Nr. 255.
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mit Erzähler vom Schwarzwald.
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Amtsblatt für die Stadt Mldbad.
verkündigungsblatt
der Kgl. Forstämter Mildbad, Meistern, Lnzklösterle rc. während der Saison mit
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Mittwoch, den t. November IStl.
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28. Jahrg.
Deutsches Reich.
Prälat WrnLerer ft. In Mülhausen i. E. verschied im Hospiz St. Peter auf dem Odilienberg Prälat Canibus Landolin Wint er er, Stadtpfarrer der St. Stephanuspfarrei in Mülhausen. Pfarrer Winterer war lange Jahre Mitglied des Reichstags und des Landesausschusses. Es war eine der markantesten Persönlichkeiten des politischen Lebens in Elsaß-Lothringen.
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Kolmar, 31. Okt. Bei der Wahl eines Vertreters der Stadt Kolmar in die Erste Kammer wurden abgegeben für Bürgermeister Blumenthal 22 Stimmen, für Bankier Mannheimer 4 und für OberlandeA- gerichtsrat Croissant 1 Stimme. Bürgermeister Blumenthal ist somit gewählt.
Ausland.
Der Krieg um Tripolis.
Italien in Nöten.
Von den letzter Tage vorgelegenen, sich widersprechenden Meldungen über die neuesten Kämpfe bei Tripolis, scheinen sich jene zu bestätigen, die zu Gunsten der Türken abgefaßt waren. Ter Oberkommandant des tripolitani- schen Expeditionskorps mußte nach Rom melden, daß allein in der Zeit vom 23.-26. Oktober 13 Offiziere und 369 Mann getötet, 16 Offiziere und 142 Mann verwundet worden sind. Das paßt schlecht zu den vor- hergeggngencn, römischen „Siegesdepeschen". Italien ist in große unvorhergesehenen Schwierigkeiten gekommen. Nachdem ihm die Besetzung von Tripolis ohne Kampf und ohne Opfer gelungen war, glaubte es, der Marsch ins Innere werde ebenso leicht gelingen. Es zeigt sich stber jetzt, daß das italienische Expeditionskorps zu schwach ist, um dem entschlossenen Widerstand der Türken mit Erfolg entgegentreten zu können. Schon wird aus Nom gemeldet, daß die starken Nachschübe, die durch die letzten Kämpfe in Tripolis erforderlich geworden sind, die Einberufung eines zweiten Jahrgangs der Reserve nötig machen, die unmittelbar bevorsrehe. Unter solchen Umständen wird es verständlich, warum Italien die zweifellos vorhanden gewesene Absicht, die Kriegsaktion auf das Aegäische Meer aus- zndehnen, so rasch dementierte: es braucht seine Flotte zur Verteidigung der afrikanischen Küste und zum Schutz der
neuen Truppentransporte, die nötig geworden sind, um die durch die türkischen und arabischen Gewehre geschaffenen Lücken zu ergänzen.
Ein anarchistisches Attentat.
Die oberitalienischen Blätter bringen folgende Aufsehen erregende Meldung aus Bologna: Montag Morgen waren im Hof der dortigen Cialdini-Kaserne 300 Mann des 35. Infanterieregiments, die nach Tripolis gehen sollten, versammelt. Der Oberst richtete gerade eine patriotische Ansprache an die Soldaten, in der er sagte, sie sollten dem Baterlande Ehre machen, als plötzlich ein Schuß krachte und der Oberstleutnant Stroppa in die Brust getroffen zu Boden stürzte. Einer der nach Tripolis bestimmten Soldaten namens Au gusto Masetti hatte die Tat vollbracht. Der betreffende Soldat ist Anarchist und wollte mit seinem Attentat gegen den Krieg protestieren. Als man ihn festnahm, erklärte er ruhig: „Ich habe die in Tripolis gefallenen Kameraden gerächt. Ich bin Anarchist und will lieber in Italien fallen." — Dieser Vorfall ist nicht geeignet, den in Italien aufsteigenden Pessimismus zu zerstreuen.
Die Türkei WM Sen Krieg.
In der Türkei wächst die Hoffnung. Eine Depesche aus Konstantinopel meldet, die Pforte habe ihre Botschafter angewiesen, die Mächte davon zu unterrichten, daß die Türkei auf eine Vermittlung verzichte und jetzt entschlossen sei, den Krieg weiterzufüh- rcn. Eine Abordnung von 4 Senatoren und 6 Deputierten soll die europäischen Hauptstädte besuchen, um gegen Italien Propaganda zu machen. — Vom Kriegsschauplatz in Tripolis wird gemeldet, daß starke, türkische Streitkräste den geschwächten Italienern gcgen- nberstünden. Auch wird von Verlusten der Araber berichtet.
