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mit Erzähler vom Achwarzwald.
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Amtsblatt für die Ltadt Wildbad.
verkündigungsblatt
der ttgl. Forstämter Wildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. während der Saison mit
amtl. Lremdenliste.
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Nr. L27.
Montag, den 3. Jnni ISIS
S9. Jahrg.
Evangelisch-sozialer Kongreß.
Tiefes Jahr hat sich der evangelisch-soziale Kongreß einen für soziale Probleine heißen Boden ausgesucht,, als er in Essen zu seiner Tagung zusammengetreten ist. Unter seiner neuen Leitung Geheimrat ,Prof. Bau mg arten ist dies die erste Zusammenkunft, aber man muß ihr das Zeugnis geben, daß sie an Inhalt sich den besten Kongressen würdig an die Seite stellen kann. Und Geheimrat Harnack hatte recht, wenn er in seiner Rede am Begrüßungsabcnd meinte, der Kongreß gehöre nach Essen, weil er überall dortlftn gehöre, wo Arbeit und Fort- jchritt ringen und lebendig seien. T-iese Rede wuchs schließlich aus.zu einem scharfen Angriff gegen Professor Lstwald, der in Hamburg letztes Jahr „das monistßche Jahrhundert" eröffnet hat. Dieses törichte Schlagwort »all unser Volk nicht länger zum Narren haben. Solange der Dualismus zwischen Gott ünd Wesen nicht ausgerottet werden könne, sei Monismus ein Pappenstiel. Jeder denke sich etivas anderes darunter und darum könne man auch nichts damit anfangen. An Käferbeinen gewinnt mau keine Weltanschauung, sondern an den Punkten, wo sich Trieb und Sittlichkeit treffen. Wir haben an Christus kiue Persönlichkeit, die in 1900 Jahren kein Schaum geworden ist, darum nennen wir uns evangelisch.
Tie eigentlichen Verhandlungen des Kongresses leitete Professor Baum garten mit einer programmatischen Rede ein. Ter Kongreß ist weder durch feste Bekenntnisse noch durch autoritäre Bibelworte festgelegt, sondern weist aus diejenige sittlich-religiöse Gesinnung hin, die das Evangelium Jesu innerlich und frei erweckt. Wir erwarten von unseren Nationalökonomen, daß sie uns über das wertlose Seufzen und Stöhnen über Bolksverderb- uis und Volksversührung heraussühren zu einer klaren Einsicht in die wirtschaftlichen, vor allem auch in die ideellen Zusammenhänge der Nöten, die wir bekämpfen. So allein bekommen wir einen festen und bestimmten Angriffspunkt zur Ausschaltung der Fehlerquellen. Es gibt unter den Politikern und Industriellen, ja selbst unter ' unseren Geistlichen, so viele hoffnungslose Leute, die uns verbieten wollen, an eine Mauserung der Sozialdemokratie, an eine Wiedergewinnung der arbeitenden Massen tür die Ideale des Deutschtums und des Christentums zu glauben. Ta müssen wir doch fragen: Was soll uns solcher Nihilismus, solche lieblose Verzweiflung an der Seele unseres Volkes? Wer verzweifelt und tttlos zu- schant, der hat nie geliebt. Wir aber stehen fest im Glau
ben und iir der Liebe, und Harum arbeiten wir, ohne, zu verzweifeln. Uns soll es eine Aufgabe sein, das selbige heilige Müssen im Dienst der Wiedergewinnung der Massen von dieser Stelle aus zu verbreiten, wie einst zu Pfingsten 1890, als wir von unseres jungen Kaisers Febrnarerlaß im Innersten getroffen uns zusammensan- den zur Lösung der Frage: Was tut die evangelische Kirche? Gewiß, wir sind alle älter, bedächtiger geworden, viele angekränkelt, Mar nicht von des Gedankens Blässe, aber von der Erfährung, wie sich im Raum die Sachen stoßen. In diesem Zeitalter des Automobils und der Flugmaschinen verlernen so viele zu rechnen mit den langen Fristen, die große Kultur- und Gesinnungsver- schiebungen brauchen, um sich mit dem alten Knlturbe- stand anszugleichen. Aber umso nötiger ist die stete Wiederholung der Parole, die uns einst unser Freund Paul T-rews zurief: Mehr Herz fürs Volk! Nftchr Glaube ans Volk! Das Volk liebt seine Idealisten! (Lebh. Beifall.)
