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Oberst als Landesverräter.
In Wien hat sich dieser .Tage der in Prag garni- konierte österreichische Oberst Redl erschossen, nachdem er des vielfachen Landesverrats überführt worden war. Diese Spionageafsäre spielt auch nach .Deutschland herüber, da allem Anschein nach der österreichische Landesverräter die Abmachungen Deutschlands mit Oesterreich für den Fall eines Krieges mit Rußland unserem östlichen Nachbar verraten hat. Oberst Redl Hatte in seiner Position auch Kenntnis von den.Maßnahmen, die von deutscher Seite im Falle eines .russischen Angriffskrieges zur Unterstützung Oesterreichs ergriffen werden sollten. Es steht nun fest, daß die russische Regierung nicht nur unterrichtet ist von den in einem solchen Falle zu ergreifenden Maßnahmen Oesterreichs, sondern auch von den entsprechenden deutschen Assistenzmaßregeln. Und die Annahme bestätigt sich' daß Oberst Redl derjenige ist, auf den die russischen Kenntnisse zurückzuführen sind. .
Man wird sich noch entsinnen, daß im vorigen November der österreichische Generalstabschef Schemua zu einem plötzlichen Besuche in Berlin auftauchte. . Man braucht heute kein Geheimnis mehr daraus zu .machen, daß der — damals abgeleugnete — Zweck seines Besuches Beratungen mit den amtlichen deutschen Stellen über gemeinsame Maßnahmen Deutschlands und Oesterreichs für den Fall eines österreichisch-russischen Krieges waren. Es bestehen darüber natürlich schon seit Jahren bestimmte .Abmachungen — der Besuch Schemuas war aber notwendig, weil sich die Revisionsnotwendigkeit dieser Abmachungen herausstellte, da in Wien und.Berlin die Tatsache ihres Bekanntseins in Petersburg offenbar geworden war. Leider sind dann aber auch die revidierten .gemeinsamen Mobilisierungspläne in die Hände der.russischen Agenten gelangt. Wenn es nicht in den österreichischen Kommandostellen — was niemand annimmt — noch .andere Spione gibt, so kann nur der verstorbene Redl der Verräter gewesensein.
Vielleicht ist übrigens die Verräterei des Obersten Redl für Europa ein Glück gewesen; denn mag er auch manches verraten haben, was uns unangenehm ist, so hat er vielleicht gerade durch seine verräterische Tätigkeit Europa den Frieden erhalten. Auf alle Fälle waren seine Berichte nicht derart, daß Rußland annehmen durfte, so leicht mit Deutschland und Oesterreich fertig zu werden, sonst wäre Wohl, bei der in Rußland Herrschenden Kriegsstimmung, der Krieg zum Ausbruch gekommen. Aber vielleicht hat gerade Redls Verrat Rußland davon überzeugt, daß es besser sei, den Frieden zu wahren, und dann hätte dieser Spion unbewußter Weise der europäischen Gesamtheit einen größeren Dienst erwiesen als seinen .russischen Auftraggebern. Es ist eben nichts so.schlimm auf der Welt, daß es schließlich nicht auch seine gute.Seite hätte.
Persönliches vom Oberst Redl.
lleber die Gründe, die den Obersten Redl zum Landesverrat trieben, werden verschiedene Lesarten verbreitet. Auf der einen Seite wird behauptet, Redl sei das Opfer von Erpressern gewcrden, die seine anormalen ge sch lech r- ll r ch e n A usschweifnng en ausbeuteten, auf der andern Gelte wird behauptet, er habe ein kostspieliges Verhältnis mit einer bekannten Wiener K a b a r e t s ä n g e r i n unterhalten. Ein O f f i z i e r s b u r s ch e des Obersten Redl hat sich vor einiger Zeit ertränkt. Der Selbstmord gab damals schon Anlaß zu dem Gerede, daß Oberst Redl zu dem Burschen in sträflichen Beziehungen gestanden habe. Redl war in Prag kurze Zeir Generalstabschef des 8. Korps; vorher hat er in Wien das Evidenzbüro des Kriegsministeriums geleitet, dem auch die Kontrolle der Spionage obliegt. Mau hatte also den Bock znm Gärtner gemacht.
