Bulgarien

am Rande des Abgrundes.

Di« Göttin der Geschichte, die man früher abbildete, wie sie mit schwerem Griffel in harten Marmelstein ihre Runen gräbt, hat die Züge unserer Zeit angenommen. Sie fährt im rasenden Tempo einer sturmgetriebenen Flugma­schine über die Länder, und die flüchtigsten, schnellsten Schrift- Zeichen können kaum der Fülle der Ereignisse folgen. An­stelle ruhiger, überschauender Betrachtung der Zeitereignisse tritt die verwirrende Fülle telegraphischer Nachrichten, die sich zu jagen und zu überholen scheinen und die großen Zeitereignisse einem Piesenfilm ähnlich machen, bei dem die tollsten Überraschungen und unmöglichsten Sprünge blitz­schnell aufeinanderfolgen.

Staunend haben wir noch vor wenigen Monaten den Siegeszug der bulgarischen Truppen gegen die Heere des Sultans verfolgt, und wenn man auch auf Grund der Schilderungen der beispiellosen Verwirrung im türkischen Lager sagen konnte, daß die Sieger auf einen minderwerti­gen Feind gestoßen seien, so hat doch die Einnahme von Adrianopcl und der Vormarsch bis vor die Tore des alten Byzanz den Eindruck erweckt, als seien die Träume von einem Groß-Bulgarien als Haupterben der Türkenmacht der Verwirklichung nahe. Und jetzt: der tiefe, donnernde Fall! Noch wissen wir nicht genau, was in Sofia vor­geht, aber die Wiener Matter, die noch vor kurzem die bulgarischen Farben hoch gehalten haben, deuten die schwär­zesten Möglichkeiten an: Bürgerkrieg, Rebellion, schwere Er­krankung. des Zaren Ferdinand, kurz das Chaos, während draußen von allen Seiten die Gegner anstürmen. Hier die siegreichen Griechen, dort die Serben und Montenegriner, dazu die Rumänen, deren ungeschwächte Heereskrast allein ausreichen würde, die ganze Balkanbrüderschaft zusammen­zuschlagen, und als vierter im Bunde die Türkei, die in der schnellen Wendung der Tinge wieder Oberwasser spürt und sich anschickt, ihre Ansprüche bei der Neugestaltung der Tinge durch Vermehrung des Durcheinanders zu sichern..

Man hat die Bulgaren früher diePreußen des Bal­kans" genannt. Aber diese Preußen, wenn sie schon diesen Namen verdienen sollten, haben jedenfalls keinen Friedrich den Großen, der dem Ansturm einer Welt standhält. Die Politik die von Bulgarien in den letzten Wochen betrieben worden ist, wird durch die.neuen Meldungen immer unbe­greiflicher. Tanew, der ^ie Verantwortung für das Un­glück seines Vaterlandes trägt, hat erklärt, daß cs die Armee gewesen sei, die ohne Weisung zum Angriff geschritten sei und der General Sawvw wurde deshalb als Sündcnbock in die Wüste geschickt. Nun wird aber von einem geflüchteten bulgarischen Offizier berichtet, daß bei den Trup­pen der zweite Balkankrieg geradezu verhaßt sei, und daß eine Anzahl bulgarischer Offiziere von den Mannschaften getütet worden sei, um die Einstellung der Feind­seligkeiten zu erzwingen. Aehnliche Berichte sind seinerzeit von serbischer Seite gekommen, .fanden aber da­mals keinen Glauben. Wenn sie zutreffen, dann ist es vol­lends rätselhaft, wie Tanew sein erschöpftes, todmattes, aus­gepumptes Volk zum Krieg mit den bisherigen Bundesge­nossen treiben konnte. Vielleicht wird die spätere Geschichts­schreibung in der Lage sein, den dunklen Hintergrund dieser Ereignisse aufzuklären, und die Rolle zu beleuchten, die Rußland in dieser ganzen Angelegenheit gespielt hat.

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Rebellion im bulgarischen Heer?

