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mit Erzähler vom Schwarzwald.
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Vision »r. 41.
Amtsblatt für die LLadt Mildbad.
Verkündigungsblatt
der itgl. Forstämter lvildbad, Meistern. Lnzklösterle rc. während der Saison mit
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Nr. 2«S.
Donncrstag.de» Iv. November ISIS.
27. Jahrg.
Deutsches Reich.
Pforzheim, 9. Nov. Tie hiesige Arbeiterbe- we gung fängt bereits an. Vor den Bijouteriefabrikantcn sieht man vielfach mittags und abends zahlreiche Streikposten stehen, die namentlich auf die in der Weil arbeitenden einzuwirken versuchen. Gestern wurden dem Direktor der großen Fabrik Kollmar und Jourdan, E. Kollmar, in seiner Villa die Fenster eingeworsen. Auf den abends 8 Uhr von hier nach Mühlacker fahrenden Arbeiterzng, der meist die Weilarbeiter führt, wurde unweit der Stadt ein scharfer Schuß abgegeben. Ein Arbeiter, Familienvater, wurde dadurch am Kopfe schwer verletzt, ein anderer wurde durch die herumfliegenden Glassplitter leichter verletzt. Ten Täter hat man noch nicht. In die Bijonteriesabrik von S. W. Heim wurde während der Weilarbeit ein großer Stein geworfen, der aber außer zerbrochenen Fensterscheiben niemand verletzte. Im ganzen mögen bis jetzt zirka 3000 Arbeiter gekündigt haben, oder gekündigt worden sein, doch greift die Bewegung immer mehr um sich.
Davmstadt, 8. Nov. Der Abgeordnete Michael Wolf-Stadecken, der der Fraktion des Bauernbundes angehört, hat seinen Austritt aus dem Bunde der Landwirte erklärt.
Berlin, 7. Nov. Dem Vorsitzenden in den am Mittwoch beginnenden Moabiter Krawallprozessen, Landgerichtsdirektor Lieber, find, hiesigen Blättern zu- solge, in den letzten Tagen angeblich zahlreiche Drohbriefe zngegangen. Tie Briefe sprechen sich übereinstimmend dahin ans, daß Herr Lieder mit der Uebernahme des Moabiter Krawallprozesses sein Leben aufs Spiel setzen würde. Man werde, wenn er nicht vorher zurücktrete, das Kriminalgebäude demolieren und vielleicht sogar in die Luft sprengen. Landgerichtsdirektor Lieber hat sämtliche Briefe sofort dem Polizeipräsidium übermittelt, und die Polizei hat daraufhin die Vorkehrungen getroffen, daß vom ersten Tage der Verhandlungen des Moabiter Prozesses ab das neue Kriminalgerichtsgebäude in seiner ganzen Ausdehnung durch Polizeikordons abgesperrt wird. «-
Berlin, 8. Nov. Bei der heutigen Ersatzwahl im vierten Berliner Landtagswahlkreis wurde Kreitlin g (Fortschrittliche Volkspartei) mit 269 Stimmen gegen
Grunwald (Sozialdemokrat) gewählt, der 193 Stimmen erhielt.
Berlin, 8. Nov. Ter wirtschaftliche Ausschuß ist heute unter dem Vorsitz des Staatsministers Tr. Delbrück znsammengetreten, uni über die deutscherseits an Japan für den Abschluß ei nes Handelsvertrages zu stellenden Forderungen zu beraten; gleichzeitig wurden die von Schweden übergebenen Forderungen zum deutschen Tarif zur Erörterung gestellt, lieber den Inhalt der Verhandlungen wird, wie dies nach der Natur der Sache selbstverständlich ist, Stillschweigen beobachtet.