Das erste Referat über „Individualismus und Staatssozialismus" hatte Prof. v. Wiese übernommen. Ter Külturindividualismus mit seinen wertvollen Errungenschaften sei leider zum Manchestertum und ökonomischen Individualismus mit seinen Härten geworden. Als Reaktion dagegen sei dann der Staatssozialismus entstanden, der sicherlich die Existenzsicherheit gefördert, aber die Frei- heit und eigene Verantwortlichkeit beschränkt habe. Die Sozialpolitik müsse sich in den Dienst der Ausbreitung politischer und sittlicher Freiheit stellen, wobei allerdings die Idee der- Freiheit einer innerlichen Erneuerung bedürfe. Auch das System der Sozialpolitik ist solange nicht vom Uebel, wie es die politische und sittliche Freiheit nicht beschränkt. Tie Beschränkung der Unternehmertätigkit hinsichtlich der Arbeiter mochte eine Notivendigkeit sein, aber man unterschätzt vielfach die Bedeutung der Leistungen des Unternehmertums. Tie wagende Initiative wird geschwächt, wenn die sozialpolitische Kritik rücksichtslos geübt wird. Hier im Ruhrbezirk mag es besonders schwer sein, stets gerecht über diese Dinge zu urteilen. Aber man darf dennoch nicht vergessen, daß >ie restlose Tätigkeit der Unerntehmer auch den Arbeitern und allen anderen Zugute gekommen ist. Mit den Berufsorganisationen verschiebt sich bloß das Maß der Unfreiheit. Was der Einzelne an Freiheit gegenüber dein Unternehmer gewinnt, verliert er an die Organisation. Was von oben als Gesetz erlassen wird, das betrachtet unten cer Mili- litäranwärter, dem noch kein'Fünkchen sozialen Geistes aufgegangen ist, als eine Züchtigung, um das x. p. Publikum im Zaum zu halten. Ter Ideengehalt unserer
will Dummheit majestätisch treten in Erscheinung,
Tritt sie vor uns vermummt als öffentliche Meinung
Dito v. Leirner.
Die Goldmühle.
Roman von Margarete Gehring.
50' Nachdruck verboten.
(Fortsetzung)
Florian kam oft auf den Berg. Der Muhme war das im Anfang gar nicht genehm, aber Evas Bitten und die stille Freude, die das Mädchen empfand, wenn er kam, hatten sie umgestimmt, und so saßen sie oft abends ein Stündchen in der Stube, oder, wenn das Wetter danach Kar, draußen auf der Bank zusammen, still und verständig, als ergebene Leute, die sich, wenn auch immer noch mit Mhcm Herzen, ins Unabänderliche geschickt haben und mn den einen Wunsch kennen, einander zu sehen, eins des andern Stimme zu hören und es einander zu zeigen, daß sie eins dem andern gern Freude bereiten und Trost metkü möchten und — die ohne einander nicht sein können- Gesprochen wurde nicht übermäßig viel, und wenn beide mit kurzem Händedruck und herzlichem Gutenachtgruß aus- kmandergingen, da ging durch beider Herzen ein und derselbe Gedanke: „Wie lange ertrage ich wohl noch diese unnatürliche Qual?"