G cm f, 14. Juli. Ein hierher geflüchteter bulgarischer Offizier, der den vom General Kowatschew befehlig?« Truppen angehört? und während des erste» Balkankrieges wie­derholt ausgezeichnet wurde, sagte einem Korrespondenten, er habe den Kriegsschauplatz verlassen müssen, um den Drohungen und Beschimpfungen seiner eigenen Soldaten zu ent­gehen und der Gefahr, von ihnen getötet zu werden. Meh­rere bst: i'g arische Offiziere habe dieses Schicksal er­eilt; üe seien von ihren eigenen Mannschaften getötet wor­den. Die Truppen, bei denen der zweite Balkankrieg geradezu verhaßt, jedenfalls unpopulär sei, wollen durch der­artige Maßregeln, dem Bericht meines Gewährsmannes zufolge «inen Druck au, die Regierung ausüben zur Einstellung der Fcindstligkeiten und zu ihrer Entlassung. Alle Nachrichten über derartige Gewaltakte und Kundgebungen würden von der Zen­sur natürlich unterdrückt, weshalb das übrige Europa davon bisher nichts eriahren habe. Nach der Ansicht meines Gewährs­mannes wäre bei der gegenwärtigen Erbitterung der Bevöl­kerung der Büre er.kr leg in Vulgär rer, fast unvermeid­lich.

Seres in Klammen.

Sofr'a, 14. Juli. Am 11. ds. Mts. traf ein zur Rekog­noszierung wach L,eres gesandtes bulgarisches Detache­ment auf ein tausend Mann starkes Korps Antartes, grr'e. cglsche Irreguläre, das sich nach einem Kampfe teils rn die Stadt, teils auf einen benachbarten Bergrücken znrückzog. Ms die Bulgaren zu den Toren von Seres gelangten, feuerten irr den Häusern verborgene Griechen auf sie. Es ent­wickelte sich ein erbittertes Feuergefecht. Als die Bulgaren eine Umgehnngsbewegung um die Stadt begonnen hatten, beschlossen die Antartes, außer Stande den Kampf fortzusetzen, sich zurück­zuziehen. Bor dem Rückzuge aber steckten sie die Lebens- nr r ete k- und M n n r t r'o n s d e p o t s, Pie von den Bulgaren dort znrückgelassen worden waren, in Brand. Die Anstreng­ungen der Bulgaren, des- Feuers Herr zu werden, blieben er­folglos. Die ganz« Stadt stand bald infolge des Windes rn Frbmmen. Zuerst brannte das bulgarische Viertel, dann das griechische und türkische. Die Antortes genutzten den Um­stand, daß die bulgarischen Soldaten mit der Eindämmung des Feuers beschäftigt waren, um sich auf die waffenlose bul­garische und türkische Bevölkerung zu werfen. Sie ermor­deten über 200 Bulgaren, darunter besonders Frauen, Kinder, Greise, verwundete oder kranke Soldaten und Beamte.

Die Türkei läßt marschiere«.

Ko u sta n t o pel, 14. Juli. Halbamtlich wird bekannt gegeben, dotz die türkische Armee Befehl erhalten hat, die bulgarischen Stellungen diesseits der Linie Enos Mld.it! zu be fetzen. Wie verlautet, hat die Pforte nicht nur von Serbien und Griechenland, sondern auch von Rumänien die Zusicherung erhalten, daß diese drei Mächte der Türkei bei der Rsti ck g e w i n n u n g Thraziens und Adrianopels behilflich sein weiden. (?) In Besprechung des Marsches der türkischen Armee führt derTanin" ans: Das Eingreifen Ru­mäniens, insbesondere das Vordringen der Griechen in das Vilafet Adrranopel hat die Lage vollständig verändert. Die Armee bei Bulair wird gegen Dedeagatsch und Adrianopel marschieren müssen. Bezüglich der Verhandlungen mit Bul­garien ineint das Blatt: Solange die Bulgaren sich nicht ver­pflichten, Mrinnopek an die Türkei wieder zurückzugeben, wer­den wir Verhandlungen ablehnen. Die ZeitungTaswiri Efklar" sagt: Die türkische Armee muß Adrianopel wieder besetzen und sodann nach Dedeagatsch, Gümuldschina und Drama marschieren.

Ter Konsul als Spion.