München, 8. Nov. Ter bayerische Städtetag hat sich mit dem Antrag an die Staatsregie- rung gewandt, sie möge alle tunlichen Maßregeln treffen, die geeignet seien, die derzeit so hohen Fleischpreise zu erniedrigen und eine weitere Steigerung zu verhindern. In der ausführlich begründeten Eingabe werden als Mittel zur Behebung der Fleischnot in der Hauptsache Oesfnung der Grenzen für Vieh- und Fleischeinführ, möglichste Vereinfachung der veterinär-polizeilichen Vorschriften, Förderung der Züchtung und Mästung unter Verminderung der Abmelkwirtschast, Verbilligung der Futtermittel und deren Befreiung von Zöllen, und zum Schluffe die Verbilligung der Eisenbahnfrachten gefordert..
Breslau, 7. Nov. Tie Stimnrung gegen den schwarzblanen Block kam zum Durchbruch am Sonntag in einer in Trebnitz abgehaltenen konservativen Versammlung, in der Abg. von Heydebrand seinen Wählern den Rechenschaftsbericht erstattete. Der Redner wurde von heftigen Zwischenrufen vielfach stürmisch unterbrochen. Nach Schluß empfing vor dem Versammlungslokal eine große Menschenmenge Heydebrand mit Drohungen, sodaß ihn Gendarmerie mit gezogenem Säbel schützen mußte.
Aussig, 9. Nov. In einem hiesigen Hotel hat der Oberleutnant Jon eich vom 26. Feldartillerieregiment in Theresienstadt zuerst seine Geliebte, eine Apothekerstochter, und dann sich selbst durch Revolverschüsse getötet.
Posen, 9. Nov. Ein Politisches Attentat wurde hier aus offener Straße verübt. Der Führer der Fortschrittlichen Bolksp'ftrtei Eobry erhielt einen Schuß in den Unterleib. Ter Täter ist entkommen.
Ausland.
Stürmische Parlamentseröffnung in Belgien.
Nach einer Meldung ans Brüssel ging es bei der Parlamentserösfnung dort außerordentlich stürmisch zu. Zu Tausenden hatten sich die Sozialisten in den Straßen verteilt, als der König in feierlichem Zuge, begleitet von Reiterabteilungen, vor- beiritt, flogen ihm Hunderte von weißen Zetteln mit dev Aufschrift: „Kammerauflösung! Gleiches und einfaches. Wahlrecht!" entgegen. Bald war der König fast in eins Wolke von Papierschnitzeln getaucht, doch ritt er ruhig und unbekümmert weiter. Niemand wußte vorher, daß die Sozialisten diese Demonstration geplant hatten. Die Rufe: „Es lebe der König!" wechselten fortdauernd mit deck leidenschaftlichen Schreien nach gleichem und einfachem Wahlrecht und Auflösung der Kammer.
Gegen 1 Uhr erschienen die sozialistischen Abgeordneten in der Kammer. Sie trugen Gehrock mit roter Nelke im Knopfloch, während sonst alles in Frack oder; Uniform erschienen war. Eine kleine Demonstration leiteten sie schon ein, als der von schwerer Krankheit genesen« sozialistische Abg. Cavrot erschien, dem sie eine Ovation durch langandauerndes Händeklatschen brachten. Kurz darauf erschallte der Ruf des Pförtners: „D ieKönigin!" Die Königin, ein wenig schüchtern um sich blickend, trat mit den beiden kleinen Prinzen ein, bald daraus erschien die Gräfin von Flandern und der Hofstaat. Langanhaltendes : „Vivs la rsins!" ertönte. Da erschallte von der Zuschauertribüne flämisch: „k-svs äs LoninZin!" Dies ist unzulässig, da die Tribünen sich durchaus ruhig zu Verhalten haben. Der Sozialist Hubin sprang auf und rief die Worte hinauf: „Setzen Sie sich! Sie haben hier nichts zu sagen!" Die übrigen Parlamentsmitglieder glaubten, die Sozialisten wollten jetzt schon eine Demonstration beginnen und erstickten die Rufe von den sozialistischen Bänken mit einem Sturm von: „Es lebe die Königin!" Es entstand ein Tumult, der mehr komisch als erschütternd war. Tie Sozialisten, die sich nicht verstanden fühlten, wollten sich absolut erklären. Hubin schrie wie ein Besessener und bearbeitete ivütend mit der Faust sein Pult. Endlich gelang es, die Aufmerksamkeit auf den Unglücksmenschen in der Zuschauertribüne zu lenken. Die Sozialisten schrien im Chor: „Zur Tür hinaus! Zur Tür
Der Geist blitzt -— der Fleiß sitzt
die Dummheit schwitzt.
