Die Heeredkosten

Man kennt aus den bisherigen Verhandlungen der Budgetkommission die Grundzüge, nach denen der Äehr- beitrag umgestaltet pmrde, und man weiß auch aus den Berechnungen des Reichsschatzamtes, daß die notwendige Vumme nach den bisherigen Vorschlägen nicht völlig auf­gebracht wird, so daß eine schärfere Staffelung notwendig werden wird. Tie Grundsätze sind: neben dem Ver­mögen wird dasEinkommen zum Wehrbeitrag heran­gezogen. Tie Vermögen von ZOOM50OM Mark sind nur steuerpflichtig, wenn das Gesamteinkommen des Besitzers 2000 Mark übersteigt; hiebei ist ein Beitrag von 0,1 Prozent vorgesehen. Bon 50000 Mark an ist die Staffelung vorgeichlagen, die jetzt wohl wie gesagt verschärft werden wird. Das Einkommen von über 5000 Mark ist ebenfalls steuerpflichtig, und zwar in der Weise, daß vom Gesamteinkommen zuerst dasjenige aus Bernrögen (L 5 Prozent Rente) abgezogen werden darf; der übrigbleibende und über 5000 Mark hinausgehende Betrag wird sodann kapitalisiert, und zwar in der Weise, daß die Einkommen von 5000 bis 50 OM Mark verzehn­facht, die von 51 OM bis IM OM Mark verzwölfein-- halbfacht und sodann zum vorhandenen Vermögen ge­schlagen. werden.

Eein Beispiel möge diese Prozedur erklären: Ein Steuerzahler hat ein Jahreseinkommen von 12 OM Mark. Dasselbe setzt sich aus Zins- bezw. Renteneinkommen aus 100000 Mark und aus einem Berufseinkommen zusam­men. Bon dem Jahreseinkommen darf der Betreffende mm 5 Prozent aus IM OM Mark Vermögen 5000 Mark abziehen: es bleiben hienach 7000 Mark Einkom­men, also 2000 Mark mehr als das angenommene Ein­kommensminimum. Tiefe Summe verzehnfacht gibt 20 OM Mark, die zu dem Kapital von 100 MO Mark geschlagen werden, so daß also der Beitragspflichtige aus zusammen 120 OM Mark seinen Wehrbeitrag zu zahlen hat. Und zwar sind drei Jahreszieler vorgesehen.

Wie nun im einzelnen die Stufen und Staffelungen noch verschoben werden, bleibt abzuwarten. Tie Grund­gedanken aber scheinen festzustehen, lieber denWehrbei­lrag"" wird xine Emigung erzielt.

Nicht so eins ich und fast selbstverständlich steht es Mit den fortdauernden Ausgaben. Hier ist man noch sehr weit von einer.Klärung und einem einheitlichen Willen entfernt. Man will lind fordert eine Steuer ausschließ­lich aus den Besitz. Die Regierungsvorschläge hiezu haben wenig Gegenliebe gesunden und sind teilweise heftig bean­standet worden. Die Erb an fällst euer, die zu haben wäre, bekämpft der schwarzblaue Block nach wie vor aufs schärfste und die Regierung verhält sich demgemäß schwan­kend. Tie Reichs Vermögens st euer, die ebenfalls zur Verfügung stünde, wird vorerst von der Regierung aufs entschiedenste abgelehnt. Es verlautet 'vgar, Beth- mann Hollweg wolle von seinem Amt zurücktreten, falls der Reichstag eine Vermögenssteuer beschließe. Tie scharf ablehnende Hcüflmg der Reichsregierung rühre von wieder­holten Handschreiben einzelner Bundesfürsten an den Kaiser

her-

Tie sogenannten veredelten Matrikularber- lräge endlich, die dem schwarzblauen Block angenehm wären, werden von der entschiedenen Linken abgelehnt, weil, wie wir schon aussührten, die Feststellung der auf die einzelnen Bundesstaaten entfallenden Beträge nicht die Gewähr einer gerechten Verteilung nach der wirklichen Leistungsfähigkeit bieten würde. Staaten mit alter strenger Fassionspflicht, wie z. B. Württemberg, würden dabei härter getroffen als z. B. Preußen, über dessen laxere Einschätzung man ja nun nachgerade Beispiele genug er­fahren mußte. Wae diese verwirrte Situation sich noch klären wird, bteibl in Ruhe abzuwarten. Tie entschie­dene Linke aber wird jedenfalls keine Ueberstürzung und Deine ungerechte einseitige Belastung zulassen.

Deutsches Reich.

