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Erzähler vom E>chwarzwald.
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Nr 1V1.
Dienstag, den S. Mai 1S1V.
27. Iahrg.
Aus dem Reichstag-
Kolonialkämpfe im Reichstag.
kb. Berlin, 30. April.
Die zweifellos zu einem großen Teil auf persönlich^ Motive zurückzuführenden und mit persönlichen Spitzen darum überreich durchsetzenden Debatten über die süd- westasrikanischen .Aufstandskosten und die bereits in der Kommission begrabenen Expropriations-Anträge Erzberger und Lattmann trugen von vornherein den Stempel der Unfruchtbarkeit und Ueberflüssigkeit an der Stirn, Das verhinderte leider nicht, daß sie auch die heutige Sitzung des Reichstages' noch total aussüllten. Zur Klärung trugen sie aber wenigstens insofern bei, als die Tatsache, daß es sich bei der ganzen „Aktion" um nichts anderes als eine scharfe und gefährliche Attacke des s chwarz-blauen Blocks gegen den Staatssekretär Dernburg gehandelt hat, noch unverhüllter und unzweideutiger zu Tage trat.
Der erste Redner des Tages, der fortschrittliche ALg. Tr. Wiemer, betonte auch seinerseits noch einmal, wie überflüssig diese ganze Redeschlacht sei, doppelt überflüssig nach den ausführlichen Verhandlungen in der Kommission, gegen die er allerdings das berechtigte Bedenken hatte, daß man in solcher Weise unmöglich das Schwergewicht der Verhandlungen aus dem Plenum in die Kommission verlegen dürfe. Die Anträge Lattmann und Erzberger beruhten auf einem durchaus richtigen Gedanken, gingen aber viel zu weit; auch von dem sozialdemokratischen Wertzuwachssteuerantrag sei er überzeugt, daß er auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen würde.
Natürlich predigte der fortschrittliche Redner tauben Ohren. Herr Ledebour blieb dabei, daß die Wertzuwachssteuer das beste sein würde. Herr Lattmann aber, der dann mit einer großen, vom Zentrum und von der Rechten .stürmisch akklamierten Rede einsetzte, war erst recht überzeugt, daß sein und nur sein Antrag der einzig richtige und einzig kluge gewesen sei. Mit der Gerissenheit eines Bauernfängers dreht der antisemitische Führer nun mit einemmal den Spieß um und beklagt sich über die unsachliche .und persönliche Polemik, die man — gegen ihn und seinen Busenfreund Erzberger führe. Und wie es Herrn Erzberger entsetzlich peinlich ist, wenn man ihm Zitate aus der Kritik der „Kölnischen Volkszeituug" vorließt, so beklagt sich Herr Lattmann, daß man ihn den Antragsteller, als Antisemiten
bezeichnet habe. Worauf Herr Erzberger prompt mit dem Zwischenruf antwortet: „Börsen Manöver!
Herrn Lattmann's große Rede lief auf ein ausgesprochenes und unumwundenes Mißtrauensvotum gegen Dernburg hinaus. In den Parteien, die nicht dem wirtschaftlichen Liberalismus verschworen seien, verstärke sich das Gefühl der Beängstigung und des Mißtrauens gegen eine Kolonialpolitik, die von übertrieben und einseitig großkapitalistischen Tendenzen getragen seien. Bis zum Höhepunkt aber steigert das Mißtrauen der Rechten die Tatsache, daß die Linke neuerdings die amtliche Kolonialpolitik unterstützt. Es ist — wir wiederholen es
— der alte Trick des reaktionären politischen Bauernfängers : machen die Freisinnigen die Kolonialpolitik nicht mit, so sind sie antinational, machen sie sie mit, dann ist die Politik antinational. Schließlich kam Herr Lattmann wenigstens mit einer positiven Forderung: er verlangt, daß der Abschluß des Vertrags mit der Kolonialgesellschaft so lange hinausgeschoben werde, bis man die südwestafrikanischen Interessenten, die angeblich auf der Reise nach, Berlin sind, gehört habe.
