Zeichen der Zeit.

Die Stadt Därmen hatte zu Geboten ans acht Mil­lionen Mark nene 4proz. Stadtanleihe aufgefordert. Tis eingelaufenen Offerten waren aber so niedrig, daß die Stadt vorzog, die Emission der Anleihe bis zu einem geeigneteren Zeitpunkt zu verschieben. Inzwischen hat auch der lvürt- tembergische Staat sich zu einer neuen 4prozentigen Anleihe entschließen müssen, wofür das Bankenkonsortium nur 96,60 Prozent fordert gegenüber 101,60 Prozent im Januar 1912; also volle 5 Prozent niedriger als vor H/s Jahren!

Wie sehr dieses ständige Kursabbröckeln volkswirtschaft­lich auf andere erstklassige Obligationen zurückwirkt, geht aus einer Notiz hervor, welche die Württembergische . Hy­pothekenbank in Stuttgart bekannt gibt, wonach sie der Ab­schluß eines neuen 4prozentigen württembergischen Staats- anlehens zu ihrem Bedauern zwinge, den Ausgabekurs der 4prozcntt'gcn bis 1923 unkündbaren Pfandbriefe bis auf wei­teres aus 96,50 Prozent zu ermäßigen. Aehnliches werden wir auch von anderen Pfandbriefinstituten zu lesen bekom­men, da immer ein Keil den anderen treibt. Eine bessere Illustration über die derzeitige trostlose Lage des einhei­mischen Geldmarktes läßt sich nicht geben. Solange eine solche Geldknappheit bei uns herrscht, sollten fremdlän­dische Papiere in Deutschland einfach nicht zugelassen werden.

TieFrankfurter Zeitung" schreibt zur heutigen Si­tuation :

Aus etwa zwei Milliarden Mark sind die seit A n - fang dieses Jahres eingetretenen V er lu sie allein auf dem Berliner Kurszettel zu berechnen. Bedenkt man, daß Ha­mit erst ein allerdings erheblicher Teil des deutschen Effek- tenbesitzes erfaßt ist, und daß aus den ausländischen Börsen gerade auch für die in Deutschland interessierenden Papiere die empfindlichsten Verluste zu verzeichnen waren, so bekommt man einen Begriff von den starken Bermögenseinbußen, von denen kaum ein Kapitalist verschont geblieben ist, gleichgültig, lob er an preußischen Konsols oder an Shares interessiert ist. Wenn auch diese Vorgänge mehr auf dem Papier stehen, hof­fentlich nur vorübergehend sind und vor allem das Einkom­men teilweise nnberührt lassen, so dürften in doppelter Hin­sicht praktische Nachteile bald zu fühlen sein: die Ausgaben für Luxus zwecke werden eingeschränkt werden und das Ergebnis der Wehr sie uer wird möglicherweise stark ent­täuschen.

Geradezu erschreckend ist es, wenn man die Kursent­wicklung dermündelsicheren" Zi/yproz. deutschen Staats- Papiere der letzten Jahre verfolgt. So betrug der Kurswert derselbe» im Durchschnitt: in 1909: 951/2 Proz., 1910: 941/2 Proz., 1911: 93VZ Proz., 1912: 87 Proz. und 1913: 84 Proz.! Eine baldige Besserung ist leider kaum für dir nächste Zeit in Aussicht zu nehmen; wenigstens nicht solange als der Reichsbankdarlehenszinsfuß 7 Proz. beträgt. Ten Militärschwärmern, die am liebsten die ganze Nation mor­gens mit dem Schießprügel antreten und abends mit dem Seitengewehr zu Bett gehen lassen möchten, sollten vor­stehende Ziffern zu denken geben. Wir unsererseits .vermei­nen, daß durch die Annahme der letzten Militärvorlage für die wahren Vaterlandsfreunde die großen Bewilligungen da- !Mit zum Abschlüsse gekommen sein müssen, sollen wir nicht alle schließlich am finanziellen Elende zugrunde gehen Müssen. (B.)

Deutsches Reich.

Das deutsche Turnfest in Leipzig.

