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Erzähler vom Schwarzwald.
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Mittwoch. 18 . Januar LK 11
28 . Jahrg.
Am Tage der Reichsgründung.
Vierzig Jahre deutscher Entwicklung.
Heute jährt es sich zum vierzigsten Male, daß das deutsche Reich gegründet wurde. Tie Zwischenzeit hat die Generation der Reichsgründer bis auf wenige Reste dahingehen und eine neue an ihre Stelle treten sehen. Vierzig Jahre deutscher Zusammenarbeit, sind sie auch 40 Jahre deutscher Entwicklung gewesen?
Kein Zweifel; die vergangenen Jahrzehnte haben uns den Fortschritt von klein-staatlichem Partikularismus zur Weltpolitik gebracht. Deutschland ist aus einem AgrarLande der zweitgrößte Industriestaat der Erde ge- geworden und mit dem Wachstum seiner Handelsflotte eroberte der Kanfmannsstand gewaltige Absatzgebiete fern über dem Meer. Bismarck leitete die Kolonialpolitik ein, die den Blick des neuen deutschen Reichsbürgers erweitern sollte. Nirgends war von unserer Seite -der Friede unter den Völkern ernstlich gestört; kritische Zeiten in der aus- ivärtigen Politik sind mit mehr Friedfertigkeit als Geschick bisher stets überwunden word.n.
Aber dem Aufschwung Deutsch ands auf dem Gebiete des Handels, der Industrie und der Weltpolitik, stand immer eine Unterbilanz in der inneren staatlichen Entwicklung gegenüber. Bismarck, der Reichsgründer, förderte das konservative Element aus Kosten des fortschrittlichen Bürgertums. Preußens militärische und staatliche Vormachtstellung in dem Reich drohte kulturell erheblichen Schaden anzurichten. Dabei war dem deutschen Kaufmann die Zipfelkappe schon längst von den Ohren herabgesallen und an Stelle der gutmütigen landwirtschaftlichen Arbeiterschaft war ein Jndustriearbeitertum getreten, dem Lassalle und Marx gründlich jeden Respekt vor Junkern und anderen „Autoritäten" genommen. Tie soziale Gesetzgebung erscheint dem Historiker nur als ein Mt politischer Klugheit, unter dem sich ganz zufälliger Weise eine fortschrittliche Tendenz verbarg. Der Hochmut der Agrarier stieg ins Maßlose, und der Industrie und dem Handel, denen Deutschland heute mehr als irgend etwas anderem seine Stellung unter den Völkern verdankt, wurde die Bahn versperrt und das Leben sauer gemacht.
Hier — und wir. kommen damit in den Bereich der letzten Jahre — hat jedoch nach langem Zuwarten der Umschwung eingesetzt. Das preußische Junkertum hatte seinen Kräften zuviel zugemntet; der überspannte Bogen zerbrach. Und das ist es, was die Geschichte der letzten
40 Jahre seit der Reichsgründnng in etwas milderem Lichte erscheinen läßt: die heutige politische Lage deutet darauf hin, daß das 50jährige Jubiläum der Reichsgründnng unter manch anderen Verhältnissen vor sich gehen wird als das 40jährige. Nachdem der preußische Norden Jahrzehnte lang mit dem süddeutschen „Partikularismus" gerungen, fängt jetzt endlich auch der deutsche Süden an, mit seinen fortschrittlichen Ideen und seinen gereifteren staatlichen Verhältnissen ans den reaktionären Norden abziisärben. Das Ende der Junkerherrschaft kommt. Das ist der erfreuliche Ausblick, der sich heute bietet, er spornt auch dazu an, mit neuer Kraft und neuer Energie in das fünfte Jahrzehnt deutscher Einheit einzutreten.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 16. Jan.
Am Bundesratslisch Staatssekretär Wermuth. Haus und Tribünen sind ziemlich schwach besetzt. Präsident Graf Schwerin-Läwitz eröffnet die Sitzung um 2.17 Uhr nachmittags Zunächst werden Petitionen ohne Debatte erledigt. Tann tritt das Hans ein in die
zweite Lesung des Zuwachssteuergesetzes.