Anläßlich der vorjährigen österreichischen Mobili- 1 lerung fiel es in Generalstabskreisen auf, daß jedesmal ans 'russischer Sepie an der Grenze entsprechende Gegenmaßregeln getroffen wurden, noch ehe die Verfügungen auf österreichischer Seite ausgeführt waren. Es war klar, daß Verrat vorlag. Ein solcher konnte nur von einer Persönlichkeit verübt worden sein, die im Kriegsministerium selbst iaß. Schließlich verdicbtete sich der Verdacht, auf den Obersten Redl, zumal auch die Erpressungen, die an ihm begangen wurden, zur Kenntnis der Behörden gelangten. Es erfolgte auch eine anonyme Anzeige gegen Redl. Er wurde daraufhin im Namen eines russischen Agenten, mjl dznen er arbeitete, eingeladen nach Wien za kommen. Er begab sich in seinem eigenen Privatauto- mvbil nach Wien und nahm eine große Geldsumme mit. Er stieg im Hotel Klomscr in der Herrengasse ab, wo er sofort den Besuch des aus der Hosrichteraffäre bekannten, schneidigen Mi'itäninwrsnchnngsrichters Majors Jaroslaw Kunz erhielt
Die Stunden der Not vergiß, doch was sie dich lehrten, vergiß nie. SalomonGeßner.
Nach Waterloo.
Eine Bauerngeschichte aus dem Taunus von Fritz Ritzel.
13s (Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Zu pner näheren Aussprache zwischen der jungen Frau jund Hansjörg über die damaligen Vorgänge kam es bei den Besuchen des Burschen nicht; Anne Magret wäre auch unter keinen Umständen auf dieses heikle Thema eingegangen und Hansjörg hütete sich wohl, im Gespräch Punkte zu berühren, die zu Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der schönen Frau führen und ihm so den ferneren Besuch des „Grauen Kopfs" unmöglich machen mußten. Aus diese Besuche zu verzichten, wäre ihm unendlich schwer gewesen; unwiderstehlich zog es ihn dahin und mit einem Gemisch von Unbehagen und Bangen dachte er an seine Beziehungen zu der schönen Müllerstochter. Was aus der Annäherung «n die Witwe seines Stiefbruders werden sollte, darüber war sich der Bursche selbst noch nicht klar, wie er sich überhaupt in seinem glücklichen Leichtsinn um die Zukunft wenig Kopfzerbrechen machte. Hätte ihm seine Mutter noch vor vierzehn Tagen die schöne Schwägerin als Frau vorgeschlagen — sofort hätte er eingewilligt und wäre der glücklichste Mtnsch aus Erden gewesen — heute, nachdem Hansjörg wieder die schwarze .Pauline gesprochen und geherzt hatte, da war diese wieder der Brennpunkt, um welche sich die Liebesempsindungen seines flatterhaften Herzens drehten und zehnmal schwor er cs sich auf dem Heimweg zu, daß er mit keinem Fuß mehr den „Grauen Kopf" betreten würde. Allerdings fing er schon an, diesen Schwur leise zu bereuen, als er jetzt Tornschied erreicht hatte und am Ende der Gasse einen blonden Kopf an dem Fensterchen des Wirtshauses zum „Grauen Kopf" zu gewahren glaubte — mannhaft ivi- . derstand er aber dem plötzlich aufsteigenden Drang, den klei- " nen Umweg an dem Wirtshaus vorbei zu machen und schritt, stolz auf sich selbst, mit erhobenem Haupte den nächsten Weg nach dem Rodenberger Hof zu.
