Das
italienische Ultimatum an die Türkei.
Italien macht blutigen Ernst. Es hat an die Türkei ein Ultimatum gerichtet, dessen Inhalt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Wir stehen vor einem italienisch-türkischen Krieg und es müßte fast ein Wunder geschehen, wenn er sich noch vermeiden ließe. Vielleicht haben die Feindseligkeiten Kuv Stunde schon ^gönnen, denn das Ultimatum ist am Donnerstag nachmittag 2 Uhr 30 Minuten von dem italienischen Geschäftsträger in Konstantinopel in Begleitung des ersten Dragoman dem Groß- vesier überreicht worden. Der Türkei sind nur 24 Stunden zur Beantwortung gelassen.
Aus Rom
wird zu den Vorgängen folgendes gemeldet: Der Minister des Aeußern, di San Giuliano, depeschierte in der Nacht vom 26. zum 27. ds. Mts. an den italienischen Geschäftsträger in Konstantinopel, de Martin o, wovon er auch dem ottomanischen Geschäftsträger in Rom Mitteilung machte: „Während einer langen Reihe von Jahren hörte die italienische Regierung-niemals auf, der Pforte vorzustellen, daß es absolut notwendig sei, den Zustand der Unordnung und Vernachlässigung, in welcher Tripolis und Kyrene! von der Türkei gelassen werden, zu beendigen, damit diese Gegenden der gleichen Wohltaten des Fortschrittes wie die übrigen Teile Nordafrikas teilhastig würden. Ein solcher Wechsel, der sich aus die allgemeinen Forderungen der Zivilisation gründet, stellt für Italien ein vitales Jnteresise erster Ordnung dar, angesichts der geringen Entfernung, die diese Gegenden von den italienischen Küsten trennt. Trotzdem die italienische Regierung immer in loyaler Weise ihre Unterstützung der kaiserlichen Regierung in verschiedenen politischen Fragen in der letzten Zeit angedeihen ließ, trotz der Mäßigung und Geduld, die die italienische Regierung bis heute bewiesen hat, sind nicht nur die Absichten betreffend Tripolis von der kaiserlichen Regierung mißdeutet worden, sondern, was mehr ist, jedes italienische Unternehmen in den oben erwähnten Gebieten ist beständig einer systematischen, höchst hartnäckigen und ungerechtfertigten Opposition begegnet. Die kaiserliche Regierung, die bis heute beständig
eine feindselige Gesinnung
gegen jede legitime Wirksamkeit von italienischer Seite in Tripolis und Kyrene an den Tag gelegt hat, schlug ganz neuerdings durch den in letzter Stunde unternommenen Schritt der königlichen Regierung eine Verständigung vor, indem sie sich bereit erklärte, jedes mit den bestehenden Verträgen, sowie der Würde und den höheren Interessen der Türkei sich vereinbarende wirtschaftliche Zugeständnis zu bewilligen. Aber die königliche Regierung sieht sich nicht mehr in der Lage, jetzt Verhandlungen anzuknüpfen, deren Nutzlosigkeit die Vergangenheit erwiesen habe und die, weit entfernt, eine Garantie für die Zukunft zu bieten, nur die beständige Ursache von Reibungen und Konflikten wären. Andererseits stellen die Nachrichten, die die königliche Regierung von ihren Konsularagenten von Tripolis und Cyrenaika erhält, die Lage außerordentlich ernst infolge der Bewegungen gegen die italienischen Untertanen dar, die augenscheinlich von den Beamten und anderen behördlichen Organen hervorgerufen werden. Die Bewegung bildet eine große Gefahr nicht nur für die Italiener, sondern auch für die Fremden jeder Nationalität, welche mit Recht beunruhigt und besorgt um ihre Sicherheit Tripolis
Doraliese von Freilingen.
Von Helene von Mühlau.
S1> Nachdruck verboten.
(Fortsetzung.)
Dann aber biß sie die Lippen aufeinander. Sie hatte ja gewußt, daß das eines Tages so kommen muß-te. Sie packte das Kind in warme Sachen — machte noch ein besonderes Bündel mit Wäsche, Tüchern und Kleidern zurecht — und gab dann beides- schweigend, jeden Dank abwehrend dex Frau, die Tränen in den. Augen und Worte der Entschuldigung stammelnd, von der Ba- roneß Abschied nahm.
Und dann kam alles so, wie der Pfarrer von Pirono es sich ausgerechnet hatte. Die tiefe, bittere Trostlosigkeit brach wieder über Doraliese herein — die Einsamkeit machte sie wieder ohnmächtig — die Untätigkeit brachte sie an den Rand der Verzweiflung, und dann kam der Tag, an dem er den Brief, den heißersehnten Brief in der Hand hielt.
