Die Tagung des Deutschen Lehrervereins.

m.

Berlin, 29. Mai. Die zweite Hauptver­sammlung des Deutschen Lehrertags wurde heute vor­mittag von dem Vorsitzenden Röhl mit der Mitteilung eröffnet, daß der Kaiser durch das Hofmarschallamt für den ihm gesandten Hnldigungsgruß der Versammlung den besten Tank habe aussprechen lassen. (Lebhafter Beifall.) Im Anschluß daran teilte der Vorsitzende mit, daß der Kaiser gestern abend extra von Potsdam herübergckom- men sei, um der für die Lehrer gegebenen Vorstellung des Großen Königs" im königlichen Schauspielhause von An­fang bis zu Ende beiznwohnen. (Erneuter lebhafter Bei­fall.)

Tann ergreift das Wort Rektor W. Tittel-Tort- mund zu dem Referat über

die rechtliche Stellung des Lehrers in Staat und Gemeinde.

Ter Redner behandelte dieses Thema in einer über­aus fleißigen und erschöpfenden Darstellung.

Ter Kern seiner Ausführungen, die infolge ihrer schlagenden Beweisführung und treffenden, oft sarkasti­schen Vergleiche des öfteren von stürmischem Beifall un­terbrochen wurden, ist in folgenden Leitsätzen ent­halten :

1. Der Lehrer bedarf einer gesetzlichen Regelung seiner be­amtenrechtlichen Stellung in Staat und Gemeinde. Durch das Gesetz ist unzweideutig ausznsprechen, ob der Lehrer unmittel­barer oder mittelbarer Staatsbeamter ist. In dem neu zu schafsenden Lehrer(Beamten)-Recht ist der Eigenart des Lehrer- beruss gebührend Rechnung zu tragen. In der Wahl seines Wohnortes. darf der Lehrer nur durch die Rücksicht auf die Er­füllung seiner Dienstpflichten beschränkt werden. Die Vorschrif­ten, nach denen Staat und Gemeinde für die Amtspflichtverletz­ungen ihrer Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt haften, sind auch auf den Lehrer änzuwenden. Für Lehrer- die bei Ausübung ihres Berufs Unfälle erleiden, ist gesetzlich Fürsorge zu treffen.

2. Der- Lehrer bedarf keiner besonderen Beschränkung in der Ausübung staatsbürgerlicher und Politischer Rechte. Die Be­stimmung des Gerichtsverfassungsgesetzes, die den Lehrer vom Amt eines Schöffen und Geschworenen ausschließt, ist zu be­seitigen. Dem Lehrer ist das passive Gemeindewahlrecht zu gewähren. Die Annahme einer Wahl darf von der Genehmig­ung der Dienstbehörde nicht abhängig gelnacht werden. In der Ausübung des Vereins-, Bersammlungs- und Petitionsrechts, sowie in seiner politischen Betätigung ist der Lehrer nicht zu beschränken, soweit dabei die Pflichten nicht verletzt werden, die mit der Ausübung eines Staatsamtes verbunden sind.

3. Der Lehrer bedarf eines wirksamen Schutzes seiner Rechte durch ein zeitgemäßes Disziplinargesetz. Dem Lehrer muß das Recht zustehen, nach Erschöpfung des Beschwerdever- sahrens das förmliche Disziplinarverfahren gegen sich zu be­antragen. Im Falle der Suspension darf keine Verminder­ung des Gehalts eintreten. Es sind besondere Disziplinarkam- mern und Disziplinarhöfe zu bilden, in denen auch Beamte aus der Kategorie des Angeklagten, niemals aber dessen di­rekte Vorgesetzte Sitz und Stimme haben. Die Voruntersuch­ung muß in Gegenwart des Angeklagten und seines Verteidi­gers stattfinden. Auf Antrag sind auch in der Hauptverhand­lung, bei der nur in besonderen Fällen die Oeffentlichkeit aus­zuschließen ist, Zeugen zu hören und andere Beweise zu er­heben. Das Wiederaufnahmeverfahren sowie die Entschädigung unschuldig Verurteilter müssen gesetzlich gewährleistet werden. Die allgemeinen Bestimmungen über die Verjährung müssen auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden.

An das Referat schloß sich eine längere Diskussion an, die allgemeine Zustimmung ergab. Nur in einigen Punkten wurde eine Aenderung der vom Referenten vor­gelegten Leitsätze verlangt. Landtagsabgeordneter Löch- ne r (Stuttgart) verlangte grundsätzliche Gleichstellung mit den Beamten.

