Nr. 273.
Lmts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
95. Jahrgang
«L r > eher n un gs w e »f e: t-n,m wöUienrl. v,nzejg<npreis: Tte ileiuspatrige Zei.e 60 Pjg. Rekianlen 2.— Mi. — Aus Sammelanzeigen lon.rm em Zuschlag von 100".^. — Zeruspr.9.
Sanlstag, den 27. November 1920.
VezUstLvreltz: der Ltvdr u»jr Lragertoy« Mt. 1L.V0 viertetjatirlich. ^oübezugSprerS
Mk. l2.V0 mit Bestellgeld. — Lchlug der Änzeigenaniraume S itlir varuunags.
Advent.
* Als die Juden vor 2066 Jahren unter dein Joche der Fremd- herrschalt schmachteten, da fanden sich Immer wieder Propheten, die den Lebensmut des Potkes ausrechlzuerhatten mußten mit der Verheißung des Retters, des Heilandes. Und das Volk richtete sich immer wieder an diesen Verheißungen auf durch Erfrischung der sittlichen und religiösen Kräfte. Advent bedeutet Wartezeit! Wartezeit auf die Ankunft des Herrn. Aber nicht bei tatenlosem Zuwanen wird einem Emzelmcnjchcn oder einem Volke das Glück, das Heil, die Erlösung von Not, Elend und Knechtschaft kommen, mau muß den Äoden schaffen für die Aufnahme dieses Heils. Man mutz glauben an lue bessere Zukunft, denn Hoffnungslosigkeit bedeutet geistige» Tod, mag es sich um das Werk eines Eiiizel- menschen oocr eines Volkes handeln.
Glauben wir aber a» die bessere Zukunft, so wird sich auch bei jeden. Einzelnen das Bestreben zeigen, die äußeren und seelischen Hemmungen zu beseitigen, die der möglichst raschen Erlangung eines solchen Ziels entgegenstehcn. Wir werden au uns selbst beginnen müssen mit der Wegrüumung aller jener Widerstände, die die Erneuerung des Geistes nicht auskommen lassen wollen. Ter übertriebene Egoismus, der noch mehr als alle ansteckenden Krankheiten unsern Voilskörper zersetzt, muß endlich einmal mit radikalen Mitteln bekämpft werden, nicht durch die Polizei und Strafen, sondern durch die Wiederkehr anständiger und versöhnlicher Gesinnung lm Verkehr' untereinander, sei es nun auf gesellschaftlichem und religiösem, sei eS auf beruflichem, wirtschaftlichem oder politischem Gebiete. Wenn wir unS endlich losmachen von dem Geist der Eigensucht und der Zwietracht, wenn wir wieder Wert daraus legen, in unserm Innern ein befriedigendes Gefühl sittlichen Anstands zu empfinden, dann werden wir auch von neuem den Glauben an eine bessere Zukunft in uns erstehen fühlen, wir werden unsere sittlichen und geistigen Kräfte daran sehen, dieses Ziel mit allen Mitteln zu verfolgen und dann wird uns das Advent unseres Volkes als eine köstliche Probezeit erscheinen, die nicht mit Wehklagen und Schelten und Streiten hoffnungsloser Menschen ausgefüllt ist, sondern mit gesunder, Herz und Geist stärkender Arbeit, die uns den notwendigen festen Glauben und die sichere Zuversicht auf eine bessere Zukunft von selbst bringen wird.
Nützen wir die Zeit der Dämmerung in diesem Sinne aus, wie man es von jedem sittlich anständigen und seelisch gesunden Menschen verlangen kann, dann wird dem deutschen Volke umso eher das Licht des Heils aufgehen und ihm die Befreiung von Ketten und Finsternis ermöglichen. O- 8-
Die BLllrerbundsversammlung.
Genf, 26. Nov. In der Unterkommission ist im Grundsatz eine Einigung erzielt worden zu Gunsten der Aufnahme Oesterreichs in den Völkerbund.
Genf, 26. Nov. Die ständige Militär- und Luftfahrtkommission des Völkerbunds befaßte sich Donnerstag und Freitag mit der Frage der Verteidigung Danzigs.
