Deutsches Reich.
Zur Kellnerinnenfrage Wie bekannt, hat Frau kamilla Jellinek in Heidelberg dem Reichstag eine Petition mit 125000 Unterschriften überreicht, worin ein Verbot der weiblichen Bedienung in Gast- und Schankwirtschaften gewünscht wird. Tie Reichstagskommission für Petitionen hat nun beschlossen, dem Reichstag zu empfehlen, diese und noch einige andere zur Sache gehörigen Petitionen dem Reichskanzler als Material zu überweisen, jedoch über sie, soweit eine generelle Bedienung verlangt wird, zur Tagesordnung überzugehen. In der Diskussion wurde von allen Rednern die Forderung der Abschaffung weiblicher Bedienung aus gemeinsamen Gründen abgelehnt. Auch der Korreferent, der ursprünglich eine andere Behandlung der Petitionen wünschte, schloß sich dem Antrag an, der nun von der Kommission einstimmig angenommen wurde.
Ausland.
Der Krieg um Tripolis.
Ans dem Kriegsschauplatz
hat sich nichts von besonderer Bedeutung ereignet. Die vorliegenden Meldungen kommen allerdings sämtliche von der „Agenzia Stesani", der offiziellen italienischen Telegraphenagentur die, sich seit einigen Tagen einer wohl begreiflichen Zurückhaltung befleißigt. Nach ihr sind der Mittwoch und die Nacht aus den Donnerstag, abgesehen von einem neuen Ungriffsversuch der Türken, über den Weiteres nichts mitgeteilt wird, „ruhig verlaufen": Sie meldet weiter, daß Donnerstag früh 5 Uhr die türkische Artillerie etliche erfolglose Angriffe auf die italienischen Linien im Südosten unternommen haben. Um 8 Uhr habe das Feuer aufgehört und es sei dann kein weiteres Anzeichen einer Tätigkeit des Feindes wahrzunehmen. ' H
Die Unterdrückung des Aufstandes der Eingeborenen
wird von den Italienern schonungslos sortgeführt. Die Araber, durchweg gut bewaffnet, hatten die ganze Oase besetzt. Sie erschossen keine europäischen Zivilpersonen, aber viele Soldaten. Dadurch ist die unter den Truppen entstandene Panik erhöht worden. Durch die Ratlosigkeit der Offiziere wurde eine wilde Menschenjagd in der Oase eröffnet. Den Truppen ist auch befohlen worden, auf Frauen und Kinder zu schießen. Bisher sind mindestens 3000 Eingeborene füsiliert oder auf der Stelle niedergeknallt worden. Italienische Soldaten haben ebensoviele Gefangene nach Pantellaria geführt. Die italienischen Soldaten erschossen einen Malteser und einen Griechen, weil sie- sie für Eingeborene hielten. Kriegskorrespondenten sahen beim Vollzug der Maßnahmen unerhörte Grausamkeiten. Hunderte von Araberleichen, auch Tierkadaper, liegen noch in der Oase umher. Die allgemeine Unsicherheit nimmt auch in der Stadt zu.
Der Plan einer Kollektivvermittlung.
Die Pforte erhielt aus London die wichtige und zweifellos richtige Meldung, daß von einer Großmacht vorige Woche die Anregung zu einem Kollektivschritt der Mächte bei der Türkei ausging. Die Anregung sei auf fruchtbaren Boden gefallen und Vierde von allen Großmächten akzeptiert. Die Ausführung des Schrittes sei aber bisher nicht erfolgt, vielleicht unterbleibe sie vorläufig oder gänzlich. Es ist nämlich in der Türkei zur Zeit, wenig Stimmung für eine Friedensaktion vorhanden. So schreibt der leitende „Tanin" zu etwaigen Verhandlungen der Großmächte mit der Pforte wegen Herbeiführung des Friedens: „Italien hat dielen Krieg bexaufbeschworen. Wünscht es ihn nicht
Doraliese von Freilingen.
Von Helene v,n Mühlau.
82) iNachdrnck verboten.)
(Fortsetzung.)
Die Baronin von Prechting und der Pfarrer! Ja, wie in aller Welt war Pas denn möglich, da doch jedesWnd im Dorf wußte, daß Doraliese von Freilingen des Pfarrers Frau werden würde?
„Baroneß", begann er — aber Doraliese, wohl ahnend, was der sonst so bescheidene und rücksichtsvolle Mann jetzt sagen wollte, wehrte ab.
„Ja — Behrens — und dann Marinka. Auch an Marinka müssen wir doch ein wenig denken, nicht wahr?"
Doch nun war es mit seiner Fassung vorbei.
„Und Sie — Baroneß — wer denkt an Sie? Wer sorgt für Sie?"
