Preistarife für gewerbl. Lieferungen.
Jedermann weiß, daß beim Warenverkauf „nach Augenmaß" statt nach Gewicht, Zahl oder üblichem Maß Leicht der Verkäufer oder der Käufer den kürzeren zieht. Ebenso verhält es sich mit der in verschiedenen Gewerben noch vielfach bei Bestimmung des Preises für.gelieferte Arbeiten gebräuchlichen „Schätzung" der Herstellungskosten. Auch hier täuscht sich häufig der Liefernde zum eigenen oder zum Schaden des Empfängers der Arbeit; oder Ware.
Eine für die Gewerbe sehr nachteilige Folge falscher Berechnungsmethoden hat sich auch insofern gezeigt, als dabei sowohl die Liefernden wie die Empfangenden keine klare Vorstellung von dem richtigen Preise für eine Sache gewinnen konnten, so daß aus der einen Seite die >Preis- schleuderei, auf der anderen die Preisdrückerei gefördert; wurde. Viele Gewerbetreibende bemerkten erst an dem trotz permehrter Beschäftigung festzustellenden Rückgänge des Ertrags ihres Geschäfts, daß sie lange Zeit hindurch falsch gerechnet hatten.
Die einzelnen Gewerbe gehen aus den erwähnten Gründen jn der neueren Zeit mehr und mehr dazu über, statt der bisherigen mehr oder weniger willkürlichen Preisbemessung bestimmte Berechnungsnormen einzuführen. Im deutschen Buchdruckgewerbe ist dies vor nun drei Jahren durch den vom Deutschen Buchdrucker-Verein herausgegebenen Deutschen Buchdruck-Preistarif geschehen. Für die Buchdrucker, weßche bekanntlich die Arbeitslöhne und Arbeitszeit schon seit einer langen Reihe von Jahren mit allgemein anerkannten guten Erfolgen tariflich geregelt haben, lag es besonders nahe, in gleicher Weise nun puch die Preisbemessung für die Erzeugnisse ihres Gewerbes zu ordnen.
Die Anregung, an die Stelle der früher in den meisten Buchdruckereien üblichen bloßen Schätzungen zuverlässige, auf technischen und kaufmännischen Erfahrungen beruhende Regeln für das Berechnen der Druckarbeiten treten zu lassen, fand großen Beifall im Buchdruckgewerbe.
Eine ganze Reihe pon Umständen kommen für die Drucksachenkalkulation in Betrachts Die Drucksachen sind je nach ihrem Zwecke sehr mannigfaltig. Die eine Arbeit erfordert bezüglich Satz und Druck eine Ausstattung, die von der einer anderen wesentlich abweicht. Auch durch den Unterschied der Auflage einer Drucksache und die hieraus sich ergebende Benutzung der einen oder anderen Druckmaschinenklafse wird die Höhe der Herstellungskosten stark beeinflußt. Weiter ist die bessere oder geringere Güte des verwendeten Papiers und noch manches andere Moment bei der Preisbemessung von Druckarbeiten zu berücksichtigen. 'Hiernach wird auch der Laie sich vorstellen können, wie leicht beim Kalkulieren von Druckarbei- ten ein Irrtum unterlaufen kann. Nur dann, wenn der Aufwand, den die gesamte Herstellung einer Drucksache, einschließlich der allgemeinen Geschäftsunkosten verursacht, genau festgestellt und der für kein Geschäft zu entbehrende Nutzen im rechten Verhältnis angerechnet wird, first» zum Vorteil für Lieferant und Besteller einer jeden Arbeit Kalkulationsfehler ausgeschlossen.
Damit der hierzu dienende Truckpreistarif allgemein nutzbar gemacht wird, hat der Deutsche Buchdruckervereitt iin allen Teilen des Reiches Berechnungsstellen »errichtet. Diese stehen nicht nur allen Buchdruckereien, sondern auch den Auftraggebern zu Diensten, die sich von der Angemessenheit eines verlangten Preises überzeugn wollen, wie es schon vielseitig, u. a. von Gemeinde- Und staatlichen Behörden geschieht. Besteller von Druckarbeiten, die von dieser nützlichen Einrichtung Gebrauch machen wollen, können bei den ihnen liefernden Buchdruckereien die Adresse der für den betreffenden Bezirk tätigen Berechnungsstelle erfahren.
Ls ließe sich alles trefflich schlichten.
Könnte man die Lachen zweimal verrichten.
Goethe.
Großindustrielle.
Roman von Ernst Georgy.
8j (Nachdruck verboten)
(Fortsetzung.)
Jn einer lichtgrauen Tuchtoilette, einen Zobelmantel an, einen Pariser Hut mit Zobel, Federn, Spitzen und Blumen garniert auf dein Haupte, bestieg Gräfin Boardet nach dem Luncheon im Speisesaal die Equipage. Ihre Zofe begleitete sie bei dieser Ausfahrt, die Besorgungen gewidmet war. Sie fuhren von Geschäft zu Geschäft.
