Geislingen a. St., 1. Sept. Zu den gemeldeten (9) Kandidaten für das Stadtschultheißenamt ist noch ein weiterer, Finanzamtmann Gras-Stuttgart, gekommen, wo­gegen Landrichter Simon-Ellwangen seine Kandidatur be­kanntlich wieder zurückgezogen hat. Ter Gemeinderat be­schloß, keine besondere Auswahl unter den Bewerbern zu treffen, sondern es der Bürgerschaft zu überlassen, mlche von den neun Bewerbern in die engere Wahl kommen sollen. Tie Vorstellung der Kandidaten findet am 10. September in der Turnhalle statt, es sollen je­dem Bewerber 20 Minuten Redezeit gelassen werden.

Oberschwandorf OA. Nagold, 1. Sept. Mit dem heutigen Tag tritt Schultheiß Schuhmacher von seinem Amt zurück. Wegen andauernder schwerer Krankheit ist es ihm nicht länger mehr möglich, seinen Dienst zu ver­sehen, den er seit 20 Jahren mit treuer Hingabe in un­parteiischer Weise zum Wohl der ganzen Gemeinde aus­geübt hat. Die Neiiwahl ist aus 24 Sept. festgesetzt.

Tuttlingen, 1. Sept. Tie Differenzen bei der Firma A. Schweickhart, chir. Jnstrnmentenfabrik, wur­den gestern beigelegt. Es wurde ein Tarifvertrag vor­erst aus ein Jahr abgeschlossen, wonach die Arbeiter eine Lohnaufbesserung erhalten.

Nah und Fern.

Die Erkrankungen beim IS. bayerischen Infanterie-Regiment.

Bei einer Uebung des 15. Infanterie-Regi­ments bei München haben sich vergangenen Montag, ivie bereits mitgeteilt wurde, infolge übermäßiger Strapazen unter den Mannschaften zahlreiche Er­krankungen ereignet. Ein Einjähriger ist in der Nacht darauf den Anstrengungen erlegen. Das Kriegsministerium suchte nun in einer Erklärung die ersten Zeitungsnachrichten abzuschwächen. Die Lokal­presse gibt sich jedoch mit dieser offiziellen Darstellung des Sachverhalts nicht zufrieden. Sie gibt vielmehr we­sentlich anders lautenden Berichten von Augenzeugen Raum und erhebt, und zwar ohne Unterschied der Par­tei, solch schwere Anklagen gegen die verantwort­lichen Stellen, daß eine weitere Verfolgung der Affäre wohl kaum ansbleiben kann. DerBayerische Kurier" bringt heute von unterrichteter Seite eine Darstellung der bedauerlichen Vorkommnisse, aus der wir folgendes minehmen:

Das Regiment, das in Neuburg an der Donau gar- nijoniert, befindet sich zur Zeit in München, nur dort auf.der Frettmaninger Heide das Regimentsexerzieren vorzunehmen. Dieses Exerzieren dehnte sich bis über die Mittagsstunde aus. Nach Schluß wurde ohne vorhe­rige Rast der Rückmarsch (zwei Stunden Muer) an­zetteten und dabei auf die groß' Erschöpfung der Mann­schaften keine Rücksicht getrommen. Dies hatte AUr Folge, daß nach und nach ein' große Anzahl Mann­schaften schlapp wurden, am reten mußten und sich zur Erholung in den Straßengraben lagerten. DasKom- mando hatte übersehen, für Trinkgelegenheit zu sorgen. Unter den Leuten befanden sich sehr viele Reservisten, meist verheiratete Männer. Zwei derselben, Nelson und von Tuschl, beide verheiratet, befanden sich in ganz erschöpf­tem Zustande. Am schlimmsten erging es dem Einjahrig- Freiwilligen Eggele, der ausharrte bis ans Eirde, d. h. Marsch bis an die Kaserne mitmachte. Hier brach er öpst zusammen. Er wurde zunächst ins Revier und als sein Zustand sich verschlimmerte, ins Lazarett ge­bracht, wo er Um Mitternacht verstarb. Es ist an- j «ordnet worden, daß die Leiche des Einjährigen Eggele «ziert wird, um die Todesursache festzustellen. Die Zahl «r erkrankten Mannschaften soll etwa hundert betragen. DieMünchener Post" weiß zu der Affäre P berichten, daß der Hauptmann der 11. Kompagnie auf Rückmarsch gedroht hatte, wenn sich noch einer zum Ästreten melde, werde er jedem drei Tage Arrest geben. Ter Hauptmann der 6. Kompagnie habe jeden, der sich Dm Austreten meldete, von den Unteroffizieren auf- Hreiben lassen.

