Ter gewaltige kreisrunde Kuppelbau war von Pro­zessor Emanuel Seidl im Anschluß an seinen antiken Stil Au einem festlichen Tempel ausgestaltet worden, der Prunk Mit künstlerischem Geschmack vereinte, und dessen Schmuck die Bedeutung der Feier, das Andenken an König Lud­wig I. und das Andenken an die Befreiungskriege in würdigster Weise zum Ausdruck brachte. Die Fürsten zogen ein unter Glockengeläuts, Posaunentöne mischten sich da­rein. Tie Fürsten und Vertreter der Freien Städte sowie die Prinzen nahmen im Halbrund auf 26 Thronsesseln Platz. Tie Gefolge und Edelknaben traten hinter fte. Tie Ehrengäste, etwa 350 an der Zahl, schlossen den Kreis und traten gegen die Mitte vor. Tem Kaiser und dem Regenten gegenüber standen der Reichskanzler und der Statthalter von Elsaß-Lothringen. Ferner sah man den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Deutschen Reichs­tags, die bayerischen Minister, die peußischen und baye­rischen Gesandten, Vertreter der bayerischen Kammer, die Erzbischöfe und Bischöfe von Bayern sowie die Spitzen der evangelischen Geistlichkeit, Ordensritter, Stadträte, hohe Militär- und Zivilbeamte.

Tiefe Stille trat ein als sich Prinzregent Ludwig Mit dem Kaiser und den Fürsten erhob und eine An­sprache hielt, in der er allen Teilnehmern freudiges Will­kommen bot.