Major Kunz befand sich kn Begleitung von vier Offizieren in Zivil, von Lenen sich zwei an der Eingangstür postierten, während die beiden anderen dem Major Kunz in das Zimmer Redls folgten. Kunz und die beiden Offiziere hielten nun dem Obersten Redl das ganze Belastungsmaterial vor nnd Kunz erklärte ihm, er gebe ihm eine Stunde Zeit, sich auf die Beantwortung der Anklagen vorzubereiten. Ec bat nun um Erlaubnis, eine kurze Rundfahrt durch die Stadt zu machen, was ihm gestattet wurde. In einem Automobil des Kriegsministeriums folgten ihm die fünf Offiziere. Redl ließ vor einer Waffeuhandlung aus dem Gräben halten und kaufte eine B r o w >! r u g p c'st o le. Dann ging er kn da§ Cafe Zentral, das gegenüber dem Hotel Klomser in der Herrengasse liegt. Hier ließ er sich von einem Kellner Papier und Feder bringen und schrieb au das Kricgsministerium einen Brief, der ein Geständnis enthalten haben soll. Nachdem Redl dann Len Brief 'zur Post gegeben hatte, verfügte er sich in das Hotel Klomser zurück und sperrte sich kn seinem Zimmer ein. Man untersuchte nun das Automobil, das er benutzt hatte, nnd fand dort Len ihm gekauften Browningrevolver vor. In seiner M- wcsenheit war, jedocb ein anderer Revolver, sowie eine Instruktion, wie man die Waffe zu handhaben hat, auf seinen Zimmertisch gelegt worden. Um 4 Uhr wurde Redls Offizierbursche von den Offizieren mit der Aufforderung geweckt, er solle nach seinen! Herrn sehen. Der Bursche ging in das Zimmer Redls und kam gleich daraus schreckensbleich zurück. Sein Herr lag mit durchschossener Schläfe tot da. -- Die Affäre Redl wird noch weitere Kreise ziehen, da bei verschiedenen Offizieren der Verdachr besteht^ daß sie. seine Mitschuldigen gewesen sind.
Wien, 1. Juni.
Die Meldung. Oberst Redl habe auch militärische Geheimnisse Deutschlands verraten, wird an offiziellen militärischen Stellen als ungeheuerlich dementiert. Es wird dazu bemertt: Jedem, der mit den militärischen Organisationen einigermaßen vertraut ist, sei bekannt, daß kein Offizier überhaupt in den Stand gesetzt ist, militärische - Geheimnisse einer auswärtigen Macht preiszugeben. Nach hierher j gelangten Meldungen haben in der letzten Zeit mehrere l r u sf i's che Offiziere Selbstmord verübt.' Es heißt, i 'weil eS zutage kam, öap sie SP i o n a g e zn g u n ste n O e st er- j r e t'chs getrieben haben. Einem Gerüchte zufolge soll Oberst i Redl, der durch seine Tätigkeit die als Spione tätigen rni- z fischen Offiziere kannte, diese denunziert haben. Bezüglich ! der Bedenken, daß durch Redls erleichterten Selbstmord die Untersuchung erschwert worden sei, wird militärischerseits mit- gctcilt, Redl habe vor seinem Tode ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Er habe alle Details seiner Tätigkeit genau angegeben, die vom Beginn seiner Tätigkeit für Rußland bis zu den letzten Tagen reichen, und auch bezüglich dreier Personen Angaben gemacht, auf Grund deren die Untersuchung weitergcfüyri werden kann. In militärischen Kreisen wird davon gesprochen, es sei gerade der verräterischen Tätig i'er. Redls zuzuschreiben, daß es Rußland in der verflossenen Krise nicht zum äußersten kommen ließ. Man meint hier, Rußland habe ans den Mitteilungen Redls den großen Umfang der österreichischen Vorkehrungen erfahren nnd habe sich deshalb veranlaßt gesehen, einer weiteren Bedrohung der - österreichischen Grenzen äbznsehen und seine Truppen entlassen.
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Deutscher Reichstag.
Sitzung vom 31. Mai 1813.
Am Bunbesratstische: Staatssekretär Dr. Delbrück.
Erster Vizepräsident Dr. Paasch« eröffnete die Sitzung um 12 X Uhr.
Durch Schreiben des Landgerichts Hamburg ist die Erteilung der Genehmigung zur Vernehmung des Abg. Dittmann (<Drz.) als Zeugen in einer Prioatklagesache an Gertchtsstelle für den 3. Juni nachgesucht worben. Auf Grund des Antrags der Geschäftsordnungskommtsfion, welche heute vormittag über dieses Ansuchen beraten hat, beschloß das Haus, b i e nachgesuchte Genehmigung nicht zu erteilen.
Darauf wurde die Besprechung der Interpellation der Sozialdemokraten wegen der geplanten Einschränkung des Vereins- und' des Preßgesetzes in Elsaß-Lothringen fortgesetzt.