Aus der Budgetkommission. In der Abstim­mung über die Heranziehung des Vermögens zum Wehr­beitrag wurde ein Antrag des Berichterstatters betreffend Staffelung des Vermögens mit einer geringen Erhöhung des Prozentsatzes bei den größeren Vermögen angenommen, sowie einsozialdemokrati - scher Antrag, der Personen mit Vermögen bis zu 50 OM M Mt ernem Jahreseinkommen bis zu 3000 M vom Wehrbeitrag befreit.

Koblenz, 4. Juni. Bei Mühlheim (Bez. Koblenz) zei­gen sich seit vorgestern gewaltige Erdbewegungen ähnlich wie. im Jahre 1906, die eine sehr große Zerstörung" angerichtet haben. Man nimmt an, daß ein« Ueberlastung der Haloe die Ursache des Bergrutsches ist. > Das in Bewegung geratene Erdreich ist 4050 Meter breit -und 1 Kilometer lang. Häuser sind nicht bedroht, weil nach dem Bergrutsch im Jahre 1906 auf diesem Gebiet Häuser nicht mehr errichtet worden sind. Dahingegen ist der an Feldern und Kernobstbäumen angerichtete Schaden sehr groß.

Straßburg, 5. Juni. Anläßlich derDeutsche »Land­wirtschaftsausstellung, die gestern in feierlicher Weise durch den Statthalter eröffnet wurde, werden sich hier Vertreter von Landwirtschaftlichen Körperschaften aus allen Teilen Deutschlands einfinden. , Ferner sind an- gemeldet: Vertreter von landwirtschaftlichen Verbänden aus Oesterreich, Ungarn, Rußland, der Schweiz, Schweden, Nor­wegen usw.

Ausland.

Bulgarische Gewalttaten. Die von Patriarchisten (d. h. Angehörigen des griechisch-orthodoxen Patriarchats) bewohnten Dörfer Sawiak und Kamila im Kreise Serres sollen von Bulgaren geplündert, Frauen und Mädchen, vergewaltigt worden sein. Man behauptet, daß sich unter den Missetätern viele bulgarische Sol­daten befanden. Auch aus, der Gegeird von Stru - mitza liegen vrele Klagen über Gewalttaten der Bulgaren vor. Natürlich stammen diese Meldungen aus griechischen Quellen.

Reue Methoden der Suffragetten. Ein außerordent­licher Zwischenfall hat sich am.Mittwoch in London während des Terbyrennens abgespielt. Eine . Frau stürzte sich plötzlich ans das dem KöniggehörendePserd Anmer" und ergriff es beim Zügel, wodurch der Jockey Jones zu Fall kam und verletzt wurde. Auch die Frau trug schwere Wunden davon; .sie heißt, wie sväter festgestellt wurde, Emily Davidson und ist eine eifrige An­hängerin des Frauenstimmrechts. Ein heftiges Feuer kam Donnerstag früh in dem Hauptquartier der Territorialarmee in Liverpool zum Ausbruch und zerstörte das Dachge­schoß vollständig. Man glanbt, daß das Feuer von Anhänger­innen des Frauenstimmrechts gelegt worden ist.

Rom, 4. Juni. Ter König von Italien besuchte helrte vormittag das Flugfeld von Bracciano und machte an Bord des Luftschiffes P. 4 eine Fahrt von 46 Minuten in der Umgebung von Bracciano. . Darnach wohnte er er­folgreichen Schießversuchen bei, die mit .Bomben vom Luft­schiff aus gemacht wurden. Der König drückte den Offizieren seine lebhafte Befriedigung aus.

Württemberg.

Dienstnachrichte».

Vom Kath. Oberschulrat ist je eine ständige Lehrstelle an der kath. Volksschule in Binsdorf OA. Sulz dem Hauptlehrer Hof­mann in Gmünd, Sontheim OA. Heilbronn dem Hauptlehrer Heni in Niederstetten OA. Gerabronn übertragen worden. Die Wahl des Notariatspraktikanten und Verwaltungskandidaten Eugen Joos von Allisreute, Gemeinde Bodnegg, OA. Ravensburg, zum Ortsvorsteher der Gemeinde Offenau, OA. Neckarsulm, wurde von der K. Regierung des Neckarkreises bestätigt.

Wr'irttembergischer Landtag.

sie. Stuttgart, 5. Juni.