Da kam wieder das schmerzliche und doch stolze Lächeln in ihr Gesicht.
„Ich Hab' mir meine Zukunft schon zurecht gelegt, Behrens! Sorgen Sie sich nicht um mich. Sie wissen, ich stehe auf festen Füßen!" und sie reichte ihm die Hand, in die er zögernd einschlug.
„Ich werd' also zu den Pironos gehen — nicht wahr? Einen andern Vorschlag haben Sie nicht mehr?"
„Nein, Baroneß nein!" Aber als sie dann von ihm ging, als sie so langsam und zaudernd, so als kämpfe sie einen furchtbaren Kamps aus, datzinschritt, da hätte er sie gern zurückgerufen — um ihr etwas zu sagen — etwas Gutes,- Tröstendes, Aufrichtendes.
Aber was? was? Was gab es, was man Doräliese von Freilingen, wenn sie betrübt oder verzweifelt war, zum Trost sagen konnte?-— —--
Sie aber hatte noch nil^t die Kraft, zu den Pironos zu gehen. Sie wartete einen Tag und wartete noch einen zweiten — und am dritten kam sie bis zum großen Parktor und mußte dann umkehren, weil die Knie ihr zu heftig zitterten.
„Aber geschehen muß es doch - muß es doch!"
mehr, so muß es sich aus Tripolis entfernen. Falls wir dann Lust haben, in Verhandlungen über die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen einzutreten, können wir es ja ruhig tun."
Auch was sonst aus der Türkei gemeldet wird, klingt sehr zuversichtlich. Man hat mit der Ausweisung prominenter Italiener begonnen, schreckt also vor der vielverlangten Ausweisung nicht mehr zurück. In der Kammer verlas der Präsident unter allgemeinem Beifall eine Depesche des Deputierten von Dschebel-i-Charbi vom 28. Oktober, welcher mitteilt, er habe an den letzten Kämpfen teilgenommen, und meldet: Wir sind vorgestern mit Freiwilligen bis zur Küste vorgedrungen und haben dem Feinde eine überaus heftige Schlacht geliefert, worauf wir ihn aus seinen befestigten Stellungen Vertrieben. Heute marschieren wir auf Tripolis! Auch diese Depesche hat die gute Stimmung gesteigert.
Die Revolution in China
Die Chinesenstadt Hankau in Flammen.
Schanghai, 2. Nov. Die kaiserlichen Truppen haben nach vorheriger Ankündigung die Chinesenstadt Hankau in Brand gesetzt, um weitere Straßenkämpfe zu verhüten; es wütet eine riesige Feuersbrunst. Die Niederlassungen der Europäer sind von dem Brand unberührt. Ein Angriff der kaiserlichen Truppen auf Hanpang und Wutschang und die Uebersetzung der Truppen über den Hanfluß und den Dangtse werden vorbereitet.
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Tie Vorgänge, die sich zur Zeit in China abfpielen, erinnern lebhaft an die Umwälzung in der Türkei durch die das jungtürkische Regiment ans Ruder kam. Hier wie dort stellte sich ein großer Teil der Armee auf die Seite des Fortschritts, und was Mahmud Schefket Pascha für die Türkei war, das soll anscheinend Duanschikai für China werden. Er war der einzige Würdenträger, der als Vizekönig von Petschili in seiner Provinz, eine, auch nach- europäischen Begriffen brauchbare Armee schuf, die heute noch, obwohl sie schon längst dem Oberbefehl Duanschikais entzogen mar, noch die Kerntruppe des ganzen chinesischen Militärs bildet. Aber gerade diese Armee Puanschikais gab den Ausschlag für die Zusicherung durchgreifender Reformen von Seiten des Hofes. Sie stellte — wohl nicht ohne Zustimmung Puan- schikais — dem chinesischen Hof ein Ultimatum: Entweder Bewilligung der Reformen, oder das Elite-Armeekorps von Petschili marschiert statt gegen die Aufständischen gegen Peking, d. h. gegen die Mandschudyna- stie. Tiefe hatte also nur die Wa hl zwischen der Vertreibung oder der Unterwerfung unter den Wichen der ehemaligen Armee Duanschikais, der im gleichen Augenblick, wo seine Soldaten gegen den Thron meuterten, zum Premiermini st ermitunumschränkterGe- walt ernannt wurde, d. h. natürlich so lange er eine Armee hat, auf die er sich verlassen kann. Als kluger Mann hat Auanschikai noch gar nicht den Versuch gemacht, sich an die Spitze seiner ehemaligen Armee zu stellen, er überläßt es deren Offizieren, zu handeln, wie sie es für gut finden. Und die fanden es für angebracht, vom Thron und der provisorischen Nationalversammlung zu fordern, daß, die Bestimmungen über die Einberufung des Parlaments und die Einführung der konstitutionellen Regierung, ebenso wie die Erledigung aller wichtigen Fragen der Zustimmung der Armee unterliegen sollen. Während aber die Nationalversammlung allen anderer: Forderungen der Truppen zustimmte, in diesem Punkt glaubte sie doch sich ablehnend verhalten zu müssen und der Kriegsminister soll nun versuchen, die Truppen umzustimmen, da diese Forderung ja aus eine reine Militärdiktatur hinausliefe. Puanschikai machte aber bisher keine Anstalten, sich an die Spitze irgend einer Truppenabteilung zu setzen, um gegen die Revolutionäre zu marschieren. Es scheint vielmehr, daß er
sagte sie sich und sämte sich ihrer jammervollen Schwäche, doch jedesmal, wenn sie sich allsdachte, daß sie nun wieder
— wie einmal schon — in dem Arbeitszimmer des alten Herrn von Pirono stehen und ihm den Wald und halb Freilingen anbieten sollte — und wenn er dann wieder so gütig und teilnehmend gegen sie sein würde, wie damals, damals — dann — Nein — das ertrug sie nicht.
