Die Partei der Nichtpolitischen.

Me politischen Parteien haben ihre Wahlaufrufe er­tasten und an den Wählern ist es setzt, ie nach ihren Interessen und ihrer geistigen Mranlagung Auswahl zu treffen und sich für enien bestimmten Kandidaten zu ent­scheiden. Me Zahl der Wähler mit politischem Inte­resse ist bei uns in Deutschland, dank der einseitigen Jn- teressenvolitit der Konservativen und des Zentrums, welche als Reaktion bei den von dieser Politik Geschädigten den Prozeß der allgemeinen Politisierung der Gesellschaft be­schleunigt, im Wachsen begriffen; aber es gibt nichts­destoweniger noch eine gewaltige ZählNichtpoliti­scher" unter den Reichstagswählern "eine Zahl, die grö­ßer ist 'als die Partei derNichtwähler". Denn mancher wird in der letzten Minute noch durch irgend welche Verhältnisse bestimmt, seine Stimme abzugeben, ohne sich der Bedeutung seines «Schritts bewußt zu sein. Unter denen, die sich nur einmal alle fünf Jahre po­litisch betätigen, zählen besonders die Intellektuel­len, die allzu zart Fühlenden, denen ein politisch Lied ein garstig Lied ist, und die Sanguiniker, welche nach einem ersten Anstürme schon verzweifeln; unter ihnen sind auch zahlreiche wirtschaftliche Gruppen, bei denen politische Betätigung unangebracht erscheint. Jede dieser Gruppen billigt vielleicht einzelne Forderungen des einen oder des anderen Kandidaten, andere halten sic für bedenklich, manchem dieser Unpolitischen erscheinen die Gegenwartsaufgaben, welche dieses Mal für das Bür­gertum in der Niederwerfung der Ritter und Heiligen bestehen, unwesentlich und des Schweißes der Edlen nicht wert. Diesen könnte man zurufen, daß die Politik der Parteien sich nicht in diesen Gegenwartsaufgaben er­schöpft, sondern daß sie auch nach weiteren all gemei­nen Zielen und Idealen strebt, und in diesen allge- nen Richtlinien der Parteien dürfte der, welchem sie gegen­wärtig nichts bieten können, schon leichter seine Befrie­digung finden. Tenn in die großen shlachtlinien zwi­schen liberaler und konservativer Weltanschauung sich ein­zureihen, dürfte kaum jemandem schwer fallen.

Im übrigen bieten aber auch die Gegenwartsaufgabsn säst jedem einzelnen ein dankbares Gebiet der Betätig­ung.

Die Intellektuellen haben das größte Inte­resse an der Beseitigung der Zentrumsherrschaft mit ih­ren einseitig-konfessionellen Bestrebungen und die Wirt­schaft sich Sch w a ch e n, der Tetailkaufmann, der Pri­vatbeamte, der Staatsbeamte müssen die konservative Agrarpolitik auf das lebhafteste bekämpfen, damit ist diesen Schichten der Nichtpolitischen schon der Weg für die Reichstagswahl gewesen.

Um die Zweifler für eine lebhaftere Anteilnahme am politischen Leben zu gewinnen, macht Prof. Paul "Förster imTag" den Vorschlag, daß sie sich in je­dem Wahlkreise zusammentun und eine eigene Wahllosung aufstellen sollen, wohlverstanden nur für den einzel­nen Fäll und für das eine Mal. Wenn dieser Vor­schlag nicht schon durch seine Schwierigkeit der Durch­führung unmöglich wäre, müßte man ihn bekämpfen, denn er würde in hohem Maße sowohl auf die Fragesteller als auch die Befragten charakterverderbend wirken und den Mick für die klaren Ziele verschleiern. Diese Partei der Nichtwähler würde von den großen wirtschaftlichen und kulturellen Verbänden beherrscht sein und den Kandi­daten in der Richtung ihrer einseitigen Interessen zu be­einflussen versuchen, während das staatliche Leben Forderungen der Ovlerfähigkeit und des Idealismus an seine Bürger stellt, wie Caprivi ein­mal sagte.

Den hierzu nötigen Gemeinsamkeitssinn aber vermögen nur die unabhängigen polit. Parteien zu erwecken und zu betätigen, denn sie stellen Kandidaten

wer leben will, muß das Fieber riskieren.

Hebbel.

Frauensieg"

lv) Roman von Ludwig Bir 6

«.Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Doktor Jühasz sah ihn verzweifelt au, und Adam sagte laut, ganz außer sich vor plötzlich aufgetauchter Er­bitterung :

Ja, was willst Du denn? Ich habe doch nieman­den, nur meine Frau. Ihr willst Du es am Ende gar sagen?! Däs soll vielleicht gar Deine Schonung fein?"

