Deutsches Reich»

Neue Schwierigkeiten im Baugewerbe?

Am Tage nach der gewissermaßen theoretischen Be­endigung der Bauarbeiter-Aussperrung durch den Schiedsspruch drängt sich die Frage auf: Wird der Schiedsspruch überall anerkannt und durchgeführt wer­den? Schon als die Entscheidung der Schiedsrichter in der Lohnfrage verkündet wurde, hörte man im Dresdner Stadt­verordnetensaale, wo die Vertreter der Unternehmer und der Arbeiterverbände versammelt waren, von einzelnen den Entschluß äußern, diesen Schiedsspruch nicht anzu­nehmen. Tatsächlich liegen auch heute morgen bereits aus einigen Orten und Bezirken Nachrichten vor, daß ihm sowohl Unternehmer, wie Arbeiterorganisationen die An­erkennung versagten: In Nürnberg haben die Bau- arbeilerorganisationen beschlossen, die Arbeit vorläufig nichr auszunehmen; dasselbe geschah in Karlsruhe und in Mannheim. In letzterer Stadt haben die Arbeiter die Sperre verhängt und suchen die Arbeitswilligen von der Arbeit abzuhalten. Diese Vorgänge so wird in der Frankfurter Zeitung gesagt gehenwider Treue und Glauben. Die beiden Arbeiterorganisationen ha­ben das Schiedsgericht ausdrücklich anerkannt. Sie kön­nen seinen Spruch heute nicht verwerfen, weil er ihnen nicht gefällt. Die Auffassung der drei Unparteiischen hier­über gibt eine von ihnen aufgesetzte Erklärung wieder, die sie jedoch bisher nicht bekanntgegeben haben. Sie hiel­ten das wohl nicht für nötig, da sie nicht daran zweifelten, daß der Schiedsspruch von jeder Organisation respektiert werde. In der Erklärung heißt es:

Es sind darüber Zweifel entstanden, ob die Bau­sperre am 15./16. Juni aufzuheben ist, wie es in den Vorschlägen der Unparteiischen vorgesehen war und wie es die Generalversammlungen sämtlicher beteiligter Zen­tralorganisationen genehmigt hatten. Tie Unparteiischen sind der Meinung, daß die Aufhebung am 15. (16.) Juni ein wesentlicher Punkt ihrer Vor­schläge war, von der nachträglich auch nicht deshalb abgegangen werden kann, weil die Verhandlungen des Schiedsgerichts einen Tag später, als ursprünglich in Aussicht genommen war, begonnen haben. Die Un­parteiischen gehen von der Ansicht aus, daß, nachdem das Schiedsgericht zusammengetreten ist und zu funk­tionieren begonnen hat, die gegenwärtige Aus­sperrung als Kampfmittel nicht mehr in Frage kommen kann. Es bedarf auch kaum eines besonderen Hinweises darauf, daß die bei einzelnen ört­lichen Verhandlungen und vielfach in der Presse aus­gesprochenen Drohungen, daß die Arbeiter die Schieds­sprüche, die ihnen keine ausreichende Lohnerhöhung bringen, nicht anerkennen würden, mit den abgeschlos­senen und von Generalversammlungen genehmigten Vor­schlägen in direktem Widerspruch stehen würden, ihre Ausführung also einen Bruch dieser Verträge bedeuten würde, dessen Folgen unabsehbar seien und die von den Zentralorganisationcn auf das entschiedenste be­kämpft werden müßten. Es ist daher als Meinung der Unparteiischen festzustellen, daß die Zentralorgani­sationen chr die Durchführung der Schiedssprüche die volle -moralische Verantwortung zu tragen haben.

Jedenfalls werden schon in den nächsten Tagen die Zeniralorg anisativnen der Unternehmer und der Arbeiter abermals zusammentreten.

Ter Anfang vom Ende.

DieStraßburger Post" schreibt:Wie wir erfah­ren, soll der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg

wer damit ansängt, daß er Allen traut, wird damit enden, daß er jeden für einen Schurken hält.

Hebbel.

-WS: -L Kr -AWr

73)Gipfelstürmer."

Roman von Carl Conte Scapinelli.

<Nachdruck verbalen )

(Fortsetzung.)

Sie waren in das Dickicht des Hochwaldes einge­treten und standen eine Weile ausschnaufend sich gegen­über.

Ter herausfordernde Ton Elses machte ihn selbst etwas verlegen.

Dann küss' mal diesen Mund!"

Er dachte, solch ein harmloses Küßchen unter Ka­meraden war ja auch noch keine Untreue gegen seine Frau, und tatsächlich beugte er sich auch schon im selben Augen­blick über sie und küßre sie leicht obenhin, aber sic preßte sich an ihn und schien ihn nicht loslassen zu wollen.

