Beilage z« Nr 93.

Samstag den 24. April 1914

31. Jahrgang.

Finanzieüer WochenrückbLick.

Tvr Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen den Ver­einigten Staaten und Mexiko hat, obgleich Präsident Wil­son mit seinem Versuche, den Präsidenten Huerta zu be­seitigen, eigentlich nur einen Auftrag des amerikanischen Großkapitals und der Newyorker Börse vollzieht, auf die Unternehmungslust an den deutschen Börsenplätzen zu­nächst lähmend gewirkt, weil denn doch durch die ameri­kanische Intervention auch noch andere als Börseuinter- essen berührt werden und möglicherweise unabsehbare Fol­gen in Gestalt von internationalen Verwicklungen ein- treten können. Man braucht dabei nur an die südameri­kanischen Staaten und vollends an Japan zu denken. Tie sonstigen politischen Ereignisse waren mehr nach dem Sinne der Börse, so namentlich die Tatsache, daß der Besuch des englischen Königspaars in Paris nicht, wie die Russen und Franzosen gewünscht hatten, zu einer Umwandlung der Entente in ein Bündnis, dazu in ein solches mit der Spitze gegen Deutschland, geführt hat. Tie Geldverhültnisse erwiesen sich auch weiterhin als äußerst flüssig, kennzeichneten aber dadurch nur die im­mer noch darnicderliegende Konjunktur, wie sie nament­lich durch einen Rückgang der Eisenbahneinnahmen zum Ausdruck kommt. Das Geschäft hielt sich die ganze Be­richtswoche über zumeist in mäßigen Grenzen und führte vielfach, so namentlich auf dem Bankenmarkt, zu Kurs- abschwächungen, denen allerdings auch erhebliche Kurs­steigerungen bevorzugter Spekulationspaviere auf dern Jndustriemarkt gegenüber standen.

Auf den Getreide Märkten nahm wieder eine festere Stimmung überhand, die umso bemerkenswerter ist, je günstiger die Saatenstands- und Ernteberichte lauten. In der Hauptsache scheint die durch die Frühjahrsbestellung verminderte Zufuhr die Ursache zu bilden, weiterhin auch die kriegerische Verwickelung am Golf von Mexiko. Tiie Weizentermine schlossen in Berlin 1 bis Ihs Mark, in Newyork etwa 1 Cent höher. In den Roggenpreisen er­gab das Berliner Termingeschäft einen Wochengewinn von 1Hz bis 2 Mark. Hafer beginnt gleichfalls anzuziehen.

Der Kaffeemarkt hat nach der Stille der Oster- seiertage trotz der hohen Zufuhrziffern von Santos eine

Befestigung der Tendenz erfahren, die freilich in der Hauptsache auf amerikanische Spekulationsmanövcr zu­rückzuführen ist, die Hamburger Terminpreise schlossen Vs bis 3/4 Pfg. höher. In Newyork machte die Preis­steigerung etwa 5 Punkte aus.

Auch auf dem Zucker markt herrschte eine freund­liche Haltung, obgleich kein Zweifel mehr darüber besteht, daß im lausenden Betriebsjahr auf Kuba die höchste, jemals erreichte Erzeugung von Rohrzucker eintrcten wird. Mlan war in Magdeburg fest gestimmt, weil das trockene Wetter dem Angehen der ausgesäten Nübenkerne un­günstig war. Eine größere Preissteigerung konnte sich jedoch nicht durchsetzen und die Termine schlossen unver­ändert oder bis zu 2 Punkten höher.

Ziemlich fest war die B au m w o llmarkt, auf dem die amerikanisch-mexikanischen Wirren, obgleich sie sich in nächster Nähe des Baumwollgürtels abspielen, sich bis jetzt noch nicht störend bemerkbar machten. Tie Liver- Pooler Termine schlossen 6 bis 4 Punkte höher. Der Garn- und Tüchvermarkt haben sich weiterhin be­friedigend entwickelt.

Der Aufbau des Gehirnes.

Von vr. A. Lanick.