L. I. Weber.
MM:-MS -
Großindustrielle.
41 )
Roman von Ernst Georgy.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Während Mutter Und Schwester sich so eifrig mit ihr beschäftigten, hatte die Gräfin sich von ihrer Jose umkleiden lassen. In einem fußfreicn, eng anliegenden, dunkelblauen Kostüm, Mütze und Stola von Blaufuchs, einen gleichen Muff in der Hand, so verließ sie die Wohnung. Eine Droschke fuhr sie zuerst nach dem Tiergarten.
Es lag etwas wie Frühlingsahnnng in her weichen, humusdurchtränkten Luft, in dem feuchtsrischen Winde, der die heiße Stirn der Fahrenden kühlend fächelte. Mit geschloffenen Augen lehnte sie in den Polstern. In ihr stürmte es vor Schmerz und Qual. Alles, was diese hochmütige kalte Frau an innern Wällen mühsam in sich errichtet, hatte in den letzten Monaten angefangen zu schwanken. Sie, die ewig gleichbleibende, kannte sich selbst nicht mehr wieder. Seit sie das Tiner bei Ronsachs nnt- tzemacht hatte, waren ihre Stimmungen wechselnd geworden. Seitdem sie aber Hartwigs hohe Gestalt auf dem Presse- bcckl neben der schönen, von innerem Glück leuchtenden Braut gesehen, war es wie ein verheerender Sturm über sie dahingebraust. Eifersucht und Haß, Enttäuschung und Qual!
Heute, vorhin am Sterbebett des Gatten, danach im Wohnzimmer, als ihre Schwester von seinem Polterabend sprach, da war alles in ihr zusammengestürzt. Hochmut, Adelsstolz, alles, alles. Sie wußte nur noch eins klar, nämlich, daß sie ihn sinnlos liebte, daß sie nicht leben krollte ohne ihn! Und daß sie zu ihm mußte, um die Ehe zu verhindern, die er ja nur aus Trotz schloß. Tenn er lieble sie, nur sie, das fühlte sie mit untrüglicher Sicherheit!
Gerda stöhnte so laut, daß der Kutscher sich mißtrauisch auf dem Bock umwendete und sie musterte.
„Wohin sollte ich doch fahren, meine Dame?" fragte er laut.
Erschreckt zuckte sie zusammen. „Wo befinden wir luns hier?"
„An der Friedrich-Wilhelm-Straße."
„Gut, halten Sie hier." Gräfin Boardet erhob sich
und stieg ans, als die Droschke hielt. Sie reichte dem Manne ein Geldstück, r,,ie es anzusehen. Er nahm cs mit einem staunenden Tücke.
„Ich kann aber nicht wechseln!"
„So behalten Sie es ganz", sie wendete sich hastig, ohne ans seinen begeisterten Dank zu achten, und xilte an der Parkseite die Straße entlang, die schon in tiefem Dämmer lag.
Equipagen und Antonwbile jagten vorbei. Sonst war kaum ein Mensch zu sehen. Höchstens ein Diener, ein Zöschen oder ein Laufjunge von irgendeinem Geschäft waren .dann und wackn M erblicken. Die meisten der Villen lagen dunkel in ihren, noch den Winter verratenden Vorgärten. Die Bewohner waren wohl an der Riviera, in Aegypten oder sonst, wo die Sonne lachte. In Hartwig Werners früherem Besitztum, in der „Kreisleriana", waren alle Fenster erleuchtet. Die neuen Eigentümer feierten wohl ein Fest.