Abg. Dr. van Calker (Natt.): Der Reichstag befindet sich in einer eigentümlichen Lage, indem er über eine Sache sprechen soll, über die sich der Bunöesrat noch nicht geäußert hat. So etwas kann höchst bedenklich sein. Deshalb haben wir allen Grund, uns mit größter Vorsicht zur Sache zu äußern. Aber wir muffen nun einmal Stellung nehmen. Tatsache ist, daß alles entrüstet ist über die' nationalistischen Umtriebe, weil dadurch die ruhige Entwicklung der Reichslande gefährdet wird. Es wäre falsch, die Bedeutung der nationalistischen Bewegung zu übertreiben. Aber bei der Lage der Dinge gehören nicht große Fackelbrände dazu, sondern genügen ganz kleine Lichter, um einen großen Brand anzufachen. Wir dürfen nicht außer Acht kaffen, daß die nationalistische, chauvinistische Bewegung auch eine große Gefahr für unsere Beziehungen zum Auslands bedeutet. Übertreibung schadet.
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Auf dem weiten Hofe herrschte ein reges Leben. Zwei hohe Wagen voll Heu, welche eben aus den Wiesen gekommen waren, wurden unter einem großen Aufwand von Geschrei in die Scheune geschoben, während ein Stallbursche die Pferde abschirrte und zur Krippe führte. Ein Dutzend Schweine rannten grunzend im Hof herum und vereitelten in dem wonnigen Gefühl der Freiheit jeden Versuch der mit einer langen Gerte bewaffneten Viehmagd, sie wieder in den niederen Stall zu treiben. Aus dem Kuhstalle ertönte ein unaufhörliches Gebrüll, denn die Zeit der Fütterung war gekommen, und schon schleppten zwei kräftige, bloßarmigL Mägde große, mit dampfendem Getränk gefüllte Zuber über den Hof, um dem Rindvieh den ersehnten Abendschmaus in die Kufen zu schütten. .
Mit dem Strickstrumpf in den nimmer ruhenden Händen stand die Besitzerin des Hofes, Frau Katharina Schilling, auf der von einem hölzernen Balkon überdachten Freitreppe des Wohnhauses und beobachtete mit scharfen Blicken, .ob das Gesinde auch richtig der Arbeit nachgehe, zuweilen ein derbes Mahnwort hinabrufend, wenn ein Knecht oder eine Magd sich nach ihrer Ansicht falsch anstellte. Man sah, daß alle vor der Frau einen Heidenrespekt hatten, denn hastiger wurden die Schritte, sobald die Leute sich in dem Gesichtskreis der Herrin wußten, kein Scherzwort flog von den Knechten zu den Mägden hinüber und nicht einen Augenblick wurde die begonnene Arbeit unterbrochen, um etwa einen gemütlichen Plausch zu halten. Frau Schilling sah aber auch ganz danach aus, als verstände sie es, die Wirtschaft so zu leiten, daß alles wie am Schnürchen ging. Tie über mittelgroße, etwas volle Gestalt in dem einfachen blauen Kat- tunkleide, über welches eine gestreifte Leinenschürze gebunden war, zeigte in ihrer ganzen Haltung etwas gebietendes. Die regelmäßigen Züge mit den dunklen Augen und dem kleinen zusammengepreßten Mund, dem kurzen, etwas zurückgehenden Kinn, ließen in ihrem ganzen Ausdruck erkennen, daß ihre Besitzerin Energie genug besaß, ihren Willen unter allen Umständen durchzusetzen. Man hatte diesen kalt und durchbohvend blickenden Angen gegenüber das Gefühl, als iväre jeder Widerspruch unmöglich und in der Tat war das strenge Regiment, das auf dem Hofe herrschte, im Dorfe und in der Umgebung fast sprichwörtlich geworden, ein Regiment, welches aber augenscheinlich dem ganzen Betrieb zum
