reit, angesichts der schweren Mißstände, die sich aus der Besteuerung von Zündwaren für die beteiligte Industrie und Arbeiterschaft wie für die Verbraucher er­geben haben, die Aufhebung des Zündwarensteuergesctzes vom Io. Juli 1909 in die Wege zu leiten?

Dernburg gegen Erzberger.

In Bezug auf die Etats-Rede Erzbergers sendet der frühere Staatssekretär Dernburg verschiedenen Zeit­ungen eine Erklärung, worin er sagt: Die Diamanten­verträge sind monatelang Gegenstand der Erörterung in Budgetkommission und Reichstag gewesen, dann vor ihrem Abschluß dem Parlament zur Kenntnis mitgeteilt Und von mir im Kampf mit meinen Gegnern in einer end­losen Debatte verteidigt worden. Hiermit war die An­gelegenheit für die Reichsverwaltung erledigt und mein Bleiben oder Gehen für die Maßregel gleichgültig. Tie Verteidigung gegen die sachlichen Airgriffe auf die Vor­träge im Parlament kann ich mit Beruhigung meinem Herrn Nachfolger überlassen, der jede Phase kennt und dabei mitgewirkt hat. Die Kolonie Südwestafrika hat auch in diesem Jahre wieder einen Reingewinn aus den Diamanten von sieben Millionen gehabt, während für die angeblich bevorzugten Gesellschaften die goldenen Berge durchaus ausgeblieben sind. Es besteht nach meiner Er­fahrung keine Aussicht, daß sich das deutsche Kapital den Kolonien wie bisher zuwendet, solange die feindliche auch neuerdings wieder verlangte Gesetzgebung gegen die grö­ßeren Kapitalassociationen drohend über den Kolonien Kingt.

'Ausland.

Paris, 13. Dez. Die Schüler der oberen Klasse der Volksschule in Auriol (Departement Rhone-Münd­ung) verließen vor einigen Tagen die Schule, zogen in geschlossenen Reihen unter Vorantragen einer roten Fahne vor das Bürgermeisteramt und erklärten, daß sie strei­ken würden, falls der gegenwärtige Schulleiter nicht ver­setzt werde. Diese Versetzung erfolgte gestern und die Knaben nahmen den Schulbesuch wieder auf.

Lissabon, 13. Dez. Das Urteil in der Berufungs­instanz, das die Amnestie vom Mai 1908 zu Gunsten Joes Fra n cos und seiner Kollegen im Ministerium zur Anweudung bringt, bezieht sich nur aus einen Teil der diese erhobenen Beschuldigungen. Das Gerichtsverfahren; das gegen den früheren Finanzminister Pregeiro, den früheren Generalsekretär des Schatzes, Perstrebot und den früheren Generalvostmcister angestrengt wurde, wird be­gründet mit den Vorschüssen, die an die Königin Maria Ma bezahlt worden sind.

Württemberg.

Ueber den Landtagsbeginn

liegen, entgegen anders lautenden Nachrichten, noch keiner­lei Beschlüsse vor. So ist der Ständische Ausschuß auch bisher noch zu keiner Sitzung zusammengctreten. Der Krund zu der in Aussicht zu nehmenden Verzögerung des Wiederznsammentritts liegt in der verspäteten Einbring­ung des Hauptfinanz etats. Nach Lage der Tinge ist es als ausgeschlossen zu betrachten, daß der Etat und die Besolduttgsvorlage den Abgeordneten bereits auf Neu­jahr oder gar auf Weihnachten zugesandt werden kann, erfordert doch schon der Truck des starken Etatbandes und seine zweimalige Korrektur erhebliche Zeit. Auch die Ansetzung der Landtagswahl Heilbron n-A m t auf den 11. Januar deutet darauf hin, daß die Stände frühestens wohl gegen Ende Januar zusammentreten wer­den. Schließlich ist es mit der Uebergabe des Etats an die Kammermitglieder nicht getan, die Abgeordneten müs­sen auch 814 Tage Zeit haben, die Staatshaushalt­aufstellung zu prüfen. Ter Etatlandtag wird natürlich vom König mit einer Ansprache eröffnet. Die Dauer der Session niag wieder eine ergiebige sein. Vielfach wird mit einem Schluß erst tief im August gerechnet.

