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Nr. S4
Der Kampf um die Sonntagsruhe.
Zu den wichtigsten Gesetzentwürfen, die der Reichstag noch in seiner Frühjahrstagung zu erledigen hat, gehört der über die Sonntagsruhe im Hanoelsgewerbe. Wenn irgendtvo in unserem durch so viele Paragraphen und Verfügungen mehr oder minder glücklich geregelten wirtschaftlichen und gewerblichen Leben ein Gesetz als dringendes Bedürfnis erschien, so war es in der Frage der 'Sonntagsarbeit der Handlungsgehilfen. Anfänglich schien es, als ob hier verhältnismäßig leicht und schnell eine Lösung zu erzielen wäre, mit der sich beide Interessengruppen, Prinzipale und Angestellte, zufrieden geben konnten, eine Lösung, durch die prinzipiell völlige Sonntagsruhe in den Betrieben garantiert wurde, die nicht zu den sogenannten Bedürfnisgewerben gehören. Von Seiten der Angestellten wurde hervorgehoben, es sei schließlich nur billig, den Kaufleuten und Handlungsgehilfen das Recht auf den freien Sonntag zuzugestehen, das für den Arbeiter schon längst selbstverständlich ist. Auf der andern Seite sei ja auch nicht anzunehmen, daß der Geschäftsgang durch den Ladenschluß am Sonntag leide. Tks Publikum werde sich daran verhältnismäßig rasch gewöhnen und eben seine Einkäufe am Samstag machen. Das ist aber doch bloß richtig, soweit die städtische Bevölkerung in Betracht kommt, für Geschäfte, die vorwiegend auf Land- knndschaft angewiesen sind, aber würde die völlige Sonntagsruhe eine wesentliche Schädigung bedeuten, da eben die Landkundschaft nur am Sonntag Zeit hat, ihre Einkäufe zu machen. Hierauf ist in verschiedenen Eingaben von 'Tktaillistenverbänden hingewiesen worden und die 24. Kommission des Reichstags hat sich den geäußerten Bedenken auch nicht verschlossen. Bon der Erwägung ausgehend, daß vorwiegend in kleineren Städten die Landkundschaft für den Geschäftsmann von Bedeutung sei, wurde beschlossen, in Gemeinden unter 75 000 Einwohnern Amntagsarbeit zuzulassen. Auch in solchen Gemeinden W aber, wenn sie mit einer größeren in örtlichem Zu- Mmenhang stehen oder mit ihr ein einheitliches Ver- kchsgebiet bilden, völlige Sonntagsruhe gelten. Aber auch gegen dieses Kompromiß sind schon schiverwiegende
Ich liebe Dich!
Roman von Guido Kreutzer.
(Nachdruck verboten) «Aber seit der Zeit Hab ich eine entschiedene Borlieb« sür die Varietes und Possentheater. Ich finde, das Leber bringt schon soviel Aerger und Unannehmlichkeiten, das Mn sie auf der Bühne ruhig entbehren kann. Tie sollt« Ms vielmehr anfsrischen und ablenkrn und erheitern.
„So — da haben Sie mein „literarisches Glaubensbekenntnis"! Und wenn's Ihnen Spaß macht, sagen Si< ruhig Kuli zu mir."
, Der Baron lavierte um diese peinliche Frage herum, indem er sich an seine schweigsame Nachbarin wandte.
«Aber Sie, gnädiges Fräulein? ... wie stellen Si« W denn nun eigentlich zu diesem Kampf erlauchter Geister?''
«Ich?" . . . sagte Herta Renzow gleichmütig .... »iw bleibe immer solange neutral, bis das Uebergewichi ' I Mdgültig auf irgendeine Seite geneigt hat. Tann be- I MM jch MH ^ der Theorie des Siegers und nehme den , » 2,numph für mich in Anspruch."
. I --Bravo, Mädel; um dich braucht mir nicht bange zu lobte der Kommerzien'rat.