Jn einer Buchhandlung wollte Gerda sich mit neuer Lekrüre versorgen. Aus einer Stellage über dem Ladentisch standen mehrere Exemplare des neuesten Bühnenwerkes. Darüber waren photographische Ausnahmen der Schauspieler, welche die Novität kreiert hatten, angebracht. Jn der Mitte prangte groß das Bild des Autors. - - Unwillkürlich weilten ihre Augen daraus.
„Wollen Gnädigste vielleicht das Schauspiel kaufen? Es war der letzte große Theaterersolg und ist von Werner, einem Sohne der Eisenhütter Werners."
„Nein," erwiderte sie hart, „ich habe es bei der Erstausführung gesehen und fand es schlecht: unreif sind unsympathisch."
„Was Sie sagen," staunte der Verkäufer, „wir hören es hier eigentlich nur loben, und die Kritiken waren gut."
„Geschmacksache!" sagte sie kurz.
„Selbstredend", beeilte sich der Kommis zu versichern. „Wir waren ja auch etwas mißtrauisch. Tie besten Sachen bleiben unausgehört, aber so ein Großindustrieller mit seinen Konnexionen findet sofort eine Bühne."
„Ich denke, der Verfasser reichte unter Tecknamen ein?" sagte sie unwillkürlich
Ter Jüngling hinter dem Ladentisch lachte. „Das hatte er gar nicht nötig. Soviel ich hörte, ist Werner Mit ^Agathe Gresson befreundet. Die wird schon alles gemacht haben."
Außer der größeren Sicherheit vor Anrechnung eines zu hohen Preises wird Verbrauchern von Druckarbeiten; durch die allgemeine Amvendung des Druckpreistarifs aber auch noch ein anderer, durchaus nicht gering zu schätzender Vorteil gewährt. Dieser steht im innigsten Zusammenhänge damit, daß von der tariflichen Regelung der Druckpreise eine Gesundung des Wettbewerbs im Buchdruckgewerbe erwartet werden darf. Durch das Kalkulieren nach Tarif wird erreicht werden, daß die als Wettbewerbsmittel jetzt leider noch viel gebräuchliche Preisschleuderei zugunsten der soliden Geschäftsregel: „Für reellen Preisgute Arbeit!" mehr und mehr Ku- rücktritt.
Da eine Verbilligung gewerblicher Arbeiten, die nicht auf Ausnutzung technischer Fortschritte beruht, zu Qualitätsverschlechterungen führen muß, dagegen durch Forderung und Zubilligung normaler Preise für ein jedes Gewerbe d i e Voraussetzungen erfüllt werden, unterwel chenalleineswirtfchaftlichgedeihenundsich in feinen Leistungen fort entwickeln kann, wird durch Einführung richtiger Berechnungsgrundsätze für ein Gewerbe stets auch dessen Auftraggebern gedient, Namentlich solchen, die im eigenen Geschäft nicht billig und schlecht, sondern preiswert liefern wollen.
Wie der Lohntarif als Mittel zur Erhaltung des sozialen Friedens, so wird sich der Preistarif als Mittel zur Gesundung und Hebung des Buchdruckgewerbes bewähren, und voraussichtlich werdeu noch verschiedene andere Gewerbe, soweit sie die Wichtigkeit richtigen Kal- kuliereus .nicht schon erkannt haben und bereits entsprechend verfahren, in den gleichen Bahnen ihr Heil suchen und finden!
Deutsches Reich.
Aus der badischen Sozialdemokratie.
In zwei getrennten Versammlungen des sozialdemokratischen Vereins in Karlsruhe referierten die Land- tagsabgg. Kolb und Willi über dm Magdeburger Parteitag. Beide Versammlungen billigten die Haltung ihrer Delegierten in Magdeburg. In der ersten Versammlung erhob sich gar kein, in der anderen nur geringer Widerspruch gegen die inhaltlich gleichlautenden Referate. Kolb >vies die Vorwürfe Bebels gegen die Süddeutschen überzeugend zurück und bezeichnete sie als die Partei schädigend. Kolb erklärte, daß man noch Nicht wisse, wie sich die Verhältnisse in zwei Jahren (bei der nächsten Büdgetabstimmung in Baden) gestalten würden, daß aber dann die verantwortlichen Genossen so, wie es im Interesse der Arbeiterbewegung gelegen sei, handeln müßten. Tie Radikalen müßten sich damit absinden, daß der Revisionismus eine geistige Bewegung sei, die man nicht durch Beschlüsse totmachen könne. Zur Vermeidung von Vorkommnissen wie in Magdeburg schlägt Kolb die Einsetzung eines Reichsausschnsses in der sozialdemokratischen Partei vor, der aus Genossen aller Landestellc bestehe, die Politik und Taktik der sozialdemokratischen Partei kontrollieren und zwischen Nord und Süd äusgleichend wirken müsse; hätte dieser >Aüsschutz schon bestanden, wären die Magdeburger Zwischen fälle nicht vorgekommen. Die badische Sozialdemokratie hält demnach an der Gr o ß- blockpolitik fest.