Aus dem 14. Reichslagswahlkreis.

Tie rührige Fortschrittliche Volkspartei Ger stet - ten hielt am 11. Dezember 1910 in Söhnstetten und Gerste tten gut besuchte öffentliche Versannnlungen mit dem Thema:Landwirtschaft und Bund der Landwirte" ab. Während es in Söhnstetten zu keiner Aussprache kam, ersuchte derFührerder DeutschenPart ei in Ger- stetten unter Bezugnahme auf den Schwäbischen Merkur vom Samstag Abend nur Auskunft, wer denn der Kan­didat der Volkspartei im 14. Reichstagswahlkreis sei. Unter lebhaftem Beifall aller Anwesenden wurde erwidert, daß die Vertrauensmännerversammlung der Volkspartei dem seitherigen Abgeordneten Storz die Kandidatur wie­der angetragen habe, da die Wähler ihm ihr Vertrauen ungeschmälert erhalten haben und in ihm den gegebenen Kandidaten sehen; mit Rücksicht hierauf hoffe die Volks­partei bis zu dem im Brief Haußmann's an Kübel vor­gesehenen Zeitpunkt (Frühjahr 1911) die Zustimmung des Kandidaten zu feiner Wiederaufstellung bekannt geben zu können.

Hiezu »vird uns noch ans Ulm geschrieben: In dem erwähnten Artikel findet es derMerkur" eigentümlich, daß die Volkspartei im 14. Wahlkreis, dessen gegen- rvärtiger Vertreter ihr zugehört, Versammlungen abhält. Wir sehen keinen Grund dafür ein, warum dies dem Abkommen der Parteien irgendwie widersprechen soll- Wenn dem seitherigen Abgeordneten bis Frühjahr die endgültige Entscheidung über seine Kandidatur überlassen ist, so brauchen doch beide Parteien sich nicht bis dahin müßig zu verhalten, und den Wahlkreis der Agitation dem Gegner zu überlassen. Selbstverständlich muß aber eine Bekämpfung der liberalen Parteien untereinander unterbleiben, wie denn auch in den drei Versammlungen, welche die Volkspartei ans der Alb abgehalten hat, jede Kritik der nationalliberalen Partei vermieden wurde; der Redner dieser Partei in Gerstetten hat denn auch keiner­lei Beschwerde in dieser Hinsicht geäußert. Ne gleiche

Haltung darf wohl die Volkspartei von der Deutschen Partei erwarten, deren Parteisekretär ja vor den volks­parteilichen Versammlungen und tvährend der Verhand­lungen.über das Parteiabkommen in der Gegend einen Bortrag hielt. Ueber diese nationalliberale Versamm­lung hat sich die Bolkspartei nicht beschwert, obwohl die Deutsche Partei im 14. Wahlkreis nicht das Reichstags­mandat besitzt; man wird es der elfteren dann aber auch nicht verübeln dürfen, wenn sie in diesem Wahlkreis, der zu ihrem Besitzstand gehört, dem Beispiel der anderen Partei folgt und ebenfalls Versammlungen abhält, bei denen, wie wir wiederholen, jeder Angriff auf die Natio­nalliberalen unterblieben ist.