Doktor Juhasz sah ihn verstört, mit zuckenden Lip­pen an. dann blickte er auf den Professor; dieser zuckte mitleidig die Achseln. Adam wandte sich an ihn:

Herr Professor!", fragte er in entschlossenem Ton, werde ich erblinden?"

Bitte", sagte der Professor langsam,Ihr Zustand ist jedenfalls sehr besorgniserregend "

Bitte, Herr Professor, bitte ... ich 'flehe Sie an ... ich fordere er . . . sagen Sie es mir ganz vsfen, werde ich erblinden?"

Der Professor zauderte.

,^a oder nein?" drängte Adam.

Ja", erwiderte leise der Professor.

Doktor Juhasz wandte sich ab, um sich verstohlen die 'Augen zu trocknen. Adam schwankte und setzte sich wieder in den Sessel, von dem er aufgestanden war. Eine Sekunde lang herrschte im Zimmer vollkommen regungs­lose Stille.

Sicher und gewiß?" fragte Adam flüsternd.

Leider sicher und gewiß", entgegnete der Professor leise.Absterben des Sehnerven... in der allergefähr­lichsten Form . . . Bereits vollkommen vorgeschritten. ."

Wieviel Zeit bleibt mir noch?" fragte Adam leise, kaum hauchend.

Oh, Sie haben noch Zeit, Zeit haben Sie noch . . . vH ja, die haben Sie schon noch!" sagte der Professor.

auf, die laut Reichsverfassung Vertreter des gan­zen Volkes zu sein haben. Unter ihnen sollten die Nichtpolitischen daher unmittelbar ihre Auswahl treffen, denn es geht bei diesem großen Ringen aufs Ganze, alle einzelnen und kleinen Wünsche und Forderungen müs­sen zurückgestellt werden vor den großen, unser Volk tief einschneidenden Richtungen, unter denen zu wählen ist:

Hie Fortschritt, hie Stillstand!

Ausland.

Die Krönungsfeier in Delhi.

In dem am Dienstag Mittag in Delhi abgehaltenen Krönungsdurbar ist der König von England förmlich zum Kaiser von Indien proklamiert worden. Die Feierlichkeit fand in malerischer orientalischer Prachtent- faltung statt. Diese Straßen waren von Tausenden von Zuschauern erfüllt. Tie britischen Gouverneure in In­dien fuhren in Staatsequipagen, die indischen Fürsten in mit Gold und Silber bedeckten Wagen vor. Der König und die Königin verließen das Lager um llck /2 Uhr unter einer Eskorte von Husaren, Artillerie und anderen Trup­penteilen. Bei ihrer Ankunft im Kaiserzelt wurden sie von dem Vizeköuig von Indien, Lord Hardinge, emp­fangen. Tie zusammengezogenen Musikkapellen spielten die Nationalhymne. Ter König und die Königin schritten zu der von einem vergoldeten Thronhimmel überdachten Plattform, die im Mittelpunkt eines ungeheuren Amphi­theaters errichtet ist. Ter König eröffnete die Feierlich­keiten des Durbar mit einer Rede, die mit anhaltendem enthusiastischen Beifall ausgenommen wurde. Tie Kapel­len spielten den Krönungsmarsch. Sodann erfolgte die Verlesung der Krönungsproklamationeu durch einen He­rold, während welcher der König und die Königin vor ihren Thronen stehend verharrten. Die versammelten Tau­sende riefen: Gott erhalte den König! Hierauf kündigte Lord Hardinge eine Anzahl von Gnadenbeweisen an, die zum Gedächtnis an die Festlichkeit erteilt worden sind. Unter ihnen befindet sich eine Spendung von fünf Millionen Rupien für Zwecke des Volksunterrichts, ebenso eine An­zahl vpn Gnadengeschenken an untergeordnete Beamte und Soldaten, sowie die Begnadigung gewisser Klassen von Gefangenen. Die Zeremonie schloß mit dem Schmettern der Fanfaren und den sich immer wiederholenden Hoch­rufen der Menge auf den Kaiser und die Kaiserin von Indien. Kurz vor Beendigung des Durbars verkündete der König, daß der Regierungssitz des indischen Rei­ches von Calcutta nach Delhi verlegt würde.

