Deutsches Reich,
Der Reichstag vertagt.
Drei Sitzungstage» später als man nach dein flotten Verlauf der zweiten Lesung der Reichsversicherungsordnung hoffen durfte, hat der Reichstag mit seiner Arbeit aufgeräumt. Er ist am Mittwoch fertig geworden und nun beginnen die Sounnerferien, die bis 10. Oktober dauern sollen. Unsere Reichstagsboten haben diese Ferien wohl verdient, denn es wurde in der jetzt zu Ende gegangenen Session weit mehr geleistet, als der stärkste Optimist vor Wochen noch vermuten konnte. Die R e i ch s v e r si ch e r- ungsordnung und das elsaß-lothringische Berfas sungsgesetz sind neben einer Reihe untergeordneter Vorlagen unter Dach und Fach gekommen. Und zwar wurde die Reichsversicherungsordnung mit einer Schnelligkeit erledigt, wie vielleicht noch kein anderes Ge- fetzgcbungswerk von gleichem Umfang und gleicher Bedeutung. Auch die Sozialdemokratie, die doch an dem Zustandekommen dieses Gesetzes gar kein besonderes Interesse hatte und für deren Hauptwähler es vielleicht vorteilhafter gewesen wäre, wenn die Reichsversicherungsordnung dem nächsten Reichstag zur Verabschiedung überlassen worden wäre, hat keine Schwierigkeiten bei der raschen Abwicklung der Geschäfte gemacht. Sie hat wohl, Pensa wie die Fortschrittliche Volkspartei eine große Anzahl von Berbesserungsanträgen gestellt, aber dabei keinerlei Obstruktion getrieben, obwohl das Verhalten der Mehrheitsparteien, vor allem des Zentrums und der Konservativen herausfordernd wirkte; denn diese Parteien haben entsprechend ihren vorhergehenden Abmachungen jeden Verbessernngsantrag niedergestimmt, auch! wenn sie selbst der Ueberzeugung waren, daß der Antrag gut war. Wenn die Bolkspartei schließlich, im Gegensatz zur Sozialdemokratie, mit einigen Ausnahmen für das Gesetz stimmte, so geschah es, einmal, um sich überhaupt hinter den Versicheruügsgedanken zu stellen und zum zweiten kann nicht bestritten werden, daß das neue Gesetz gegenüber dem alten um etwa 200 Millionen Mark, (das ist ein ganzes Viertel) mehr an Fürsorge für Versichcrungs- bedürftige leistet, ein Gesichtspunkt, der, trotz aller Kritik an den Einzelheiten, nicht ungewürdigt bleiben durfte.
Ein umgekehrtes Bild ergab'sich bei der elsaß-lothringischen Verfassüngs - und Wahlreform. Ta war die Sozialdemokratie mit bei der Mehrheit und ihre schärfsten Antipoden, die Konservativen, standen Seite an Seite mit den Elsässern und Polen in der Opposition gegen diese Gesetze und die Regierung. Die Gründe, die diese Parteien zusammengesührt haben, sind allerdings verschiedener Art. Tie Konservativen sind Gegner des Fortschritts, den die neuen Gesetze für Elsaß- Lothringen bringen, den Elsässern und Polen gingen die Vorlagen nicht weit genug. Ein gemeinsamer Kitt ist aber doch ztvifchen den reaktionären und den radikalen Opponenten vorhanden, das ist der Par tikularis m u s, der die Konservativen eine Einbuße der preußischen Macht infotze der Verfassungsresorm befürchten ließ und der auf der anderen Seite die französelnden Elsässer einen Rückgang ihres Uebergewichts befürchten läßt. Die Fortschrittliche Volkspartei hat bei dem elsäsfischen Verfassungsgesetz wertvolle Mitarbeit geleistet u. es ist mit ihrer drängenden Initiative zu verdanken, wenn heute die Elsässer und Lothringer ein Wahlrecht besitzen, um das jeder freigesinnte Preuße und Mecklenburger sie beneiden muß.