Tie Gehirnanatomie begnügte sich bis vor nicht allzulanger Zeit damit, die Größe und Furchung des Gehirns zu messen, auf den inneren Aufbau, auf die mikroskopische Untersuchung legte sie kein großes Gewicht. Nachdem jetzt aber festgestellt ist, daß weder Größe noch Furchung des Gehirns Schlüsse aus die Geiftesentwicklung zuläßt, ist das anders geworden. Tie einzelnen Gehirn­abschnitte unterscheiden sich in dem mikroskopischen Aufbau ihrer Zellfasern ganz auffällig von einander. Ebenso ist die Größe der einzelnen Bezirke bei den verschiedenen Tierarten verschieden. Wir wissen, daß jeder Sinn einen besonderen Sitz hat, der Gesichtssinn, einen anderen als der Geruchssinn, der Geschmack einen anderen als das Ge­hör oder das Gefühl. Ter Umfang, den diese verschie­denen Abteilungen einnahmen, ist nun ganz verschieden je nach der geistigen Entwicklung des betreffenden We­sens. Nach Brokmanns Untersuchungen an Säugetier­

gehirnen gibt es Gehirnbezirke, die bei allen Säugetieren Vorkommen, andere wieder, die nur bei einer gewissen Grupve angetroffen werden.

Tie Lage, die Form und der Umfang jedes Einzel­felds lassen wertvolle Vergleiche zwischen den einzelnen Tiergruppen zu. Tos Sehfeld z. B. gehört zu denen, die bei allen Säugetieren augetroffen werden. Ter Flächeninhalt des Sehfeldes erreicht bei den Seehunden 4536 Quadratmillimeter, beim Igel aber nur 23 Qua­dratmillimeter. Neben dem Seehund steht auch der Man- drill mit 3537 Quadratmillimeter Sehfeldfläche noch vor dem Menschen, der im Durchschnitt nur 3321 Quadrat­millimeter erreicht. Ganz anders aber wird das Bild, wenn man das Sehfeld im Verhältnis znm Gesamthirn betrachtet. Tabei ergibt sich für das Sehfeld des Men­schen 2,8 o/«, des Schimpansen 8,1 v/o, des Seehundes aber schon 14,5 °/o. Man erkennt sofort, daß diese Ver­hältniszahlen auf einen charakteristischen Unterschied Hin­weisen. Beim Menschen ist das Sehfeld eben nur mit noch nicht 3 a/o am Gesamtgehirn vertreten, weil andere Gehirnteile bei ihm stärker entwickelt sind, die bei den Tieren zurückgeblieben sind oder ganz fehlen. ^

Wenn einmal die einzelnen Gehirnfelder in ihrer Gesamtbegrenzung genau erforscht sind, dann wird man wahrscheinlich in den Zahlen, die die Beteiligung eines Feldes am Gesamtgehirn und sein Verhältnis zu den ent­sprechenden Feldern bei andern Tieren sestlegen, einen Mäßflab haben, die geistige Entwicklung des betreffenden Tieres zu bestimmen. Natürlich sind die Beziehungen mit diesen Angaben noch längst nicht erschöpft, auch die Form des Sehfeldes wird, besonders bei nahe verwandten Arten, eine große Rolle bei der Unterscheidung spielen. Beim menschlichen Gehirn nimmt znm Beispiel der laterale, also seitwärts gelegene, Sehslächen-Anteil beim Europäer weniger als 10 o/o des ganzen Sehfeldes ein, vei den Naturvölkern dagegen 27 °/o und bei den Schim­pansen über 60 o/o. Während also beim Europäergehirn fast das ganze Sehfeld an der Innenfläche liegt, reicht bei den Naturvölkern schon ein beträchtlicher Teil über den Okzipitalpol nach außen, und bei den Affen ist sogar der Hcmptteil nach außen verlegt. Auch in solchen Unter-

Der Tag von Düppel.

Tausende wackerer preußischer Krieger, West­falen, Brandenburger und Garden, lagen am Morgen des 18. April 1864 fröstelnd in den schlammigen Lauf­gräben vor den Tüppeler Schanzen, in atemloser Span­nung des Signals zum Hervorbrechen gewärtig. Jeder einzelne wußte, daß nun endlich die ersehnte Stunde der Entscheidung nach langen mühsamen Vorarbeiten ge­kommen fei. Indessen schien der Däne mit Blindheit geschlagen. Auch mit den schärfsten Fernrohren ließen sich keine außergewöhnlichen Bewegungen bei ihm wahr­nehmen, ja auf dem gefürchteten PanzerschiffRol> Krake", das der Schanze 1 gegenüber lag, hatte man anscheinend sogar die Feuer gelöscht, und die Mannschaft trocknete in aller Gemütsruhe ihre im frischen Frühlings- Wind flatternde Wäsche. Offenbar rechnete der Feind gar nicht mit einem offenen Sturmangriff am Hellen, lichten Tage, sondern war mehr auf nächtliche Ueber- rumpelungsversuche gesoßt.