.. --Mit anderen Worten, Gnädigste. — Sie betrachten rst" Menschen als Sprungbrett, um gefahrlos immer eine ^use nach der anderen zu erklimmen?"
Statt einer Antwort hob sie den Sektkelch gegen ihn. w spielendes Feuer kam und ging in ihren Augen.
» ""d während sie ihn halbgcleert wieder auf den Tisch ttUte, rann ein Zucken über ihr Gesicht.
U Ovaren mir heute abend ein so treuer Ritter, daß I» dafür eine Belohnung zugedacht habe," sagte
unvermittelt in ihrer sprunghaften Art.
! ! n,-' ü iu meinem Kavaliersdienst nicht auch zugleich schon I Lohn, Gnädigste?"
tt'shrc Schlagsertigkeit in Ehren, Herr Baron; aber es doch noch einen größeren."
! I wie ein Lächeln z-g um ihre vollen Lippen
' haben Sie eigentlich Ihre ostprenßische Nach-
^ Fräulein Krottenheim — noch nicht begrüßt?" tt w Strom schoß ihm jählings zu Herzen. Aber
der Hut. Ruhig begegnete er den lauernden
bitt"^--^ ">cht wußte, daß Fräulein Krottenheim schon
Freitag, den 24. April LS14
Bedenken erhoben worden. Einmal wird es nicht ganz leicht sein, eine einheitliche Formel dafür zu finden, was unter einem genieinsamen Berkehrsgebiet zu verstehen ist und dann ist es fraglich, ob ans diese Weise die Konkurrenz von Nachbarorten, in denen Sonntags gearbeitet werden kann, auszuschalten ist. Bon der Seite der Geschäftsinhaber wird weiter darauf hingewiesen, daß dieser Kommissioüsbeschluß die Möglichkeit gibt, sür ein großes Wirtschaftsgebiet, besonders in dichtbevölkerten Gegenden, wie im Rheinland und in Westfalen, die völlige Sonntagsruhe durchzuführen, während in anderen Gegenden der .Kleinhandel die Möglichkeit hätte, auch Sonntags Geschäfte zu machen. Die erstrebte Einheitlichkeit wäre also wiederum illusorisch, worunter Angestellte und Inhaber in gleicher Weise zu leiden haben würden. Djiese Bedenken haben sich auch die Handelskammern in der Rheinpvovinz und in Westfalen zu eigen gemacht und in einer Entschließung niedergelegt, in der weiter noch gefordert wird, „daß eine Einschränkung öder gänzliche Untersagung der reichsgefeßlich zugelassenen Beschäftigungen an Sonn-und Feiertagen durch Landesgesetz oder Verordnung ausgeschlossen ist, durch Ortsstatut aber für alle oder einzelne Gewerbezweige auf Antrag von einem Dirittel der Gewerbetreibenden unter Zustimmung von zwei Dritteln der Beteiligten zu geschehen hat; daß eine Einschränkung der Ausnahmesonntage durch einseitige Verfügung der Polizei vermindert und mindestensO Ausnahmesvnntage gesetzlich festgelegt werden; daß schließlich Ortsstatute, durch die bereits eine kürzere als dreistündige Arbeitszeit eingeführt ist, auch nach Inkrafttreten des Gesetzes gültig bleiben. Mit solchen Verbesserungen hält die Versammlung den von der Regierung vvrgelegten Gesetzentwurf für eine befriedigende Regelung der Sonntagsruhe im offenen Ladengeschäft, und erklärt besonders, daß sich der Grundsatz, die Sonntagsarbeit wurch Ortsstatute den örtlichen Verhältnissen entsprechend weiter einzuschränken oder gar aufzuheben, bisher durchaus bewährt hat und sich auch weiter bewähren wird. An die 24. Kommission des Reichstags richtet die Versammlung die dringende Bitte, in der bevorstehenden zwecken. Lesung des Entwurfs ihre Beschlüsse in der angedeuteten Richtung zu revidieren, von der Königlichen
,,Bereits seit zwei Wochen!" warf oie Kommerzien- rätin ein.