Einer Plauderei derFrkf. Ztg." entnehmen wir fol­gende Ausführungen:

Dieses 12. Deutsche Turnfest wird, so sagt man, vielleicht das letzte seiner Art, das letzte von solchen Maßen sein. In seiner Größe kann es nicht mehr übertrvffen werden: die Massen fr e iüb un gen haben bei einer gleichzeitigen Beteiligung von über l7000Turnern dje Grenze des Möglichen erreicht, und Festzüge werden ein Unsinn und eine' Plage, wenn sie länger als vier, fünf Stunden dauern. Man kann sich kaum eine Vorstellung, vom Freiiibungsturn- platz machen, wenn ich sage, er hat beinahe 55 000 Quadrat­meter Flächeninhalt; das neue Berliner Stadion ginge drei­mal hinein: damit hat man vielleicht eher ein Bild von der unendlich freien Weite dieser glatten K-läche gelben Sandes. Unterm weißblanen Sonnenhimmel nichts riss sie und, völlig sie umschließend, das Riesenrechteck der gelben .Holztribünen, Und Fahnen und Wimpel, Wimpel und Fahnen. Die Fahnen, blaugelb, grünweiß. in den deutschen Farben und denen^aller Nationen, wo es deutsche Turnvereine gibt, stehen straff im

stet sein Nordwest, ürS Wimpdk zwischen ihnen m den Turner­farben, Rot und Weiß, züngeln und knallen, aber ihr "Knattern wird über tön r von der markig Hellen Stimme eines siebennnd- achtzigjährigen Greises. Greis? Da stand er (bei der Ouver­türe des Turnfestes am Samstag) auf der hohe» Redner­tribüne im Freien, das Silberhaar, die hohe Stirne und der weiße Bart schimmerten fernhin in der Abendsonne, nnt heftigen! Hände- und Armezucken schien er die Worte ans der srischströnrenden Luft zu greifen, und seine Stimme drang den tausend Turnern um ihn stark Md klar in Ohr und Herz. Dieser rüstige Mann im biblischen Mer, Dr. Ferdinand Gootz, der Leiter der deutschen Turnerschaft, stellt in seiner Person, man verzeihe den Ausdruck die beste Reklame für dis Turnerer und ihren gesundheitlichen Segen dar.

Der Turner ist ein fleißiger Mann, und selbst während die Festzüge den Freiübungsplatz umzogen, ließen sich ein paar tau­send Wett-Turner dort nicht stören, kämpften gm Nasenlängen im Wettlauf, spielten Fußball und stritten auch in den stilleren schattenkühlen Turnzelten um die^Höchstzahl Punkte. Hier hört man oft nichts als das metallene Klingen der Mannesmann- Rohre, die viele statt des BambnS beim Stabweitspringen be­nutzen. Ein Hochsprung von 1,dS Meter ist bei den Kennern das Gespräch des Tages. "Das Ergebnis des Tages aber, und wirklich ein Ereignis, tvaren "die allgemeinen Festfrer- übungen der 17000 Turner, rhythmische Massenübungen nach dem Takt der Musik. In Frankfurt vor fünf Jahren haben nur" 8000 Turner an diesen Uebungen teilgenommen; jetzt also über doppelt so viele, und nicht, wie damals, bunt nach Gefallen gekleidet, sondern die ganzen siebzehntausend in Gleichtxacht: weißer Anzug, schwarzer Gürtel, schwarze Schuhe. Der sächsische König ist in der Log« erschienen, und gegenüber in der Ferne beginnt der Aufmarsch. Fahnen wieder, aus Staubwolken auftauchend, und- die weißen Massen dahinter. Der Staub hüllt die marschierenden Beine fast wie in graue Klridröcke ein, aber an 34 000 schwarzen Schuhen erkennt man den gleichen Schritt und Tritt. Nur daß diese Gesichtswellen schneller das Auge erreichen als die Töne der fernen Musik das Ohr.