Zu einer längeren Auseinandersetzung gab die Frage Anlaß, ob der Lehrer bei seiner politischen Betätigung beschränkt sei durch seinen Diensteid. Lehrer Roß (Hamburg) erklärte hierbei u. a.: Ein jeder hat sich nach seinem Gewissen zu verhalten und wenn der Diensteid das Gewissen wirklich beengt, so muß er geändert

Listige Menschen verachten die Studien, einfache Menschen be­wundern sie und weise Menschen gebrauchen sie.

M a c a u l a y.

Die Goldmühle.

Roman von Margarete Gehring.

49) Nachdruck verboten.

(Fortsetzung.)

Ter Müller, der äußerst aufgeräumt und wohlge­launt heimkehrte und gleich anfing, mit Rosemarie urn die Wette zu erzählen, war aus allen Himmeln gefallen, als sie ihm unter vier Augen ihre Entdeckung mitteilte- und ihm erzählte, was während seiner Abwesenheit vorge- sallen war. Sein Schreck war groß, und er bat der Mutter seinen Fehltritt und dessen Verheimlichung reumütig ab, mit so ehrlichem Bedauern, daß sie nahe daran war, schon um Floris willen, auch ihrerseits ein offenes, reumütiges Bekenntnis ihrer Schuld abzulegen, von der niemand eine Ahnung hatte, und kniefällig seine Verzeihung zu er­bitten. Aber die Angst preßte ihr das Herz zusammen und schnürte ihr die Kehle zu, und so ging die gute Stunde ungenutzt vorüber. Sie hatte ihn erst ruhig er­zählen lassen, ehe sie ihn beiseite nahm, und er hatte in seinem Eifer weder ihr traurig verweintes Gesicht, noch Florians verändertes Wesen und Aussehen beachtet. Auch! Rosemarie wurde nicht müde, zu erzählen; es sprudelte nur so zwischen den roten Lippen hervor, und die Augen leuchteten wie die Sterne in der Winternacht.

War das ein Wandel, vorgestern und gestern, und nun heute! Ganz gebeugt saß der Müller im Lehnstuhle und sah zu Boden. Ja, nun kam sie, die Vergeltung! Er war so ruhig geworden in den letzten Jahren; ganz versunken schien sie, die Vergangenheit mit ihren'un­leidigen Gewissensbeklemmungen. Nun stand sie wieder lebendig vor ihm und raubte ihm den Frieden der Seele. Schlaflos und von trüben Gedanken gepeinigt warf er sich die ganze folgende Nacht auf seinem Lager hin und her. Sollte er Eva endlich in ihr Kindesrecht einsetzen und so sein Unrecht wieder gutmachen, soweit es eben noch

werden. Wir wollen eine freie Schule im freien Staat. (Lebhafter Beifall.) Rektor Pretzel (Berlin): Meiner Ansicht nach unterliegt die Freiheit des Beamten und Lehrers Beschränkungen; das ist allen menschlichen Ein­richtungen eigen. Auch die Gewerkschaftsbeamten dürfen sich ja nur im sozialdemokratischen Sinn betätigen. (Zu­stimmung.) Am Diensteid darf nicht gedeutelt und ge­rüttelt werden; ohne diesen Grundsatz gibt es keine Sicher­heit im bürgerlichen Rechtsleben mehr. (Lebhafte Zu­stimmung.) Ls rührt an unser Gefühl, auch nur die Mög­lichkeit anzunehmen, deutsche Lehrer könnten sich in dieser Frage anders stellen als die gestrige Versammlung sich stellte. (Lebhafter Beifall.) Roß (Hamburg) tritt Rek­tor Pretzel entgegen, der ihn falsch verstanden habe. Er habe nur gesagt, daß der Diensteids wenn er verfassungs­mäßige Rechte des Staatsbürgers autaste, in seiner Form geändert werden müsse, denn bekanntlich könne eine Ver­ordnung kein Gesetz aufhcben. (Lebhafter Beifall.)

Im Schlußwort führt der Referent aus, daß der Eintritt in das Lehreramt freiwillig sei. Wer sich in­nerlich nicht gebunden erachten kann, die durch den Dienst­eid übernommenen Pflichten zu erfüllen, muß die Konse­quenz ziehen und das Amt dem Staate wieder zurückgeben. (Lebhafter Beifall.) Der Einzelne soll eben nicht nur den Mut zum Wort haben, sondern, wenn er in einen solchen Konflikt kommt auch den Mut zur Tat. (Lebhafter Bei­fall.) Schließlich wurden die obigen Leitsätze ange­nommen.