Unter den Jndierfürsten, die dem englischen König in Delhi huldigten, sind welche, die an Land und Reich­tum manches europäische Königreich übertresfen, einige aber sind ganz unbedeutend. Ter Nizam von Haiderabad herrscht über 98 000 englische Quadratmeilen und besitzt eine Armee von 30 000 Mann, der Maharadschah von Mysore hat 24 000 Quadratmeilen, im Gegensatz zum Jagirdar von Kamt« Radschaula, der nur 4 Quadrat­meilen und 15 Mann Soldaten besitzt. Noch kleiner ist die Herrschaft von Schevdivador, mit 246 Untertanen aus einer Quadratmeile. Diese Jndierfürsten zeigen bei solchen Gelegenheiten auch ihre Wappen. Sie sind z. B. bei hen Radschputs um Jahrhunderte älter, als die Wappen europäischer Häuser. Anstatt der Adler, Löwen oder Lilien Europas sieht man Hanuman, den Affengott; Garur, den heiligen Falken; oder den heiligen Pfau. Der Nizam von Haiderabad hat ein gelbes Rund (den Chapati oder Glückkuchen) in grünem Feld; Mewar hat eine goldene Sonne in rotem Feld; Udrigur eine rote QriflammeDie Hidusonue"; Tabhanga von Ganges-Delphin. Ueber den Sitzen der Fürsten beim Turbar hängt eine seidene Stan­darte, auf der diese Wappen zu sehen sind.

*

Wieviel Zeit bleibt mir noch?" wiederholte Adam zornig, .ungeduldig schreiend.Schonen Sie mich nicht!"

Noch einen Monat. . . Ungefähr. . . Fünf Wo­chen ..."

Mit einem Ruck sprang Adam auf. Der Professor trat zu ihm.

Deshalb dürfen Sie nicht verzweifeln", sagte er ihm.Glauben Sie nur nicht, daß Ihre Lage eine gar so trostlose ist. Das Leben ist so reich, daß . . ."

Adam ,warf den Kopf zurück, drehte ihm den Rücken zu .und schritt zur Tür; Doktor Juhasz rannte ihm nach, im Vorzimmer holte er ihn ein, er faßte ihn unter den Arm zind begleitete ihn hinaus.

Kornel", sagte er in bebendem Tone,Kornel, Du darfst nicht verzweifeln. . .

Tröstet mich nicht!" schrie Adam ihn an.

Kornel, ich bitte Dich, denke daran..."

Adam riß seinen Arm aus dem des Doktors. Der Doktor faßte ihn wiederum unter. Da schüttelte Adam ihn wütend von sich.

Kümmere Dich nicht um mich. Gehe Du Deinen eigenen Angelegenheiten nach!" schrie er ihn an.

Der Doktor sah ihn mit zuckenden Lippen und feuchten Augen an. Adam drehte sich um und eilte fort.

Er stürzte voraus auf die Straße, wußte nicht, wohin er ging, er hatte nur das Gefühl, daß "er laufen mußte. Dann ermüdete er, fühlte neuerdings die große Mü­digkeit von vorhin. Eine unendliche Erschöpfung am gan­zen Körper überfiel ihn, seine Füße vermochten ihn kaum mehr zu tragen; seine zitternden Knie drohten zusammen­zubrechen. Er lehnte sich an einen Laternenpfahl, um nicht umzufällen; so stand er ein Weilchen, dann ging er in ein Kaffeehaus und setzte sich nieder.

Der Kellner kam zu ihm, er bestellte etwas. Der Kellner brachte ihm, was er bestellt hatte: um ihn herum bewegten sich 'Menschen, auch auf der Straße wimmelte es'von Menschen, und doch nahm er von alledem nichts wahr, er sah nichts, saß regungslos, unbeweglich 'und ließ den Kopf hängen.

Portsmouth, 13. Dez. Au Bord des im Dock be­findlichen Schlachtschiffes Orion ereignete sich eine Oelexplosion. Ein Offizier und fünfzehn Mann wurden verletzt.

Konstantinopel, 13. ,Dez. Mehrere Erdstöße werden aus Dengli und aus dem Vilajet 'Smyrna gemeldet. In dem Dorfe H 0 unar sind einige Häu­ser eingestürzt, mehrere haben Risse erhalten.

Rewhork, 13. Dez. Bei dem Bergwerkeinsturz in Brisgpill konnten nur 5 Bergleute gerettet! werden. Ueber hundert sind umge komme».

Rewhork, 13. Dez. Die ersten Berichte über den Brand im Lunapark waren bezüglich des angerich­teten Schadens übertrieben. Man schätzt den Verlust jetzt auf etwa 150000 Dollar.

Württemberg.

Dienstuachrichteu.