Zum Jubiläum
der Unfall- und Invalidenversicherung.
Berlin, 30. Sept. Ans Anlaß des Jubiläums der Unfall- und IInvalidenversicherung fand heute abend in der Wandelhalle des Reichstags eine Begrüßung statt, zu der Vertreter der gewerblichen und landwirtschaftlichen; Berüfstzenosfenschaften Und der Landesversicherungsanstalt erschienen waren. Zn den Gästen zählten auch die Staats-
„Gresson, der Schauspielerin?" fragte die Gräfin, und ihr Blick ging über die Photographien hin.
„Ja, meine Gnädigste, das ist die Gresson. Sie spielte die Hauptrolle und ist eine der Stützen des Theaters, so daß -ihre Stimme gehört wird."
„Zeigen Sie mir englische und französische Neuerscheinungen!" herrschte Gerda ihn so unerwartet an, daß 'er bestürzt ansschaute' und eilig ihren Wünschen nach- kam. Sie kaufte verschiedene Romane. Tie Zofe nahm das Paket, und beide verließen das Geschäft.
. Nach einer Anprobe beim Schneider kehrte Gerda erst um sechs Uhr ins Hotel zurück. Sie fand ihren Gatten tödlich abgespannt auf dem Sofa liegen. Er sah greisenhaft verfallen ans.
„Nun, was sagen die.Merzte, lieber Alfons?"
„Sie geben viel Hoffnung; aber unter einer Bedingung. -- — Wir müssen in Berlin wohnen, damit
die Behandlung ununterbrochen bleibt. Das heißt, eventuell könnte ich auch einige Monate in der Klinik Unterkommen." Angstvoll hing der Blick des Kranken an seinem Weibe.
„Ich werde mich morgen sofort, nach einer Wohnung umsehen. Selbstredend bleiben wir hier", cntgegnete Gerda sogleich.
Gras Boardet küßte ihre Hand. „Ich bin dir sehr dankbar."
„Wofür?" fragte sie kühl. „Ich habe Süddeutschland nie als meine Heimat betrachtet. Berlin ist mir sympathischer, weil ich hier mehr Verwandte und Freunde von meiner Seite habe. Jn diesem Falle entscheidet ohnehin nur eins: deine Gesundheit. — Myra Ronsach wird Rat wissen und mir zur Seite sein, damit du schnell häusliche Ruhe und Ordnung hast. Das Hotelleben ist nichts für einen Leidenden."
Boardet runzelte die Brauen. Er haßte nichts mehr, als gerade Von dieser schönen Frau leidend genannt zu werden. „Ich bin kein Kranker," sagte er gereizt, „ich soll auch nicht wie ein solcher leben, sondern mich möglichst zerstreuen: Theater — Gesellschaften besuchen."
„So wirst du morgen imstande sein, mich zjn Ron- sachs Diner zu begleiten?" fragte Gerda gespannt.
sekretäre Delbrück und Lisco, Ministerialdirektor Caspar sowie der Präsident des Reichsversichernngsanrts Kauft mami, ferner Handelsminister Sydow, der badische Minister des Innern Frhr. v. Bodman, der bayerische Gesandte Graf Lerchenfeld, Bürgermeister Reicke üsw. Namen des Festausschusses hieß der Vorsitzende des Verbandes der Berufsgenossenschaften, Dr. Spicker, die Gäste willkommen. Er gedachte der Väter der Unfall- und Jn- validenv ersichernngsgesetze, in erster Linie des Kaiser Wilhelm des Großen, ferner Bismarcks und Dr. Bödikers.
Berlin, 30. Sept. Heute fand im Reichsversicher- üngsamt ein Festakt zu Ehren des am 4. Februar 1907 Verstorbenen ersten Präsidenten Dr. Bödiker statt. Ter jetzige Präsident des Reichsversichernngsamts, Dr. Kaufmann, gab in seiner Festrede eine Schilderung der Persönlichkeit Bödikers und seiner besonderen Verdienste Um die Durchführung der Arbeiterversicherung. Die Versammlung begab sich hierauf in die Eingangshalle des Dienstgebäudes, wo die Enthüllung des Denkmals Bödikers erfolgte. Staatssekretär des Innern Delbrück nahm in einer kurzen Ansprache das Denkmal in den Schutz des Reiches.
M
Stadt und Land.