So>, 14 Juli. Die Agence Boulgare meldet: In der Nacht znm 14. Juli bemerkten bulgarische Schildmachen in De- deagatfch, daß von einem griechischen Dampfer eine Ra­kete aufflog und bald barauf ein Scheinwerfer des griechischen Dampfers das Haus des griechischen Konsuls beleuchtete, der sofort mit einer Lampe Signale zu geben begann. Eine am folgenden Tag im Konsulat vorgenommene Durchsuchung führte zur Entdeckung einer großen Menge Waffen und ron Formen in griechischen Schriftzeichen, die zu Signakzwecken die­nen sollten. Der Konsul wurde dein Gericht zugeführt.

Grausamkeiten.

Athen, 14. Juli. Aus Strumnitza wird gemeldet, die Bulgaren hätten die bei den ersten stleberfällen gefangen ge­nommenen serbischen Soldaten schrecklich gequält. Ein Offizrkr sei verbrannt und viele Soldaten außerhalb der Stadt nie berge macht worden.

London, 14 Juli. (Meldung der Preß-Centrale). Die Times" meldet aus Saloniki, daß man dort bei 1400 ge­fangenen Bulgaren in den Taschen abgeschnittene Finger und Ohren von Frauen vorfand, die zum Teil noch die Schmuckgeacnstände anhatten.

Rach Sofia und Adrianopel.

Wien, 14 Juli. Die politischen Kreise sind beunruhigt durch Bnkarc-ster und Stambuler Meldungen, wonach die Rum'ä- nen bei weiterer Hartnäckigkeit Bulgariens nach Sofia gehen und Lu türkst setze Militärpartei auf Adrianopel mar­sch i e r e n wolle. Auch Griechenland und Serbien sind gegen einen Waffenstillstand. Am meisten erregt die Haltung der Türkei 'Besorgnis, da der Einfluß der Großmächte fast geschwunden zu sein scheint.

Die Schlacht bei Küstendil.

Wien, 14. Juli. DerZeit" wird aus Belgrad tele­graphiert : Vor und um Küstendil in Bulgarien wütet seit einigen Togen ein Kampf, dessen Heftigkeit alles hinter sich läßt, was sich bisher in den so blutigen Kämpfen ereignet hat. Dis Serben geben unumwunden zu, daß die Bulgaren mit heroischer Tapferkeit kämpfen. Jeder Fuß breit Landes muß mit Strömen Blutes erkauft werden. Die Zahl der Opfer ist auf beiden »Seiten ungeheuer. Augenzeugen erzählen im Hauptquartier, daß sich namentlich in den artilleristi­schen Positionen förmliche Berge ineinander gekrall­ter Leichen türmen. Wenn auch die Einnahme von Küstendil den Serben noch nicht gelungen zu sein scheint, so kann sich trotz der verzweifelten Gegenwehr der Bulgaren nur um eine Frage der Zeit handeln. Es muß übrigens betont werden, daß übe: das Sck'ickial Küstendils nichts Authentisches zu erfahren ist. Es hat den Anschein, als ob die Nachrichten über krie- ger 'sche Ereignisse weniger aus militärischen als aus politischen ü Gründen zurückgehalien werden. 'Deshalb ist auch die Nachricht

durchaus glaubwürdig, daß sich die serbische Armee, Möge sich das Schicksal Küstendils erfüllt haben oder nicht, in 3 Ko­lonnen aus 'dem Vormarsch nach Sofia befindet.

Deutsches Reich.

Das deutsche Turnfest in Leipzig.

t. Leipzig, 14. Juli.

Nach dem gewaltigen Zustrom ist das 12. 'Deutsche Turnfest als das größte Turnfest 'überhaupt anzusehen. Ueber 300 000 Fremde sind in die Pleißestadt gekommen. Um 10 Uhr vor­mittags begann die Aufstellung der Festzugsgruppen. Die Deutschen trugen braue Jacken und weiße Hosen, die 7000 Oesicrreich.er waren in schmucken grauen Anzügen erschienen. ! Der Festzug zahlte ungefähr SO 000 Teilnehmer. Der Vor­beimarsch dauerte stundenlang. Die Hauptseier fand vor dem alten Rathaus am Markt statt. Auf der Tribüne sah man den Turncrschaftspräsidenten Dr. Götz, den Schirmherr» der deutschen Tnrnerschaft, Herzog von Ko b nr g - G o th a, den sächsischen Kultusminister Fr. Beck und die Leipziger Behör­den. Kurz naa> S Uhr traf der Festzug in Eutritzsch ein. Ueber 150 000 Zuschauer erwarteten ihn auf dem Festplatz. Der König ! war um' 3 Uhr erschienen. Die Begeisterung' der Tnrnerschaft i kannte keine Grenzen. Freiübungen, an denen 17 000 Turner ; teilnahmen, bildeten den Wschlnß. s