aoer evenso Unterschätzung des Nationalismus? (Der Reichskanzler ist inzwischen im Saale erschienen.) Fchs muß aber die Frage verneinen, ob diese Maßregeln die geeigneten sind. Wir muffen uns überlegen, ob die Vor, teile die Nachteile überwiegen. Ich glaube, baß die letztere« größer sind. Man sagt, es sollen nur Warnungszeichen sein. Aber wenn es notwendig ist zu schießen, dann schieße ich nicht in die Luft. Diese Ausnahmebestimmungen sollen nicht die Guten, sondern die Schlechten treffen. Damit könnte man etnverstan- den sein. Aber mit Recht empfinden auch die Guten, daß diese Ausnahmebestimmungen gegen sie gerichtet find. Darin liegt die Bedeutung. Die Bevölkerung befürchtet, daß durch diese Gesetze die Entwicklung der Reichslande anfgehalten werden kann. Ich freue mich, baß der Kanzler gestern ganz klar und unzweideutig seine Stellung zur Verfassung gekennzeichnet hat. Ich freue mich, daß der Reichskanzler unzweideutig und klar sich darüber ausgesprochen hat, daß er sich auf den Boden der elsaß-lothringischen Verfassung stellt. In der elsaß-lothringischen Bevölkerung macht sich eine lebhafte Reaktion gegen den'Chauvinismus geltend, die in den Beschlüssen und der Stellungnahme der elsäsfischen Kammern zum Ausdruck kam und die unter der alten Verfassung nicht möglich gewesen wäre. Diese Reaktion wird fortschreiten und deshalb können wir ruhig die Weiterentwicklung abwarten, ohne zu Ausnahmemaßregeln zu greifen. Leider hat die Negierung in Elsaß-Lothringen selbst nicht immer die nötige Klarheit in der Stellungnahme gegenüber den Nationalisten gezeigt und dies ist ihr mit Recht in dem dortigen Parlament zum Borwurf gemacht worden. Mag die Regierung der elsaß-lothringischen Bevölkerung zeigen, baß sie eine starke Hand hat; dann aber darf der dortigen Bevölkerung unser deutsches Staatswesen nicht als ein System der Polizeigewalt und Bestrafung geschildert werden, sondern als die Verkörperung eines festen Willens, der auf ein starkes Ziel gerichtet ist. (Beifall.)
Abg. Röser (Fortschr. Vpt.): Es hat sich im Laufe der Debatte gezeigt, daß der Vorschlag der elsaß-lothringischen Regierung nicht Gesetz werden wirb. Das erfüllt uns Elsässer mit Genugtuung, ebenso, baß der Reichskanzler erklärt hat, baß ein anderer Kurs in Elsaß-Lothringen nicht eingeschlagen werden soll; wir sind 7hm dafür dankbar. Wir unsererseits können aber bas Vorgehen der elsäsfischen Negierung nicht entschuldigen. Es ist begreiflich, baß die Elsaß- Lothringer Verwahrung dagegen einlegen, daß die Ausführung der Ausnahmebestimmungen in die Hand von Personen gelegt werden soll, zu denen die Bevölkerung kein Vertrauen hat. Diese Bestimmungen widersprechen tatsächlich der Verfassung und der Autonomie des Landes. Der Nationalismus ist der einzige, der mit solchen Maßregeln zufrieden sein könnte und zufrieden sein würde. Die Folge würde sein, daß alle Gutgesinnten sich resigniert zurllckziehen. Der Nationalismus kann nur überwunden werden von unten her durch -eine Gegenbeweg nng, diese ist vorhanden. Wir bitten die Negierung, daß sie die Vorlage nicht vor den Reichstag bringt. Möge diese Debatte in der Sache die letzte sein. (Lebhafter Bei- fall links.)
Abg. Dr. v. Laszewski (Pole): Die ruhige, friedliche Entwicklung des Landes wird durch derartige Ausnahmegesetze ver- hindert. Wir wünschen auf Grund unserer Erfahrungen in der Ostmark nicht, in Elsaß-Lothringen die gleichen trüben Verhält- Nisse zu erleben, wie sie sich in der Enteignung zeigen. Fn West- preuhen ist man sogar einem Abstinenzverein entgegengetreten, weil seine Statuten in polnischer Sprache abgefaßt waren. Auf diese Weise wird von den Behörden erst künstlich ein Gegensatz zwischen den Bevölkerungs- kreisen konstruiert. Wir wollen Elsaß-Lothringen vor einer derartigen Auslegung der Gesetze schützen. Wir wollen auch keine Präzedenzfälle in Elsaß-Lothringen schaffen, Sie dann leicht auf Preußen übertragen werden können, worunter besonders wieder die Polen leiden würden. (Vizepräsident Dr. Paasche bat de» Redner, nicht weiter.auf die polnischen Fragen einzugehen.) Die Politik der Gemalt ist wohl angebracht inbezug auf das Ausland, aber nicht für die inländischen Verhältnisse.