Aber Else, sei doch vernünftig!"

Fällt mir gar nicht ein. - Siehst du, jetzr warst du deinem schömm Schatz untreu! - - Das freut mich!" ries sie dann triumphierend.

Deswegen war ich doch nicht untreu!" sagte er, sich kleinlaut verteidigend.

Doch, doch!" ries'sic kichernd,denn dieser Kuß war Sünde wider die Liebe zu deinem Schatz!"

Sünde wider die Liebe zu seiner Frau! dachte er, aber dann amüsierte ihn auch schon das kleine Inter­mezzo. . Nein, er harte dabei wirklich nichr Schaden ge­litten. , Es war nur ein Spiel, freilich ein gefährliches Spiel. ,-

Als Gustav München verlassen hatte, harre sich Frau Kathi seufzend darangemacht, seine Kleider, die unordent­lich im Schlafzimmer herum lagen, wieder zu entfernen und alles in Stand und Ordnung zu fetzen.

Allerhand rrübe Gedanken gingen ihr dabei durch den Kopf. Hatte er nichr wieder den Freund der Frau vor-- gezogen, konnre er tatsächlich seine Liebe zu den Bergen nicht überwinden? Oder was war es, das ihn forttrieb?

Sie stellte sich jetzt vor, wie er behaglich in einer Ecke des Waggons gelehnt seine Zigarre rauchte und es sich bequem machte, vielleicht auch gar lachte, so ein-

oor kurzem den Kaiser gebeten haben, ihn aus seiner Stellung zu entlassen. Als Quelle dieser vor­läufig als Gerücht auftretcnden Meldung wird der Leiter einer unserer größten Unternehmungen in Berlin ge­nannt, der vom Kaiser persönlich sehr hoch geschätzt wird. Auf unsere Erkundigungen an maßgebender Stelle wird zwar versichert, daß die Nachricht nicht stimmen könne, man wird aber ihre Verbreitung von gut unterrichteter Seite mindestens als ein Symptom für tieferliegende Vor­gänge und Stimmungen betrachten dürfen."

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Im Wahlkreis Ueckermünde-Usedom-Wollin

hat bei der gestrigen Stichwahl nach einer vorläufigen Zählung der Sozialdemokrat Ä nutze mit 10158 Stim­men gegen den Konservativen v. Boehlendorff ge­siegt; letzterer brachte es auf 9456 Stimmen. Ten Aus­schlag gab die im ersten Wahlgang unterlegene Fort­schrittliche. Bolkspartci, die ihren Anhängern die Wahl freigestellt hatte.

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Berlin, 17. Juni. Der Reichstags- und Land­tagsabgeordnete Z ch m idt-Warburg (Ztr.) ist, wie die Germania" meldet, heute hier gestorben. Landge­richtsrat Otto Schmidt vertrat im Reichstag den 5. Min- dener Mahlkreis (Warburg-Höxter).

Ausland.

Meuternde Chinesen.

Philadelphia, 17. Juni. An Bord des nach Australien bestimmten englischen DampfersHighland Monarch" griff ein chinesischer Matrose den er­sten Offizier mit dem Messer an, weil ihm dieser die Erlaubnis verweigert hatte, vor der Wfahrt noch einmal an Land zu gehen. Er wurde übermannt und Unter Eisen gelegt. Später unternahmen alle andern chinesischen Mitglieder der Besatzung plötzlich den Ver­such, zu entweichen, doch wurden sie von den englischen Matrosen zurückgetrieben. Als der Dampfer abfuhr, sprangen sieben chinesische Matrosen über Bord; vier ertranken, drei erreichten das Land mit knapper Not.

Württemberg.

Vom Landtag.

Die Erste Kammer.

hat am Freitag die Gesetzentwürfe betr. das Gerichts­vollzieherwesen und betr. Aenderung einiger Vorschrif­ten zur Zivilprozeßordnung und der Gerichtskostenord- nung angenommen und beschlossen, in eine Beratung des Landwirtschaftßkammergesetzes nicht mehr einzutreien. ZU letzterem Punkt wurde fol­gende Resolution angenommen: 1.' Die Kgl. Regier­ung um Erwägung darüber zu ersuchen, in welcher Weise durch eine weitere Ausgestaltung des Beirats dem Be­dürfnis einer Neuordnung der landwirtschaftlichen Be-' rnfsvertretnng Rechnung getragen xwerden könnte, bis die Frage der Errichtung einer Landwirtschaftskammer spruchreif fein wird. 2) Die Zweite Kammer zum Bei­tritt einznladen."

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Zur Welzheimer Ersatzwahl.