Das Attentat. Um letzten Freitag wurde in Rostock! ans den R e ü; t s « «Walt und volksparteilichen Fnh- j rer Dr. Tobias, als er sich im Automobil nach dem Ge- j richtsgebäude begeben wollte, von dem Monteur Frisier, ge­gen den er eine 'Prozeßsache zu führen hatte, aus Rache ein Re- volveraiit.uia? verübi. Da die Kugeln den Darm mehrfach durch- bohrt hatten, bestand wenig Aussicht auf Erhaltung des Lebens. Indes hoffte man, möglicherweise durch eine Operation das Leben retien zu können. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Dr. Tobias ist jetzt seinen schweren Verletzungen er- legen Der Mörder war am Tage vor der Tat auf der Polizeiwache eischienen und hatte um Schutzhaft gebeten, da er. nicht Herr seiner selbst sei und befürchte, es geschehe nach dem verlorenen Prozeß ein Unglück. Die Polizei hatte das Ansinnen abgelehnt.

Rathenow. 12. Juli. Von Mitte dieses Monats nimmt Prinz Ernst August den Frontdienst im Hnsarenregiment wieder ans. Er tritt in das Regiment als ranalüngster Ritt­meister ein und 'übernimmt die Führung der 4. Schwadron, die bisher der rangälteste Rittmeister des Regiments führte. In der Schivadron sind ihni die beiden Oberleutnants von Keller und ' von Be.nmbach zugeteilt worden.

Elberfeld, 14. Juli. Oberrealschuldirektor Dr. Hintz» mann, nationolliberaler Landtagsabgeordireter für Elberfeld- Barmen seit 1908. ist nach längerem Leiden im Alter von 58 Jahren gestorben.

Württemberg.

Elfter Verbandstag der Gemeindeunterbeamte».

soll. Rottweil, 13. Juli.

Unser freundlich gelegenes Städtchen trägt heute Festschmnck. Es fand in seinen Mauern der 9. Berbandstag des Landesver­bandes württsmbergischer Gemeindeunterbeamter statt. Gegen SOO Mitglieder aus allen Teilen des Landes hatten sich dazu eingesunken. Gegen elf 'Uhr begannen die geschäftlichen Ver­handlungen im festlich geschmückten Sonnensaal, denen iilS Ver­treter des K. Oberamts Amtmann Maier und als Vertreter der Stadt Stadtschultheiß Glückher, sowie die Landtags« abgeordneten An d r e-Oberndorf, M a i e r - Rottweil und S el. io a r z - Horb beiwohnten.

Nach dem Bericht des Berbandsschriftführers zählt der Verband gegenwärtig 3954 Mitglieder gegen 3941- im vorigen Jahre in 60 Vereinen, gegen 62 im Vorjahr. Eingegangen sind die Vereine Neresheim und Gaildorf.. Die Verbands­kasse hatte Einnahmen von 2949 und Ausgaben von 2249 M. Das Verbandsvermögen beträgt rund 700 M. Die Unterstütz- nngSkasse hatte eine Einnahme von 4138 und eine Ausgabe von 1659 Dt. Der Verbandsvorsitzende, der als Rekonvales­zent am längeren Sprechen verhindert war, hatte einen Vor­trag über die Hebung der Lage der Unterbeamten ausgear- j. beitet, der zur Verlesung kam und in dem Wunsche gipfelte, daß das Pensionsgesetz wenigstens im kommenden Winter seiner Erledigung zugeführt werde, sodah es am 1. April 1914 in Kraft treten könne. Weiter wird verlangt, die Festsetzung eines Beschwerderechtes gegen die Dienstkündigung und die Festsetz­ung von Mindestgehältern für die Unterbeamten im öffent­lichen Sicherheitsdienst rn einer Höhe von mindestens 400 Ä.