Genf, 26 'Nov. Die Unterkommission für Abrüstungsfragen, die sich mit der Frage dcö Waffenhandels, des Austausches von Informationen zwischen den Staaten, der privaten Herstellung von Waffen und Munition, sowie mit anderen die Abrüstung betreffenden Fragen zu befassen hat, hielt heute eine Sitzung ab. Die vom Präsidenten der 6. Kommission ernannten Mitglieder dieser Unterkommission sind: Fisher-England, Länge-Norwegen, Wellington-Koo- China, Leon Bourgeois-Frankreich, Schanzer-Jtalicn, Fock-Holland, Usteri-Schwciz, da Eunha-Brasilien und Zahle-Dänemark. Hurst, juristischer Beirat im britischen Auswärtigen Aint, legte eine Zusammenfassung der Maßnahmen vor, die seit der Konvention von Brüssel im Jahre 1899 zur Kontrolle des Handels mit Waffen angeordnet worden sind. Hurst wurde um die Einreichung eines schriftlichen Berichts ersucht, in dem er u. a. auch die Maßnahmen anzusührcn hätte, die der Völkerbund zur Durchführung einer wirksamen Kontrolle ergreifen müßte. — Schade, daß der Völkerbund nicht früher da war, da hätte er sich den Kopf zerbrechen können über die Waffen- und Munitionslieferungen des .neutralen" Amerikas.
Der Bölkerbundsrat und die armenische Frage.
Genf, 25. Nov. Der Völkerbundsrat beschäftigte sich in seiner heutigen Sitzung mit der armenischen Frage und setzte den Text von zwei Telegrammen fest, von denen das eine an sämtliche Mitglieder des Völkerbunds, das andere an die Regierung der Vereinigten Staaten gerichtet ist. In dem an sämtliche Negierungen der dem Völkerbund angehörcnden Staaten gerichteten Telegramm fragt der Völkerbund, ob sie allein oder zusammen mit anderen Regierungen bereit seien, im Rahmen des Völkerbund die humanitäre Mission einer Friedrnsvermittlung zwischen Armenien und den Kcmalisten zu unternehmen, welche Mission übrigens keine dauernde Verpflichtung in sich trage. Im Falle einer zustimmenden Antwort ersucht der Rat um
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möglichst rasche Mitteilung der Entscheidung, damit er in der Lage sei, der Versammlung noch vor Schluß der gegenwärtigen Tagung davon Mitteilung zu machen. In dem Telegramm an den Präsidenten der Vereinigten Staaten wird ausgeführt, daß der an Amerika gerichtete Vorschlag in keiner Weise die Erneuerung des Angebots der Uebernahme des Mandats über. Armenien bedeute und der Vot- kerbundsrat m keiner Weise daran denke, von den Vereinigten Staa- !en die Eingehung irgendwelcher Verpflichtungen zu verlangen, daß . er aber die Pflicht habe, den Vereinigten Staaten die Möglichkeit zu verschaffen, eine Aufgabe von so hoher humanitärer Bedeutung zu übernehmen. — Der Rat nahm einen Bericht entgegen von Oberst Requin, Mitglied der Militär- und Schissahrtskommission des Völkerbunds, über die Frage des Transports und der Verpflegung des vom Völkerbund in das Gebiet vo« Wilna zu entsendenden internationalen Truppenkontingents.
London, L6. Nov. Daily News melden aus Eens: General Wetzgand sei aufgechrdert worden, seine Ansicht über die Möglichleit eines militärischen Eingreifens in Armenien auszusprechen. Ferner habe der Völkerbund ein Telegramm an den Präsidenten Wilson gerichtet, um zu erfahren, ob die Vereinig ten Staaten geneigt seien, zwischen den Armeniern und de» Kemalisten zu vermitteln.
Die Schweiz für Aufnahme Oesterreichs in den Völkerbund.