Geistliche als Vorstandsmitglieder und Auf- stchtsräte. Ter Wortlaut der neuen päpstlichen Verfüg­ung betreffend das Verbot an die Geistlichen, weltliche Geschäfte zu führen, liegt jetzt vor. In der Ein­leitung wird gesagt, daß nach der Lehre von St. Paulus keiner, der für Gott streitet, sich in weltliche Geschäfte ein- mischen solle, und daher sei es in der römischen Kirche immer ein heiliges Gesetz gewesen, daß die Geistlichen die Führung weltlicher Geschäfte nicht übernahmen, es sei denn unter besonderen und außergewöhnlichen Umständen und mit rechtmäßiger Erlaubnis. Weiter heißt es dann: Da aber in unseren Zeiten durch Gottes Segen in der christlichen Gesellschaft sehr viele Einrichtungen zum zeit­lichen Nutzen der Gläubigen geschaffen worden sind, beson­ders Depositen- und Wechselbankgeschäfte, landwirtschaft­liche Kassen, Sparvereine, so ist zu sagen, daß diese zwar vom Klerus nachdrücklich zu billigen und zu fördern sind, aber nicht so, daß sie ihn von den Pflichten seines Amts und seiner Würde ablenken, ihn in irdische Geschäfte ver­wickeln, und ihn mit Sorgen, Gedanken und .Gefahren quälen, die diesen Dingen immer anhasten."Papst Pius X., so führt die Verordnung weiter aus, ver­bietet durch dieses Dekret gänzlich, daß die ihm unter­stellten Welt- und Ordensgeistlichen mit höheren Weihen Aemter übernehmen oder beibehalten, die Sorgen, Ver­pflichtungen Und Gefahren der Verwaltung mit sich brin­gen, also das Amt eines Vorstandsmitglieds, Aufsichtsrats, Schriftführers oder Kassie­rers u. ähnliches. Ter Papst bestimmt und schreibt vor, daß alle Geistlichen, die solche Aemter bekleiden, in­nerhalb der nächsten 4 Monate, von der Herausgabe dieses Dekrets an gerechnet, ihre Demission einreichen nrns- sen, und daß in Zukunft kein Geistlicher mehr ir­gend ein derartiges Amt übernehmen und äusnben darf, wenn.er vom apostolischen Stuhl keine besondere Vollmacht dazu erlangt hat. Dieses gilt trotz allem Entgegenstehen­den." Diese Verfügung ist so wichtig und trifft die Ver­hältnisse auch in Württemberg so stark, daß man Un­möglich an ihr stillschweigend vorübergehen kann. Nach ihr wird in Zukunft kein Geistlicher mehr Vorsitzender oder Kassenführer eines,Raiseisenvereins sein können. Auch die geistlichen Aussichtsräte von Presseunternehmungen etc. legen ihre Aemter nieder.

Bürgcrausschußwahlen.

Göppingen, 14. Dez. Bei der Bürgeraus- schußwahl haben von 2751 wahlberechtigten Gemeinde- bürgern 2180 70 Proz. abgestimmt. Stimmzettel wur­den abgegeben von: der Deutschen (Narionalliberalen) Par­tei 547, der Fortschrittlichen Volkspartei 668, der Sozial­demokratischen Partei 798, dem Zentrum 148, Wilde 19. Der Wahlvorschlag der Fortschrittlichen Bolkspartei und der der Deutschen (Nationälliberalen) Partei waren ver­bunden. Gewählt sind von der Deutschen Partei: Hotelier Friedrich P sei sie, Rechtsanwalt Theodor Praßler und Kü­fermeister August Pflüger; von der Fortschrittlichen Volks­partei: Fabrikant Adolf Schüler, Kaufmann Robert Bai­ser, Bäckermeister Adolf Hennßler; von der Sozialdemo­kratischen Partei: Geschäftsführer Wilhelm Widmann, Schlosser Albert Huttelmayer, Former Johann Kuhn.

.Stuttgart, 13. Tez. Wie der Schtväbische Merkur hört, beabsichtigt der König im Laufe des Januars näch­sten Jahres sich ans mehrere Wochen nach Kap Martin zu begeben, wo er bekanntlich schon zweimal mit erfreu­lichem Erfolg für seine Gesundheit weilte.

Stuttgart, 13. Dez. Bei Gelegenheit des Betera­nenappells in Stuttgart klagte eine Anzahl Veteranen des 1. Jägerbataillons darüber, daß Veteranen anderer Trup­penteile immer wieder die Nachrede verbreiten, der Ba- taillonskommandenr des 1. Jägerbataillons, Oberstleut­nant Steiger, sei von einem Angehörigen des Batail­lons niedergeschossen worden. Tie die Nachrede nach 40 Jahren noch nicht verstummt ist, so tritt der ehemalige Ba­taillonsarzt des 1. Jägerbataillons, Generalarzt a. D. Dr. v. Burk, der Verleumdung imStaatsanzeiger"" un­ter genauer Schilderung der Bcnvundnng Steigers mit allem Nachdruck entgegen.