Der Chefredakteur der „Deutschen Tageszeitung" leistete sich, nach Zeitungsnachrichten, auf einem vom Bund der Landwirte veranstalteten „Heimatssest" folgendes Bonmot:
„Die Stadt verwandelt blühendes Leben in stinkende Fäulnis, aber das Land verwandelt stinkende Fäulnis in blühendes Leben".
Wenn diese Nachrichten richtig sind, so bleibt pur die Frage zu beantworten, von welcher Seite nun eigentlich die Verhetzung zwischen Stadt Und Land betrieben wird?!
Berlin, 30. Sept. Ans zahlreiche Anfragen teilt der Hansabund mit, daß er den bisher erlassenen Wahlaufrufen zwecks Bildung eines industriellen Wählst» nds völlige fern steht. Ein Aufruf des Hansa-Bundes an die Angehörigen des deutschen Gewerbestandes, Zur Sammlung eines Wahlfonds, steht unmittelbar bevor.
Berlin, 30. Sept. Der Berliner städtischeVieh- hof ist, wie die „Fleischerzeitung" berichtet, soeben wegen Ansbruchs der Maul- und Klauenseuche gesperrt worden. Tie Seuche wurde bei 15 Kühen ans dem Bezirk Frankfurt a. d. O. festgestellt.
Berlin, 30. Sept. Für die Elektrifizierung von Fernbahnen wird im nächsten preußischen Eisenbahnanleihegesetz eine Summe von fast 40 Will. Mark an- gesordert werden, wovon 17 Mill. für die neu in Angriff zu nehmende schlesische Strecke Lauban-Dittersbach' und 22 Mill. für die Strecke Dessau-Bitterfeld bestimmt sind, für die im vyrigen Jahre eine erste Rate von 2 Mill. zur Verfügung gestellt war.
Ausland.
Innsbruck, 30. Sepr. Ta der Theaterdirektoy Thurner in einem öffentlichen Ertrage die Theaterreferenten beleidigte, veröffentlichen alle Innsbrucker Tagesblätter eine gemeinsame Erklärung, daß sie bis .auf weiteres keine Mitteilungen über das Stadttheater aufnehmen werden.
Prag, 30. Sept. Der böhmische Landtag hielt heute nach zweijähriger Panse die erste Sitzung ab, die Unter sehr günstigen Auspizien verlief. Die beiden Regierungsvorlagen passierten glatt die erste Lesung ohne die gefürchtete Debatte. Es herrschte im Hanse eine friedliche arbeitsfreudige Stimmung.
„Selbstredend, meine Teure, erwiderte er mürrisch, „es wäre doch auch undenkbar, daß du gerade das erste Mal in Berlin ohne mich ansgingest. Ich muh dich schon Um deinetwillen begleiten?"
4. Kapitel.
„Donnerwetter, bei Ihnen ist ja heute große Ausfahrt", sagte ein Portier zu seinem Kollegen in einer der stillen, schönen Straßen am Königsplatz. Er musterte dabei den vom Haustor bis zum Damm aufgespannten schützenden Baldachin, die aufgelegten Lausteppiche und die beiden livrierten Diener. Einer stand an der Stelle, wo die Wagen hielten, der zweite am Portal, das er den Durchgehenden mit tiefer Verneigung öffnete.
„Baron Ronsachs im ersten Stock geben heute ein nobles Diner. Und wo doch, was er is, zu die hohen Beamtens gehört, kommen Ministers und Grasens", antwortete der alte Hauswart prahlerisch. „Tie Köchin hat es erzählt, der vons Geistliche und der vons Auswärtige und ein Adjutant von Majestät sind schon oben. Frisicke hat ihnen gleich erkannt. Und kochen brauch' die heute nich' 'n Tips. Fünf Mann von den jroßen Huster wirtschaften schon seit neun in die Küche 'rum."
„Wieder 'ne Equipage. Hm, Offiziere."
„Jetzt kommt 'ne Benzinjondel anjeräuchert", bemerkte der Alte stolz und betrachtete die anfahrenden Gäste so liebevoll, als kämen sie zu ihm selbst.
Ein hochgewachsener, stämmiger Herr im Pelz mit lanchvallendem weißen Barst eine alte Dame Und zwei jüngere Herren waren ausgestiegen und im Hause verschwunden. Ter Lohndiener ries die beiden Portiers Mit einem Kopfnicken zu sich heran. „Wissen Sie, wer das war ?"
„Nee, aber se sahen nach was ans."
„Kunststück," bekräftigte Frisicke, „se sind auch iväsk Da möchte ich mal ankommen. Das lohnt mehr als beim Adel. Geheimrat Paul Werner aus Eisenhütt mit seine Familie waren es. Die 'kommen immer direkt Mit ''n Automobil von ihr Schloß in die Stadt." Er schwieg, denn neue Wagen fuhren vor.
(Fortsetzung folgt.)