Mg. Graf Westarp (kons.): Wir stimmen dem Grundgedanken des Gesetzes zu, so wie es in der Kommission gestaltet ist. Schwieriger wird sich die Frage gestalten, tyie die Ueberwälzung der Steuer von dem Verkäufer auf den Erwerber verhindert werden kann. Das bewegliche Kapital dieser Steuer zu unterwerfen, erscheint zur Zeit undurchführbar. Trotzdem halten wir diesen Gedanken für richtig. Der Zweck der Steuer ist, einen richtigen Ersatz für den Umsatzstempet zu finden und dieser Zweck wird durch die Vorlage erreicht. Ihr Ergebnis sollte wenigstens zum Teil den Veteranen zugutekommen.
Staatssekretär Wermuth: Tie Entscheidung fällt in dieser Vorlage auch über den Gedanken, ob die Zuwachssteuer auch für die Gemeinden einzustthren fei. Wenn die Steuer für das Reich abgelehnt werde, dürfte sie auch nur in ganz wenigen Gemeinden gehalten werden können. Insofern geht das Interesse von Reich und Gemeinde Hand in Hand. Tie Kommissionsbeschlüsse gehen weit hinter das zurück, was der Reichstag 1909 beschlossen hat. Weitere Abbröckelungen von der Vorlage sind im Werke. Eine derartige Abschwächung würde eine Vereitlung der Wirksamkeit des ganzen Gesetzes bedeuten. Von mehr als 300 Gemeinden, die die Wertzuwachssteuer haben.
haben 97 Prozent keine Steigerung der Grundstückspreise und der Miete sowie keine Einschränkung der Bautätigkeit zu verzeichnen. Ter Mietertag hat ausdrücklich erklärt, daß der Mieter von der Zuwachsstcuer nichts zu befürchten har. Tie Landwirtschaft sieht in der Steuer eine Einschränkung des unsoliden Güterhandels. Selbst die Hausund Grundbesitzer, soweit sie die Einzelheiten des Gesetzes ausreichend würdigen, halten die Vorlage für gut. Ter Mittelstand und der kleine Mann sind überzeugte Freunde der Zuwachssteuer. Ich versichere auf das bestimmteste, daß die Regierung alle Härten und Ungleichheiten vermeiden wird. Allerdings wird eine längere Uebcrgangszeit nötig sein. Deshalb müssen wir den sicheren Ertrag des Nmsatzstempels noch einige Zeit behalten, bis die Zuwachssteuer sich entwickelt hat. Tann kommen Anforderungen des Etats auch für die späteren Jahre, namentlich für unsere Wehrkraft und unsere Sozialpolitik, die wir voraussehcn und voraussehen wollen. (Hört! Hört!) Gewiß sollen die Erträge den Veteranen zum Teil zugutkommen. Tie Sanierung unserer Finanzen darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben.
Marx (Ztr.): Wir sind grundsätzlich für eine Wertzuwachs steuer, die dem Reich zugutkomint. Eine neue Belastung des Nationalvermögens wollen wir vermeiden. Daher fordern wir die Beseitigung des Umfatzstempels.
Staatssekretär Wermuth: Tie Auffassung, als ob im Reichsschatzamt die Steuergesetze ohne Berücksichtigung der Rechte und Interessen des Volkes ausgearbeitet würden, trifft nicht zu. Angesichts der Ablehnung der Vor- H läge wird es mir allerdings zweifelhaft, in welcher Weise für die Veteranen gesorgt werden soll.
Abg. Göhre (Soz.): Wir beantragen die Wiederherstellung des ZI in der ursprünglichen Regierungsvorlage. Wir werden an dem Zustandekommen dieses Gesetzes mit allem Ernst Mitarbeiten. Nicht das Reich, sondern die Gemeinden müßten diese Steuer haben. Die Vorlage ttbertrifft die Kommissionssassung um Turmeshöhe. Wir werden den Staatssekretär unterstützen. Tie Vorlage in dieser Form beweist, daß die Reichssinanzreform schon jetzt bankrott ist. Wir werden einen Zusatz beantragen, daß die Erträgnisse ganz den Veteranen zugewendet werden.