Hierauf sprach Lehrer Menzel-Berlin über

die wirtschaftliche Lage der deutschen Bolksschullehrer.

Bei der Festsetzung der Lehrergehälter, führte er aus, ha­ben die rueisteu deutschen Staaten aus einander Rücksicht ge­nommen. Deshalb muß auch die deutsche Lehrerschaft gemein­sam« einheitliche Forderungen formulieren. Di« deutsche Lehrer­besoldung steht an einem Wendepunkt; sie ist an den meisten Stellen nicht mehr eine bloße Brotfrage, sondern die Ent­scheidung lautet jetzt: Sind die Grundsätze, nach denen man die wirtschaftliche Lage der Lehrer gestaltet, in Rücksicht auf die soziale Schichtung unseres Volkes, in Rücksicht auf die Be­deutung der Volksschule und die Vorbildung der Lehrer und in Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse gerecht oder nicht? Die von einer Kommission vorbereitete und der Versammlung unterbreitete Resolution lautete in ihrem ersten Teil:Soll die deutsche Volksschule ihre Ausgaben im Dienste der gesam­ten Volksbildung und damit auch der wirtschaftlichen Entwick­lung erfüllen, so hat das deutsche Volk die Pflicht, seine Volks- schnilehrer wirtschaftlich so zu stellen, wie es der Schwierig­keit und Wichtigkeit des Lehramtes entspricht." Dieser Satz sucht aus der Bedeutung der Volksschule den Maßstab für die Besoldung ihrer Lehrer zu gewinnen. Der zweite Satz der vorgeschlagenen Resolution behauptet nun, daß mit dieser Bedeutung der Volksschule die wirtschaftliche Lage ihrer Lehrer nicht in Einklang steht. Er sagt:Bei aller Anerkennung der Fortschritte, die durch die Gesetzgebung der meisten deutschen Staaten während der letzten Jahre in der Lehrerbesoldnng her- beigesührt worden sind, muß doch festgestellt werden, daß kein Besoldungsgesetz jenem Grundsatz voll gerecht wird. Welchen Maßstab die Lehrerschaft an ihre Gehälter angelegt sehen möchte, ergibt der dritte Satz der Resolution:Die Arbeit des Bolks- schullehrers ist als freie geistige Tätigkeit von der der akade­misch gebildeten Lehrer in ihrem Wesen nicht verschieden. Ge- haltssestsetznngen, die das Volksschullehrergehalt auf die Hälfte des Gehaltes der akademisch gebildeten Lehrer oder noch nied­riger bemessen, sind daher nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist das Diensteinkommen der Volksschnllehrer, das, abgesehen von der Deckung des Wohnungsbedürfuisses, in Stadt und Land gleich hoch sein muß, dein der akademisch gebildeten Lehrer in weit höherem Maße anzunähern, als es zur Zeit der Fall ist. Der Vergleich mit den mittleren Beamten ist abzulehnen, weil beide Gruppen keine inneren Berührungspunkte und Vergleichmöglich- kciten bieten. Weit geringer sind vielmehr die Unterschiede zwischen der Arbeit des höheren und Volksschullehrers. Der Volksschullehrer ist im weiteren Sinne Kulturpionier als der höhere Lehrer, denn unsere Kultur baut sich nicht mehr auf eine dünne Oberschicht ans, sie ist breiter und geht tiefer ins Volk. Zwei Kräfte können die Lehrerschar zum Ziele führen: das allgemeine soziale Emporsteigen des Volkes qnd die eigene Arbeit des Lehrerstandes. Jeder soziale Fortschritt ist Bild­ungskultur und Schulfortschritt. Aber die Schule kann nur fortschreiten, wenn man die Kraft der Lehrenden erhöht, und das ist unmöglich ohne stete Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Je größer die Volksschule wird, desto wichtiger die Ar­beit in ihr und um so freier und angesehener ihr Lehrerstand. Jeder einzelne Lehrer soll unverdrossen und restlos schaffen und arbeiten, und das stolze Bewußtsein und das Glücksgefühl, Glied

anging? Das Rechte wäre es wohl gewesen, aber die Leute, die Leute! Das Gerede im Dorfe! Der Gedanke war ihm entsetzlich, und er sagte sich:Es geht net an! Es ist net möglich! Ich kann's net über mich bringen und auf mich nehmen! Wer weiß, ob sie 's auch täte und einwilligte, denn sie hat den Charakter ihrer Mutter!" Und doch mußte etwas geschehen, wenn er Ruhe bekommen wollte aber was denn nur? Seinen Sohn Florian wagte er kaum anzusehen, als er ihm am Morgen be­gegnete.