Nun stehen in einer Reihe von zweihundert Metern Länge dis vierhundert ältesten Fahnen der Turnerschaft und in sechs­undzwanzigSäulen" dahinter die Turner-Tausende. Hoch über der Königsloge schwenkt der Hauptfestturnwart Witz- gakl die weiße Flagge, die Fahnen heben sich, und die sreb- zehntausend marschieren vorwärts. Es ist, als setzte sich der Erdboden selbst in Belegung und löse sich in lauter Mar­schierende auf: das deutsche Volk, die Welt scheint heran­zumarschieren. Je vier Turner haben sich üntergefaßt: so er­hält dies Marschieren etwas Brüderliches und vermeidet den Eindruck des bloß Militärischen. Ein neues Flaggenkommando, die Siebzehntausend treten auseinander und stehen nun so peinlich genau verieilt wie weiße Stifte auf einem.unendlichen Schachbrett. Die Arme heben sich wie ein einziges Blitzleuchten, und bei jeder Bewegung geht ein Rauschen übers ganze Feld. Nun ^scheint das Ganze wirklich ein Aehrenfeld, nun, beim Schwingen der Arme, ein weißwogendes Meer, rmd als jetzt die Rücken sich beugen, eine schneeüberdeckte Ebene zu sein. Ein phantastisches Kunstwerk strengsten Stiles, wird diese über­wältigende Leistung turnerischer Körperzucht eine unvergeßliche Erinnerung des zwölften "Deutschen Turnfestes bleiben.

Und dann die kleinen Mädchen . . ." Zwölfhundert Tur­nerinnen Leipzigs marschierten anmutig auf und machten auf ihre Art auch sehr artige Hebungen. Aber, zum Schmerze der Frauenrechtlerinnen aller Richtungen muß es gesagt wer­den: Ri'cltung halten konnten die Turnerinnen nicht, und der RnsVordermann!" klang energisch sogar auS dem Publikum der Tribünen. Und das, obwohl 17 000 rote Me­tallplatten im Erdboden diese schwierige Aufgabe auch den Damen einigermaßen erleichterten. Sie schienen indes lieber nach der Königstribüne zu schauen ...

_ * _

Berlin, 15. Juli. Am 11. Juli vollendete der Ge­neraldirektor der bekannten, ältesten Annoncen-Expedition Haasenstein u. Vogler AG-, Herr Sigismund Richter, sein 50. Lebensjahr. Ter Aufsichtsrat der Gesellschaft, Be­hörden und Korporationen, denen Herr Richter angehört, u. a. die Aeltesten der Kaufmannschaft, der Hanfabund, die Vereinigung königlicher Handelsrichter, der Verein Ber­liner Kaufleute und Industriellen, der Verband deutscher Annoncen-Expeditionen brachten ihm bei dieser Gelegenheit ihre Glückwünsche dar. Zahlreiche Depeschen und Glück­wunschschreiben gaben Zeugnis von der großen Wertschätzung, deren sich Herr Direktor Richter in den weitesten Kreisen erfreut. Tic Angestellten der deutschen Häuser der Haasen­stein u. Vogler AG. überreichten bei dieser Gelegenheit dem Jubilar eine im artistischen Bureau der Firma künstlerisch hergestellie Adresse. Auch die Wiener Firma Haasenstein u. Vogler AG. und die Allgemeine Plakat-Gesellschaft in Genf hatten schön ausgeführte Adressen gesandt.

Berliner Handwerkerkonferenz. lieber bas Ergebnis der zweitägigen Handwerkerkonferenz im Reichsamt des Innern berichten die dazu hinzugezogenen 7 Vertreter des

öSntschein Handwerks ihren Korporationen. Man erfährt dadurch zum "erstenmal", was auf der Handwerkerkonferenz sächlich ent­schieden worden ist. lieber die 3 Hauptgesichtspunkte, die zur Beratung stehen, kam man zu folgenden Ergebnissen: 1. Der vielnmstrittene Z 100Z der Reichsgewerbeordnrmg soll geän­dert ioerden. "Der Name Zwangsinnung soll inPflichtinnung" urngewandelt werden. 2. Die Streitigkeiten über die Abgrenzung von Fabrik und Handwerk müssen einem Schiedsgericht un­terbreitet werden. 3. "Der Antrag der Handwerkskammern, die' Meisterprüfung von der Zurücklogung des 24. Lebensjahres abhängig 'izn machen, wurde von den Vertretern der verbündeten Regierungen abgelehnt. Es soll bei dem jetzigen Zustand blei­ben. Ms diese Aenderungen sollen als Novelle zur Gewerbe­ordnung veröffentlicht werden. ;