Abg. Weber (Ml.) Es ist unvermeidlich, daß diese Steuer doch schließlich dem Erwerber des Grundstücks zu- gefchoben wird. Besonders schwer ist es für das ganze Reich allgemeine Grundsätze zu schassen. Außerordentlich schwere Bedenken haben wir dagegen, den Umsatzstempel neben dieser Steuer bestehen zu lassen. Ter Anteil der Ge-
Die tveisegen sind die, welche lesen, nm sich von ihren Fehlern i» befreien. ' Friedrich der Große.
MdL, ÜL-lN- ISL -KksiL:
Die Versuchung
Roman von Robert Graf Wickenbnrg.
Nachd uck verboten.-
(Fortsetzung.)
Unwillkürlich sah Reitlinger zurück - überrascht darr dem warmen weichen Klang der Stimme, die ihn ries. ^ kam Herr Brauner auf ihn zu und bot ihm die offene Hand:
„So dürfen Sie mir nicht forlgetzen! Ich Hab' Ihnen Mechc getan! Tut mir Leid. . .! Aber wenn -Sie ver- Erisüg Nachdenken: was Hab' ich denn im ersten Moment andres glauben sollen. . .? Sie hallten da nm meine Tochter an und beweisen mir gleich selber, daß ich sie Ihnen von Rechts wegen gar nicht geben darf — machen noch ein Gesicht dazu, wie einer, der weiß Gott was für ssn schlechtes Gewissen hat — und auf einmal reiben mir die Zeitung da unter die Nasen — ohne jede Bor- Mcitung! . . . ! Wie kann ich mir düs sonst auslegen. Äs daß das ans deutsch heißen soll: Weil ich weiß, daß "4 s gutwillig nicht tun wirst, Hab' ich mir gleich so ^^iMleinen Revolver mitg-ebracht. . .!"
... Ta griff Reitlinger stürmisch nach der ihm so Herz- "ch gebotenen Hand und schlug sich zugleich vor die Stirn: Et, jtvar ich ein Esel. . .!"
, Herr Brauner lachte: „Na, sagen wir ivenigstens: recht mittelmäßiger Diplomat! Aber nachdem ich's .an den Augen anseh', daß Sie an der G'schicht da "schuldig sind — wer hat denn den schönen Artikel verbrochen?"
Reitlinger teilte ihm in kurzen Worten seinen wohl- "Vnmd-tten Verdacht mit — da nickte er zustimmend: " ich's schon zu. . .! Aber jetzt hören E'e,
m tteber Reitlinger, setzen Sie sich -daher und lassen E? vernünftiges Wirt mit sich reden: Aus eurer Ver- kann natürlich vorläufig nix werden — das sehen ^ l« selber ein! Was da in der Zeitung steht — das uns wenig ausregen! Tie Fernerstehenden sollen
denken was sie wollen, und den guten Bekannten werden wir das schon irgendwie anfkläven! Mit dem Sommerstein fangen Sie ja nix an! Das wirbelt nur Staub aus! Vielleicht Hab' jch eher einmal Gelegenheit, mir den sauberen Herrn beizubiegen! Unter vier Angen natürlich!
Was nun unser Verhältnis anbelangt — tvie gesagt: Ta kann ich'mich vorläufig nicht entscheiden! „Ja" sagen kann ich nicht — „Nein" sagen will ich nicht! Von Rechts wegen sollte ich euch beiden gehörig den Kops waschen für eure heimliche Verlobung hinter dem Rücken der Wern . . .! Na, aber . . . Hol's der Kuckuck! Jch häb's damals auch nicht anders gemacht . . .! Und durch die Angst, die ihr jetzt auszustehen habts, seids ohnedies gestraft! Also Schwamm drüber!