„Wenn Sie Zeit und Lust haben, so besuchen Sie uns bitte wie früher zur Kafseestunde. —"
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Indessen hatte sich zu dem so verschieden- und doch auch wieder so gleichgearteten Ehepaar auf Freilingens Herrensitz ein häßlicher, grausamer Gast gesellt, der sich nicht mehr vertreiben ließ. Die Langeweile war cs —, die böse, graue Langeweile, die sich wie eine quälende, aber nicht tödliche Krankheit auf den Mann und die Frau - die da zusammen und doch jeder allein für sich iü dem großen, schönen Hause lebten — geworfen hatte.
Als unangenehm und lästig empfand der alte Herr die Eintönigkeit und Einsamkeit, die ihn umgab, denn wenn er sich auch seit Jahrzehnten daran -gewöhnt hatte, sein Leben ohne Arbeit — ohne eigentlichen -Inhalt dahinzubringen — an Unterhaltung hatte es ihm nie gefehlt. Da war früher die Gattin gewesen, die trotz aller Wesensverschiedenheit, die sie von ihm getrennt hatte, doch stets geneigt war, ein paar Stunden des Tages, ihm allein zu widmen — — seine Töchter waren dügewesen
zu verlassen anfangen. Die Ankunft von Militärtransporten in Tripolis, auf deren ernste Folgen die italienische Regierung die ottomanische vorher aufmerksam zu machen nicht versäumt hat, kann nur die Lage verschlimmern und legt der königlichen Regierung die unbedingte Verpflichtung auf, den daraus drohenden Gefahren vorzubeugen. Die italienische Regierung, die sich gezwungen sieht, von nun an an den Schutz ihrer Würde und Interessen zu denken, ist entschlossen, zu der
militärischen Besetzung von Tripolis und Cyrenaika
zu schreiten. Diese Lösung ist die einzige, die für Italien in Betracht kommt. Die kaiserliche Regierung möge demzufolge Anordnungen treffen, daß dieser Schritt bei den gegenwärtigen ottomanischen Vertretern in Tripolis auf keinen Widerstand stoße, daß die aus ihr sich ergebenden Maßnahmen ohne Schwierigkeit getroffen werden können. Weitere Abmachungen könnten von den Regierungen festgelegt werden, um die Lage endgültig zu regeln. Die königliche Gesandtschaft in Konstantinopel erhielt den Auftrag, eine entscheidende Antwort hierauf von der ottomanischen Regierung innerhalb 24 Stunden nach Vorlegung des gegenwärtigen Schriftstückes zu verlangen, widrigenfalls sich die italienische Regierung genötigt sehen würde, zur Sicherung der Besetzung die beabsichtigten Maßnahmen unverzüglich zu treffen. Wollen Sie hierzu noch bemerken, daß in dem Termin von 24 Stunden die Antwort auch durch Vermittlung der türkischen Botschaft in Rom uns mitgeteilt werden soll. gez. Di San Giuliano."
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Dies der Inhalt der italienischen Note, aus der klar hervorgeht, daß Italien unter allen Umständen eine Entscheidung herbeisühren will. Die Türkei könnte ja dem Wunsch Italiens entsprechen und Gewehr bei Fuß der Besetzergreifung von Tripolis und Cyrenaika (Cyrenaika ist das Tripolis angrenzende Hochlandgebiet von Barka; in alten Zeiten ein selbständiges griechisches Königreich) zusehen. Eine solche Haltung entspräche aber in keiner Weise dem Selbstbewußtsein der jungtürkischen Macht und bedeutete eine schwere Gefahr für die türkische Integrität. Die Türkei hat also keine andere Wahl, als den so brutal hingeworsenen Fehdehandschuh aufzunehmen. Natürlich hat Italien schon vor Uebergabe des Ultimatums alle Vorbereitungen getroffen, um den erwarteten Widerstand gewaltsam zu brechen. Die türkische Flotte, die vor Beyrut lag, wird von einem italienischen Geschwader bewacht, und es ist änzunehmen, daß es ihr nicht gelingen wird, rechtzeitig Konstantinopel zu erreichen. Ein zweites italienisches Geschwader operiert vor Tripolis. Die Landungstruppen werden bereits seit einigen Tagen in Sizilien versammelt. So ist anzunehmen, daß Italien ohne weiteres mit überlegenen Streitkräften und Machtmitteln auftreten wird.