Deutschlands Uneinigkeit und Zerrissen­heit als Ursache seines tiefen Falles, der Deutschen Vereinigung und festes Zusammenhalten als Voraussetzung ihrer Wiedererhebung, als unerläßliche Be­dingung für das Blühen und Gedeihen des großen Deut­schen Vaterlandes, das sei es, was die heutige Feier uns vor Augen führen soll. Ter Prinzregent gab von diesem Gedankengrundzug aus eine eingehende geschichtliche Darstell­ung und führte dann aus: Erreicht ist worden mit allen Opfern des Befreiungskrieges das nächste und größte Ziel des Kampfes, die Niederwerfung der Fremdherrschaft, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit und Freiheit Deutsch­lands nach außen nicht erreicht aber wurde eine po­litische Gesamtorganisation Deutschlands, wie sie zur wirk­samen Geltendmachung der deutschen Interessen im Wett­bewerb der Nationen erforderlich gewesen wäre. Ter Wie­ner Kongreß und sein Verfassungswerk, der Deutsche Bund, sind viel gescholten worden; billige Beurteilung wird aber zugeben müssen, daß eine wirklich befriedigende Lösung der deutschen Frage nach den damaligen tatsächlichen Verhält­nissen ein Ding der Unmöglichkeit war. Verhältnismäßig rasch gelang ein wesentlicher Fortschritt auf wirtschaft­lichem Gebiete, und es war König Ludwig dem Exsten beschieden, zunächst im Jahre 1827 einen bayerisch-würt- tembergischen Zollvertrag herbeizuführen und dann im Zollvereinsvertrag vom Jahre 1833 mit Preußen-Hessen entscheidend zu einer wirtschaftlichen Einigung auf breiter Basis mitzuwirken. Eine politische Einigung stand noch in weitem Felde; mehrfache Anläufe blieben erfolglos. Tie Meinungen über daswie?" gingen noch zu unversöhnlich auseinander. Es war noch ein schmerzlicher Bruderkampf notwendig, um zunächst die Frage der Vorherrschaft in Deutschland zwischen Oesterreich und Preußen auszutragen, und erst ein neuer Angriff des westlichen Nachbarn und die unter der unvergleichlichen 'Führung König Wilhelms I. und seiner Paladine erfochtenen glorreichen Siege der ver­einigten deutschen Waffen führten zum Abschluß der Ver­träge, durch die aus Nord und Süd das neue Deutsche Reich, das neue Deutsche Kaisertum entstand. Da erwies sich der nationale Gedanke, zu dessen Weckung und Erstarkung König Ludwig I. so viel beigetragen hatte, als eine Macht, die auch die letzten Hindernisse überwinden half. Tie großen nationalen Aufgaben, vor allem nach außen, aber auch im Innern wurden dem Ganzen übertragen, zugleich wurde jedoch bei dem Aufbau der Perfassung die Bedeutung der Einzelstaaten und die Erhaltung ihres Wirk­ungskreises mit weisem Bedacht berücksichtigt. Für Bayern war es der Enkel Ludwigs I., der hochgesinnte König Lud­wig II., der den Anschluß an den neuen Bund vollzog. Ter Stifter dieser Halle selbst war nur kurze Frist vorher in hohen Jahren zu seinen Vätern heimgegangen. Er sollte das Erstehen des neuen Deutschen Kaisertums nicht mehr erleben, nicht mehr seinen Wunsch erfüllt sehen, daß Straß- bnrg wieder eine Deutsche Stadt wurde. Nicht mehr war es ihm auch vergönnt, zu erleben, daß das neue Deutsche Reich und die Oesterreichisch-Ungarische Monarchie, die Ge­nossen des Freiheitskampfes von 181314, wieder zu enger Freundschaft und zu einem völkerrechtlichen Bündnis znsammengetreten sind, das seinen Bestand und seine Wirk­samkeit durch alle Stürme bewährt hat und, wie wir per­trauen, auch in alle Zukunft bewähren wird. Groß und mächtig steht das Deutsche Reich im Rate der Völker da, stets erprobt als ein Faktor der Mäßigung und des Frie­dens, stets aber auch bereit, für die Khre und Interessen des Deutschtums einzutreten, wo immer sie bedroht würden. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit aller Teile des Reichs in Freud und Leid ist immer mehr erstarkt, und wer gleichwohl im Auslande je mit der Uneinigkeit, der Eifer­sucht der Reichsglieder rechnen würde, wie dies wohl früher geschehen, würde diese Rechnung grausam enttäuscht sehen. So möchte es.denn manchem scheinen, daß der Mahnspruch König Ludwigs in dieser Halle für das heutige Geschlecht nicht mehr die gleiche ernste Bedeutung hätte, wie ehedem. Allein im Leben der Völker kann und darf es für eine Nation, die sich behaupten will, kein Ausrasten auf er­rungenen Erfolgen geben. Hier trifft noch mehr wie für den einzelnen das Wort des Dichters zu:Nur Ter ver­dient sich Freiheit, wie das Leben, Ter täglich sie erobern muß." In immer erraten Anstrengungen gilt es für

Deutschland, sich gewappnet zu halten gegen alle Gefahren, die seinen Bestand bedrohen können, die Kräfte zu stählen für alle Aufgaben, die die Entwicklung der Zeiten uns stellt. Erst die letzten Monate haben wieder erwiesen, daß das Deutsche Volk in seiner Gesamtheit auch vor großen Opfern nicht zurückscheut, wenn die Weltlage es erheischt. Hohe Pflicht und Notwendigkeit ist es aber auch heute, vor allem darüber zu wachen, daß Keime der Zwietracht und Verdrossenheit nicht überwuchern, daß unter dem Hader der Klassengegensätze, unter der Ueberspannung der Jn- teressenkämpse das Einigende, die Freude am Ganzen nicht leide. Einmütiges Arbeiten in diesem Sinne, Einsetzen des besten Könnens für das Blühen und Gedeihen der engeren und weiteren Heimat, festes Zusammenstehen zu Kaiser und Reich, das sei das Gelöbnis dieser feierlichen Stunde. Mit diesem Gelöbnis ist es zugleich ein Bekennen zu den Ge­danken und Mahnungen dieser Halle und ihres Stifters, wenn wir uns nun vereinigen zu dem freudigen Rufe:Unser großes Deutsches Vaterland, das Deutsche Reich, es lebe Hoch! Hoch! und abermals Hoch!