Tie Leitung des eigentlichen Sturmes lag, wie die Zeiten und Völker" (Stuttgart) schreiben, in den be­währten Händen des tapferen Generals v. Maustein. Für jede der sechs Schanzen des linken dänischen Flügels, denen der Hauptangriff galt, war eine besondere Sturm­kolonne gebildet worden. Tie Gesamtziffer der zum Sturm bestimmten Truppen betrug 46 Infanterie- und 5 Pio- nierkompognien, nebst 7 Offizieren und 144 Mann Festungsartillerie. Tie Kompagnien waren jede etwa 200 Mann stark. An der Spitze jeder Kolonne stürmte eine in Schützenlinien aufgelöste Kompagnie, die die Ausgabe hatte, so schnell wie irgend möglich gegen die Schanzen vorzugehcn und sich an ihrem Grabenrande wnMisten, um das feindliche Feuer niederzukämpfen. Tie nächstfolgende Jnfanteriekompagnie war mit einer ganzen oder halben Kompagnie Pioniere vermischt, sollte me Hindernisse (Gräben, Palisaden, Trahtzäune, Wolfs­gruben usw.) beseitigen, und führte zu diesem Zweck Heil­and Strohsäcke, Sprengpulver, Faschinen, Hacken, Aexte, Brechstangen, Leitern, Laufbretter und dergl. mit sich. Tann folgten in einem Zwischenräume von 80100 in me eigentlichen Sturmkolonnen. Ten bei ihnen einge- nnten Artilleristen war vorgeschrieben, die eroberten manschen Geschütze sofort umzudrehen und gegen den Femd spielen zu lassen. Jeder Umweg sollte vermieden, ^ 3iel auf dem geradesten Wege erreicht werden, und Iwe Abweichung war verboten. Tornister, Helme und Kantel blieben zurück, um die Mannschaften möglichst mweglich zu machen. 19 Bataillone und einige Batterien veldartillerie folgten den Sturmkolonneu als geschlossene Reserve. Gegen die Schanzen des rechten dänischen FlL-

sollte eine Brigade lediglich ein hinhaltendes Feuer- b? a führen, bis sie nach Eroberung der Schanzen 1 ^ b von der Seite her gepackt werden könnten.

Seit 9 Uhr hielt Prinz Friedrich Karl mit einem ganzenden Gefolge auf dem Spitzberge, und gespannt alles dem zehnten Glockenschlage entgegen. Auf ^ Mmute schwiegen die preußischen Batterien, und

gleichzeitig schmetterten in der zweiten Parallele vier Regimentskapellen unter demgroßen Piefke" vom Leib­grenadierregiment den berühmten Porkschen Marsch und den feurigen, nachher so volkstümlich gewordenen Tüppel- marsch. Mit donnerndemHurra!" brechen die Sturm­kolonnen aus den Laufgräben hervor, rasen mit wahn­sinniger Eile auf die Schanzen zu, wie schwarzes Ameisen­gewimmel kribbelt's plötzlich allenthalben im Blachfcld. Stolz flattern die schwarz-weißen Fahnen, dumpf wir­beln die Trommeln das Sturmsignal. Einen Augenblick sind die Tauen verblüfft, wie erstarrt, aber bald flackert knatternd ihr Gewehrfeuer auf, und ihre Kartätschen­lagen fegen zwischen die Reihen der Stürmenden. Aber schon sind die preußischen Schützenschwärme am Graben­rande, und auf die kurze Entfernung treffen ihre Kugeln mit tödlicher Sicherheit. Und wieder wimmelts mit der so berühmt gewordenenaffenartigen Geschwindigkeit" heran . Eine weiße Masse strömt mit fabelhafter Schnel­ligkeit auf die Schanzen zu. Das sind die Infanteristen mit den Stroh- und die Pioniere mit den Pulversäcken. Mancher Sack und Mann fällt, um nimmer wieder auf­zustehen, aber die andern lassen sich dadurch nicht auf­halten. Schon sind sie heran: scharfe Scheren durch- schneiden die Trahtgitter, dicke Kissen werden auf die Fußangeln geworfen, Wolfsgruben mit Strohsäcken ans­gefüllt, Gräben mit Laufbrettern überbrückt, Leitern an die Schanzen gelehnt. Das alles nimmt nur Sekunden in Anspruch, geht schneller fast, als sichs niederschreiben läßt. Pionier Klinke, ein mit Spreewasser getaufter Berliner Junge, ist mit seinem Pulversack der erste an der Palisadenwand der Schanze 2. Aber beim eiligen Laufen hat er die Zündschnur verloren. Kurz entschlossen ruft er seinem Hauptmann noch zu:Sorgen Sie für meine Familie!" und bringt dann mit einem einfachen Streichholz die 30 Pfund Sprengpulver zur Entzündung. Eine fürchterliche Explosion folgt, gräßlich zerrissen und verbrannt liegt der wackere Pionier am Boden, auch die Nächststehenden wirfts nieder, aber die Palisaden­wand ist verschwunden, eine breite Bresche gebrochen, und durch sie stürmt siegestrunken die unmittelbar fol­gende Sturmkolonne. Eine besondere Ehrentafel am' Kriegerdenkmal des 3. Pionierbataillons in Spandau erinnert noch heute an Klinkes brave, aufopfernde Tat. Innerhalb der Schanzen kommt's nun zu kurzem, aber erbittertem Handgemenge. Gewehrschüsse, Revolverge- knall, Wutgeheul, Kampfgeschrci, Geklirr sich kreuzender Bajonette, G.knirsch auf Menschenschädel niederschmettern­der Kolbenschläge, Jammern, Todesächzen. Lange können die Dänen der von Minute zu Minute wachsenden Zahl der Gegner nicht Widerstand leisten. Ein Teil wird niedergemacht, ein Teil ergreift die Flucht, ein Teil gibt sich gefangen. Zuerst kaum 5 Minuten nach 10 Uhr! war Schanze 6 genommen, und weitere 5 Minuten später wehten die preußischen Fahnen von sämtlichen 6 angegriffenen Schanzen.