Die Revolution Ln China
Die Rückeroberung von Hanka«
hat nach Depeschen des Reuter-Büros drei Tage in Anspruch genommen. Der Widerstand der Revolutionäre ist noch nicht völlig gebrochen. Aus Erzählungen verwundeter Soldaten, die von der Front zurückkehrten, geht hervor, daß der Kampf bei der Einnahme von Siu- Chianl - Iao am Freitag besonders heiß war. Die Aufständischen leisteten tapferen Widerstand und richteten ein tödliches Feuer auf die Kaiserlichen von den
Fortuna ist die blinde Kuh, die instiuktmäßig dem Dchsen nachrennt
Ludwig Kali sch.
Doraliese von Freilingen.
Von Helene von Mihla«.
79) (Nachdruck Verbote».)
(Fortsetzung.)
17.
Der junge Pfarrer von Pirono hatte die Grabrede gehalten — hatte sie halten müssen, denn cs gab ja niemand in den Gemeinden Freilingen und Pirono, der ihn hätte ersetzen können.
Nicht ganz fest und sicher hatte seine Stimme zu Beginn der Rede geklungen — wie ein Zittern war es durch seine Worte gegangen — aber dann gewann er Kraft und Ruhe — erstarkte mehr und mehr — bis er die alte Wucht, die alte Macht, die Herzen erbeben und erschauern machen, wieder erlangt hatte. — Der verstorbenen Gattin, des alten Herrn, die ihn so lange und treu durch sein Leben begleitet hatte, gedachte er, und gedachte vor allem der beiden Töchter, die hier am offenen Grabe standen und um Heu Heimgegangenen Vater trauerten — lobte die Treue, die Stärke, die nie ermüdende Geduld der Aelteren und bedauerte das Los der Jüngeren, die so früh zur Witwe geworden war. —
Und während er sprach — und während seine Stimme einen immer wärmeren, volleren Klang erhielt, zerfloß Alix, die Zarte, die Unselbständige, in Tränen '— und sie fühlte alle Kraft von sich weichen und begehrte nach einer Stütze — und da sie Doraliese in ihrer Nähe hatte, schlang sie ihren Arm um deren Körper und lehnte ihren Kopf an deren Brust, und Doraliese duldete diese Umarmung, diese Zärtlichkeit — aber ihr Gesicht war kühl und ruhig und hart, und um den Mund spielte ein seltsames, undefinierbares Lächeln.
Fest waren ihre Blicke auf den Pfarrer gerichtet —
und sie staunte über ihn und staunte über sich-. Wohl
hörte sie seine Worte und verstand auch deren ISinn
— — aber alles in ihr blieb kalt und tot und unberührt
— — nur manchmal war ihr, als wüchse sie von Minute zu Minute — als würde sie so groß, so entsetzlich groß — daß sie auf alle Menschen, die hier rings um das Grab herum standen, von einer ungemessenen Höhe herabsehe.
— und das Lächeln um ihren Mund vertiefte sich — und die Ruhe und Kühle in ihrem Gesicht ward größer und größer — bis sie plötzlich zwei Augen auf sich gerichtet fühlte — die zu forschen, zu prüfen schienen, und unter dem Blick dieser Augen ward sie klein und schwach und fast ein wenig demütig.
Herr Bruno von Pirono, Doralieses ehemaliger Spielgefährte, stand dicht hinter dem Pfarrer, der nur noch ein Gebet sprach und den Segen des Himmels auf dieses Grab herabstehte. — Ein wenig lässig — ein wenig gleichgültig stand er an einem Baumstamm gelehnt und blickte zu den beiden Schwestern hinüber, die sich umschlungen hielten. —
Wenige nur hatten ihn gewahrt, denn er stand fast verborgen da — stand so da, als wollte er nicht gesehen, nicht bemerkt werden — denn er war ja nicht aus eigenem Antrieb, aus eigener Anteilnahme gekommen —; war nur der Abgesandte des nachbarlichen Herrensitzes, der die äußere Form nicht verletzen wollte.
Dann aber hatten seine Blicke Doralieses schlanke, hohe Gestalt umfaßt — hatten mit Staunen und immer größer werdendem Interesse das schmale, weiße, herbe Gesicht umfaßt - und seine Gedanken, die bislang zerstreut umhergeflattert waren, begannen sich zu konzentrieren — und die Blicke, mit denen er Doraliese musterte, wm den von Augenblick zu Augenblick kritischer, forschender - bis er fühlte, daß der starke Strom seiner Gedanken zu ihr hinüberdrang — daß sie ihn gewahrte, daß sie sich beunruhigt, geängstigt fühlte — und daß nun auch ihre Gedanken sich mit ihm — ganz allem mit ihm beschäftigten.