Das Hoch aus das Deutsche Reich wurde von allen Anwesenden ausgenommen und hallte brausend von der Kuppel wider. Posaunen, Trompeten und Körner setzten

mit schwungvollen Fanfaren ein. Ter Kaiser reichte dem Prinzregenten die Hand. Nach einem Gesangsvortrag in Begleitung eines Streichquartetts und Harmonium­klängen sowie unter Glockengeläute verließen die Bundes- sürsten paarweise, der Kaiser mit dem Prinzregenten an der Spitze, die Halle. Die ernste Feier in ihren würde­vollen Einzelheiten hinterließ bei allen Teilnehmern die weihevollste Stimmung. Tie Fürsten traten vor die Rampe der großen Freitreppe. Tie Fahnendeputationen bildeten hinter ihnen einen Halbkreis. Kinder streuten Blumen und ein Massenchor von 1800 Mitgliedern des Bayerischen Sängerbundes, begleitet von zwei Musik­kapellen trugen Beethovens HymneDie Himmel rühmen des Ewigen Ehre" vor. Während des Gesanges begannen die Glocken zu läuten, Kanonenschläge fielen und Geschütz­feuer aus zwei Batterien donnerte von hüben und drüben der Donau. In dieses Meer von Tönen klangen, wie eine unaufhaltsam schwellende Flut, die Hochrufe der Menge. Als der Zug der Fürsten unter Vorantritt der Edelknaben sich zur Banletthalle in Bewegung setzte und die Sänger, von den Militärkapellen begleitet, nunmehr dieWacht am Rhein" anstimmten, sangen alsbald alle mit. In der Banletthalle lag das historische Fremdenbuch der Besreiuugshalle, in das sich die Landesfürsten cin- trugen. Um ^2 Uhr begann die Hostafel in der Bankett­halle, die mit kostbaren Gobelins geschmückt war. Auch be­rühmte Aussätze aus dem bayerischen Kronschatz zierten die Tafel. Tie Jahreszahlen 18131913 leuchteten von den Wänden. Bei der Haupttafel saß der Prinzregent links vom Kaiser. Rechts vom Kaiser sah der König von Sachsen, sodann u. a. der Großherzog von Baden, links vom Prinzregenten der König von Württemberg, sodann u. a. der Großherzog von Hessen.

Kaiser und Prinzregeut.

Im Verläufe des Mahls erhob sich der Prinzregent und brachte folgenden Trinkspruch aus:

Unter dem Eindruck einer ernsten Gedächtnisstunde ha­ben wir die Befreiungshalle verlassen, umgeben von einer freudig gehobenen, vaterländisch bewegten Menge. Wie am Tage der Grundsteinlegung und zwanzig Jahre später am Tage der Einweihung tapfere Mitstreiter der Befreiungs­kämpfe, so haben heute stattliche Reihen der Helden, die die blutigen Werdetage des neuen Deutschen Reiches mit­erlebt und miterkämpft haben, einen Ehrenplatz auf die­sem Hügel eingenommen. Was sich um sie geschart hat, war ein Bild aus allen Lebenskreisen des deutschen Volkes. Es waren Vertreter all der Stände, die in Fleiß und Bür­gersinn für das kulturelle und wirtschaftliche Blühen Deutschlands wirken, r Mit dem reifen Alter haben sich die Knaben und Jünglinge vereint, aus deren abgehärteter Jugend die Wehrkraft des Deutschen Reiches erblüht. Daß sich solch freudige Anteilnahme weiter Volkskreise an die­ser Feier bekundet hat, erfüllt mich mit aufrichtiger Ge­nugtuung. Tie deutschen Bundesfürsten sind mit allem, was die mit ihnen durcb geheiligte Ueberlieferungen verbundenen Stämme und Völker bewegt, auf das innigste verkettet. Sie reichen gerne und mit Freuden dem wackeren deutschen Manne die Hand, der mit ihnen sich zum Schutz der heiligen Güter unseres Volkes, der von Gott gesetzten Autorität und der Liebe zum Vaterland zusammenschließt. Mit dem erhabenen Oberhaupte des Reichs, Seiner Majestät dem deutschen Kaiser an der Spitze, haben die hohen Bun­desfürsten, vereint mit den präsidierenden Herren Bürger­meistern der Freien und Hansestädte, meiner Einladung Folge leistend, sich zu dieser vaterländischen Gedächt­nisfeier eingeftlnden. Sie legen durch ihre Anwesenheit, für die ich nochmals meinen tiefgefühlten Tank aussprechc, Zeugnis ab von dem Gefühl starker Zusammengehörigkeit, das sie unter sich und mit dem Deutschen Reiche verbindet, mit dem Reich, dessen Ehre ihre Ehre, dessen Wohlfahrt ihre Sorge, dessen Aufschwung und Ansehen unter den Völkern das Ziel ihres vereinten und treuen Strebens ist. Wie sie mit den: deutschen Volk gemeinsam das Gedächtnis einer großen Vergangenheit feiern, so tragen sie mit ihm in Treuen die Sorgen der Gegenwart und teilen mit ihm die Zuversicht auf eine glückliche und gesegnete Zukunft unseres geliebten deutschen Vaterlandes. Ten deutschen Bundesfürsten und den Senaten der Freien und Hause­st übte, den Trägern alter und heiliger Rechte, den Bürgen einer starken und stetigen Entwicklung deutscher Größe und Wohlfahrt gilt mein Segenswunsch in dein Rufe: Seine Majestät Kaiser Wilhelm, die hohen Bundesfürsten, die prä­sidierenden Herren Bürgermeister der Freien und Hanse­städte leben hoch, hoch, hoch!

Darauf erwiderte der Kaiser:

Euerer Königlichen Hoheit bitte ich im Namen der deutschen Bundesfürsten und präsidierenden Bürgermeister den wärmsten Dank darbringen zu dürfen für die weihe­volle .Stunde, die wir soeben in der hehren, von Euerer Königlichen Hoheit unvergeßlichem Herrn Großvater gestifte­ten Gedächtnishalle miteinander durchlebt haben. Es war, als rauschte der eherne Flügelschlag deutscher Geschichte über uns, als Euere Königliche Hoheit inmitten dieser feier­lichen Stätte das Bild jener gewaltigen Zeiten vor unser Puge stellten, deren unvergänglicher Ruhm deutsche Herzen stets aufs neue ergreifen wird. Wo könnten wir das Wesen und die fortwirkende Bedeutung der Befreiungskriege tiefer erfassen als hier, wo der deutschesten Fürsten einer in Erz und Marmor das Gedächtnis der Heldentaten un­serer Väter aufgerichtet hat, das Gedächtnis zugleich sei­ner eigenen glühenden Vaterlandsliebe! Euere Königliche Hoheit haben in ergreifenden Worten betont, worin der Sinn der Erinnerungsfeiern liegt, die überall, wo Deutsche wohnen, in diesem Jahre begangen werden. Dem lebenden Geschlechts sollen sie die Lehren einprägen, die im Laufe unserer Geschichte mit so viel kostbarem Blut erkauft worden sind, daß unsere Stärke auf unserer Ein­tracht und Einigkeit beruht, daß es für unser Volk kein Nachlassen geben darf, wenn es seinen hohen Platz behaupten will. Tie begeisterte Teilnahme aller Kreise unseres Volkes an den Feiern dieses Jahres, die sich auch heute wieder so kraftvoll und warmherzig hier an der Do­nau bekundet, legt Zeugnis davon ab, wie tiefe Wurzeln das vaterländische Empfinden geschlagen hat, wie innig sich das deutsche Volk mit seinen Fürsten verbunden fühlt. Euere Königliche Hoheit haben durch die Anregung der Zusammen­kunft der Deutschen Bundesfürsten und der Vertreter der Freien und Hansestädte in der Befreiungshalle die heutige Feier zu einem erhebenden Feste ganz Deutschlands ge­staltet, so wie es Wem Sinne dessen entspricht, der dies Denkmal dem deutschen Volke, dem Bgyernlande und de/n Hause Wittelsbach zum Ruhme erbaut hat. Mit herzlicher Dankbarkeit für Euere Königliche Hoheit werden wir alle dieses erhebenden Tages stets gedenken. Wir bitten zu Gott, er möge Euerer Königlichen Hoheit noch viele segensreiche