In der am 10. Oktober beginnenden Herbstsession, die sich bis an die Neuwahlen hinziehen wird, sollen voll größeren Arbeiten noch die Privatbeamtenversicherung, die Strafprozeßordnung, das Heimarbeitergesetz, die Novelle zum Strafgesetzbuch, das Arbeitskammergesetz, die Fern- sprechgebührenordnung, das Schiffahrtsabgabengesetz, das Kurpfuschereigesetz, das Gesetz über die Aushebung des Hilfskassengesetzes sowie über die Aenderung des Gerichtskostengesetzes und einige kleinere Vorlagen erledigt werde»!. Es harrt also des Reichstags noch eine reich besetzte Tafel. Und die Mehrheit wird wohl auch recht fleißig sein, so wie der Schüler, der sich etwas hat zu Schulden kommen lassen und sich nun Mühe gibt, durch fleißiges Arbeiten die Strafe zu mildern; aber das deutsche Volk wird sich hoffentlich durch das jetzige „brave" Verhalten der schwarz-blauen R e i ch s t a g s m e hr h e i t nicht da-
. lvo dir Eitelkeit anfängt, dort der verstand auf.
M. v. Lbner-Lschenbach.
Theater.
Roman von Ein» Georg«.
6ö) (Nachdruck verboten.!
(Fortsetzung.)
Kapitel V.
„Unterzeichnet?"
„Unterschrieben, gestempelt, abgemacht! Nun ist kein Zurück mehr möglich. Das heißt, ohne Konventionalstrafe", entgcgnete Aenne lachend. „Deine Schwester vertritt das Reich der Mütter als königliche Beamtin!"
„Gratuliere!" Doktor Paul Geltner kam von der Tür, wo er gestanden, in das Zimmer hinein und eilte aus sie zu.
Beide Geschwister begegneten sich in der Mitte des Ge- inaches. Sie streckte ihm den Mund entgegen, d^n er in flüchtigem Gratulationskusse berülptte. Tann setzten sich beide an den Frühstückstisch nieder. Wie es oft die Gepflogenheit des vielbeschäftigten Arztes war, kam er zwischen seinen Besuchen um diese Zeit zu Aenne hinauf und speiste mit ihr.
Ter Diener bediente beide rasch und lautlos. Auf einen Wink der Hausfrau zog er sich zurück, als er die Schale nnr Früchten vor ihnen niedergesetzt hatte. Geltner Aog die sich' und blickte seufzend nach den vorrückenden Zeigern. „Ich muß fort!"
„Paul, ich.hatte dich, schenke inir noch eine halbe Stunde! Ich möchte mit dir etwas Wichtiges besprechen", bat Aenne in so ernsten» Tone, daß er sie zweifelnd ansah.
rüber hinwegtäuschen lassen, daß die Reichsfinanzreform und noch 'manche andere Missetat auf dem schwarzblauen Schuldkonto steht. Die Konservativen und das Zentrum würden sicher noch weit rücksichtsloser Vorgehen, wenn ihre Macht nicht gebrochen wird und sie dann anneh- meik könnten, daß man dem guten deutschen Michel alles bieten darf. Nun der Michel war aufgewacht; zu Wecken brauchen tvir ihn nicht mehr, aber wir wollen ihm doch öfter in die Ohren schreien: „Michel, denk an die Reichsfinanzreform und schlaf' nicht wieder ein vor den Wahlen!"
Die letzte Sitzung
begann mit einem Nachruf für de» gestern vormittag in Düsseldorf verstorbenen Zentrumsabgeordneten Kirsch. Nach Erledigung einer Reihe von Petitionen wurde der Antrag, den Reichstag bis zum 10. Oktober zu vertagen, ohne Debatte angenommen. Die nächsten zwei Stunden wurde» auf die zweite Lesung des deutsch-schwedischen Handelsvertrags verwendet, de« nach wiederholter Empfehlung durch den Staatssekretär Delbrück angenommen wurde. Für die Fortschrittliche Bolkspartei hatte Goihein daraus hingewiesen, daß wir infolge unseres ungünstigen Zolltarifs keine günstigen Handelsverträge abschließen können, den Unterhändlern seien die Hände gebunden gewesen. Um a/ll Uhr wurde die Sitzung ans s/l Stunden unterbrochen, um den Parteien Gelegenheit zu geben, zu dem Kommissionsbericht über den Rest des Einführungsgesetzes zur ReichsversicherungSordmuig Stellung zu nehmen.