Ein seltenes und imposantes Natnrphänomen

« auf dem Modensee beobachtet. Ungefähr 4500 Neter vom deutschen Bodenseeufer entfernt senkte sich Mn 7 Uhr in der Höhe von Langenargen aus den: niedrig hängenden regenschweren Gewölk eine riesige Wasserhose auf den Seespiegel nieder in Gestalt eines «ächtigen Wasserschlauches. Diese Naturerscheinung, wie fle irr einem solchen Umfange seit Jahrzehnten auf un- saem Bodensee nicht mehr gesehen wurde, bewegte sich (ich rasch von Osten nach Westen Und veränderte unter aler Wasserstaubentwicklung infolge des Westwindes ^ 2 ,. schlangenförnrige Gestalt mehrfach. Später zog das er die ^ivölf höher, Und die Wasserhose sank dann in sich zu- eiM Gleichzeitig versuchten sich noch zwei andere

Wer- «rsserhofen von geringerem Umfange zu bilden; diese mehr Men sich aber nicht mehr weiter entwickeln, lbergs

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iE ÄW Karl Schreyer, geboren am 1. 6. 1885 in Wien, Ab sich Mitte v. Mts. mit seiner Mutter zur Som-

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eboü Frische nach Feldkirch in Oesterreich. Von dort aus ^nnahin er am 23. v. Mts. eine Tagestour, kehrte von dieser nicht mehr zurück. Er ist 1,70 Meter

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^ schenk, trägt grünlichen Lodenanzug mit langen ^ weiche,, Hut mit Gamsbart und Bozener Mantel. Donnerstag mittag ist die Heintel'sche Säge- bvü«'^ ^ Hansen a. d. Würm bei Leonberg voll- » M ^8 n iedergebrannt. Auch sämtliche Holzvorräte "o ^ 'Lügerei fielen dem Feuer zum Opfer, Die Ent- Mngsursache ist noch unbekannt,, doch vermutet man, Gen' > *^"d durch Warmlaufen des Sägewerks ent-

MLir^Ju Göppingen gerieten in der Wirtschaft zur ich ^ ^ Wien" der 20jährige Taglöhner Mühlhäuser von HU knd der 24 Jahre alte Fabrikarbeiter Holzwart Von MiAingen in Streit, in dessen Verlauf Holzwart den er mit einem Stilett so in den Rücken und die

Lunge stach, daß Mühlhäuser sofort zusammenbrach und bewußtlos ins Krankenhaus geschafft werden mußte. Es dürste kaum mit dem Leben davvnkommen.

Luftschiffahrt

Aeroplan-Masfenflüge.

Paris, 1. Sept. Bei den gestrigen Flügen in Havre wurde das Meer von Havre nach Trouville und Deauville und zurück etwa zwanzigmal überflogen. Wie­derholt schwebten gleichzeitig zehn Aeroplane über dem Meere. Moräne legte die Strecke Havre-Trou- ville in 9 Min. 52 Sek., also in einer Schnelligkeit von 102 Kilometer in der Stunde zurück. Der Flieger Äubrun erklärte einem Berichterstatter:Djie Schnelligkeit unse­rer Aeroplane macht unsere Apparate durchaus unver­wundbar. Wir könnten unseren Geschwadern die größten Dienste erweisen. Ich nahm auf meinen heutigen Flügen deutlich den Meeresgrund wahr und unterschied Sandbänke und Klippen genau. Ein Leichtes ist es für uns, über ein feindliches Schiff hr'nwegzufliegen und dabei auf dasselbe eine Sprengbombe zu schleudern." (Wenn Herr Aubrun mit unverwundbarer 100-Kilometer-Ge- schwindigkeit fliegt, dann besteht für seine Sprengbombe we­nig Aussicht, gerade das feindliche Schiss zu treffen, und wenn er langsamer fliegt, dann ist'er selbst nicht unver­wundbar. Tie Versuche, vom Aeroplan herab, selbst wenn er mit geringer Geschwindigkeit fuhr, ein bestimmtes Ziel zu treffen, ein ruhendes, nicht in Bewegung befindliches, sind bis jetzt so gut wie ergebnislos gewesen. D. Red.)