In der Abgeordnetenkammer füllte heute die Erörterung über das Landjägerkorps die ganze Sitz­

ung aus. :Der Wnanzausfchutz-beantragt, die: Hia ft - und Arreststrafe für die Landji^er abzuschaffen und d<m Landjägern die Möglichkeit zu eröffnen, gemeinsam Wünsche und Beschwerden bei her Regierung und dem Landtag vor­zubringen. Abg. Fischer (Vp.) betont, daß die Landjäger es nicht wagen dürften, öffentlich mit einem Abgeordnete» zu sprechen. De» Landjägern müßten ihre staatsbürgerlichen Rechte gesichert werden. Es sei picht zu verstehen, weshalb man überhaupt bei dem Landjägerkorps di« militärische Or­ganisation beibehalten wolle. Der Geist der Zeit sei an dem Korps spurlos vorübergegangen. Abg. Graf (Ztr.) meint, daß die schlechte Stimmung im Landjägerkorps auf das herr­schende System zarückzuführen sei. Abg. .Bauman« (DP.) betont, daß die Disziplin durch die Beseitigung der Hast- strase weniger gelockert würde, als durch den Umstand, daß die Beamten gezwungen seien, sich.anonym an den Landtag zu wenden. Abg. Matutat (Soz.) verlangt eine Beseitig­ung des militärischen Systems, das eine Ver­knöcherung des ganzen Korps mit sich bringe. Er verlangt ferner eine Aenderung des Verhältnisses des Kommandeurs zu den Untergebenen. Er erwähnt zwei Selbstmord- salle, die im letzten Jahre im Landjägerkorps vsrgekom- men seien. Ten Landjägern müßte.nicht bloß der Vortrag gemeinsamer Wünsche, sondern auch das.Recht der freien be­ruflichen Vereinigung gewährt werden. Ter Redner stellt einen dahingehenden Antrag und bespricht noch den Ge­brauch der Schußwaffen gegenüber Flüchtlingen. Die­ser Brauch müsse beseitigt werden. .

Minister des Innern v. Fleischhauer bestreitet die Rück­ständigkeit des Landjägerkorps. Tie vielen Klagen rührten daher, daß der Dienst der einzelnen Beamten des militäri­schen Geistes entkleidet sei, wGrend andererseits das ganze Korps auf militärischer Grundlage beruhe. > Er werde sich bemühen, hier einen Ausgleich zu finden. Tie Kla­gen über schlechte Behandlung seien.nicht gerechtfertigt. Die beiden Selbstmorde seien nicht auf schlechte Behandlung zu- rückzuführen, sondern hätten persönlrche Gründe. Ter Gou­verneur habe bestimmt versichert, daß er die ihm vorgewor­fenen Ausdrücke gegen seine Untergebenen nicht gebraucht habe. Er habe nur hier und da in Abwesenheit eines Land­jägers einen militärischen Kraftausdruck gebraucht. (Lachen und Zurufe). Der Minister sagt einzelnen Wünschen der Landjäger teilweise Erfüllung zu. Tie anonymen Zu­schriften legen die ernste Prüfung.nahe, ob es nicht möglich sei, Mittel und Wege zu finden, den Landjägern zu gestatten, ihre Wünsche gemeinsam geltend zu.machen. Abg. Maier- Maubeuren (DP.) bezeichnet es als ungehörig, daß Land­jäger sich an die sozialdemokratischen.Abgeordneten wenden. Die Landjäger erweisen damit ihrer Autorität und ihrem Ansehen einen schlechten Dienst. Tie Schaffung einer for­mellen Berufsorganisation lehne seine Pattei ab. Abg. Dr. Rübling (Kons.) ist für die,Beibehaltung der militärischen Organisation und bedauert die Angriffe gegen den Korps­kommandeur. Abg. Keil (Soz.) verurteilt die Behandlung dev Landjäger und legt Verwahrung dagegen ein, daß die sozialdemokratischen Abgeottmeten als Abgeordnete minderen Rechts hingestellt werden. Der Redner bezweifelt, daß in den beiden Selbstmordfällen lediglich persönliche Gründe Vorge­legen hatten. In dem einen Fall habe der betroffene Land­jäger noch wenige Tage vor .seinem Tode einen Brief an den Korpskommandeur gerichtet. Minister v. Fleischhauer bleibt dabei, daß nach- der amtlichen Untersuchung über die beiden Selbstmorde dienstliche Gründe nicht Vorgelegen hatten.

Abg. Lieschiug (Vp.) legt dem Minister nahe, das Ge­setz über den Wafsengebrauch der Landjäger er­neut einzubringen, zumal auf eine andere Haltung der Ersten Kammer zu rechnen sei. Den Antrag der Sozial­demokraten lehne seine Pattei ab, weil darin eine for­melle Aufforderung an die Landjäger zur Schaffung einer Berufsorganisation liege. Durch den Antrag des Ausschusses werde der gewünschte Zweck vollständig.erreicht. Schließlich wird nach Ablehnung des sozialdemokratischen Antrags dev Ausschußantrag angenommen. Nach Erledig­ung des Kapitels wird abgebrochen. . Eingelaufen sind zwei Nachtragsetats, von denen der eine 620OM Mark für eine Maschinenbauschule in Eßlingen verlangt, der an.dere die Trennung der Baugewerkschule und Maschinenbaugewerkschule etatsmäßig regelt. Eingelaufen ist ferner eine Anfrage an den Minister des Innern über Umfang und Art des schweren Schadens im Schwarzwald und Maßregeln der Regierung.