Nah und Fern.

Der PolizeihundHolm" in Weinsberg.

Am Montag nacht wurde in einem Tchulzimmer des neuen Schulhauses eingebrochen. Mit einem Licht brannte der Täter ein Loch in die Tischplatte des Lehrerpults. Ter sofort herbeigerusene PolizeihundHolm" (Sherlvck war anderweitig in Anspruch getrommen) verfolgte zweimal eine Spur bis nach Gellmersbach, ohne jedoch etwas Sicheres festznstellen. AlsHolm" in Weinsberg ankam, hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt, um dasWunder der Hunde" anzuslnunen.

Ein Mord.

In Berlin wurde die 68jährige Rentiere Hossinann anr Dienstag nachmittag in ihrer Wohnung irr der Blu­mentalstraße tot ausgefunden. Tie Leiche lag im Bett in einer Blutlache, beretis stark verwest. Decke und Deckbett waren sorgfältig darübergelegt. Nach den polizei­lichen Ermittlungen ist die Frau das Opfer eines Mör­ders geworden, der anscheinend zu rauben beabsichtigte, aber gestört worden war.

Am Dienstag Abend wurde in Cannstatt ein ver­heirateter 34 Jahre alter Schneider beim Ueberschreiten der Waiblingerstraße von einem Lastautomobil überfahren und sofort getötet. Nr Leichnam wurde in das Lei­chenhaus des Steigfriedhoses verbracht. Den Führer des Automobils scheint keine Schuld zu treffen.

In Reutlingen ging ein 5jähriges Mädchen, das sich mit seinem Vater in der Wirtschaft zurPost" auf­hielt, von dem Lokal auf die Straße und ist seither spurlos verschwunden. Man vermutet ein Sittlichkeitsverbrechen. In Reutlingen herrscht deshalb große Aufregung.

Der Raubmörder Hermann Franz, der in der Nacht zum 29. September zu Schönhagen bei Pritz- walk den Bauerngutsbesitzer Klein und seine Frau ermor - de t und die beiden Töchter gefesselt und um 11 Mark be­raubt hatte, wurde in Lübeck ergriffen.

Luftschiffahrr

Augsburg, 10. Dez. Der schwedische Ingenieur Willehad Forßmann hat ein lenkbares Luft­schiff konstruiert, das einen ganz neuen Typ darstellen und insbesondere durch sein geringes Gewicht manche Vor­teile vor anderen Systemen voraushaben soll. Der Bal lon wird gegenwärtig in der Fabrik von Riedinger fertig- gestellt und soll demnächst an den Besteller, das russische Kriegsministerium, abgeliescrt werden, das sich alle Rechte für die neue Erfindung gesichert hat. Das Luftschiff ist 37 Meter lang, hat einen Rauminhalt von 800 Kubikm. und ein Gesamtgewicht von rund 450 Kilogr. Die Geschwin­digkeit soll 12 Meter in der Sekunde betragen. Diese Be­weglichkeit wird vor allem durch die leichte Bauart des Luftschiffes bewirkt. Ein eigenes von dem Erfinder für den Ballon konstruiertes Automobil befördert das Luft­schiff, das nicht für Dauerfahrten bestimmt ist, mit der Bedienungsmannschaft an jeden Ort. Die erste Probe­fahrt des neuen Typs, die in etwa zwei Wochen erfolgen kann, tvird zeigen, ob sich die Hoffnungen, die der Kon­strukteur in seine Erfindung fetzt, erfüllen lassen.

Ein Elternzwist und seine Folgen.

In Wiesbaden hat sich der 16jährige Schüler Walrer Henkel nach der Ehescheidung seiner Eltern erschossen.

Viele Schüsse fielen im Jahr, die einer tiefen Seelen­not letztes Ende waren. Ein mitleidiges Ach, im besten Falle ein leises Erschrecken, eine kleine Bekümmernis sind das flüchtige Echo, das solche knallende Aktschlüsse in uns erwecken. Der Revolverschuß aber, der vor einem Kä­se r ne nt vr in Wiesbaden den 16jährigen Knaben Henkel niederstreckite, läßt uns ganz anders aufhorchen. Dos ist keiner jener D-utzcndfälle törichter Lebensslucht, die man Liebesdramen zu nennen pflegt, und auch keiner jener Schülerselbstmorde, bei denen falscher Ehrgeiz oder Furcht vor Strafe Kinder wegen einer schlechten Note sich selbst das Todesurteil sprechen lassen.