Durch Ihre Frage aber haben Sie mir ein Recht gegeben, mich in Ihre Angelegenheiten Hinei nznmi scheu -- da muß ich vor allen Dingen reinen Wein haben! Und dann werden wir schauen, was sich machen läßt! Zuerst werde ich mich einmal erkundigen, was eigentlich Ihre Herren Kompagnons für eine Art Menschen sind . . . !"
„Darf ich sie Ihnen herbringen? Sie werden sicher mit Freuden . . .!"
„Nur net so hitzig! Erst muß ich wissen, mit wem ich's zu tun Hab' — dann kommt -— eventuell — die persönliche Bekanntschaft! Sie bleiben einstweilen am besten hier in Men — damit Sie bei der Hand sind, wenn ich Sie brauche! Sobald ich so weit bin, rufe ich Sie. Jetzt aber müssen Sie mich entschuldigen — ich Hab' dringend zu tun!"
sch und streckte Reitlinger die
hoch! An meinem guten verlassen Sie sich draus!
Damit erhob er Hand hin:
,-Und vor allem: Kops Willen w'rd's nicht fehlen Also hoffen wir das beste!"
Reitlinger verabschiede:« sich mit warmen Tankesworten. Aber in der Türe blVb er unschlüssig stehen und drehte verlegen an seinem Schnurrbart:
„Herr Brauner - noch eine Frage . . .! Jch traue mich nicht recht, sie auszuisprechen . . . aber . . . aber...!"
„Na, nur heraus damit! Js s' denn gar so 'roas Schreckliches . . . ? Ja, sooo . . . .! jetzt versteh' ich!
Ra also — ich bin kein Unmensch! Wenn Sie uns wie bisher als Freund der Familie hie und da einen kurzen Besuch machen und dabei auch der Berta begegnen — in Gottes Namen! Es ist vielleicht auch mit Rücksicht aus das Zeirungsgeschmier da weniger ausfällig, als wenn Sie plötzlich ganz wegbleiben!"
Ta faßte Reitlinger nochmals seine Hand und drückte sie stumm bewegt. Tann ging er.
VIII.
„Pitt' schön, gnä' Herr, es is Aaner draußen — er wüll net sagen, wer er is. Aber sehr eine wichtige Mitteilung, sagt er, hat er in gnä' Herrn z'mrchen!"
Herr Bräuner fuhr etwas ungehalten von seiner Arbeit aus und brummce:
„Das wird wieder 'was Sauberes sein! Wie schaut er den aus? Fechter. . .?"
Der Diener zuckte die Achseln: „Bitt' g'horsamst — zu den schaut er mcr z' gut aus! Von Land dürft er sein. . .!"
,Ma, in Gottes Namen -- lassen S' ihn herein!" Ter Diener verschwand. Gleich darauf erschien ein roteS Vollmondgesicht in der Türe, eine schwerfällige behäbige Gestalt in einem ländlich zngeschniitenen schwarzen Anzug folgte.
Der Eintretende klopfte an die schon weit offene Türe, ging nnt schwer dröhnenden Schritten breitspurig auf Herrn Bräuner zu, dem er ohne jede Einleitung die dicke schwiellge Hand hinstreckte und setzte sich mit ungenierter Behaglichkeit aus den Stuhl neben dem Schreibtisch:
„Mit Verlaubnis! Wissen S' —; i bin nämlich der H err Schindelhub er!"
gSo, so — freut nrich, daß Sie der Herr Schindel- Huber sind!" sagte Herr Bräuner mit einem leichten Anflug verhaltener Heiterkeit, „und was führt Sie zu mir?"
.fJa, des is net so e'nfach! Aber i moan Halls daß 's Eahner recht dressieren ward, was i woaß! Wissen S' wegen Tahnern Schwiegersohn is's. . .!"
„Ich Hab' aber doch gar keinen Schwiegersohn . . .!"
(Fortsetzung folgt.)