I» der neuen Sitzung nahmen am Bundesratstisch der Reichskanzler und fast sämtliche Staatssekretäre Platz. Zunächst wurde das Einführungsgesetz zur Reichsversicher u n g s o r d n u n g im Ganze» gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, einiger Polen und Freisinnigen angenommen. Dann wurden in 3. Lesung ohne Debatte mit den Resolutionen unverändert angenommen: Das Uebereinkommen über das Seerecht, der Niederlassungsvrrtrag mit der Schweiz, die Handelsverträge mit Schweden und Japan, das Zündioarensteuer-, das Tagegelder-, Fuhr- »nd Umzugstostengesetz für dje Kolonialbeamten, die Gesetzentwürfe betr. die Beseitigung von Tierkadavern und betr. die Gewährung einer außerordentlichen Entschädigung an die Reichstagsnbgeordneten. Damit war die Ta- gcsornung erledigt.
Nachdem der Präsident den Vizepräsidenten, den Schriftführern und den Beainten, Bassermann dem Präsidenten für seine gerechte und wohlwollende Geschäftsführung und der Präsident allen Mitgliedern des Hauses für ihre Arbeitswilligkeit gedankt hatten, verlas der Reichskanzler die K a b i n e t t s o r d r e betr. die Vertagung des Reichstags bis zum 10. Oktober. Der Präsident schloß dann die Sitzung mit «einem dreifachen vom Hanse freudig aufgenowinenen Hoch ans den Kaiser, während die Sozialdemokraten den Saal verließen.
Reichstagsersatzwahl in Düsseldorf
Ter langjährige Vertreter von Düsseldorf im Reichstage, der Zentrumsabgeordnete Geheimer Justizrat Kirsch ist im Alter von 64 Jahren gestorben. Kirsch vertrat seit 1893 Düffeldorf im Mgeordnetenhause, 1898 wurde er dort auch zum Reichstagsabgeordneten gewählt. Bei den Wahlen 1907 erhielt er im erstell Wahlgange 29 259 Stimmen, der Sozialdemokrat Grimpe 25389, der Nationalliberale Kehren, der kürzlich wieder aufgestellt wurde, 14 664, ein volksparteilicher Zählkandidat 593 und ein polnischer 268 Stimmen. In der Stichwahl siegte Kirsch mit 33 317 Stimmen über den Sozialdemokraten, der es auf 25 233 brachte. Das Zentrum hat also einen ziemlich gefährdeten Wahlkreis zu verteidigen.
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Der 12. Deutsche Handlungsgehilfentag
findet in der Zeit vom 17. bis 19. Juni 1911 in Breslau statt. Neben der sozialpolitischen Standesschau aus den Jahren 1909 und 1910 werden verschiedene Vortrüge gehalten werden. Zu der Tagung haben bereits mehr als 1000 Handlungsgehilfen sich angemeldet. Im Anschluß an den Handlungsgehilfentag findet der 12. Verbandstag des Deutsch-nationalen Handlungsgehilfenverbandes statt. Zahlreiche Vertreter der gesetzgebenden Körperschaften haben bereits ihr Erscheinen zugesagt.
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München, 31. Mai. Tic 19. Jahresversammlung des Verbandes Deutscher Elektrotechniker hat für die nächste Jahresversammlung Leipzig zum Versammlungsort gewählt.
Ausland.
Paris, 31. Mai. Ein Trupp von Revolutionären, die eine ihrer Anhängerimren bei ihrer Entlassung aus dem Gefängnis St. Lazare abholen wollten, hatte
„Aber meine Praxis? Ich habe noch zehn Minuten, und du weißt, wie Liese hadert, wenn ich jeden Tag später zu Tisch komme!"
,Find wenn ich dennoch meine Bitte aufrecht erhalte, so kannst du daraus ersehen, wie wichtig meine Angelegen- cheit ist, lieber Paul!"
„Dann schwinden natürlich alle andern Rücksichten", sagte er entschieden, „verfüge über mich!"
„So komm in mein Boudoir", erwiderte Aenne und schritt, sich in feinen Arm einhängend, mit ihm in ihr Lieblingsziinrmer. „Ach Paul, wenn du wüßtest, wie glücklich ich grade heute bin, dich als Freund und Berater zu haben!"
„Ten letzteren hast grade du eigentlich n'ie gebraucht !"
„Leider vielleicht zu wenig: desto besser ist es, daß ich dich diesmal habe," entgegnelc sie, „aber setz dich hier in den Stuhl. Er ist der behaglichste. Ich bringe dir gleich »roch eine gute Import und den Aschbecher, damit du es ganz genrütittch hast!" In Aennes Bewegungen und Stimme lag eine Frische, ein Aufschwung, wie er in den letzten vier Jahren nie zu bemerken gewesen.