Tage schenken zum Wohle Bayerns und des Deutschen Va- terlandes: Diesem Gedanken bitte ich Ausdruck zu gebe« in dem Rufe: Seine Königliche Hoheit der Prinzregent Ludwig das erlauchte Haus Wittelsbach und das schöne Bayernland leben hoch, hoch, hoch!

Um 3/4/1 Uhr nachmittags fuhren der Kaiser und der Prinzregeut nach dem Bahnhof. In den Sonberzug war inzwischen ein Hofwagen des Prinzregenten eingefügk worden

Deutsches Reich.

Die Bolkspartei auf dem Lande.

Tie Veröffentlichungen des Kaiserlichen Statistischen Amtes, die auch die Frage behandelt haben, wie sich dje einzelnen Parteien auf Stadt und Land verteilen, geben zahlenmäßigen Ausschluß über das Vordringen der VolksPartei aus das Land. Unter den anderthalb Millionen Wählern, die die Fortschrittliche Volkspartei bei den Reichstagswatzlen des Jahres 1912 auf ihre Kandi­daten vereinigte, waren nicht weniger als 427 739, die in Ortschaften mit weniger als 2000 Einwohnern beheimatet waren. Viele Landwirte stecken auch noch in den 269968 Wählern aus Ortschaften mit 2000 biss 10000 Einwohnern, sodaß mindestens der dritte Teil aller volkspar­teilichen Wähler sich aus der Landwirtschaft rekrutiert. Zieht man nur die Bundesstaaten und Landes­teile in Betracht, wo die Fortschrittliche Bolkspartei wirk­lich eine nennenswerte Agitation betrieben hat, so er­geben sich auch für das platte Land höchst erfreuliche Zif­fern. An der Spitze steht hier das Fürstentum Lippe-Tet- mold, wo 47,3 Prozent aller Wähler aus Ortschaften mit wemger als 2000 Einwohnern fortschrittlich gewählt haben. Hervorragende Ergebnisse bieten Noch u. a. Schleswig-Hol­stein (25,8 Prozent), das Großherzogtum Oldenburg (25 Prozent), das Herzogtum Sachsen-Meiningen (28,4 Pro­zent), das Fürstentum Reuß ä. L. (29,1 Prozent), das! Fürstentum Schaumburg-Lippe (27,9 Prozent). In allen diesen 'Gebieten hätte also die Fortschrittliche Bolkspartei mehr als den fünften Teil der Wähler des platten Landes für sich gewonnen.

Die Staatseisenbahnen zur Trinkgeldfrage.