Deutscher Vankbeamten-Berein E. B. Auf Veranlassung i des Zweigvereins Frankfurt a. M. fanden sich am Sonntag, l den 13. Juli 1913, in Heidelberg die Vertreter der südwestdeutschen ! Zweigvereine und Ortsgruppen zusammen' und beschlossen, einen ! Gau Süddeutschland' zu bilden, dem dis Landesteile Hessen- Nassau, Hessen, Baden, Württemberg, Elsaß-Lothringen und die Pfalz angehörsn sollen. "Der Tagung, die einen sehr angereg­ten'Verlaus nahm, wohnte auch der geschäftsführende Vorsitzende des Gesamtverems, Herr Max Fürstenberg, Berlin, bei, welcher über die nächsten Ausgaben der Organisation! sprach Und mit seinen Ausführungen lebhafte Zustimmung fand. In Pen Vor- ! stand "wurden gewählt als Gauvorsteher Wendel, Schriftführer Decker, Kassierer Göbel-Frankfurt a. M. und als Beisitzer Brill- ! Darmstadt, Hertzig-Straßburg, Krauß-Stuttgart, Ullrich- ' Mannheim. Die Geschäftsstelle des Gaues befindet sich "in Frank- ! fnrt cr. M., Kronprinzenstr. 7.

Ausland.

Der Streit nm Mazedonien.

Der Vormarsch der Türkei.

Der WienerNeuen Freien Presse" wird von besonderer Seite gemeldet, daß t>je türkische Armee die Orte Bnnar-His- sar, Lnle -Bnrgas und Wisa besetzt und den V 0 rma r,s ch a 11 s. K i r k i'l i"s s e fortgesetzt hat. Demselben Blatte wird aus Kcnstautinopel vön besonderer Seite gemeldet, daß die Türkei be­reits in den allernächsten Tagen den endgültigen Frieden mit Serbien nno Griechenland unterzeichnen' dürfte.

Weiter wird aus -Paris berichtet, die französische Re­gierung habe ihren Botschafter in K 0 n sta n t i n 0 p e l ange- wiesen, die Pforte darauf aufmerksam zu machen, daß die Mächte eins Aenderimg des Londoner Friedensvertrags nicht dul­den werden und der Türkei anraten, ihre Truppen ans die Linie Enos-Midia zuiückzuziehen.

Ein Kamps der Griechen.

Das griechische Kriegsministerium veröffentlicht folgenden Bericht: Ein lebhafter Kampf entspann sich am Dienstag ans unserem äußersten rechten Flügel in her Richtung auf Pam- bteria ans "der Strecke Serres-Uerontis in der Gegend vsn Nevre- knpi Der Kamps begann am Morgen und endete nm 8 Uhr abends mit der vollkommenen Niederlage des Feindes, der die genannte Stellung Serteidigte. Der Feind, Her über zahl­reiche Kräfte verfügte, verteidigte heftig mit Artillerie die befestig­ten Stellungen, aus denen ihn die griechischen Truppen am abend vertrieben. Die Kompagnien vertrieben durch Bajonettangriffe unter Gesang ein ganzes bulgarisches Bataillon von den befestigten Höhen. Die feindlichen Verluste waren beträchtlich. Die bei Drama geschlagenen bulgarischen Truppen rückten' gegen die Bergkette von Mokrn vor. Von dort marschierten .sie unter Zurücklassung von Waffen und Munition zur bulgarischen Grenze. Nach "den jüngsten amtlichen Meldungen überlebten von 3000 Einwohnern von Doksai nur 120 das Massakre.

Rumänischer Vormarsch auf Sofia.

Eine zweihundertiausenö Mann starke rumänische Armee ist bei"«ilistria und Döbrogea einmarschiert. Der Rest von dreie yuü0ertl«usen"o "Mann überschreitet die Donau auf "Len jetzt fertiggcstcllien'Brücken. Eine Brücke befindet sich wahrscheinlich her Rnstschuk, die anders bei Kor ab ich (nordwestlich Von Plewna. Es scheint ernstlich in Aussicht genommen zu sein, aus "der Gegend von Rnstschuk bis Korabia auf Sofia zu marschieren, das man in vier bis fünf "Tagen zu erreichen hofft.

In Uesküb nehmen die Cholera fälle zu. Die große Hitze begünstig, die Epidemie. Das bulgarische Kabinett Dane w hat seine Demission überreicht.