Paul musterte sie immer mißtrauischer: „Ta bist mir heute unheimlich!" gestand er offenherzig ein.
Sie lachte und zog eilten Hocker in seine Nähe, auf den. sie sich niedevließ, in angenehm zufämmengekauer- ter Stellung: „Beantworte mir meine Frage, Paul! Täusche ich mich, oder hast du neulich bei euch erklärt, daß dir Herbert Ulrich so besonders sympathisch wäre?"
,Mein, da hast du richtig gehört," antwortete er, „von dem ganzen Theatervolk, das ich im Lause der Zeit bei dir so habe Revue passieren lassen, ist mir fT>ok- to-r Ulrich der ganz entschieden Sympathischste. Er verrät stets die gute Abkunft und die gediegene Bildung."
einen Zusa-mmenstoß mitcheo Pottzn- bei den» eifPölige »beamte, v e rk-echck'tvnvden. - -Zwei" Revolutionäre wurden verhaftet,
London» 1. .Juni. Gestern nachmittag ging über London und die benachbarten Grafschaften ein furchtbares Sturnr- und Hagelwetter nieder. In zwei Kirchen schlug .der Blitz ein, tvobei sieben Menschen getötet wurden. Tie Zuschauermenge beim Rennen in Epson» um das Tjerby geriet in einen Wolkenbruch. Die Wasser haben großen Schaden an 'Haus und Feld Ungerichtet.
Petersburg, 31. Mai. In dein Städtchen Schn- »nicha bei Tscheljabinsk sind 40 Gebäude und viele Warenlager- niedergebrannt. Ter Schaden beträgt eine halbe Million Rubel. In dem Torfe Karaul- broka bei Ufa hat eine Feuersbrunst 300 Wohngebäude und Kohlenspeicher eingeäschert. 264 Stück Rindvieh sind verbrannt.
Saloniki, 31. Mai. Die Behörden wurden durch i einen in französischer Sprache abgefaßten Brief des Ingenieurs Richter, der von einem Schafhirten überbracht wurde, inständig gebeten, die .Verfolgung der Räuber einstellen zu lassen. Der Hauptmann der Bande habe geschworen, Richter zu ermorden, falls die Bande umzingelt werde. Die Behörden scheinen geneigt zu sein, dem Wunsche Richters zu entsprechen und erbaten Weisungen vom Mali von Saloniki. Die Höhe des geforderten Lösegeldes ist noch unbekannt.
Württemberg.
Württembergischer Landtag.
s. Stuttgart, 3l. Mai.
Präsident Payer «eröffnet 9.15 Uhr die Sitzung. Am Regierungstisch: Mnister v. Pischet, Präsident v. Mosthaf. Mü der Etatberatung wird bei Kap. 38,
Zentralstelle für Handel nnd Gewerbe
Abg. Leibfried (Vp.): Die Ausgaben für die Industrie stehen in gar keinem Verhältnis zu den' Ausgaben für die Landwirtschaft. Redner verliest hierfür eine Reihe von Zahlen. Das Gewerbe zahle ziemlich das doppelte an Ertragssteuer wie die Landwirtschaft. Dagegen werde für die Landwirtschaft das doppelte ausgegeben. Er sage das nnr, um zu zeigen, daß die Landwirtschaft kein Stiefkind sei. Man Habs allen Anlaß, an die Weiterentwicklung der Industrie zu denken,- damit nicht nur die gewerbliche Bevölkerung, sondern auch dis Landwirtschaft nicht geschädigt werde. Textilbranche, Handwerk u. Gewerbe hätten heute zu klagen. Die meist verarbeitende Industrie leide außerordentlich unter der heutigen Wirtschaftspolitik. Dazu komme noch die Preispolitik der Syndikate, insbesondere des Kohlensyndikates. Deshalb müsse man auch energisch die Neckarkanalisierung verlangen. Er möchte fragen, ob es wahr ist, daß sich eine Aktiengesellschaft in Berlin ein Monopol über die elektrischen Gesellschaften gesichert habe?. Es heißt, daß dabei die Stromabnehmer übervorteikt werden sollen. Handel und Industrie seien nicht erfreut von den neuen geplanten Verkeyrssteuern. So wie bisher könne es nicht weiter gehen. Dazu komme auch, daß die einzelnen Ka- meralämter bei der Einschätzung sehr willkürlich verfahren. Es müsse alles vermieden werde», was die Existenz der Industrie »och mehr erschwere. Durch die Schaffung günstiger, langfristiger Handelsverträge müsse für gute Exportmöglichkeiten gesorgt werden. (Beifall bei der Volkspartei).