Gerichlssaal.

Stuttgart, 1. Sept. (Strafkammer.) Eine ge­meine Tat war dem verheirateten Kellner Karl Reiff von hier zur Last gelegt. Er stahl einer Kellnerin, die bei ihm wohnte, ein auf 300 Mark laufendes Sparkassen­buch und erhob von dem ersparten Geld mit einer ge­fälschten Vollmacht 150 Mark. Nachdem er das Geld verbraucht hätte, erhob er weitere 110 Mark. ,Von ei­nem Wirt erschwindelte er ein Darlehen von 30 Mark. Ms Pfand gab er das gestohlene Sparkassenbuch. Ter Angeklagte ist vorbestraft. Der Sachverständige erklärte ihn für vermindert zurechnungsfähig. Das Urteil gegen ihn lautete aus 7 Monate Gefängnis, abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft.

Handel und Volkswirtschaft.

Von der Enz: Im mittleren und unteren Enztal fällt Heuer die Obsterute strichweise recht gut aus. So wurde in Dürrmenz-Mühlacker bei der Versteigerung des Gemeinde- (All- mandpObstes der Betrag von 1003,80 M erlöst gegen nur 78,80 Mk. im Vorjahre. ,

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Kempteuer und Allgäuer Butter- und K ä s p r e i s e.

Allgäuer Limburger Monatskäse 1. Qualität 34 Mk., 2. Qualität und gleichwertige Halbzentrifugenkäse 31 Mk., Lim­burger Monatskäse mit 30 Grad Fettgehalt der Trockenmasse 42 Mk., dto. mit 35 Grad 47 Mk., dto. mit 40 Grad 52 Mk., Tendenz: ruhig. B u tt er-E u g r os P re i se: Feinste Molkereibutter 106 Mk., Süßrahmbutter 101 Mk. Wirklich be­zahlte Einkaufspreise für 1. Qualität 116 bis 118 Mk. Ten­denz: mäßige Nachfrage. Kemptener Marktpreise: 1 Pfund Sennbutter 1.20 Mk., 1 Pfund Landbutter 1.15 Mk., dto. ein halb Pfund 68 Pfg., 1 Pfund la echten Emmentaler­käse 1.20 Mk., dto. bayerischen 1.10 Mk., 1 Pfund la fetten Schweizerkäse 95100 Pfg-, Ila 8590 Pfg., In Limburger 38 bis 40 Pfg., In Stangenkäse 4345 Pfg., Romadur vollfett in Stantol und Etikette 70 Pfg., halbfett 5458 Pfg., Bicr- käse vollfett 70 Pfg., halbfett 5660 Pfg-, Tilsiter vollfett 1 Mk., Allgäuer Tilsiter vollfett 7075 Pfg., halbfett 6065 Pfg., Erntekäse 5565 Pfg., Backsteinkäse pro Lächle 5070 Pfg., 1 Pfund Bauernkäse 40 Pfg. Tendenz: gute Nachfrage.

Kaufbeuren: Süßrahmbutter feinste Qualität 1.08 Mk.

Memmingen: 1 Pfund Butter 1.30 Mk. Wangen i. Allg.: 1 Pfund Butter 1.15 Mk. Biber ach: Süße Butter 1.30 Mk., Bauernbutter 1.10 Mk. Lentkirch: Süßrahm­butter 1.30 Mk., Sennbutter 1.20 Mk.

Vor 44- Jahren.

Denkwürdigkeiten an den deutsch-französischen Krieg.

Samstag, 3. September 1870.

Avantgarden-Gefecht bei Chaumont Porcien. Be­gleitung des gefangenen Kaisers Napoleoißnach der belgi­schen Grenze. Vorpostengefecht vor Straßburg.

Bellevue bei Sedan. Napoleon heute über belgisches Gebiet bei strömendem Regen nach Wilhelms­höhe ab. Der lange Zug von Wagen, Pferden der kaiserl. Feldequipage und des Gefolges wird von Totenkopshusa­ren eskortiert. In der Mitte des Zuges faß der Kaiser in einem geschlossenen Wagen, aschfahl im Gesicht, aber an­scheinend in äußerster Gemütsruhe.

Paris. Der Telegraphendirektor ließ der Kaiserin Eugenie heute Nachmittag folgende Depesche zustellen:Die Armee ist geschlagen und gefangen. Ich selbst bin Ge­fangener. Napoleon."