Auf allen in der Mühle lag es in den nächsten Tagen wie ein Druck, und keine rechte Freudigkeit wollte aufkommen.Was habt ihr nur alle?" frug Rosemarie, die von allem Vorgefallenen keine Ahnung hatte;ihr seid ja auf einmal alle so sonderbar, und der Florian geht umher wie ein Leichenbitter." Frau Rosemarie konnte ihr keinen Bescheid sagen, der sie befriedigt hätte; sie litt still mit ihrem Sohne; und der wehrte die Schwester ab und sagte:Das kommt dir nur so vor, weil du aus der Lust und dem Vergnügen kommst, und bei uns ist's still und einsam, und die Arbeit ist die einzige Unter­haltung, die der Mensch tagaus, tagein hat."

Kein Mensch kann es aussagen, was'Floris Mutter in diesen Tagen litt, wie sie, mitten in der Arbeit steckend, die sie mechanisch verrichtete, fortwährend mit sich kämpfte. Ti? Mutterliebe und des Gewissens unerbittlich mahnende Stimme wiesen sie ans den rechten Weg, und doch schau­derte ihr immer von neuem bei dem Gedanken, daß sie ihn betreten sollte. Wie niedergeschmettert mußte ihr Mann sein, wenn er die Wahrheit erfuhr, und sie und Flo­rian o was würde dann aus ihnen werden? Wenn sie doch nur einen ruhigen, verständigen, liebevollen Freund gehabt hätte, der ihr hätte raten können! Aber da war keiner, dem sie sich hätte anvertrauen mögen. Ter ein­zige wäre der Pfarrer gewesen, aber der war streng bei all seiner Menschenfreundlichkeit und - die Müllers- leute kamen herzlich wenig zur Kirche. Es war ja so weit ins Torf, fast eine halbe Stunde! Sie fand den Mut nicht, auch auf die Gefahr einer empfindlichen De­mütigung hin seinen seetsorgerlichen Rat zu erbitten.

eines aussteigenden Volkes und eines aufstrebenden -Stank-- sein, soll ihm die Kraft dazu gehen, ..(Lebhafter, anbmi7>? Beisall). ^«»der

Die, anschließende, ausgedehnt? Diskussion bew^b^ durchaus im Sinne des Referates. Schubert (Au­burg) betonte, daß, die Lehrer, wenn sie so gestellt zu iw den verlangen, daß sie nicht mehr darben müssen kj!' Gnade verlangen, sondern ihr gutes Recht. Schwärz! (Magdeburg) erklärte die Zustimmung des Preußisch!! Lehrervereins, Beyer (Leipzig) die des sächsische der Resolution. Auch der badische und württemberM Lehrerverein erklärten sich mit ihr einverstanden. Tew! (Berlin) betonte, daß die Gehaltsfrage der Lehrer cch. Volksbildungsfrage und damit eine Volksfrage sei. >! Elsaß-Lothringen wolle die Regierung jetzt die Oberleft-, besser stellen, wie die in Preußen, die Bolksschulleft« dagegen schlechter. Wir sollten der elsässischen Regiere von hier aus sagen, sie möchte die Besoldungsfrage doch von anderen Gesichtspunkten aus ansehen. (Lebhafter Axj) fall.) Voß (Schwerin) bringt die Erbitterung der mG lenburgischen Lehrer zum Ausdruck. In Mecklenburg bj ein Lehrer gekündigt worden, weil er die Reinschrift ei­ner Petition um Gehaltsaufbesserungen angefertiqt baw (Lebhafte Psm!-Rufe.)

Die Resolution wurde einstimmig angenommen und die Tagung geschlossen.

Deutsches Reich.

Der Papst gegen die christlichen Gewerkschaften.

In Berlin hat der Verband katholischer Ar- be itervereine (Sitz Berlin), der bekanntlich in aus- gesprochenen Gegensatz zu den christlichen Gewerkschaften steht, seinen diesjährigen Verbandstag abgehalten. Dabei berichtete ein Pfarrer Beyer über eine Audienz, die er beim Papste gehabt habe, um ihm eine Huldigungsadrch'e des Verbandes zu Füßen zu legen. Der Papst hat daraus nach dem Bericht der Germania Herrn Beyer folgendes geantwortet:

Ich kenne Eure Grundsätze und Eure Bestrebungen und be> sonders auch die Differenzen zwischen Eurer Organisation mid andern. Euch lobe ich, Euch billige ich und Euch erkenne ich an und mit allen Kräften strebe ich an, daß alle Eure Grundsätze sich zu eigen machen mögen. Die andern billig ich nicht, ich verdamme sie nicht; denn es ist nicht meine Sache, zu verdammen; jedoch ihre Grundsätze, welche falsH sind, kann ich nicht anerkennen.