In der Debatte wurde der Mißstimmung darüber Aus­druck gegeben, daß da-? Pensionsgesetz bis jetzt noch- nicht zu­stande gekommen ist Schließlich wurde folgende Resolu­tion angenommen:Der zahlreich besuchte heutige VerbanLZ- tag von württembcrgischen Gemeindeunterbeamten spricht die

Die vümmiien putzen sich am meisten; so sind die dümmsten Tiere, die Insekten, am buntesten. Jean Hanl.

Leben.

Roman von George Tellavoß.

7j (Nachdruck verboten.)

Tie Erscheinung der Schwestern in ihren weißen dufti­gen Kleidern und malerischen großen Hüten stimmte sie ein wenig herunter, und Annemariens Liebreiz fühlte sie wie einen Stich im Herzen. Am liebsten hätte sie jetzt noch die Fahrt verweigert, und ihre Miene, als sie endlich^ im Magen saß, war die einer Märtyrerin, die zu ihrer Hin­richtung geschleppt wird. Um so heilerer war die übrige G-csellschaft. Tie Luft war frisch und die Hitze erträglich, der Wagen rollte munter auf der glatten Straße: die Mäd- waren voll neugieriger Erwartung und fragten unauf­hörlich .

Sie hatten den Wald hinter sich, rechts und links brei­teten sich wagende Kornfelder aus, dann tauchte eine dunkle Linie auf, die wie eine Mauer die Landschaft begrenzte.

Ter Park von Jagenhosen", sagte Georg.

Tie Straße lief in das frische Grün hinein. Mer während zur rechten Seite sich eine hohe weiße Mauer hin­zog, war die andere frei und gewährte den Anblick der verschlungenen Wege, die sich durch den dichten Wald zogen. Hie und da wich der zurück und gab breite Rasenflächen frei, einmal lag ein großer Teich vor ihnen und spiegelte Bäume und Himmel aus seiner sonnenbeglänzten Flut.

Tiefer Teil des Parkes steht den Arbeitern offen überhaupt jedem, der hineingrhen will," erklärte Georg auf die Frage Annemariens.Trüben ist der reservierte Teil, in dem auch die Villa steht. Das Arbeiterdorf kann man von der Straße aus nicht sehen, es liegt dort hinüber hinter den Bäumen. Tiefe Straße führt direkt zur Fabrik."

Wie schön von Herrn Clermont, so für seine Leute zu sorgen!" meinte Frieda.

Tic wissen das gar nicht zu schätzen", antwortete Georg, sie sitzen lieber im Wirtshaus."

Ter schöne Wald ist nur für die Weiber und Kinder da," ließ sich nun auch Hedwig vernehmen.Zum Vogel­nester ausnehmen, Holz stehlen und für Stelldicheins, wenn

die Kinder groß geworden sind. Will ;ine dann ihr Kind ertränken, so ist der Teicb schon bei der Hand."

Erzähle doch nicht solche Schauergeschichten, Hedwig!"

Ist es vielleicht noch nie vorgekommen?" fragte sie scharf zurück.Mädchen sind immer dumm und Männer immer schlecht in der Stadt und auf dem Lande."

Georg drehte ärgerlich an seinem Schnurrbart, und die beiden Mädchen bemühten sich, ein ernsthaftes Gesicht zu machen. Zur allgemeinen Erleichterung wurde Hedwig die weitere Ausführung dieses Themas abgeschnitten, der Wagen hielt vor einem großen weitgeöffneten Gittertor. Diener in grauer Livree halfen beim Aussteigen und wiesen dem Kutscher den Weg nach den Ställen. Eine Allee von Hohen Tannen nahm nun die Gesellschaft auf, zu beiden Seiten konnte man schöne Rasenflächen und Baumgruppen bewundern und ganz am Ende blinkte ein hoher Wasser­strahl in der Sonne. Dort sahen sie auch einige bunte Fi- gürchcn sich bewegen, dann hörten sie Musik, erst undeut­lich, dann immer lauter. einen wiegenden lockenden Wal­zer. Annemarie machte unwillkürlich ein paar Tanzschritte und lächelte zu Georg hinüber. Ter schüttelte bedauernd den Kopf.