Mit klopfendem Herzen schritt Gerda weiter, die Augen ins Weite gerichtet. Sie suchte die jetzige Villa Werner, von der ihre Freundin Ronsach nicht genug erzählen konnte. Ihre Fertigstellung war neulich mit einem opulenten Feste gefeiert worden. Der Herzog, Hartwigs FbeNnd und Protektor, war unter den Gästen gewesen. Und sie — die andere — Agathe Gresson, hatte bereits die Honneurs des Hauses gemacht, als sei sie schon dazu berechtigt. Sie war von dem Reichstheater zuvorkommend freigegeben und hatte sich ihre Anssteuer besorgt. Myra war entzückt von den Toiletten, dem Wäschetrousseau, von den Räumen, die ihr Bräutigam der 'Schauspielerin hatte einrichten lassen. Der chevalereske, kameradschaftlich innige Ton der Verlobten hatte sie völlig berückt. Und sie hatte ihr -— Gerda — keine Einzelheit des Festes, keine noch so kleine Beobachtung erspart. „Ach", dieser eine halb- unterdrückte Laut entrang sich der Einsamen, als sie jetzt eine Billa anftanchen sah, die nach der Beschreibung Hartwig gehören mußte. Der Unterstock war erleuchtet. — Vor dem geöffneten Portal hielt der große Wagen eines berühmten Speditionsgeschäftes. Männer mit Koffern schleppten ihre Lasten und verluden sie. Ein ncttgekleideter Mann stand neben dem Gefährt und notierte die Kcklis. Ein livrierter Diener lehnte gemächlich gegen das schmiedeeiserne Gitter.
„'ne Hochzeitsreise von sechs Monaten? Ich. danke, das wäre nichts für Unser einen. Ms ist doch kein Vertrugen!"
„Unser Herr reist auch nicht zum Vergnügen, sondern geschäftlich für die Firma."
„Und da nimmt er seine junge Frau mit?"
„Sie wollte es ja durchaus!"
„Meinetwegen! Ich Hab nichts dagegen! — Wo geht; denn die Reise hin?"
„dürch dem Ural, dem Kaukasus und in das Donetz- Bassin."
„Wohin?"
„Na, nach Rußland. Unsere Firma hat dort Bergwerke gekauft, glaube ich, wegen Eisen. Mein Herr Werner: war ja schon zweimal dort."
„Viel Vergnügen, ich möchte nicht mitmachen!"
„Sie, das glaube ich! Wer pnsere zukünftige Dame ist ja so verliebt."
Gerda hörte das Gespräch deutlich in der umgebenden Stille über den Danrm schallen. Sie drückte sich in den Schatten der Bäume und lauschte atemlos. Tabei fühlte sie brennende Scham, daß sie, die Gräfin Boardet, versteckt ans Tienstbotengewäsch lauschte. Wie tief war sie gesunken durch ihre neue Leidenschaft.
„Ter Polterabend ist in Eisenhütt."
„Und die Hochzeit?"
„Hochzeit feiern wir nicht. Uebermorgen früh ist die standesamtliche Trauung um nenn Uhr. Eine Stunde danach ist im Hanse bei Frau Gresson die kirchliche Feier Und dann ein Familienfrühstück im engsten Kreise, denn unser junges Paar reist, schon mit dem Mittagszuge nach Moskau."
„Direkt durch?"
„Das weiß ich nicht!" Die Männer lachten und halfen -den Trägern, welche neue Gepäckstücke anschleppten.
Gerda fror plötzlich. Sie fühlte tief Glut in ihrem Antlitz brennen, denn drüben, hinter den Spitzenftorcs, erblickte sie plötzlich zwei dunkle Gestalten. Die Gardinen lourden beiseite gezogen. Nun erkannte sie zwei Herren, von denen der eine Hartwig sein mußte. Beide blickten hinaus.
Wie gejagt glitt sie nun im Schatten der Bäume entlang, bis zu einer Querstraße, wo ein Halteplatz. ,für Automobile war. Sie setzte sich in das erste und rief dem Führer zu. — Dann hob sie den Muff und barg ihr Antlitz in das Fell. Tränen befeuchteten es. „Zn spät! Zn spät!" stöhnte sie leise wimmernd.
(Fortsetzung folgt.)
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