Wenn die wirtschaftliche Seite des Lebens von der Re­ligion getrennt wird so, daß dieselbe nicht den ganzen Menschen und die ganze Organisation dnrchdringt, so müssen sich daraus traurige Folgen ergeben. Wenn man nämlich die Religion von einer Betätigung des Lebens ausschließt, z. B. von den Wirtschaftlichen Bestrebungen, so wird sie bald auch von andern auf das praktische Leben gerichteten Fragen ausgeschlossen wer­den, und so wird man bald zum Ako n f e s s i o na lismns. d. h. zur Leugnung aller Religion, auf schnellstem Wege ge­langen. Deshalb kann ich derartige Organisationen nicht billigen.

Man kann auch nicht das Individuum, das einzelne Mitglied, von der Organisation trennen, so daß man sagt, die einzelnen Mitglieder unterstehen zwar der Autorität der Kirche, nicht aber die Organisation als solche; das ist ganz unrichtig, unhaltbar und undenkbar. Die Kirche hat auch den Or­ganisationen zu gebieten.

Sage Deinen Freunden und den lieben Arbeitern: Der Heilige Vater billigt ihre Bestrebungen in allem und stimmt mit Euch überein und fühlt mit Euch und wünscht lebhast, daß alle andern Arbeiterorganisationen mit Euch übereinstimmen sol­len. Ich will, daß Du allen Präsiden und Mitgliedern sagest: der Papst erteile ihnen ans ganzem Herzen seinen Segen und bittet sie, daß sie auf dieselbe Weise wie bisher fortfahren mö­gen, nicht allein für das irdische, sondern auch für das geist­liche Wohl der Arbeiter zu wirken.

Deutlicher konnte Pius X. nicht zeigen, auf welcher Seite er im Gewerkschaftsstreit steht. Seine Worte sind eine entschiedene Absage nicht nur an die christlichen Ge­werkschaften, sondern auch an die Kölner Richtung, in deren Hut ja die christlichen Gewerkschaften stehen.

*

Krautheim (Bayern), 31. Mai. Durch starke Re­gengüsse und den letzten trockenen Sommer sind in der

So blieb alles beim alten. Florian mußte sich eben zu helfen und sich zu trösten suchen.

Der Müller kies umher wie das wandelnde schlechte Gewissen und ging Flori aus dem Wege, soweit es möglich war. Es war ihm immer, als ob aus den Augen de» SohneS ein stiller Vorwurf ihn anblickte. Das lag gar nicht in Floris Absicht er war und blieb trotz allem der ehrerbietige Sohn. Der geschwisterliche Verkehr, der heimlich zwischen Florian und Eva stattfand, blieb dem Vater nicht verborgen, aber er schwieg dazu.

Nur das junge Blut, die Rosemarie, war in kurzem wieder die alte.Ach sind das griesgrämige Menschen.' dachte sie,was sie nur davon haben, sich selbst das Leben so zu verbittern und den ganzen Tag solche -Waster zu schneiden! So eine Laune just wie das ---emr im November!" Aber verändert war auch sie gegen früher, nur daß niemand von den Hausgenossen, die alle genug mit sich selbst zu tun hatten, darauf achtete. Sie war so träumerisch und konnte in arbeitsfreien Stunden lange still und nachdenklich dasitzen, ohne eine Arbeit in die Hand zu nehmen, wie sie es sonst immer getan, weim es in der Wirtschaft nichts für sie zu tun gab. Dem Post­boten, den sie sonst überhaupt nicht beachtet lMe, ms sie jetzt bis vor das Mühltor entgegen, und ihr Herz klopfte stürmisch und ihre Augen glänzten, wenn er N eine Karte mit dem Stempel der Universitätsstadt o eines benachbarten Ausflugsortes überreichte, auf der vn e Namen und Verbindungszeichen standen, aber die Ädmi war immer von derselben Hand geschrieben. Allabem > k freute sich Rosemarie, daß wieder ein Tag vorüber, u Pfingsten um einen Tag nähergerückt war. .

Eva war so furchtbar ernst und still geworden, die Muhme sich große Sorge um sie machte.ÄN Stille ist ihre Mutter zugrunde gegangen", dachte bekümmert:wenn ich sie doch nur ein bissel auftappeu und aus andere Gedanken bringen könnt'!"

(Fo-rtsetzunq folgt.)