Ich glaube nicht, daß man tanzen wird. Clermonts sind noch in Trauer pm irgend eine alte Tante, Aber in vierzehn Tagen ist Kirchweih im Städtchen, dann wollen wir es einbringen."

Nun standen sie am Ende der Allee, und vor ihnen lag ein breites Rasenparterre, mit dem Springbrunnen in seiner Mitte upd riesigen farbenprächtigen Blumenbeeten. 5pinte r ihm erhob sich die langgestreckte Fassase der Cler- nwntschen Villa. Das große Weiße Haus hätte mit seinen Säulen und flachen Dächern besser unter «inen südlichen Himmel gepaßt, der weniger freigebig mit Schnee zu sein pflegte. Zwischen dem Blumenparterre und dem Haus lag ein breiter Kiesplatz, und dort drängte sich eine bunte Menschen­menge, Lachen und durcheinanderwirrcnde Stimmen misch­ten sich in die Klänge der Musik. Tie vier schauten einander unentschlossen und verleben an.

Was jetzt?"

Wir müssen sehen, daß wir uns bis zum Brautpaar dulchdrängen", entschied Georg «Mich,wenn wir gratu­liert haben, können wir versuchen, uns zu amüsieren, so gut loder schlecht es geht."

Seine scharfen Augen hatten bereits die hohe Gestalt Erichs entdeckt. Er bot seiner Frau den Arm und ersuchte die Mädchen ihm zu folgen., So kamen sie langsam vor­wärts. Tie Hellmanns mußten alle Augenblicke Halt ma­chen, um Bekannte zu begrüßen und sie vorzustellen, und die Schwestern betrachteten mit vergnügter Neugierde alle die verschiedenen Typen der Kleinstadt.

Ter Herr dort neben dem Brautpaare das ist Clermont!" flüsterte Georg Annemarie zu.

An seinem Arme hing eine feine, zierliche Gestalr, deren riesichwarzes, welliges Haar ihm gerade bis zur Schultet reichte. Man hätte Franzi Clermont für eine Kreolin hal­ten können, ein blasses Gesichtchen mit großen, dnnkelflam- menden Augen und einem blaßroten Kindermunde. Georg be­trachtete sie, als sie init Annemarie sprach, und freute sich an dem Bilde, das diese so verschiedenen Schönheiten ne­beneinander boten.

Aber das Vergnügen dauerte nicht lange, neue Gratu­lanten kamen heran, denen sie höflicherweise Pla§ machen mußten. Sie wanden sich aus dem Knäuel heraus und über­legten, was sie nun beginnen sollten. Georg schlug vor, jetzt einige Erfrischungen zu nehmen, zu welchen zwei riesige, «unter Zelten aufgeschlagene Büfetts verlockende Gelegenheit boten. In ihrer Nähe saß an Tischchen und in bequemen Korbsesseln bereits eine behaglich schwatzende Menge, Diener boren aus silbernen Tassen Gefrorenes und Limonade her­um. Hedwig wurde gleich festgehalten, eine ganze Reihe von guten Bekannten aus der Stadt rief sie an, und che sie es sich versah, saß sie unter ihnen, ihren Teller mit Eis auf dem Schoße, Umsonst schaute sie sich nach Georg um, er war mit seinen Schutzbefohlenen schon im Gedränge verschwunden. Als sie in die Nähe des Büfetts gelangten, kam ein junger Mann auf sie zugestürzt und begrüßte Frieda und Annemarie mit großer Begeisterung. Geörg hatte kaum gehört, daß es ein Wiener Bekannter der Schwestern sei, als er ihn schon zu Frieda hinüberschob und Annemarie den Arm bot.

Wir wollen aus dem Trubel hinaus," flüsterte er ihr zu,ich weiß einen ausgezeichneten Mail, von dem auS wir uns alles ansehen können, wie ans einer Theaterloge."

Fortsetzung folgt.