Und ihre Tochter setzte hinzu:
„Ich bin im Hause ihrer Tante während dieser Zeit zwei- oder dreimal mit ihr zusammengetroffen. Sie scheint sich in die Berliner Verhältnisse offenbar leicht einzuge- wöhnen."
Der alte Renzow zog schmunzelnd die Bratenschüssel näher, die der Kellner von dem vernickelten Speisewagen auf den Tisch gehoben hatte.
„Mein Kompliment, lieber Baron! . . . Ihre Heimat hat neben den edelsten Pferden offenbar auch die schönsten Frauen. Diese neueste Repräsentantin wenigstens bringt mir von Ostpreußen direkt begeisternde Begriffe bei. Ich garantiere — wenn Ihr Fräulein Krottenheim nur ein halbes Jahr unter uns bleibt, tritt in geknickten Herzen und ramponierten Gefühlen eine bedrohlich steigende Tendenz ein!"
Seine Gattin lächelte ihr nachsichtigstes Mitleid.
„Wie überschwenglich ihr Männer doch gleich seid, sobald es sich um irgendeine ,neue Erscheinung in der Gesellschaft handelt!"
„Weiß schon!" lehnte der Börsianer resigniert ab. „Und namentlich ich alter Kerl, der ich „schon mit einem Fuß im Grabe" stehe! Aber das schönste ans der Welt bleibt doch nun mal eine schöne Frau — du entsinnst dich, liebste Anna, als galanter Gatte habe ich dir das im Verlaus unserer gottgesegneten Ehe oft genug versichert."
Mit hochgezogenen Brauen musterte sie ihn kühlen Blicks.
„Merkwürdig eigentlich, Otto, wie viele Einzelheiten einem entfallen und wie das Gedächtnis nachlüßt!"
„Aber du wirst dich doch deswegen nicht etwa beunruhigen!" tröstete er treuherzig. „Hauptsache, daß das Herz intakt bleibt — na, und deins schlägt sür mich doch noch ebenso heiß, wie am ersten Tage?!"
So kamen die beiden Herrschaften in eine gemächliche Plänkelei, die von dem Kommerzienrat mit scheinheiligem Ernst, von seiner Gattin dagegen mit unnachahmlich ho- heitsvvllcr Süffisance geführt wurde.
Ter Artillerist sondierte inzwischen Terrain.
„Frau Generalkonsul von Berns äußerte vor einiger Zeit die Hoffnung, Gnädigste, daß Sie mit ihrer Nichte auf einen recht freundschaftlichen Verkehrsfuß gelangen würden. Darf ich fragen, ob diese frommen Wunsche Aus- sicht aus Verwirklichung haben?"
SI. Jahrg.
SibÄrMtzgierüng erwartet sie, daß diese an den Gruüd- zügen der Regierungsvorlage festhält, und namentlich allen Versuchen, das vollständige Verbot der Sonntagsarbeit in offenen Verkaufsstellen in irgendwelcher Form und Begrenzung gesetzlich vvrznschreiben, im Reichstag Und Bundesrat entschieden Widerstand leistet."