Eens, 26. Nov. In der heurigen Sitzung der Kommission zur Aufnahme Oesterreiü-s und Bulgariens befürwortete Bun- despräsident Malta als Vertreter eines benachbarten Staates lebhaft die Ausnahme Oesterreichs in den Völkerbund. Da gerade durch die Aufnahme Oeslxrreichs in den Völkerbund, dieses hilfsbedürftigen Landes, der dem Völkerbund innewohnende Gedanke der Versöhnung (?) zum positiven Ausdruck komme. Bundespräsid. Malta brachte bei diesem Anlaß auch die Vorarlberger Frage zur Sprache und gab die Erklärung ab, daß die Schweiz trotz des durch die Volksabstimmung bekundeten Anschlußwillens der vorarlbergischen Bevölkerung nicht daran denke, den Bestand des gegenwärtigen österreichischen Staates irgendwie beeinträchtigen zu wollen. Da aber die Dauerhaftigkeit des gegenwärtigen österreichischen Staates noch nicht als unbedingt gesichert erscheine, so möchte die Schweiz !m Falle der auch von ihr lebhaft gewünschten Ausnahme Oesterreichs in den Völkerbund das Recht des vorarlbergischen Volkes gewahrt wissen,sein Eelbstbcstimmungvrecht geltend zu machen bei einer eventuellen späteren tiefgreifenden inneren Umwälzung Oesterreichs. — Es wäre interessant zu erfahren, was Motta unter dieser „tiefgreifenden Umwälzung" versteht. Meint er den Anschluß an Deutschland, dann würden wir sicherlich den Schweizern Vorarlberg nicht lassen, denn dort geht das Deutschtum immer mehr verloren.
Holländische Stimmen über den „Völkerbund."
Amsterdam, 25. Nov. Das sozialistische Organ „Het Noll" führt aus, ohne den Beitritt der großen demokratischen Republik erscheine jeder Völkerbund als eine schamlose Karrikatur seines Grundgedankens. Gerade seine Ausdehnung auf alle Nationen sei eine dringende Aufgabe. Wenn demgegenüber Branting wirklich sich so, wie gemeldet,Lber den Beitritt Deutschlands geäußert habe, so müsse von der ganzen internationalen Arbeiterpresse ein einstimmiger und entrüsteter Protest erwartet werden. Sozialisten, die ihren Namen und Einfluß dazu hergeben, die Verwirklichung des Völkerbundsgedankens zu Hintertreiben, brächten Schande über die sozialistische Bewegung. — (Wir haben den Ententefreund und Scheinsozialisten Branting vorgestern wohl richtig gekennzeichnet» als wir ihn eine von der Entente gekaufte Kreatur nannten, und freuen uns, diese Auffassung auch in einem unbeeinflußten wirklich neutralen Blatt angedeutet zu finden. Das Hauptorgan der deutschen Sozialisten, der „Vorwärts" aber wendet Herrn Branting, dessen Zeitung in Schweden über den Krieg und selbst nach dem Krieg sich nicht genug tun konnte, das deutsche Volk zu schmähen, und der immer und überall gegen Deutschland intrigiert, zu seinem 69. Geburtstag einen glänzenden Sympathieartikel, der die „großen Verdienste" dieses Ehrenmannes um das internationale Proletariat verherrlicht. — „Tid" führt aus: Der tschechische Terror gegen die DeDutschen zeigt eine traurige Gemütsverfassung, die deutlich beweist, daß die Fabrikation von Staaten ä !a Clemen- ceau ohne Berücksichtigung der Verschiedenheit der Nationalität und des Volkswillens keine friedlichen Zustände schassen kann. Deshalb muß man natürlich hoffen, daß der Völkerbund nicht aus falschem Schamgefühl oder aus Verlegenheit um den Acrger oder laute Proteste einzelner Mächte zu vermeiden, die Augen vor der Wirtlichkeit schließen wird.
Zur Wem Lege.
Die neue Ententekoifterettä »n London.
Louoe-u» veov. Gepeen ve^i»n ea der Lloyd
Georges die Konferenz der Alliierren. Leygues, Berthelot und der französische Botschafter in London waren zugegen. Graf Sforza, der Italien anstelle Eiolittis vertritt, wird jedoch nicht vor Sonntag eintrefsen können. Die Konferenz wird sich zuerst mit der Frage befasset., ob die Entente augenblicklich irgend eine Erklärung abgcbeir soll, die vielleicht aus die griechische Volksabstimmung bezüglich der Rückkehr Konstantins auf den griechischen Thron von Einfluß sein kann. Es verlautet, daß die Frage der Wiederaufnahme des britischen Handelsverkehrs mit Rußland und die deutsche Wiedergutmachung erschöpsend behandelt werden sollen und daß vielleicht hochwichtige Beschlüsse gefaßt werden. Das geplante Handelsabkommen mit Rußland befindet sich noch immer in Behandlung der Sachverständigen des Handelsamts, doch wird seine Fertigstellung während der allernächsten Tage erwartet. Wahrscheinlich wird es Anfang nächster Woche zur Uebermittlung nach Moskau überreicht werden. Lloyd George hat im Verlauf der Beratungen Leygues über die Bedingungen des russischen Handelsabkommens unterrichtet. Obgleich Frankreich nicht unmittelbar davon berührt wird, wird es doch für wünschenswert gehalten, daß es nicht in Wirkung tritt, bevor Frankreich die Bedingungen angesehen hat.