In wenigen Worten sei gesagt, was diese junge Seele bedrückt hat: Herr und Frau H. in Wiesbaden haben ei­nen Sohn Walter; in einem Scheidungsprozesse, den die­ses Ehepaar führte, wurde durch das Gericht der Svhu dem Vater zugesprochen. Der Knabe hing aber mit ganzer Seele an der Mutter. So zwischen Vater und Mutter ge­stellt, von einem Gesetz, das ihm nicht einmal die Wahl ließ, ging er hin, wo ihn weder Vater noch Mutter mehr erreichen können.

Wir wissen nicht, warum die Ehe des Herrn und der Frau Fenkel geschieden wurde. Das ist bloß für das Gericht von Wichtigkeit, für den traurigen Fall ist es ohne Bedeutung. Denn die Tragödie dieses Kindes l-at sicher­lich nicht mit dem Gerichtsurteil begonnen. Mit tausend anderen Kindern hat es die Seelenqualen geteilt, die ein tiefer Konflikt zwischen Vater und Mutter immer in gut- gearteten Kindern auslösen müssen. Dos Kind fleht plötz­lich die harmonische Uebereinstimmung der Eltern gestört; selbst wenn Vater und Mutter alles aufbieten, um das Kind über die Wirklichkeit zu täuschen, es fühlt über alle Ver­stellung hinweg, daß es nicht mehr so ist, wie es war. Um tvieviel mehr, wenn die Eltern sich nicht die Mühe geben, ihren Hader zu verbergen. Ratlos steht das Kind dann zwischen den grollenden Eltern. Es fühlt: das ist nicht mehr eines jener häuslichen Gewitter, die es ja in jeder Ehe gibt und denen dann nach einigen Blitzen und Dionnerschlägen der alte Sonnenschein folgt. Nein, Vater und Mutter stehen sich als Feinde gegenüber, als Fremde. Leidenschaften enthüllen sich dem Kinde, die es nicht kannte, die die Eltern häßlich und ungerecht machen. Und das Kind beginnt zu prüfen, wer Wohl recht haben mag, der Vater oder die Mutter. Ihm fehlt die Weisheit des Richters, aber es kennt die Herzen der Eltern und sei­nen: aufmerksamen Blick entgeht keine ihrer Sch-vächen. Je älter das Kind, desto sicherer führt es sein Gefühl.

Unheimlich ist so charakterisiert dieBerl. Abend­post" es prägnant dieses Richteramt, das km Kindern aufgebürdet wird, wenn es zu einer wirklichen klaren Ent­scheidung kommen soll. Ta nützt nicht mehr jene diplo­matische Babyantwort, die regelmäßig auf die Frage: Wen hast du lieber, Papa, oder Mama?" erteilt wird: Papa und Mama!"" Hier heißt es: Papy oder Mama! Und es ist vielleicht ein Gipfel der Erziehnngsknnst, wenn Eltern erreichen, daß ein Kind sich niemals vor diese Frage gestellt sieht! Tann aber, wenn das Herz des Kindes, sein Gefühl und sein Verstand gesprochen und geurteilt haben, nicht nach toten Paragraphen, sondern nach den lebendigen Linien seines Innern, dann kommt das Gericht, untersucht, verhandelt und fällt sein Urteil. Nicht einmal eine leise Ahnung der Richter streift diese furchtbaren, aufreibenden Prozesse in den Seelen der Kinder, die sich zwischen Vater und Mutter gestellt sehen; sie werden nicht gefragt, sondern dem oder jenem von den Eltern zugeschlagen, selbstverständlich immer in juristisch ganz einwandfreier Weise, je nach derAktenlage"", den Er­gebnissen des Beweisverfahrens und selbstverständlich auch zum Besten des Kindes, wie es nach den Paragraphen so und so viel eben vorgefchrieb'en ist.