Die Stuttgarter Volkspartei hat am Donnerstag in einer Versammlung gegen die Beibehaltung der

Was erwarten wir denn von einer Religion, wenn wir das Mitleid mit den Tieren ansschließen? Rich. Wagner.

Nach Waterloo.

Eine Bauerngeschichte aus dem Taunus von Fritz Ritzel.

17^ (Nachdruck verboten.)

Endlich nahm Konrad, nachdem er tief ausgcseufzt hatte, wieder das Wort:

Aa'mol muß es jo gesagt wer'n, Anne Magret, wenn's Mir aach schwer fällt, weil ich nit waaß, wie du's uffnimmst! Was ich for dich getan Hab', Hab' ich nit allaans getan, weil ich's dem Heinrich in die Hand «nein verspräche' Hab'! Seit dem erste'mol, wie ich dich vor zweieinhalb' Jahr widdcr- gesehe' Hab', mußt ich Tag un' Nacht an dich denke'! Zeit Hab' ich dir genug gelöste', daß du waaßt, wen du vor dir hast, wenn ich dich jetzt trog: Anne Magret, darf ich dich meiner Mutter bringe? Mit offene' Arme' nimmt dich mei' gut Muüerche' uff! Därs des Lisbeth'che Vatter zu mir sage'? Ich will des goldige Ding halte' wie mei' eige' Kind so is mir's jo aach ans Herz gewachst'! Anne Magret" vor Erregung brach dem Burschen die Stimme und in banger Erwartung richtete er seine Blicke auf das heißerglühte Antlitz der jungen Frau. Diese neigte erst stumm das Haupt, dann trat sie, von einem raschen Entschlüsse be­seelt, auf den Werber zu. Mit einer Gebärde hingebenden Vertrauens legte sie ihre Rechte in die schwielige Hand Kon- rads und sagte:

Wenn du mich willst, Konrad, es wär' jo mei' größt' Glück! Mi dir waaß ich mich behüt' un' geborge', wie bei kaa'm annern! Ter Heinrich selig im Himmel werd mir's verzeihe', ich kann nit annerscht!"

Damit löste sich die Spannung ihres Inneren in einen sanften Tränenstrom und schluchzend barg sie das blonde Haupt an des Mannes Schulter. In stummer Seligkeit hielt Konrad das geliebte Weib umschlungen und achtete nicht aus das leise Knarren der .nach hinten führenden Türe, in deren Rahmen eben die ehrwürdige Gestalt des alten Lehrers erschien, an der Hand das Enkelkind führend. Beim Anblick der Glücklichen trat der silberhaattge Greis leise heran, und die Hände auf di« Schultern der beiden legend, sagte er seiettich:Gott segne euch, Kinder, ihr habt recht getan! Und unserm lieb« Herrgott sei Tank, daß ich das noch rr- kben dürft'!"

8 .

Zum dritten Male war der Herbst mit seiner bunten Farbenpracht wieder in das schöne Bergland eingekehtt, seit­dem Konrad und Anne Magret vor dem Altar der kleinen Torskirche gestanden und den Segen des Himmels zu ihrem Bunde empfangen hatten. Was die Leute im Dorfe voraus- gesagt hatten es war eingetroffen. Die beiden Eheleute paßteil zusammen, als hätten sie, .wie der Volksmund sagt, die Tauben zusammengelestn. Tie so lange von den beiden gewaltsam unterdrückten, gegenseitigen Gefühle äußerten sich jetzt in dem Bestreben, alles zu tun, was dem anderen nur an den Augen abzusehen war. . Sah man die beiden hohen Gestalten des Sonntags zur Mxche gehen, begleitet von der glückselig lächelnden Mutter Christine, Und gewahrte man, wie das neue Glück wieder die Rosen auf den Wangen Anne Magrets erblühen ließ, so ruhte der Blick der Leute wohlge­fällig, mit einem gewissen Stolze auf dem schönen Menschen­paar, als freuten sich alle, daß man ein solches Paar in dem Dörfchen aufzuweisen hatte.