In einer Auseinandersetzung mit derSchwäbischen Tagwacht" wegen der Termine für die Ersatzwahlen in dem Hieberschen Wahlkreis zum Landtag und zum Reichs­

fach diesmal entkommen zu sein. Tann stieg er aus und begann anznsteigen. Vielleicht traf er wieder die Berg­kraxlerin, von der jüngst so geschwärmt. Vielleicht ging er mit ihr jenen beschwerlichen Weg, den er mit mir nicht gehen wollte! Wenn sie so keck war, sich allein in die Berge zu wagen und sich einem wildfremden Menschen anzuschließen, dann ging sie in anderer 'Beziehung auch weiter!

Sie wurde schamrot, da sie sich bei solch eifersüch­tigen Gedanken ertappte und doch ließen sie diese Ideen nicht mehr los. ^ -

Nein, untren war ihr Gustav nicht. Das fühlte sie ja, wie sehr er sie liebte. Er war nur leichtsinnig. Aber auch der Leichtsinn war hier schon gefährlich.

Mechanisch trug sie die Kleider, die die Zugeh­frau, die morgens kam, putzen sollte, in den Gang. Sie ordnete den Waschtisch, - - das Nachikästchen.

Da lag noch eine Karre. Eine Ansichtskarte zwei Glerschcrköpfe winkten ihr emgegcn. Vermutlich von Gu­stavs Freund! Sie las:

Ich erwarre dich zu einer Höhenwanderung wie­der am Samstag. Es war das letzte Mal so schön, lieber Gustav.

Else Walch."

Hatte sie recht gelesen:Du,"Lieber Gustav," Elle Walch." .

Tie Buchstaben tanzten ihr vor den Angen. Sie sank in den Stuhl zurück. Starr, tränenlos, immer wie­der das bleiche Köpfchen schüttelnd, saß sie eine Weile da.

War has möglich, irrte sie sich nicht?

Sank wirklich eine ganze Welt, eine Welt voll Glück und Hoffen mühsam erbau:, dem Schicksal abgerungen zusammen? War sie die Betrogene? Hatte sie darum gekämpft, gelitten, sich gesehnt, -- endlich, endlich ge­heiratet?

Hatten ihre Eltern nicht recht gehabt, wie sie, sie immer wieder gewarnt, den jungen Sausewind zu trauen. - Wäre es nicht besser gewesen, er hatte sie früher be- rrogen, -- er wäre nicht mehr von Berlin gekommen, als daß hetz: alles zusammenbrach?

'Nein, Gustav von Prandow war noch nicht reif zur Che! Was wollte sie weiter untersuchen, ob jene Else Walch die Bergkraxlerin war oder nicht, ob er sie tatsächlich

tag, weist bezüglich des Landtagswahllermins vom 15. Juli der Staatsanzeiger ans den Artikel 24 des Land- tagswahlgesetzcs hin, wonach die Einleitung einer Ersatz­wahl znm Landtag dadurch bedingt ist, daß die K. Staats- rogierung um diese Einleitung von der Abgeordnetenkam­mer ersucht wird. Dieses Ersuchen kam aus dem vor­schriftsmäßigen Wege dem Ministerium des Innern am 27. Mai d. I. zu. Am Montag, den 30. Mai forderte sodann das Ministerium das Oberamt Welzheim zu bal­digem Bericht darüber auf, welcher Tag insbesondere unter Berücksichtigung der Erntegeschäfte für die Vornahme der Wahl geeignet wäre. Ter Obcramtsvorstand ant­wortete in einen: an: 4. Juni eingelaufenen Bericht vom 3. Juni.In der Zeit vom 15. bis 20. Juli d. I. wäre jeder Tag für die Vornahme der Wahl eines Land- tagsabgeordnelen geeignet. Die Heuernte ist bis dahin voraussichtlich beendet, während die Getrcideerntegeschäste im oberen Bezirk erst um den 25. Juli, im unteren Be­zirk einige Tage vorher beginnen. Tie Vornahme der Wahl während der Erntegeschäfte würde ich nicht für tunlich erachten. Hierauf hat das Ministerium durch Ver­fügung vom 8. Juni die Wahl auf den 15. Juli fest­gesetzt. Die Festsetzung auf einen früheren Tag, etwa den 12. oder 13. Juli erwies sich mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die verschiedenen nach dem Land­tagswahlgesetz bei der Wahlvorbereitung cinzuhaltenden Fristen so zu legen, daß ihr erster und letzter Tag mög­lichst nicht auf einen Sonntag oder bürgerlichen Feier­tag fällen, als untunlich. Das Regierungsblatt, in dem das Wahlausfchreiben erfolgt, muß bekanntlich nach dem Wahlgesetz genau am 30. Tage vor dem Wahltag aus­gegeben werden.