Mit dieser Entschließung werden sich die Angestellten kaum befreunden können. Me stehen nach wie vor ans dem Standpunkt: „Völlige Sonntagsruhe, aber Zulassung von Ausnahmen durch Abstimmung der Interessenten." iTsie Geschäftsinhaber dagegen stellen sich prinzipiell ans den Boden der Regierungsvorlage und wollen ihre Erweiterung im Sinne völliger Sonntagsruhe nur von der Abstimmung der Gewerbetreibenden abhängig machen. Eine Einigung scheint vorläufig noch nicht möglich. Wenigstens hat der Zeutralverband der Handlungsgehilfen in einem Rundschreiben von seinen Mitgliedern das Eintreten für völlige Sonntagsruhe verlangt. Es ist darin n. a. gesagt, die Angestellten sollten denjenigen Inhabern, die nicht auf die Sonntagsarbeit verzichten wollen, die Kündigung überreichen. Auch die Ortsgruppe Stuttgart des Deutschnationalen Handlungsgehilfenver- bands hat sich energisch für die völlige Sonntagsruhe und gegen die Beschlüsse der Reichstagskvmmission, die gegenüber der Regierungsvorlage eine Verschlechterung bedeuteten, ausgesprochen. Es heißt in dieser Entschließung zum Schluß:
'Tie Handlungsgehilfenschast erhebt gegen die bisherigen Beschlüsse der Sonntagsruhekommisfiou entschieden Protest und weist darauf hin, daß die Nichterfüllung ihrer berechtigten und zeitgemäßen Forderung aus Sonntagsruhe neben einer allgemeinen Verbitterung zweifellos die Abwanderung der tüchtigen Elemente äus dem DietailHandel zur Folge haben wird.
Die hier geäußerten Bedenken sind sicher nicht unbegründet. Es wäre nur zu wünschen, daß der Reichstag, der ja demnächst wieder znsammentritt, von ihnen Notiz nimmt und die gerechte Forderung völliger Sonntagsruhe, die übrigens auch von einer Anzahl von Prinzipalen unterstützt wird, im Prinzip erfüllt.
Herta Renzow lehnte sich in das grüne Sofapolster zurück und schob die Schultern hoch, daß sie aufglänzten wie mattes Perlmutt.
„Weshalb nicht, Herr Baron? Sofern es sich ergeben sollte, daß unsere Ansichten im allgemeinen sich begegnen . . . Allerdings waren dje Lebenssphären, in denen wir uns bisher bewegten, die denkbar entgegengesetztesten; aber eine Harmonie im Sinne der Freundin meiner Mutter wäre ja trotzdem nicht ausgeschlossen."
„Gewiß nicht!" sekundierte der Leutnant von Ostheecen höflich. Aber er erkannte — hier war Feindschaft! . . . eine jener stummen erbitterten Frauenseindschaften, die immer bis zu irgendeinem 'endgültigen Abschluß ausgekämpst werden.
Und sonocrbar! Zugleich mit dieser Erkenntnis überkam ihn eine befreiende unbekümmerte Fröhlichkeit. Er machte nicht mal mehr einen Versuch, sie zu verbergen.
„Ist es indiskret. Gnädigste, sich zu erkundigen, ob Fräulein Krottenheim in Ihnen gleichfalls eine so üher- zengte Verteidigerin ihrer äußeren Vorzüge gefunden Hai, wie in Ihrem Herrn Vater?"
Das war eine unverhüllte Attacke. Und er hatte ein kampfbereites Aufflackern der kalten Augen dort drüben erwartet.
Aber Herta Renzow, die vielgewandte, schlug den Angriff nonchalant zurück.
Einen Moment schien sie zu überlegen, Tann hob sie unmerklich ein wenig den Kopf.
„Was soll ich Ihnen daraus entgegnen, Herr Baron? . . . Stelle ich mich auf die Seite meines Vaters, so vermuten Sie darin eine konventionelle Höflichkeit, während Ihnen das Gegenteil als versteckte Mißgunst oder Rivalität erschiene . . . Und seien Sie überzeugt, von beiden bin ich gleich weit entfernt!
„Aber ich gebe Ihnen statt dessen einen wahrhaft freundschaftlichen Rat: morgen ist Tonnerstag und damit zugleich der zonr kixo der Frau Generalkonsul. Vergrößern Sie den Kreis der allwöchentlichen Gäste um ein dekoratives Mitglied; und Sie werden dabei Gelegenheit haben, Ihr eigenes Urteil hinsichtlich der äußeren Vorzüge Fräulein Krottenheims sich von neuem zu bestätigen oder . . . einer Korrektur zu unterziehen."
«Ich fitze als selbstverständlich voraus, daß ich gnädiges Fräulein dort auch sehe?!"
Fortsetzung folgt.