Bazeilles. Die Armee stand am Abend des 31. August rund um Sedan, der sinke Flügel, die Bayern, bei Bazeilles an der Maas, daneben die Sachsen bei Mon- celle, die Garde gegen Givonne im Anmarsch, das 5. und 11. Korps gegen St. Menges und Fleigneu. In Ton- chery standen die Württeniberger, die zugleich den Rücken gegen Mezieres decken mußten, in der Ebene bei Touchery als rechter Flügel eine Kavallerie-Division, in der Front gegen Sedan ebenfalls Bayern. Der Kampf begann bei dichtem Nebel in den frühen Morgenstunden bei Bazeilles,

wobei Haus für Haus genommen werden mußte.

Französ. Marineinfanterie focht gnt bewundernswerter Ausdauer. Tie Einwohner, auch Frauen, schossen aus den Häusern. Bei dem wiederholten Rückzüge der Bayern warfen die Weiber die zurückgelassenen Verwundeten in die brennenden Häuser. Tier Anblick solcher Greuel ent­fesselte die Wut der unseligen. Sie gaben kein Pardon mehr. Die Pioniere warfen Feuer in die Häuser. Die Batf-ern, durch den Straßenkampf und die furchtbare Wirk­ung der Mitrailleusen sehr dezimiert, wurden Endlich nach Mündigem Kampfe, wobei sie übermenschliches geleistet, von den Sachsen und Preußen unter jubelndem Hurra unterstützt. Das 2. und Leibregiment hat starke Verluste.

Vendresse. Ter Kamps um Balan war noch hefti­ger und blutiger als der in Bazeilles. Inmitten einer aus allerhand Truppenteilen zusammengesetzten Sturmkolonne wollte Napoleon dortselbst die Bayern vertreiben. ... Um den Kaiser regnete es Sprenggeschosse und Kugeln und einmal verschwand er ganz in einer Staub- und Pulver­wolke. . . . 60 000 Franzosen waren um diese Zeit eine völlig aufgelöste Truppenmasse, die nach Sedan flüchtete, in den Toren und auf den Brücken sich schrecklich drängte und die Stadt überfüllte. Man glaubt allgemein, daß es Napoleon bei Balan ernst war, den Soldatentod zu su­chen, nachdem alles verloren war.

T o u ch e r y. Die Kapitulationsverhandlungen dauerten die ganze Nacht. Bismarck und Moltke haben sorgfältig erwogen,. inwieweit man den nach so tapferer Gegenwehr überwundenen Feind schonen könne. Ta aber Großmut den Franzosen gegenüber falsch gedeutet werden würde, forderte Moltke vor allem Niederlegung der Waffen und Kriegsgefangenschaft der französischen (Mac Mahon- scheu) Armee. Ta Wimpfen sich nicht dazu entschließen konnte, wurde ihm das Bombardement Sedans in Aus­sich gestellt, worauf er endlich auf die deutschen Beding­ungen einging. Als König Wilhelm dem Kaiser Napo­leon aus dessen Anfrage, wo Prinz Friedrich Karl stehe, antwortete, er sei mit 7 Armeekorps vor Metz, fuhr Na­poleon zusammen, als wenn ihn der Schlag getroffen hätte. (Begegnung im Schlößchen Bellevue.)

Sonntag, 4. Septbr. 1870.

Aussallgefccht vor Bitsch.

Paris. Heute Nacht hielt der gesetzgebende Körper eine Sitzung ab. Jules Favre stellte 3 Anträge:Absetz­ung des Kaisers. Ernennung einer provisorischen Regier­ung. Trochu bleibt Gouverneur von Paris." Hier bereitet sich die Revolution vor. Soldaten rufen:Es lebe die Republik." Tie Büsten des Kaisers werden in die Seine geworfen.

Varennes.An die Königin! Welch ein er­greifender Augenblick der der Begegnung mit Napoleon; er war gebeugt, aber würdig in seiner Haltung und ergeben. Ich habe ihm Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel zum Aufent­haltsorte gegeben. Unsere Begegnung fand in einem klei­nen Schlößchen über den westlichen Glacis von Sedan statt. Von dort beritt ich die Armee um Sedan. Ten Empfang der Truppen kannst Du Dir denken! Unbeschreib­lich! Beim Einbrechen der Dunkelheit, halb 8 Uhr, hatte ich den Mündigen Ritt beendet, kehrte aber erst um 1 Uhr hierher zurück. Gott helfe weiter.