Aber damit ist noch nicht gesagt, daß der kecke Handstreich gelingen werde. Zwar von den europäischen Mächten hat Italien wenig zu befürchten, die Türkei wenig zu hoffen. Was kümmert.die hohen Regierungen in London und Paris das Völkerrecht und was fragt man da viel nach den alten Ueberlieferungen, die den Schutz des schwächeren Volkes zu einer Pflicht der Herren der Welt macht. Gedeckt durch den Schutz der hohen Protektoren an der Themse und der Seine, kümmert sich die italienische Kon- sulta wenig darum, daß die deutsche Regierung durch ihr Vorgehen in die peinlichste Verlegenheit kommt. Der Dreibund ist für die römische Politik seit langem nur ein Stück Papier, das höchstens den plumpen Deutschen binden mag, nicht aber die gewitzigte italienische Diplomatie, die ihren Vorteil in der -unbekümmerten Ausnutzung des Augenblicks sucht. Ob freilich dieses Stück Papier die neue Belastungsprobe aushält, kann man billig bezweifeln.
— die lustige Mix und Doraliese, die ihn mit ihrem spaßhaften Ernst oft entzückt hatte-; dann später; nach
dem Tod der Mutter, war es zwar einsamer geworden, aber doch nie so sehr, daß die Langeweile Macht über ihn gewonnen hätte. Im schlimmsten Falle hatte man mit Marinka vorlieb genommen oder war mit dem alten Behrens über Land gefahren — öder hatte sich mit Doraliese gezankt und wieder ausgesöhnt — und so fort-
Nein, langweilig — so recht eigentlich langweilig und drückend wie jetzt war es nie gewesen! —
Und dazu nun die stete Angst, den Unwillen der verdrießlichen Frau zu erregen! Die ewige Furcht vor Szenen, die oft recht häßlich und laut wurden — und die man, wenn man auch versuchte, sich durch alle Anspielungen und Ausfälle aalglatt durchzuwinden, nicht so schnell vergessen konnte wie früher, wenn man eine Meinungsverschiedenheit mit der verstorbenen Gattin gehabt hatte. —
Am wohlften war ihm, wenn er still in seinem Zimmer am Fenster saß und den Blick teilnahmlos und müde über Freilingen und Umgebung schweifen ließ.
„Dolieschen!" sagte er dann oft halblaut vor sich hin — und fühlte einen eigenen, früher nie gekannten Schmerz in sich aufsteigen, wenn er ihren Namen nannte.
Unerträglich aber und für die Dauer unmöglich erschien der neuen Herrin auf Freilingen das. Leben, das sie hier führen mußte. Getäuscht und betrogen kam sie sich vor.
Hatte sie das denn gewollt? Hatten danach ihre Berechnungen gestrebt?
Hier allein — von Mer Welt ungekannt — von den nächsten Nachbarn gemieden - von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen — auf einem einsamen Herrensitz zu sitzen — hatte sie das gewollt?
Und der da neben ihr lebte und scheu den Dopf duckte, - sooft sie zu ihm ins Zimmer kam — dieser feige, kleine, -armselige Mann —^ hatte der ihr wohl ein Wort gesagt von dem, was sie hier erwartete?
Nein, nein, nein! Nichts'hatte er ihr gesagt! Getäuscht, betrogen hatte er sie vom ersten Tag ihrer Be-
Aber auch ohne Hilfe von außen hat sich dieTürkei noch von jeher als ein Gegner erwiesen, der auch im Unterliegen dem Sieger schwer zu schaffen machte. So wenig vorbereitet die Pforte dem italienischen Ueberfall gegenübersteht, und so zerrüttet die politischen Verhältnisse im Lande sind, gegenüber der auswärtigen Gefahr werden sich die Mohammedaner um ihren bedrohten Kalifen scharen. In Tripolis steht eine wohlausgerüstete Division, und auch die einheimische Bevölkerung ist anscheinend bereit, dem fremden Eindringling den Boden Afrikas heiß zu machen. Wenn auch ein Nachschub infolge der italienischen Uebermacht zur See unmöglich sein wird, so kämpfen dafür die Armut und Dürre des Laüdes, seine ungeheuren Entfernungen und der Fanatismus der Gläubigen, die ihr Heiligstes bedroht sehen, für die Türkei. -
Das Bestreben der wohlweisen europäischen Kabinette, die mit Seelenruhe ein Feuer entstehen lassen, das zum Weltbrand werden kann, geht dahin, den Krieg auf Italien und die Türkei, zu beschränken. Aber niemand, kann dafür bürgen, daß der zündende Funken nicht auch das Pulverfaß auf dem Balkan erreicht. Für das jungtürkische Regiment geht es um Sein und Nichtsein. Die Gefahr ist groß, daß es in der Wahl der Abwehrmittel ebensowenig nach Recht und Gerechtigkeit fragt, wie sein hochkultivierter Angreifer.