Es war so furchtbar — so zu betteln — so demütig zu jemandem zu- kommen — und statt ruhigem, geschäftlichem Verhandeln Teilnahme und Bedauern in Empfang nehmen zu müssen.
Einen Augenblick dachte sie daran, Alix zu bitten, ihr den Gang abzunehmen, aber ebenso schnell wie er gekommen, schob sie den Gedanken wieder von sich fort. Nein — nein — sie selbst mußte es tun — sie selbst.
Aber es ging nicht — ein jedes Mal, wenn sie sich zum Gehen anschickte, kam das furchtbare Zittern wieder über sie — — sie setzte sich in den Wald, um sich dort, wie so oft schon, Mut und Vertrauen zu holen — aber im Wald wurde es dann nur noch schlimmer. Da stürzten die tausend Erinnerungen auf sie ein — die Worte ihrer toten Mutter: „Gib den Wald nicht her, Doraliese
— Freilingen ohne den Wald ist ein toter Ort — ist 'wie ein Mensch ohne Herz — ohne Ehre!" Diese Worte klangen ihr in den Ohren — - und wenn die Stimme der Mutter schwieg, dann erschien ihr der Pfarrer — und und all seine Beteuerungen, all seine schönen Reden fielen ihr ein und quälten sie und ließen das große Frieren in ihr aufkommen — und sie saß dann auf der Bank zwischen den beiden iEichenstämmen, saß da mitlos, verzweifelt — in lauter Dunkelheiten schauend — sah lauter verschlossene Tore — lauter trostlose Wege, die ins Dunkel, ins Nichts führten, vor sich.
Aber einmal sah sie auch etwas anderes — da brach die Sonne durch die Baumstämme u. vergoldete die ganze Welt rings um sie her --- und rillt der Sonne kam ihr plötzlich die Erinnerung an die Vision, die sie nun zweimal schon gehabt hatte: das goldene Band, das sich von Freilingen nach Pirono zog und das mitten über dem Wald zu einem Knoten, einer Schleife wurde!
es für klüger hält, die Truppen von Petschili in der Nähe Pekings zu halten, während er selbst mit den Revolutionären zunächst einmal lediglich wegen ihrer Unterwerfung verhandeln will. Ist doch der Führer der Aufständischen, Lihuangung, ein Schüler Duanschikais und tatsächlich sollen beide in den letzten Tagen bereits durch Mittelsmänner miteinander in Verbindung getreten sein. In Peking aber beginnt man bereits nervös zu werden. Man erwartet von Pua lischt kai eine Tat, und der Thron befahl ihm, sich sofort nach Peking zu begeben. Der Diktator aber spielt den Fabius Cunctator. Er wartet, wartet, wartet! Pnan- schikai will anscheinend erst eingreifen, wenn er sicher ist, vollständig Herr der Situation zu sein; denn- nur dann kann er sich mit Aussicht auf Erfolg an das große Reformwerk heranwagen, durch das China zu einem modernen Staat nach europäischen Begriffen umgestaltet werden soll.
V
Peking, 2. Nov. Es wird berichtet, Jinnanfu, Anking und einige kleinere Städte in den Provinzen Puennan, Arhui und Fukien seien zu den Aufständischen übergegangen. Nordchina wartet offenkundig auf eine Tat Puanschikais. Die Regierungstruppen in Schansi und die Aufständischen bezogen neben einander Lager und beabsichtigen anscheinend nicht, mit einander zu kämpfen. — Der Thron befahl Duanschikai sofort nach Peking zurückzukehren. Gleichzeitig ersuchte die Nationalversammlung Liyanheng, den Führer der Revolutionäre, telegraphisch; die Feindseligkeiten einstweilen einzustellen, während sie sich bemühe, die Streitpunkte zwischen allen Parteien beizulegen.