So gern Eva wieder in die Stadt gezogen wäre, so mußte sie doch den Gedanken daran aufgeben, solange me Muhme noch am .Leben war. Die Alte mußte jemanden um sich haben, und hatte es an ihr verdient, m>ß sie ihe jn den letzten Lebenslagen hilfreich zur Seite pand. Sie hätte ja dann auch Florian ganz meiden muiien; ihr Verstand sagte ihr zwar, daß das entschieden das Beste und allein Richtige sein würde, aber ihr Herz VhOe „Nein!" und sie zitterte vor Freude, wenn sie mausei: vor der Tür seinen Schritt hörte, und mußte alle kmafr aufbieten, sich zu beherrschen und ihm nicht ent- ^Mzueilen und ihn in ihre Arme zu nehmen und zu
Das Glück und die Arendx waren gestorben in ihrem
Herzen, aber die Liebe lebte noch, die heiße, innige Liebe, die nimmer aufhört und nicht sterben kann, wenn sie einmal in reiner Glut entbrannt ist in einem jungen Menschenherzen. Florian erging es ähnlich; er kam zur Schwester und suchte die Geliebte, er nahm der Schwester Hand und zog m Gedanken die Geliebte ans Herz. Wie ein Fieber kam es über ihn, wenn der Abend kam und die Nachtmahlzeit eingenommen war, bis er endlich den Berg erstiegen hatte und oben vor dem Häuschen stand. Ta kam dann die trostlose Ernüchterung.
Sie waren beide krank, krank am Gemüt, das sich verzehrte in vergeblichem, unstillbarem Sehnen nach Glück und Liebe.
Siebentes Kapitel.
Eva blickte oft mit Sorgen auf die Muhme. Ten Jahren nach hätte dieselbe noch leidlich rüstig sein können, ober sie war eben „ein schwacher Mensch", wie die Leute im Torfe sich ausdrückten, und das viele Alleinsein, die mangelnde Pflege, die vielen beschwerlichen Wege in Wind und Wetter und das Herzeleid, das sie im Leben durchgemacht, hatten an ihrer Gesundheit und Lebenskraft gezehrt. Auch geistig hatte sie sehr nachgelassen, sonst wäre ihr Evas früherer Verkehr mit Florian schwerlich entgangen, und sie würde das Mädchen rechtzeitig gewarnt und ihr so das schwere Herzeleid erspart haben, unter dem sie nun seufzte. Besonders in den letzten Monaten war es auffallend schnell mit ihr bergab gegangen, so daß Eva oft dachte: „Wer weiß, ob sie die Blätter noch fallen sieht!" Schon vor Einbruch der Dämmerung ging sie zu Bett, und ihre Gedanken verwirrten sich häufig, so daß sie Eva für deren unglückliche Mutter und Florian für den Ferdinand hielt und, wie sie einst, der Eva zugeredet hatte, den Ferdinand zu heiraten, nun der Tochter denselben Rat gab. Dazwischen war sie zeitweilig ganz verständig und klar bei Gedanken und ging, soweit ihre Kräfte es gestatteten, ihrer gewohnten Beschäftigung nach. Evv dachte mit Bangen daran, wenn sie einmal anfangen würde, bettlägerig zu werden, und frug den Arzl) den sie zufällig im Torfe unten traf, um Rat. Ter alte Herr zuckte die Achseln und sagte: „Liebes Kind, da wird
Sozialresorm ist nicht kleinlich, aber ihre Ausführung ist es. Vor der Ausbreitung der Beamtenhe rr schuft kann einem noch bange werden. Das ist aber nicht etwa bloß in Deutschland so, es ist im Auslande nicht anders. Wenn in einem Volk Kultnrindividualismns lebendig ist, nimmt auch der Staatssozialismus angenehmere Formen, an. Wir müssen ans dem Lager der Sozialreform wieder mehr Wachtposten abkommandieren, die die Entwicklung der Freiheit beobachten. Wir dürfen diese Tinge nicht übler nehmen als sie es tatsächlich verdienen. Wir müssen berücksichtigen, daß viele der Heamten gewissermaßen auch noch nach der Militärzeit in vielen Dingen wie in einer Kaserne leben und zu allen möglichen Kontrollen an- treten müssen.