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Saloniki, 28. Sept. Der Mali von Saloniki ist von der Regierung angewiesen worden, seine Aufmerksamkeit daraus zu richten, daß sich die öffentliche Meinung über die Tripolisfrage nicht weiter errege, daß keine Kundgebungen stattfinden und solche gegebenenfalls mit Waffengewalt zu verhindern.
Tripolis, 28. Sept. (Reuter.) Heute Nachmittag wurden 10-Schlachtschiffe oder Äeuzer beobachtet, die vor der Küste kreuzen. Die Eingeborenen verhalten sich ruhig. Die italienische Kolonie ist fast vollständig an Bord des Dampfers Banco di Roma ein geschifft. In der Stadt sind nur italienische Beamte und einige wenige andere italienische Staatsangehörige zurückgeblieben, die sich auf das italienische Konsulat begeben haben. Ebenso sind noch einige Geistliche in der Stadt, die sich auf einem für morgen zu erwartenden Dampfer einschiffen werden. Der Handel ist lahm gelegt.
Konstantinopel, 28. Sept. Die italienische Regierung hat die in türkischen Diensten stehenden italienischen Gendarmerie-Offiziere abberufen;, sie werden die Türkei sofort verlassen.
Essen, 28. Sept. Eine große Anzahl im Jndu- striebezirk beschäftigter italienischer Arbeiter erhielten Gestellungsbefehle und mußten sofort ab- reisen. (Das Gleiche wird aus anderen Orten berichtet, wv sich viele Italiener aufhalten. D. Red.)
Die Antwort der Türkei.
In Konstantinopel hat die Nachricht von Italiens Ultimatum eine wahre Bestürzung hervorgerufen. An der Börse trat eine förmliche Panik ein. Sechzig Deputierte hielten eine Beratung ab und forderten von dem versammelten Ministerrat die sofortige Einberufung des Parlaments. Der Großvesier erklärte, er könne sich jetzt nicht mit der Einberufung des Parlaments befassen, da der Ministerrat Mnt der Beantwortung des Ultimatums beschäftigt sei.
Es verlautet, die Türkei werde Italien antworten, daß sie bereit sei, den wirtschaftlichen Interessen Italiens in Tripolis Rechnung zu tragen, eine Okkupation von Tripolis durch Italiens Truppen, könne sie aber nicht anerkennen. Die
kanntschaft an! Daß Freilingen schön und herrlich war, wie er es ihr versichert — nun ja — das mußte sie zugeben — aber das war auch alles — alles — An so etwas gewöhnte man sich aber — und wußte später nichts mehr davon! Mer daß die Tage hier bleiern langsam dahinkrochen — so daß es einem vorkam — als uknschlösse hier ein einziger Tag die Länge eines ganzen Jahres — daß die Menschen steif und zurückhaltend waren und daß die eigene Tochter den Mut hatte, sich in offener Feindschaft dem Vater gegenüberzustellen, davon hatte er ihr kein Wort gesagt — — und darum zürnte die schöne Frau Alida dem alten, unwahren Mann, an den sie sich verkauft hatte — und ließ ihren Zorn an ihm sowohl in lauten Szenen, wie in tagelangem Schmollen aus.
Am bittersten empfand sie es, daß das reiche, schöne Nachbargut der Pironos ihr verschlossen blieb. Tag für Tag sah sie die Türme des schloßartigen Gebäudes vor sich liegen. Tag für Tag blickte sie in den stillen, vornehmen PM — der den ihrigen in den Schatten stellte — hatte auch ein oder das andere Mal die vornehme, schlanke Gestalt der Baroin von Pirono — in kostbare Pelze gehüllt, durch den Park schreiten sehen und dann waren heiße, trotzige Tränen aus ihren Augen geflossen und der alte, scheue, ängstliche Mann hatte ein paar böse Stunden zu ertragen.
Aber was mutzte das alles? Was half es, wenn sie ihrem Unmut, ihrem Zorn böse und heftige Worte verlieh? Der, dem sie galten, der duckte sich zwar im Augenblick und machte sein banges, schuldbewußtes Gesicht, um -dann im- nächsten Augenblick wieder liebenswürdig zu lächeln — ihr zu versichern, daß er weiches Wachs in ihren Händen sei — und daß sie in jeder W» ziehung über ihn verfügen solle.
(Fortsetzung folgt?
— Herbstliches. Wie. verschafft man sich billige Lose? Man geht jetzt auf eine Wiese, pflückt eine Herbst^ zeitlose und läßt sie bis zum Winter in der Brieftasche. Dann ist die Herbstzeit vorbei und die Lose hat man in der Tasche. — Au!