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Born 25. Kongreß der Allgem. Radfahrer- Union in Heildronn ist nunmehr außer den: reich­haltigen Programm, über das wir schon berichtet haben, auch die Ausschreibung der sportlich en Wett- bewerbe hinausgcgeben worden, welche allerdings der­art umfangreich sind, daß wir es uns versagen müssen, alle Einzelheiten iviedcrzugeben. In der Hauptsache kommt in Betracht die Wiederholung der schon 1895, 1900 uird 1905 stattgehabten 250 Kilometer-Distanzfahrt von Friedrichs Hafen nach Heilbronn, welche diesmal auch eine Abteilung für ältere Tourenfahrer mit einer Wanderfahrt angemessenen Bedingungen umfaßt. Die Meisterschaft von Württemberg ist hier zu erringen, au­ßerdem noch 10 wertvolle, meist gestiftete Preise, obenan ein solcher des Herzogs Robert von Württemberg. Schöne silberne Preismedaillen find für Einhaltung eines be­stimmten Zeitmaximums ausgesetzt. Die Touristenabteil­ung ist mit 5 Preisen und ebenfalls Medaillen bedacht. Der Distanzwettfahrt folgt am Tage darauf ein Mann­schaftsfahren über 100 Kilometer, woran je 6 Mit­glieder verschiedenster Radfahrervereine tcilnehmen. Hier sind 4 größere Preise ausgesetzt, worunter einer des Her­zogs Ulrich von Württemberg nebst Medaillen und Ehren­diplomen. Am interessantesten für die Oeffentlichkeit dürfte der Sonntag den 7. Aug. nachmittags stattfin­dende Preis-Blnmen-Korso werden. Er enthält 4 Abteilungen, solche für Unionsvereine mit über 20 und solche mit unter 20 Fahrern, eine Abteilung für Nicht-Unionsvereine mit über 10 Fahrern und eine Ab­teilung für geschmückte Gruppen und Einzelradler. Ein Preis des Königs von Württemberg sowie viele andere große Preise dürften bedeutende Anziehungskraft aus­üben, und, gutes Wetter vorausgesetzt, diesen Unionskorso zu einer der großartigsten bisher in Süddeutschland ge­sehenen radlerischen Festauffahrten gestalten helfen. Ein Reigen-Meisterschafts- und Kunstfahrtur­nier in den Harmoniefälen beschließt die Reihe der

betrog, und seit wann sie belog! Das war ja alles gleich.

Gustav von Prandow war nichr reif für die Ehe! Und darum mußte sie von ihm gehen. Nicht sich scheiden lassen, - nein, denn sie wollte ihn nicht für immer verlieren. Es war ein guter Kern in ihm, deh ausreifen mußte. Kummer, Leid, Sorge mußte er er­tragen, seine Studien vollenden ohne sie. Dann würde pr vielleicht vernünftig.

Und wenn er ohne sie zugrunde ging, wenn er ohne sie sein Ziel nicht erreichte, dann dann mochte er an: Wege sterben, dann war er ihrer nicht wert.

Alles .bäumte sich auf in ihr, alles war empört.

Hastig zog sie sich an, packle schnell ihren kleinen Koffer. Tann blieb sie filmend stehen. Sie sah sich noch einmal um in diesen paar Räumen, in ihr Ncstchen, wie sie es zu nennen pflegte. War alles Glück, das sie hier erfahren, Lug und Trug? Tie Tränen stürzten ihr aus den Angen, nun wurde es ihr leichter. Sie setzte sich an den Tisch und weinte sich aus.

Stolz sein, Kathi, stolz und tapfer, rief sie sich zu. Es gab Situationen, wo man fein kurzes Glück dem Stolz, der Frauenehre opfern mußte.

Mit zitternden Händen schrieb sie auf ein Blatt Pa­pier folgende Worte:Lieber Gustav!" Ja, er war ihr noch immer lieb, sic konnte keine dumme Pose heu­cheln.Du hast mich getäuscht, belogen und vielleicht betrogen. Beim Studium bin ich dir im Wege. Drnin gehe ich - und komm nicht früher, als bis du reif ge­worden und eingesehen hast, was für ein heiliges AU die Ehe ist. Vielleicht findest du später, wenn du deine Studien vollendet, den Weg zu mir, zu unserm alten Glück zurück. Ich bin zu stolz, jetzt mein Leben mit dir zu teilen.

Kathi."

Dann schlich sie heimlich aus dem Hause. Tapfer kämpfte sie die Tränen nieder, stolz trug sie ihr Köpf­chen. Sie wollte nicht, daß man ihr nachsehe, wenn sie auch keinen Blick zu fürchten hatte.

'Ein heiliger Glückstraum versank in ihr aber uin sich das letzre m erhalten, die Achtung und den Glauben an sich selbst, schritt sie von der Schnrtstätte dieses GlÄ- kes stolz von dannen, keiner Zukunft aber einer langen, vielleicht traurigen Wartezeit entgegen.

(Fortsetzung folgt.)