Parks, 27. Nov. Nach einer Havasmeldung befindet sich unter den Fragen, die in London zwischen Leygues, Sforza und Lloyd George zur Verhandlung kommen werden, auch die Frage der Volksabstimmung in Oberschlesien. Es ist wahrscheinlich, daß auch das Wiedergutmachungsproblem angeschnitten wird.
Der französische Ministerpräsident über das Abkommen von Spa und Oberschlesien.
.Paris, 25. Nov. Ministerpräsident Leygues erjcyum geflern vor dem Kammerausschuß für auswärtige Angelegenheiten und erklärte dort, daß Deutschland das Abkommen von Spa ausführe und daß die Wafscnabliefrrungen sich verstärkt haben. Ti« Prämie in Gold, die zur Besserung der Lage der Bergarbeiter Verwendung finden sollte, konnte dieser Bestimmung nicht zugesührt werden. Die Volksabstimmung in Oberschlesirn werde gegen den 5. Januar stattfinden. Strittig sei noch die Frage, ob allen außerhalb Oberschle- stenS wohnenden Oberschlesiern das Stimmrecht verliehen werden soll. Es handelt sich um 250 000 bis 300 000 Deutsche. Das könne eine große Gefahr für die Ordnung bedeuten. Die interalliierte Kommission werde demnächst ihre Entscheidung in dieser Frage treffen. — Die Ausführungen LeygueS über Oberschlesten sind geeignet, vielerorts eine falsche Meinung über die oberschlesische Abstimmung zu verbreiten. Das Stimmrecht aller außerhalb Oberschlcfiens wohnender Oberschlesicr ist durch den Friedensvertrag ausdrücklich frftgclegt. Einen Zweifel über das Stimmrecht der außerhalb Oberschlesiens wohnenden Oberschlesicr kann es überhaupt nicht geben. — Leygues erklärte, er werde den Standpunkt gegenüber der Sowjetregierung beibehaltcn, den bis jetzt die französische Politik eingenommen habe Er halte aber die Aufnahme der wirtschaftlichen Beziehungen von Person zu Person für richtig. Leygues erklärte ferner, er sei gegen eine Blockade Rußlands, die er für gefährlich und wirkungslos betrachte.
Das seitherige Ergebnis
der deutsch-polnischen Wirtschaftsoerhandlungen.
Berlin, 26. Nov. Die deutsch-polnischen Wirtjchastsverhand- lungen, die am 22. November in Paris wieder ausgenommen wurden, zeitigten nach der .Vosstschen Zeitung" bisher u. a. folgendes Ergebnis: Polen gestattet die Turchführng der deutschen Postwagen auf den Linien, die für den Transitverkehr freigegeben wurden. Jede Transitdurchfuhr ist zollfrei. Polen gewährt Deutschland das Transitrecht aus der Netze, dem Brombergrr Kanal und der Weichsel bis ->ir Nogatmündung. Deutschland unterstützt Polen durch die Lieferung von Lokomotiven und übernimmt die notwendigen Reparaturen. Deutschlaiid und Polen gewähren sich gegenseitig die Transitdurchfuhr auf bestimmt bezeichnet«:» Linien.
Griechenland und die Königssrage.
London, 26. Nov. Tie „Times" meldet, daß sich der griechische Minister Streit, nach Bern begeben habe, um dort dem griechischen Gesandten eine Erklärung des vormaligen Königs Konstantin zu überreichen, die hierauf nach Italien gesandt und dort durch den Prinzen Georg auch der französischen Regierung unterbreitet werden solle. In dieser Erklärung drücke König Konstantin seine Genugtuung über die Erklärung der neuen griechischen Regierung aus, daß sich die auswärtige Politik Griechculands nicht ändern werde. Außerdem gebe er dem Wunsche Ausdruck, engere Verteilungen zur Entente anzuknüpsen.