der Esen- bahner vor allem um die Sicherung eines Existenzmimmums für die unteren Gruppen. Der Deutsche Eisenbahnerverband und die Reichsgewerkschast verlangen für die Beamten eine Er­höhung der Teuerungszuschkäge mit einer Mindestgrenze von 7000 Mark. Darüber hinaus verlangt die Reichsgewerkschaft eine allgemeine Erhöhung des beweglichen Teuerungszuschlags um 25 Prozent, während der Deutsche Eisenbahnerverband einen festen Teuerungsznschlag in den Ortsklassen ^ und 6 von 8000 Mark und 7500 Mark in O und v wünscht. Für die Arbeiter liegt eine gemeinsame Forderung als Tarifkontrahenten vor, den beweglichen Teuerungszuschlag allgemein um eine Mark zu erhöhen. Zugegeben, sagt derVorwärts", daß die Erfüllung der vorstehenden Forderungen einige Milliarden Unkosten ver­ursacht, bleibt es doch zu erwägen, ob nicht durch die Durchfüh­rung des Generalstreiks der Eisenbahner ein ungleich höherer Schaden angerichtet wird. Die Verantwortung für das, was in den nächsten Tagen geschieht, tragen alle die, die in der Lage sind, entscheidend in den Konflikt -'vzuoreifen.

Die G fenbahner nehmen das Steeikrecht für sich in Anspruch.

Berlin, 22. Dez. Der Deutsche Eisenbahnerverband, die Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamten und -Anwärter, sowie die Gewerkschaft deutscher Eisenbahn- und Staatsbedien- steter und der Allgemeine Eisenbahnerverband veröffentlichen im Vorwärts" einen Aufruf, in dem sie erklären, daß sie alle Verhandlungsmöglichkeiten erschöpfen wollten, um den Eisen­bahnern die Existenz zu gewährleisten. Sollten die Bemühun­gen der Organisationen jedoch ohne den gewünschten Erfolg bleiben, so sehen sich die Organisationsleitungen gezwungen, zum Streik zn greifen. In diesem Fall seien die vier Organi­sationen entschlossen, den Kampf gemeinsam durchzuführen.

Die Konferenz in Brüssel.

Berlin, 21. Dez. In der Frage der Ausgleichszahlungen hat die englische Regierung das Angebot gemacht, zunächst in die Prüfung der großen Forderungen einzutreten, di« Deutschland angemrldet hat. Auf diese Weife würde die englische Regierung versuchen, eine Mil­derung der augenblicklichen Lage herbeizuführen. Eine Beschluß­fassung über diese Frage liegt noch nicht vor.

Brüssel, 22. Dez. Havas-Reuter meldet, daß die Konferenz nach der Vertagung ihre Arbeiten am Montag, den 10. Januar, wieder aufnehmen wird. Gestern Nachmittag haben die alliier­ten Vertreter eine Sitzung untereinander abgehalten und ihre Sachverständigen über verschiedene Punkte gehört. Eine wer­tere Sitzung der Alliierten untereinander findet heute Nach­mittag statt.

Brüssel, 22. Dez. Die Besprechungen zwischen den Delegier­ten der Alliierten und den deutschen Sachverständigen wurden gestern den ganzen Tag über fortgesetzt und besonders die Frage des deutschen Eigentums im Ausland, sowie die Ausgleichfrage dabei behandelt. Die nächste Vollsitzung der Konferenz findet am Freitag um 10 Uhr statt. Man nimmt an, daß sich nach dieser Sitzung die Konferenz über Weihnachten vertagen wird.

Eine Entente-Erklärung Uber den Stand der Verhandlungen.