Mexiko

könnte Am Herbst dieses Jahres das hundertjährige Jubi­läum seiner Unabhängigkeit Pom Mutterlands feiern, denn am 6. November 1813 wurde in Chilpango die Unabhängig­keit von Spanien erklärt. Tie gegenwärtigen Zustände Me­xikos aber bringen es mit sich, daß das unglückliche Land nicht an dieses glorreiche Ereignis der Vergangenheit den- ken kann, da es hilflos der Gegenwart gegenübersteht. Tat-

Leben.

Roman von George Tellavoß.

sNachdrnck verboten.)

Ein lautes Gelächter der 'Umstehenden antwortete. Blaß, mit verkniffenen Lippen stand die Deputation da einen Augenblick lang sah man die Herren eifrig miteinan­der flüstern, mit scheuen Seitenblicken nach Robert Ver­mont hinüber, der ärgerlich aussah und nervös seinen Schnurrbart drehte dann zogen sie sich langsam zurück, begleitet von dem spöttischen Gelächter, das noch immer nicht verstummt war. Ta schmetterte ein greller Trom­petenstoß durch den Garten, so daß alles sich unwillkürlich umdrehte.

Ein langer Zug Männer marschierte auf immer vier Und vier in einer Reihe er wand sich wie eine bunt­farbige Schlange zwischen den Büschen hervor denn je­der trug eine breite Schärpe in leuchtenden Farben weiß, blau und rot der an der Spitze Gehende trug ein ungeheures Bukett, aus Blumen in den gleichen Far­ben gefügt. Das Gelächter verstummte plötzlich, erstaunte

"verblüffte Gesichter schauten einander an, und mit 'unbehaglichem Gefühl wich man zurück, so daß der Platz vor dem Brautpaare von selbst ganz leer wurde.

Erich war sehr blaß geworden. Er schüttelte init einer Ungeduldigen Bewegung die Hand seines Schwiegervaters, die seinen Arm beschwichtigend erfaßt hatte, ab und ließ Franzis- Hand aus der seinen gleiten. Allein und hoch- aufgerichtet trat er den Arbeitern gegenüber auf seinen Wink nahm ein herbeigeeilter cTiener den Riesenstrauß sei­nem Träger ab und ehe der Sprecher noch den Mund öffnen konnte, rief Erich, mit hallender Stimme znr Mirfik- kapelle hinüber:Tie Wacht am Rhein!"

Ein Beifallssturm antwortete ihm. Und als die Musik einsetzte, stimmten alle begeistert mit ein in brausenden Klängt zog das alte Trutzlied über den Garten hin.

Es widerhallte von den weißen Wänden der Villa, wanderte Wetter in den Park hinein, es war, als wenn die stolzen Bäume zustimmend ihre Wipfel neigten und mit ihren grünen Blättern Beifall raunten. Mer dann tat sich das Dickicht auf dornige Stauden breiteten ihre Arme aus kletternde Ranken und Schmarotzerpflanzen umklammerten und erstickten die Weise. Und im faulen Wasser des Sumpfes im giftigen Hauch seiner Blüten, in Schlamm und Moder starben und versanken die letzten Töne.

Viertes Kapitel.

Tic Neuhauser Gesellschaft kehrte nicht so heiter heim, als sie ansgefahren war.

Trotz des augenblicklichen Aufschwunges hatte die Fest- stimmung einen unheilbaren Riß erlitten. Vermonts ener­gischem Tazwifchentreten war es wohl gelungen, die gereiz­ten Arbeiter zum ruhigen Abzug nach ihrem eigenen Fest­platz zu bewegen, wo sie bei reichlichen Getränken und den Klängen nationaler Musik die mißglückte Demonstration vergessen oder weiter besprechen konnten. Aber die Heiter­keit oes Abends war dahin. Man drängte sich um Erich, uni ihn zu beglückwünschen, man machte seiner Entrüstung in lebhaften Worten Luft, aber man sah sich auch zugleich nach seiner Garderobe um, und wer im Wagen gekommen war, der ließ mehr öder weniger heimlich das Anspannen anordnen. Und wie König Etzels Fest, so war auch das Aermonrsche im Leide geendet.