Das nationale Kartell der Deutschen Gasthausange­stellten hat an die Generaldirektionen aller deutschen Staatsbahnen Eingaben gemacht, in denen daraus hinge­wiesen wurde, daß alle Staatsbetriebe in sozialer Bezieh­ung Musterbetriebe lein müssen, daß aber dem Trinkgeld- nnwesen jede soziale und wirtschaftliche Berechtigung fehlt, und es daher der Würde eines staatlichen Betriebes nW entspricht. In Betrieben, die im Bereiche der staatlichen Verwaltung und Beaufsichtigung liegen, dürfte eine Ent­lohnung des Personals durch Trinkgeld, das als milde Gabe, als Almosen gewährt wird, überhaupt nicht Vor­kommen. Hier ser für den Staat die beste Gelegenheit gegeben, sozial und wirtschaftlich fördernd für eine zahl­reiche Klasse von Arbeitnehmern zu wirken. Es wird da­ran erinnert, daß bereits zahlreiche Betriebe, besonders die christlichen Hospitze, die heute schon zu den besten Hotelbeirieben gehören, das Trinkgeld abgeschafft und da­für direkte Zahlung für Bedienung eingefühtt haben. Die Beseitigung des Trinkgeldunwesens im Bereiche des Eisenbahnbetriebs würde in hohem Maße anregend und fördernd auf alle Privatunternehmungen einwirken, da die Macht des guten Beispiels sich auch hier nicht ver­kennen oder bestreiten lasse.

Aus diese Eingaben wurde von der Generaldirektiow der Württ. Eisenbahn geantwortet:Nach 'unseren Pacht- bedingnngen für Bahuhofwirtschasten, ist der Pächter ver­pflichtet, sein Personal ausreichend zu entlohnen, das Personal darf keineswegs nur auf den Bezug von Trink­geldern angewiesen sein."

Aehnlich schreibt die Generaldirektion der Sachs. Staatseisenbahn. Die Kaiserl. Generaldirektion in El­saß-Lothringen schreibt:Wir haben von dem Inhalt Ihrer Eingabe Kenntnis genommen, glauben aber die Darin enthaltenen, beachtenswerten Anregungen kaum wesentlich fördern zu können. Solange das Trinkgeldgeben als eine weitverbreitete Sitte besteht, würde auch die ausreichende Entlohnung der Angestellten in einzelnen wenigen Geschäftsbetrieben an der Sitte kaum etwas zu nn- vern vermögen. Es würde voraussichtlich nur der iEv- Mg herbeigesührt, daß das Trinkgeldgeben und -nehmen fortbesteht, während der Ertrag der Bahnhofwirtschasten vermindert wird."

Aus diesen Antworten ist ersichtlich, daß die Tisen- bahnverwaltungen vorläufig nicht geneigt sind, eine Aen- derung eintreten zu lassen. Eine vor kurzem in Stuttgart abgehaltene Versammlung des Deutschen Mellnerbundes und des Genfer Verbandes faßte daher folgende Resolu- lution:Der Internationale Genfer Verband und dev Deutsche Kellnerbund U.G. beschlossen in ihrer im Hotel Frank stattgesundenen gemeinschaftlichen Versammlung, daß es unbedingt erforderlich ist, daß an Stelle des un­würdigen Trinkgeldes eine dem Stande angemessene Ent­lohnung zu treten habe."

Die scharfe Anwendung der französischen Zollgesetze.

Ans Parrs wird berichtet: Ueber die scharfe An­wendung des französischen Zollgesetzes von 1892 iverden in Deutschland seit einiger Zeit schwere Klagen geführt, die auch zu einer lebhaften Korrespondenz zwischen der deutschen und der französischen Regierung geführt haben. Dieser Artikel verbietet bei der Einfuhr die Anwendung von Warenzeichen, aus denen das Ursprungsland nicht deutlich hervorgeht oder die gar Frankreich als Her­stellungsland Vortäuschen. DerTemps" behauptet nnn daß die scharfe Anwendung dieses Artikels zum Schutz der frcmzösirchen Volkswirtschaft unbedingt geboten sw und daß sie dem deutschen Handel nicht im geringsten geschadet habe. Während 1901 die 310 Millionen Francs betragende deutsche Einfuhr in Frankreich hinter der fran­zösischen Einfuhr nach Deutschland zurückblieb', führte 1912 Deutschland für 862 Millionen Francs Waren itz Frankreich ein und übertraf damit die französische Aus-' fuhr um 162 Millionen Francs. Trotzdem muß der