Nach später eingelaufenen Meldungen befürwortete die chinesische Nationalversammlung eine Verfassung, die sich auf den konstitutionellen Grundsätzen Großbritanniens aufbaut. Aber die Südprovinzen verlangen noch eine republikanische Union. — Nach einer weiteren Depesche hat ein nach Schensi gesandtes kaiserliches Regiment gemeutert, einen General, den Gouverneur mit seiner ganzen Familie ermordet und tausend Mandschus getötet. — Eine dritte Depesche meldet, die kaiserlichen Truppen hätten sich, nachdem ihre Forderungen bewilligt wurden, bereit erklärt, gegen die Aufständischen zu marschieren.
Paris, 3. Nov. Unter den beim Einsturz einer Maschinenfabrik in Nogent sur Seine Umgekommenen befinden sich auch zwei Deutsche aus Braunschweig.
Manilla, 3. Nov. Der Chinesenstadtteil ist durch eine Feuersbrunst verheert worden. Der Schaden beläuft sich auf mehr als eine Million Dollars. Soldaten der Vereinigten Staaten waren den Feuerwehrleuten dabei behilflich das Geschästsviertel zu retten.
Blida, 3. Nov. Die Ueberschwemmungen haben in der Ebene von Mitidja große Verheerungen angerichtet. Ein Steinmetzlager mit 45 Personen ist vom Boden verschwunden. 24 Leichen sind an verschiedenen Stellen aufgefunden worden. In Maisoncarre wurden elf Leichen geborgen. Eine Herde von 200 Rindern ist weggeschwemmt worden.
Ljarbartow (im Gouvernement Ljublir), 13. Nov. Bei der Rekrutenaushebung feuerte ein Rekrut 9 Revolver schüsse auf die Aerzte und erschoß sich dann selbst. Drei Kugeln hatten den Ueber- zieher eines Arztes durchlöchert.
Württemberg.
Dienstnachrichten.
Der König hat die evangelischen Pfarreien- Roßwag, Dekanats Vaihingen,-dem Pfarre? Widmaier in Degenfeld Dekanats Aalen, und Goldburahausen, Dekanats Aalen, dem Piarrnerwe^r Friedrich
An diesem Tage endlich faßte sie Mur — uno wie sie dann im schlichten, schwarzen Kleid über Pironos Parkwege dahinschritt — da sah niemand der stolzen, aufrechten Baroneß an, daß sie einen Bittgang machte, sah niemand ihr an, daß sie im Begriff war, ein Opfer zu bringen, das ihre Kräfte überstieg — und niemand hätte geahnt, daß Doraliese von Freilingen sich sagte — sich immer wieder sagte:
„Wenn sie Freilingen nehmen — und wenn dann alles in Ordnung — wenn für alle gesorgt ist — dann — — ja — dann brauchte sie das Leben — und das große Frieren, das dann Wohl nie mehr von ihr weichen würde — nicht mehr zu ertragen — dann-"
Sie ließ sich nicht bei dem alten Herrn von Pirono melden — sie fragte den Diener, der ihr öffnete, ob sie die Frau Baronin wohl sprechen könne' — und saß dann bescheiden und ein wenig schüchtern auf einem Korbstuhl in der großen Halle — und wartete mit ängstlichem Herzen des Bescheides, den man ihr bringen würde.
Und dann eine Stimme, eine liebe, vertraute Stimme, die ein ganzes Märchenreich ans ihrer Kinderzeit vor ihr erstehen ließ — und zwei Arme, die sich in herzlichem Willkomm nach ihr ausbreiteten.
„Doräliese — liebes Fräulein Doraliese!"
Me Baronin von Pirono nahm sie in den Arm und -küßte sie auf beide Wangen — und führte sie dann hinauf — in das wohlbekannte, große Turmzimmer — in dem sie als Kind so oft und so gern geweilt — und es kam viel Behagen, viel schöne Wärme in Doraliest auf — denn die Baronin von Pirono, die war eine von Pen wenigen, von den ganz wenigen gewesen, die sie der liebreizenden Alix vorgezogen hatte,— die sie gekannt, verstanden hatte.
^Fortsetzung folgt.)
— Boshaft. Komponist: „Ich muß mir die Zeit zum Arbeiten förmlich stehlen." — Freund : „So, die auch noch?"