Nach Eroberung der Schanzen 16 riß es die Preußen unaufhaltsam weiter. Sie gingen der Führung durch, aber nach vorwärts, und stürmten mm die

Verbindungsgräben und die noch nicht völlig aüsge- bauten Lünetten. Um keine Lücke in die Schlachtlinie einreißen zu lassen und einen gefährlichen Rückschlag zu verhüten, zog General v. Manstein schleunigst die Reservebrigaden Canstein und Raven heran. Sie kamen gerade im rechten Augenblick, denn soeben war der dänische Generalmajor du Plat mit zwei frischen Brigaden aus dem Gefechtsfeld erschienen. Durfte er auch kaum noch hoffen, das Schicksal des Tages zu wenden, so konnte er doch darauf rechnen, durch seinen Angriff der durch das rasche Vordringen der Preußen auf dem linken dänischen Flügel bereits nahezu abgeschnittenen Be­satzung der Schanzen 710 einen geordneten Rückzug nach dem Brückenköpfe zu ermöglichen. Tie vordersten preußischen Abteilungen wurden zunächst auch zurück­gedrängt, aber bald brach sich der dänische Angriff, und als Generalmajor v. Canstein mit seinen frischen Ba­taillonen die dänische Brigade auch noch in der rechten Flanke aufiel, war ihre völlige Niederlage entschieden. Bei diesem Kampfe trat endlich auch der PanzerRolf Krake" in Tätigkeit. Wohl gaben die kolossalen Geschütze einen unheimlich dröhnenden Grundbaß ab zu dem be­täubenden Schlachtenlärm, aber ihre Zuckerhüte tuten nur wenig Schaden, da sie schlecht gezielt waren.

Inzwischen hatte sich Generalmajor v. Raven, über­zeugt, daß die Brigade Canstein allein mit den Trup­pen du Plats fertig werden würde, aus eigenem An­triebe nach links gewandt, um die Tauen in den Schanzen 79 von der Seite her aufzurollen. Der von seinen Truppen schneidig durchgesührte Sturm auf die Schan­zen 710 (Schanze 10 ergab sich kampflos, als auch noch von vorn Brigade Schmid gegen sie anlics) ist vielleicht die schönste Waffentat des an Aufregungen überreichen Tages, denn hier mußten die Preußen in Helm und Tornister gegen fast noch unerschüttcrte Be­festigungen anstürmen, ohne rechte artilleristische Vor­bereitung und ohne Unterstützung durch Pioniere. Trotz­dem gelang der Sturm. Freilich gab's schwere Verluste. General v. Raven selbst wurde durch einen von Msen herübersausenden Granatsplitter tödlich getroffen, wäh­rend auf dänischer Seite fast gleichzeitig General du Plat in dem Kampfgetümmel um die Lünetten den Schlachten­tod fand. Um VZ1 Uhr waren sämtliche Schanzen in den Händen der Preußen.

Teren Feldbatterien jagten nun durch die Lücken zwischen den genommenen Schanzen, protzten jenseits ab und kämpften mit 71 Feuerschlünden die annähernd gleich starke dänische Artillerie nieder, die bei Sonderburg aufgefahren war. Dadurch wurde es den preußischen Schützenschwärmen möglich, sich immer näher «n den Brückenkopf heranzuarbeiten. Ta gaben die Tönen ihren Widerstand auf und das schwerste Tagewerk deS Krieges war zu erfolgreichem Ende geführt.