Brüssel, 21. Dez. (Hooas Reuter) Tie seit Sonnabend be­folgte VerhandlungSmethode. die in dem Austausch persönlicher An» sichten zwischen den beauftragten Delegierten der Alliierten und den deutschen Sachverständigen besteht, hat gute Früchte getragen, doch sind trotz des beiderseitigen guten Willen», zu einem Ende zu kom­men, die zur Besprechung stehenden Fragen derart kompliziert, baß sie eine vertiefte Prüfung und die Heranjchaffung von Dokumenten erfordern, was die Besprechungen etwas verzögert. Aus der einen Seite zeigen sich die Alliierten darüber einig, gemeinschaftlich nach Modalitäten zu suchen, die für die Klauseln des Vertrags bezüglich der Reparation angewandt werden sollen. Auf der anderen Seite haben sie sich einer deutschen Delegation gegenüber befunden, die klar den Willen gezeigt hat, zu einer praktischen Lösung zu kommen. Man hofft, für Mittwoch soviel vorläufige Berichte fertig zu stellen, als eS Probleme gibt. Diese Berichte werden Mittwoch und Ton- nrrStag veröffentlicht werden. Sie werden die großen Linien de» Kanes darstcllen, der ausgearbeitet werden wird, und die verschie­denen Delegationen werden darauf Veranlassung nehmen, ihren Ri­ffelungen Bericht zu erstatten. Rach einer Pause von einigen Tagen wird die Konferenz ihre Arbeiten wieder ausnehmen. Sie wird dann nähere Einzelheiten, die man für notwendig ansehen wird, seitstellen und die vorläufigen Berichte in einer Weise ergän­zen, daß fl« al» endgültige zu betrachten sind. Die französische öf­fentliche Meinung, die in ganz besonderem Maße an dem Repara­tionsprogramm interessiert ist. muß verstehen, sich in Geduld zu fassen und denen Vertrauen zu schenken, die den Auftrag haben, ihre Interessen zu wahren. Diese Interessen sind in guter Hand. Der FriedcnSvertrag von Versailles gibt genügend Möglichkeiten, dis Ausführung dieser Verpflichtungen gewaltsam zu erzwingen. Wollte man aber seine starke Hand so gebrauche«, so könnte «an das nur tun, wenn man auf bösen Willen stieße, was Komplikationen und unüberwindliche Schwierigkeiten schassen würde. Es wäre unklug, den von deutscher Seite gezeigten gute» Willen zurückzuweisr«. Man hat jedoch dir Hoffnung, daß dieser gut« Wille eine »och vollstän­diger« Wiedergutmachung der durch de« Krieg verursachten Sch»»«» bringen wird.

Zur Lage im Osten.

Bolschewistischer Pessimismus bezüglich Le» Friedens.

Frankfurt a. M.. 21. Dez. Die .Frankfurter Zeitung" meldet ans Stockholm: Auf dem Rätekongreß des Gouvernements Moskau» der zum allrussischen Rätekongrcß Delegierte zu wählen hatte, er- kiärte der Vorsitzende, Kamenew, dieser Kongreß habe mit der Ord­nung der Wirtschaftssragen eine ungeheuere wirtschaftliche Arbeit zu erledigen. Klara Zetkin wurde zur Ehrenpräfidentin gewählt. Trotzki betonte, daß Räte-Rußland nach wie vor den Friede» wünsche, daß aber nicht dir genügend« Sicherheit gegen weitere An­griffe bestehe. Deshalb werde Rußland nicht völlig »brüsten, doch wolle man die militärische Maschinerie nach Möglichkeit vermindern und die freiwerdenden Truppen zu wirtschaftlichen Arbeiten heran­ziehen. Der Militärrat soll in einen ständigen Wirtschaftsausschuß umgewandelt werden.

England und die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Rußland.

Paris» 21. Dez. Rach emer Meldung de» .Malm" aus Land«, erklärte Lloyd George gestern tm Unterhaus, dir englische Regierung wolle in keiner Weise in den Gebieten deS ehemaligen russischen Reiches, insbesondere auch nicht im Kaukasus, intervenieren. Etwas derartiges würden die Verhandlungen wegen der Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen zwischen Rußland und de« britischen Reich« behindern. Lloyd George erklärte ferner, daß Handelsminister Horn« gegebenenfalls am Mittwoch eine Erklärung über die Wiederaus- nabme der Handelsbeziehungen mit Rußland abgeben werde.

Neue bolschewistische Absichten aus Persien?

London, 22. Dez. Nach einerTimes'-Meldung aus Kon­stantinopel konzentrieren sich die bolschewistischen Truppen um Baku. Man befürchtet eine neue bolschewistische Invasion in Persien. Die Uebersiihrung der türkischen Truppen von der Ost- nach der Westfront dauert an. Drei bis vier Divisionen sollen bereits in Angora eingetrosfen sein.

Die englische Angst

vor einem türkisch-bolschewistischen Bündnis.

London, 22. Dez. Der Ausjcyug für auswärtige Angelegen­heiten, der aus Mitgliedern der Regierungsparteien des Unter­hauses gebildet wird, hat vorgestern folgende Resolution ange­nommen: Der Ausschuß lenkt die Aufmerksamkeit des Premier­ministers auf die Lage in der Türkei und besteht darauf, daß

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