Die Abgg. Andre und Graf-Stuttgart (Ztr.) beantragen, die Regierung möge erwägen,- ob und inwieweit Anstalten, die Private Rechtsauskunftsstellen unterhalten, Unterstützungen erhalten können.
Abg. Mattutat (Soz.) spricht über Schutzvorrichtungen, für Bauarbeiter. Württemberg sei der schlimmste Herd der Bauunfälle. Redner verliest hierüber verschiedene Zahlen. Mit der Verwirklichung des Banarbeiterschutzes dürfe mau nicht mehr länger zuwarten. Seine Partei wünsche die möglichst weitgehende Heranziehung von Bauarbeitern als Baukontrolleure. Zn begrüßen sei die Absicht der Regierung, Arbeiter zur Arbeiter- Wohlfahrtsansstellnng nach Berlin zii senden. Es frage sich aber, ob der Besuch der Hygiene-Ausstellung in Dresden nicht zweckmäßiger sei. Die Zahl der zn entsendenden Arbeiter soW nicht zn klein sein.
Abg. Wieland (D. P-): Die Lage von Industrie und Handel sei nicht so günstig, wie der Ministerpräsident s. Zt. es dargestellt habe. Die Arbeiterbewegung und die steigende sozialpolitische Verpslichtung sei die Ursache. Die Lohnbeweg- nng sei durch die verteuerte Lebenshaltung entstanden. (Sehr richtig! links). Man habe auch zu bedenken, baß durch die Streiks der kleine Unternehmer erdrückt werde. Durch die neue ReichsversicherungsordnNng werde die wnrtt. Industrie mit 500—600 000 Mark belastet. Eine weitere Schädigung seien die indirekten Lasten. Der wachsende Beamtenapparat zur Durchführung dieser Gesetze erfordere nnnütze Lasten. Die Arbeitskammer-Borlage stelle eine nutzlose Arbeit dar. (Und Handelskammern? links). Für Arbciterkammern würde er auch sei». Und Arbeitskammern habe die Sozialdemokratie selbst abge-
„Hm!"
„Warum plötzlich dies« Frage?"
Aenne blickte den Bruder nicht an: „Wie lange biß dkl bei Ulrichs schon behandelnder Arzt?"
Paul dachte nach: „Sachs Jahre."
„Da» kanntest seine Frau demnach noch gesund. Wie war sie?"
,Mne feine und gebildete Dame, nnr immer left deich."
„Und die Dhe war glücklich?"
„Denr Anscheine nach sehr: Sie vergötterte den Mann, und er umgab sie mit Takt und schaltender Ruhe."
„Und was hältst du von den Kindern?"
„Aenne, die Frage ist töricht. Der Netteste ist vierzehn und im Kädettenhaus. Das Mädchen ist ungefähr zehn Jahre, ein zartes, nervöses Kilid, das sorgfältigster Pflege bedarf. Und Peter, der Kleinste, bei dessen Gebäck sie starb, zwei Jahre. Also drei ,Ehrenmänner'."
„Scherze jetzt nicht, Paul, ich bitte dich!"
„Aenne," fragte dieser jetzt heftig, „bitte, Katze aus dem Sack! Was bedeutet dieses Verhör? Was hast M mit Dollar .Ulrich vor?"
Aenne faltete hie Hände ineinander nnd schaute lir chelnd.zu dem Bruder auf. „Wie du weißt, habe ich »»ich in meiner Vereinsamung und Oede im letzten Jahre sehr der kleinen mutterlssen Geschöpfe angenommen. Käte und Peterlein Ulrich lvaren täglich bei mir. Und ich bin u: Der Beschäftigung mit den geliebten Geschöpfen von alle»: Gram genesen. Ein Reinigungsbad für meine Seele tvaren diese Kinder." Aenne erhob sich, „Gestern, vor ve»r Theater, kain Ulrich, um seine Kindel mit der Bonnc heimzugeleiten. — Und da - - da hat er mich gebeten, seine Frau zu werden!"
(Schluß folgt.)