Der König bat die erledigte Stelle des Expeditors und Kanzlei- vorstands bei dem Verwaltungsgerichtshof dem Amtmann Hans Busse Expeditor bei der Zentralstelle für die Landwirtschaft, unter Verleihung des Titels eines Oberregierungsassessors übertragen, die bei der Regierung des Donaukreises erledigte Stelle eines Bauamts- tverkmeifters dem Bauwerkmeister Rembold bei dieser Regierung übertragen, dem Amtmann Harrer Expeditor bei der Regierung des Donaukreises die »achgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst zum Zweck des llebertritts in den Dienst der Stadt Stuttgart er­teilt und ihm den Titel eines Amtsmann belassen, dem Oberamts­sekretär Zoller bei dem Oberamt Tettnang die nachgesuchte Entlas­sung rus dem Staatsdienst zum Zweck des Ueberkritts in den Körperschaftsdienst erteilt. Die Generaldirektion der Posten und Telegraphen hat die Postverwalterstelle in Hohenheim dem Postaf- sistenten Eichcnhvfer in Bönnigheim übertragen.

Die Nachwahl in Crailsheim

hat mit einem Sieg der Volkspartei geendet. Der Crailsheimer Stadtrat Schäffer wurde mit 2589 Stim­men gegenüber dem Bauernbündler Lang, der 2246 Stimmen erhalten hat, gewählt. Im ersten Wahlgang hatte Schäffer 1176, der Deutsch-Parteiler Reusch 825, der Sozialdemokrat 663 Stimmen erhalten. Im zwei­ten Gang wurde Schäffer von den Nationalliberalen unter- stützt, die Sozialdemokratie hatte ihre Wähler lediglich aus­gefordert,falls sie abstimmen", ihre Stimmen jedenfalls nicht Lang zu geben.

W

Das deutsche Rote Kreuz uud der Italienisch- Türkische Krieg.

In der ganzen Deutschen Presse ist in diesen Tagen ein Ausruf erschienen, mit dem das Berliner Zentral­komitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz sich an die breite Oeffentlichkeit, an das ganze deutsche Volk wendet, um zu einer Hilfsaktion für die in Kriegsnot be­findliche Türkei aufzufordern, und das Präsidium des Württ. Landesvereins vom Roten Kreuz hat sich seinerseits diesem Aufruf mit der dringenden Bitte angeschlossen, zu dem angeregten Zwecke in Stadt und Land Sammlungen einzuleiten, und Sammelstellen zu errichten. Das Deutsche Rote Kreuz hat sich seinen prin­zipiellen Humanitären Aufgaben entsprechend, die nach bewährter Tradition auch dem befreundeten Ausland in Notfällen zu gut kommen sollen, veranlaßt gesehen, der Italienischen Gesellschaft vom Roten Kreuz und der Ottomanischen Gesellschaft vom Roten Halbmond seine Hisseleistung für die Verwundeten und Kranken des Af­rikanischen Feldzugs anzubieten. Italien hat diesen An­trag abgelehnt, weil sein Rotes Kreuz allein den An­forderungen des Krieges genügen könne, aber die Türkei' nimmt die angebotene Hilfe gerne und freudig an als einen neuen hochherzigen Beweis der Freundschaft des Deut­schen Volkes.

VII.

Gegen fünf 'Uhr raffte er sich zusammen, stand auf und ging in die Redaktion.

Kornel, geh hinein zu Kapolnai. Er hat Dich schon gesucht."

Adam trat bei 'Kapolnei, dem Redakteur, ein.

Mein lieber Kornel", sagte KäPolnai,Du mußt mir erneu 'Artikel schreiben."

Verzeihe", sagte Adam matt und leise,ich kann aber nicht schreiben, ich Mn krank."

, ,AH! Was fehlt Dir? Wirklich, Du siehst nicht eben gut aus. Was fehlt Dir?"

Ich bin krank. Ich bitte Dich, gib mir drei Tage Urlaub." ,

Wenn es unbedingt sein muß. . ."

Es muß 'unbedingt sein", sagte Adam leise.

Gut Alter, so geh und laß Dich kurieren. Schicke mir dann Palst herein, dann muß 'er mir den Artikel schreiben."

Adam ging hinaus, schickte Palfi zu Kapolnai und ging in sein Zimmer. Er beugte sich über den Schreib­tisch und lehnte den Kopf auf 'die Seitenlehne; so lag er ungefähr eine Stunde lang. Da trat Geza Bojt ins Zimmer, der hier mit ihm zusammen zu arbeiten pflegte.

Servus, Kornel", sagte er frohgelaunt,warum bist Du im Finstern?"

Adam gab keine Antwort. Bojt zündete die Gas­lampe an, steckte sich eine Zigarre an, nahm schnell Papier und bereitete sich zum Schreiben vor.

Ich beeile mich", sagte er,ich "will zeitig im Thea­ter sein; mein Liebchen spielt heut."

Er sah Adam an.

Was fehlt Dir?" fragte er,Du siehst sehr schlecht aus."

Ich bin etwas leidend", entgegnete Adam leise.Ich habe auch dashelb um drei bis vier Tage Urlaub ge­beten, das wird mir gut tun."

Bost nickte und begann zu schreiben.

Fortsetzung fotzt.