Wilhelm."

Sedan. Verluste der Franzosen: Gefallen 3000 Mann, verwundet 14 000, gefangen 21000 Mann, infolge der Kapitulation gesangen 83 000 Mann. De u t- sche Verluste: Verwundet: 276 Offiziere, 5627 Mann, 467 Pferde. Tot: 187 Offiziere, 2123 Mann, 564 Pferde.

Berlin. Tie Siegessrende über den Ansgang der Schlacht bei Sedan ist unbeschreiblich. Das Viktoriaschie­ßen dauert fast den ganzen Tag, da auch die Schützen­gilde im Schützengarten feuern läßt . . . Man fürchtet je­doch, daß sich die neue Regierung schwerlich zu einem Friedensschlüsse wird bewegen lassen. Unbeschreiblicher Jubel herrscht auch bei den Belagerungstruppen vor Metz und Straßbnrg über den Sieg bei Sedan.

Bouillon. Gestern abends 5 Uhr kam der Kai­ser Napoleon hier an, um imHotel zur Post" sein Nacht­quartier zu nehmen. Er dinierte mit etwa 30 Personen. Der kaiserliche Prinz ist beim Fürsten Chimay abgestiegen. (Chimay, belg. Stadt nahe an der Grenze.)

Varennes. Im hiesigen Großen Hauptquartier wurden gestern die Vormarschbedingungen an die Armee­korps, welche nach Paris vorzugehen haben, bekanntge­geben. Das 1. bayerische und das 9. Korps bleiben vorerst bei Sedan. Tie französ. Gefangenen gehen in Staffeln zu je 2000 Mann nach Deutschland ab.

Paris. Tie Kaiserin hat heimlich Paris verlaßen, in welcher Richtung ist unbekannt. Ter Kaiser ist abgesetzt, die Republik proklamiert und eineRegierung der na­tionalen Verteidigung" eingesetzt.

Bismarck erllärte dem engl. General Sheriden: .Aber ich bin stolz, daß die Bayern, die Sach­

sen, die Württemberger heute nicht nur aus unserer Seite standen, sondern den größten Mteil an dem Ruhm des Ta­ges haben. ..."

Ueber die Begegnung mit Napoleon nach der Kapitula­tion von Sedan schrieb Bismarck unterm 3. September von Vendresse aus seiner Frau:Gestern früh 5 Uhr, nachdem ich bis 1 Uhr früh mit Moltke und den fran­zösischen Generälen über die abzuschließcnde Kapitulation verhandelt hatte, weckte mich der General Reille, den ich kenne, um mir zu sagen, daß Napoleon mich zu sprechen wünsche. Ich ritt ungewaschen und ungefrühstückt gegen Sedan, fand den Kaiser im offenen Wagen mit 3 Ad­jutanten und 3 zu Pferde daneben aus der Landstraße vor Sedan haltend. Ich saß ab, grüßte ihn ebenso höflich wie in den Tuilerien und fragte nach seinen Befehlen. Er wünschte den König zu sehen; ich sagte ihm der Wahr­heit gemäß, daß S. M. 3 Meilen davon an dem Orte, wo ich jetzt schreibe, sein Quartier habe. Auf N.'s Frage, wo­hin er sich begeben solle, bot ich ihm, da ich Gegend un­kundig, mein Quartier in Donchery an, einem kleinen Ort an der Maaß, dicht bei Sedan; er nahm es an und fuhr, von seinen 6 Franzosen, von Mir und vost Prinz Karl, der mir inzwischen nachgeritten war, geleitet, durch den einsamen Morgen nach unserer Sette zu. Bor dem Ort wurde es ihm leid, wegen der möglichen Men­schenmenge, und er fragte mich, ob er in einem einsamen Arbeiterhanse am Wege absteigen könne; ich ließ es be­sehen durch Karl, der meldete, es sei ärmlich und unrein. N'importe", meinte N., und ich stieg mit chm eine ge­brechliche, enge Stiege hinaus. In einer Kammer von 10 Fuß Gevierte, mit einem sichtenen Tische und zwei Mn- senstühlen, saßen wir eine Stunde, die anderen roaren un­ten. Ein gewaltiger Kontrast mit unserem letzten Beisam­mensein, 67 in Den Tuilerien." (Tiefen Brief haben die Franzosen abgesangen. DerFigaro" veröffentlichte ihn am 6. August 1872.)