Doraliese von Freilingen, diese schlanke, vornehme stolze Doraliese — die er heute zum erstenmal mit sehenden Augen sah — dieses Mädchen mit dem klaren Blick und dem überlegenen Lächeln um den jeiney Mund --
Dächern der Häuser, von wo sie sich nur durch das Feuer der kaiserl. Geschütze gezwungen, zurückgezogen. Der Kampf wurde am Samstag mittag wieder ausgenommen, als die Stellung westlich der Rennbahn besetzt wurde. Der Angriff auf Hankau wurde am Samstag abend wieder eröffnet und die Stadt am Sonntag eingenommen. Die Kaiserlichen wateten durch das Wasser, das ihnen bis an die Brust ging und schossen die Aufständischen, die sich ihnen entgegenstellten, nieder. Der Kampf in der Stadt selbst dauerte bis vier Uhr nachmittags und setzt sich in der Richtung auf Knei Chan fort. Hankau steht an verschiedenen Stellen in Flammen.
In Peking
ist die Mandschuregierung von Furcht und Schrecken geplagt. Die Tätigkeit der Aufständischen in Taipuanfn, die sich eines Abschnittes der Bahn von Peking nach Hankau bemächtigt haben, hat in Regierungskreisen wahre .Bestürzung erregt. Man hat in großer Hast Truppen nach Schansi entsandt, andere werden zur Verteidigung der Hauptstadt bereit gehalten. Unter den Mandschubeamten ist eine Panik eingetreten, und viele von ihnen bereiten sich zur Flucht vor. — In einem kaiserlichen Erlaß, der veröffentlicht worden ist, rechtfertigt der Thron seine bisherige Untätigkeit, kündigt densofortigenErlaßeinerVerfassung und die Bildung eines Kabinetts an, von dem der Adel ausgeschlossen sein soll und sichert den Aufständischen und den politisch Schuldigen Verzeih- un g zu. ^ ^
Petersburg, 31. Okt. Der Staatsrat im Polizeidepartement Werigin ist als Mitschuldiger an der Tätigkeit der Ostvana bei den Ereignissen in Kiew verabschiedet worden. — Die Interpellation der Kadetten über die Aufhebung des Ausnahmezustandes ist in stürmischer Sitzung von der Reichsduma angenommen worden.
Riga, 31. Okt. Während des ganzen gestrigen Tages wütete hier ein heftiger Schneesturm, der große n Schaden anrichtete. Zwei Segelschiffe gingen unter doch konnten die Mannschaften gerettet werden. Die Telegraphen- und Telephonverbind- ungen sind unterbrochen. Der Eisenbahnverkehr ist sehr erschwert.
Minsk, 31. Okt. Im Gefängnis empörten sich mehrere zu lebenslänglichem Zucbthaus Verurteilte und befreiten insgesamt 105 Gefangene,
das sollte die Braut des Pfarrers — der hier in wohlklingenden und doch so phrasenhaften Worten sprach und dessen ganze Art und Hallung etwas so Selbstgefälliges und doch fto Schwaches an sich hatte — sein?
Er staunte — staunte und fühlte mit diesem Stau-, nen ein eigenes Unbehagen — ein eigenes Gefühl, das fast etwas von Schmerz an sich hatte, in sich aufkommen. — Er vergaß seine Umgebung — er hörte und bemerkte nicht, daß des Pfarrers Stimme verklungen war und daß ein Gesang aus Kinderkehlen anhob — er sah und hörte und empfand nür die eine — die da still und regungslos, die schwache, schluchzende Schwester stützend, ihm gegeni- überstand — und nun wieder ganz gleichgültig, ganz teilnahmslos geworden schien.
Erst als die Menge sich langsam zerstreute und nur die nächsten Angehörigen am Grab versammelt blieben, wachte er aus seiner Versunkenheit auf, sah, daß der Pfarrer, sein ehemaliger Pflegebruder, auf ihn zukam und ihm die Hand reichte, und erwiderte den Händedruck ein wenig kühl. Er schritt auf die beiden Schwestern zu — sagte ihnen einige konventionelle Worte und schickte
sich dann zum Gehen an-aber bei jedem Schritt, den
er tat, war ihm, als zöge eine unsichtbare Macht ihn zurück — zurück zu der — die da zwar innig umschlungen mit der Schwester und doch so einsam gestanden hatte-
Und auch Doraliese , war es in diesen Minuten, als zöge sie etwas fort von hier — fort von dem Grast, von der Schwester — dem Pfarrer — als müsst sie ihnen sagen: „Lebt wohl!" und müsst den) Nacheilen, der da so zögernd, so unschlüssig den Weg nach Pirono zu hinschritt.
Aber ein paar Augenblicks später schon fühlte sie, wie der Alltag und die Sorgen und tausend und tausend kleine und große Fragen auf sie einstürmteu, und sie löste sich aus Mx' Umklammerung — warf noch einen Blick aus das offene Grab — nahm Tante Marinka an den Arm und schritt mit ihr langsam und nachdenklich dem weißen, stillen Herrenhaus zu.
(Fortsetzung folgt.)