Georg wäre noch gerne dageblieben, um mit EriL den Vorfall zu besprechen, aber Hedwig drängte zur Rückfahrt. Sie war in übelster Laune und bezwang nur mit Mühe das Verlangen die Ursache sofort zu erörtern. Sie hatte im Kreise ihrer Bekannten auf glühenden Kohlen gesessen hundert hämische oder neugierige Fragen mußte sie über sich ergehen lassen, bis zur Raserei aufgestachelt durch das Gefühl der eigenen Hilflosigkeit diesen unbarmherzigen Zungen Zund Augen gegenüber.

Aber auch die gleichmütige Frieda war verstimmt und erklärte ganz offenherzig, daß es ihr immer so erginge, wenn sie in unmittelbarem Kontakt mit so sehr reichen Leu­ten käme.

Es ist kein Neid," sagte sie,ich gönne es ihnen vielleicht würde ich mich an ihrer Stelle nicht einmal Wohl fühlen. Aber es macht mich traurig zu sehen, wie das Leben für manche Menschen so leicht und mühelos ist, so lauter Sonnenschein, während andere sich ihr Leben lang im Schatten abquälen müssen. Unsere Mutter war eine begabte, kluge Frau voll Verständnis und Schönheitsdurst nick» mußte ihr Leben im alltäglichen Vnerlei verbringen, immer im Kamps mit den kleinlichsten Sorgen."

Zuletzt wurde es ja etwas besser!" meinte da Anne­marie.

Was hat Mutter davon gehabt?" fragte Frieda er­bittert.Sie war schon stumpf und zermürbt von der Mühe, die Ausgaben und den kleinen Gehalt in Einklang zu bringen. Und was blieb nach dem Tode des Vaters für

uns? Ich muß die schmutzigen Kinder in einer Vorstadt- Volksschule unterrichten, Tag für Tag für einen schä­bigen Gehalt mit dem man nicht das Spitzenkleid von Franzi Vermont bezahlen könnte!"

Georg hatte aufs höchste erstaunt diesen Worten gelauscht. Dicht neben ihm saß Annemarie, noch in dem gestickten weißen Kleide, unter dem die Zeide knisterte, ihre gepfleg­ten schmalen Finger tändelten mit ein paar Rosen- und die kostbaren Ringe daran funkelten im Lampenlicht. All der Luxus, der ihm an Hr so gefiel, der so zu Hr zu gehören schien woher stammte er?

Tie Frage fühlte er in seinem Kopf hämmern, hundert­mal wiederholt bis zum Aufschreien. Abwesend hörte er Hedwigs Vorwürfe an, die losbrachen, sobald sie allein wa­ren. Alle waren über sie hergefallen, mit Fragen und Er­kundigungen über ihre Mieterinnen und tausend Sti­chelreden über die schöne Annemarie pnd die Ritterdienste Georgs die langverschluckte Wut mußte endlich heraus und durchgellte den Raum, bis die Kinder nebenan erschrok- kken und weinend erwachten. Während Hedwig sie zu be­ruhigen eilte, verließ Georg das Schlafzimmer und riegelte die Tür seines eigenen Zimmers hinter sich zu. Er hatte oft genug auf dem breiten Divan geschlafen als die Kinder geboren wurden oder krank waren oder nach einer Szene wie der heutigen.

Angekleidet streckte er sich aus und versuchte, die bren­nenden Augen zu schließen aber kein Schlaf wollte kommen, um für kurze Zeit die grausame Frage verstummen zu machen, die ihn marterte. Er hatte zuviel gesehen und gehört, um sich blind stellen zu können. In einer Garnison war eine Generalstochter gewesen, von der man sich leise die unerhörtesten Tinge erzählte und doch um ihres Vater- Willen grüßen und behandeln mußte, wie ein anständiges Mädchen aus gutem Hause. Ta war doch wozu sollte er diesen Schlamm weiter aufrühren? Sprach nicht die Tatsache für sich, daß die eine Schwester ihr Leben genoß, während die andere in einem mühseligen Berufe ihre 2u- gerldfrische schwinden sehen mußte?

(Fortsetzung folgt.)

Mark Twain wurde von einem Besucher gebeten, ein Urteil über dessen eben erschienenes Buch abzugeben. Bitte, sagen Sie mir freimütig Ihre Meinung," sagte der Besucher.Nein," winkte Mark Twain ab,wir wollen dock Freunde bleiben."