Die junge Frau war ihrem Manne in dessen Elternhaus gefolgt und hatte die Wirtschaft zumGrauen Koch" ver­pachtet. Rüstig schaffte sie auf dem Bauernhof und nahm der alternden Mutter Christine die Lasten der Wirtschaft von den Schultern, wenn nicht .Meister Storch sie zwang, das Hauswesen für kurze Zeit wieder der guten Mutter zu überlassen. Schon zweimal tzar die junge Frau von (He- vatter Langbein hierzu veranlaßt worden; vor fünfviertel Jahren hatte er einen pausbäckigen Buben mit einer Mords- stimme in die Wege gelegt, und Heuer beschenkte er die junge Mutter mit einem flachsblonden, blauäugigen Mädchen, das, gerade wie das Lieschen, der Mutter wie aus dem Gesichte geschnitten war. Neben der kleinen Liesbeth, die sich innig an den Stiefvater und die .Großmutter angeschlossen hatte, ioarcm diese hwei kleinen Menschenblüten -er Sonnenschein des Hauses, in welchem die aitnassauische Einfachheit und Gottesfurcht walteten und wahres inneres Glück uns» Zufrie­denheit spendeten.

Im Gegensatz zu dem Frieden in diesem einfachen Bauern­hause webten die Geister der Zwietracht in den stattlichen Räumen des Rodenberger Hofes ihre unheimlichen Gespinste. Sie waren bei der Rückkehr Hansjörgs von dem Hof des Vetters mit eingezogen und hockten lauernd in allen Ecken, um bei jeder Gelegenheit den Zwist, welcher zwischen Mutter und Sohn entstanden war, zu schüren und bis zur Nn- versöhnlichkeit zu verschärfen: Hansjörg war als ein an­derer zurückgekommen. Ter großzügig« Betrieb auf dem Hos

des Vetters und die Selbständigkeit, .welche ihm dort ein­geräumt worden war, hatten ihn mit stürmischer Schaffens­freude erfüllt und sein männliches .Selbstbewußtsein derart gehoben, daß er nur mit Scham an die unbedeutende Rolle zurückdenken konnte, die ihm auf dem väterlichen Hose von der energischen Mutter angewiesen worden war. Ter Fleiß, mit welchem er seinen Obliegenheiten nachging, sowie die Geschicklichkeit, die er bei allen ländlichen Arbeiten, besonders bei seiner Lieblingsbeschäftigung, der Behandlung der Pferde, bewies, hatten ihm das volle Lob des Vetters eingetragen und gratulierte sich dieser im stillen dazu,, den Sohn seiner Base zum Schwiegersohn ausersehen zu haben. Tie Erfüll­ung seiner diesbezüglichen, immer dringender werdenden Wünsche ließ jedoch aus sich Watten. Herr Weiringer so­wohl, wie Hansjörgs Mutter hatten fest geglaubt, daß sich bei einem Zusammenleben der beiden jungen Leute zärtliche Beziehungen zwischen denselben anspinnen würden, denn nichts fördert ja eine gegenseitige .Neigung mehr als täg­licher Verkehr zwischen Jüngling und Jungfrau. Mer Hansjörg zeigte auch nach monatelangem Verweilen auf dem Hofe des Vetters in seinem Verhalten keine Spur, die da­rauf schließen ließ, daß er sich für seine Base Henriette in­teressiere, d^ren Aeußeres allerdings auch nicht dazu an­getan war, flammende Leidenschaft in der Brust des jungen Mannes zu entzünden. Von großer, eckiger Gestalt, blond­haarig, mit eineni immer geröteten Gesicht, aus welchem zwei wasserblaue Augen blickten, machte Henriette den Eindruck eines ungeschlachteten Mannweibes, ein Eindruck, der noch durch die tiefe, an den Baß eines Feldwebels erinnernde Stimme erhöht wurde. Gutmütiger zwar wie Hansjörgs Mutter hatte das junge Mädchen in seinem ganzen Wesen doch etwas Entschiedenes und Willensstarkes, ohne einen Schimmer der frauenhaften Weiche und Anmut zu zeigen, die den Burschen zu Hause sowohl bei Anne Magret, als auch bei seinem Schatz, der Grundmüllers Pauline, so entzückt hatten. Zudem war Henriette einige Jahre älter als Hans­jörg und hatte gleich im Anfang gegen ihn, wohl unbewußt, einen etwas dominierenden Ton angeschlagen, der ihn leb­haft an seine Mutter erinnerte und deshalb nicht geeignet war, ihm diesegelbe Bkastkuh", wie er die Base nicht »ehr galant in Gedanken nannte, besonders sympathisch erschei­nen zu lassen.

. (Fortsetzung folgt.)