Abg. Schultz-Bromberg (Rpt.): Wir sind in einer eigentllm- lichen Lage, wir sollen Stellung nehmen zu einer Vorlage, die noch nicht existiert. Die Verantwortung, welche Vorlagen uns unterbreitet werden, liegt doch beim Vundesrat. Ich weiß nicht, ob die Stellung des Zentrums richtig gewesen ist; vielleicht bedauert es doch einmal noch seine Stellungnahme. Herr Wetterls und seine Freunde werden unterschätzt. Hoffentlich kommt der Tag, wo dem Reichstag die Geduld reißt und wo dem unverantwortlichen Treiben der Nationalisten ein Riegel vorgeschoben wird. Man soll den Brand im Hause nicht erst löschen, wenn es unrettbar verloren ist. Ersticken wir den Brand im .Keim. Das gebietet die Rücksicht auf den Frieden des Landest (Beifall.)
Segen gereichte. Tenn trotz der langen überstandenen Kriegsjahre blickte aus dem ganzen Anwesen ein gediegener Wohlstand hervor. Die leuchtend weiß getünchten Wände der Gebäude, die blitzblanken Fensterscheiben, der gepflasterte und sauber gekehrte Hof, wie auch der Anstrich an den Geräten und an dem Holzwerk des Hauses, verrieten ebensowohl daß hier Ordnung waltete, wie auch, daß die Mittel vorhanden waren und nicht gespart wurden, um diese Ordnung zu erhalten.
Frau Schilling suchte eben an ihrem Strickstrumps eine ihr entfallene Masche wieder aufzuuehmen, wobei sie den Kops mit dem einfach gescheitelten kohlschwarzen Haar nie- derbengte, als Hansjörg durch das Tor trat und quer iiber den Hof nach dem .Schuppen ging, um die Sense dortselbst aufzuhängen. Beim Anblick des blühenden, in Lebenskraft strotzenden Sohnes flog es wie ein freudiger Schimmer über das ernste Gesicht der Mutter, doch nur für einen Augenblick, denn gleich darauf erschienen die festen Züge wieder so gleichgültig, als schäme sich die Frau jeder zärtlichen Aufwallung für ihren Einzigen. , Auch der Ton, mit welchem sie den jetzt.die Freitreppe heranikommenden Sohn empfing, verriet keinerlei Wärme; im Gegenteil klang darin etwas wie ein Vorwurf durch, so daß Hansjörg mit scheuem Blick das Antlitz der Mutter musterte. War er es auch gewohnt, daß die Mutter in kurzer, fast barscher Weise mit ihm verkehrte, so glaubte sein feines Ohr doch heute ein unterdrücktes, Grollen aus ihren Worten herauszuhören, als sie sagte:
„Ich Hab' gerechend, daß du schun vor einer Stund' dehaam wärst, dann wär' das Hei noch uff die Scheier klimme'! Wo bleibst du dann so lang?"
Mit harmloser Miene entgegnete Hansjörg: „Der Kaspar is' ewe' en' alter Mann, do muß ich die Hauptarweit al- laans schaffe'! Bei der Hitz' kann mer das Hei morje' mittag trenne' un' übermorje' uff Hocke' setze'! Wann kann Rege' kimmt, tun wir's Hann de Samstag erein!"
Da Hansjörg immer etwas auf dem Kerbholz hatte und auch heute nicht wußte, ob die Mutter nicht etwa hinter einen seiner Streiche gekommen war, so suchte er nach bewährtem Rezept die Mutter in ein allgemeines, die Arbeit betreffendes Gespräch zu verknüpfen, um so eine etwaige unangenehme Auseinandersetzung zu vermeiden oder doch wenigstens zu verzögern.