Professor Marlin Rade-Marburg geht demselben Tlxema von der Seite des religiösen Individualismus zu Leibe. Lebendiges Christentum allein ist in der Lage, den Individuen des Staates zu einer wirklichen Lösung des gegebenen sittlichen Problems zu helfen. Niemand möchte die letzten 30 Jahre Sozialpolitik missen. Es sei aber geradezu tragisch, daß der Staat, indem er Fürsorge treibt, dabei auch den Individualismus gefährdet, etwa wenn die Krankenversicherung den Willen zur Gesundheit hemmt. Es ist schade, wenn ein Bauernsohn statt wieder Bauer zu werden und ein Gut für sein Risiko zu übernehmen, Briefträger wird, weil die Pension winkt.
In der Diskussion gab der alte und verdiente Vorkämpfer des Staatssozialismus, Wolf Warner, zu, daß dieses System seine Schattenseiten habe, daß aber doch auch große finanzielle, soziale und kulturelle Werte her- ansgearbeitet worden seien für den Staat und besonders die arbeitende Bevölkerung.
Ten zweiten Vortrag über Religion und Bildung hatte Tr. Friedrich Naumann-Berlin übernommen. Mit hinreißender Beredtsamkeit zeichnete er ein Bild voir dem gegenwärtigen Zustand der Bildung und der Religion. Während die erste immer umfangreicher! und inhaltvoller wurde, so daß kein Mensch mehr iu der Lage ist, das Wissen und die Erkenntnis in sich zu verarbeiten, ist die Religion immer mehr losgelöst und zurückgezogen worden, hat sich gefürchtet, ihre Kraft und ihren Wert mit neuem Erkenntnissen zu messen. Das iverde anders und besser in dem Maße, als die Bildung in ihren: äußeren Umfange eine gewisse natürliche Abgrenzung erfahre, die den Blick dann von selbst wieder mehr inneren und ewigen Fragen znlenke. Das Christentum aber müsse durch seine praktische Bewährung im
wohl wenig zu tun sein; das bringt eben das Alter so mit sich, zumal unter solchen Verhältnissen, wie sie hier vorliegen. Die Ernährung ist doch keine besonders kräftige gewesen. Und was das wunderliche Wesen anbetrifft — nun, das trifft man doch oft bei solchen alten Leuten, die viel allein gewesen sind, und viel dnrchgemacht haben. Lassen Sie sie ruhig gewähren und sorgen Sie dafür, daß sie ordentlich ißt und auch sonst immer ihre gehörige Abwartung hat. Geben Sie ihr in allem recht, das wird das beste sein. Sollte es mit der Zeit schlimmer mit ihr werden, so daß Sie allein nicht mehr mit ihr fertig werden können, nun dann müssen wir sie eben ins Krankenhaus nehmen."
„O das tut sie nicht. Herr Rat, ich glaube, das wäre direkt ihr Tod, wenn sie aus ihren altgewohnten Verhältnissen herausgerissen würde!"
„Nun, das wird sich alles finden; warten Sie es vorläufig ruhig ab, und sorgen Sie vor allem auch dafür, daß Sie selbst immer hübsch auf dem Damm bleiben — ganz gefallen Sie mir auch nicht. Fehlt Ihnen denn etwas?"
„Ach, Herr Rat, Sie find gut, aber für Kummer und Herzeleid haben Sie doch kein Mittel!"
„Ei warum denn nicht, meine Goldtochter? Da gibt's schon Mittel: Kops hoch! Arbeiten! Nicht unnütz grübeln! Ein bissel Gottvertrauen kann auch nicht schaden!"
„Ich will's versuchen, Her Rat, ob's Hilst! Ich dank' Ihnen vielmal! Und was bin ich Ihnen denn schuldig?"
„Schuldig? Bleiben Sie immer so brav, liebes Kind, wie Sie mir bisher von den Leuten geschildert worden sind, dann bin ich zufriedengestellt! Sonst sind Sie mir nichts schuldig. Gottbefohlen!"
Damit ging der freundliche alte Herr von ihr und winkte ab, als sie ihm nochmals ihren Tank nachrief. „Es gibt doch auch recht gute Menschen in der Welt!" dachte sie, als sie den Berg Hinaufstieg.
(Fortsetzung folgt.) . ?