In dieselbe Kerbe hieb natürlich, Herr Werner, der andere Antisemit. Und dann kam, zum zweiten Male, Herr Erzberger, an die Reihe, wieder über eine volle Stunde lang. Auch jetzt noch tut Herr Erzberger keineswegs so, als habe er .eine Abfuhr und eine Niederlage erlitten, im Gegenteil, nun ist er ein Märtyrer der guten Sache, erst recht der „Nabel der Welt"! Er beklagt sich, daß man gegen ihn — den großen Erzberger!
— „den ganzen offiziösen Apparat zur Verbreitung von Jrrtümern in Bewegung gesetzt". Dem Abg. Semler tadelt er, daß er überhaupt zu sprechen gewagt, obwohl er doch selber an einer Kolonialgesellschaft interessiert sei. Die peinliche Kritik, die sein eigenes Parteiblatt, die „Kölnische Volkszeitung", an ihm geübt, sucht er mit der oberfaulen Ausrede von sich abzuschütteln: die „Kölnische Volkszeitung" habe schon öfter „Märchen erzählt". Und den Staatssekretär endlich hält er ein nicht ganz korrektes Zitat aus der Bibel mit der schnoddrigen Bemerkung vor, Herr Dernburg habe ja mildernde Umstände zu beanspruchen, wenn er die Bibel nicht so genau kenne. Sachlich versuchte Herr Erzberger dann den Nachweis, daß die Reckftstitel der 'Kolonialgesellschaft tatsächlich so ungenügend seien, daß man getrost den ordentlichen Rechtsweg beschreiten könne. Auf keinen Fall dürfe eine Gesellschaft, die in Berlin mit 2 Millionen Mark be
gründet worden, jährlich 8 bis 10 Millionen aus der Kolonie herausholen.
Selbstredend mußte nun auch Herr Dernburg noch einmal ans Rednerpult. Er wies nach, daß Herr Erzberger seine Kritik an den Rechtstiteln der Kolonialgesellschaft aus Grund einer falschen Uebersetzung geübt, er wandte sich gegen Ledebour, der ihm unter anderen Liebenswürdigkeiten auch „gespreizte Selbstverständlichkeit" vorgeworfen, und er schloß mit dem sehr glücklichen Nachweis, daß das Wort von der „kapitalistischen Kolonialpolitik" eines der schlimmsten Schlagworte sei, das je geprägt worden.
Herr Lattmann hatte seinen Antrag aus der Budgetkommission — es war bekanntlich der nur wenig abgeänderte Antrag Erzberger in einem etwas verdünnten Aufguß — wieder eingebracht, er mußte aber den Schmerz erleben, daß selbst der reichsparteiliche Redner Herr von -Oertzen sich gegen ihn wandte und für die Resolution der Budgetkommission sprach die ganz allgemein lediglich die steuerliche Heranziehung der Kolonie zur Entlastung des Reichsfiskus fordert. Auch der Abg. Mug - dan wies nach daß in dem Antrag Lattmann nur der Antrag Erzberger, nach Art eines geschickten Verwandlungskünstlers, in anderer Maske wieder aufgetreten sei. Sehr treffend wies er ferner darauf hin, daß der Antrags Erzberger, von dem ja immer gesprochen werde, ebenso wie das vielzitierte Gutachten des Reichsjustizamtes der. großen Mehrheit des Hauses überhaupt nicht bekannt seien und daß alle die Reden, sowohl des Herrn Erzberger wie des Herrn Dernburg, in der Budgetkommissionl schon einmal gehalten worden seien.
Bei der Abstimmung wurde der Antrag Lattmann mit großer Mehrheit gegen die Antisemiten und einen Teil des Zentrums abgelehnt, ebenso der sozialdemokratische Antrag gegen die Stimmen der Polen und der Sozialdemokraten. Die Resolution der Budgetkommission auf Abänderung des SchutzgebietsgesetzeZj wurde einstimmig angenommen, die Resolution auf Heranziehung der Kolonie zu den Kriegskosten fand in dieser allgemeinen Fassung eine geringe Mehrheit.
Schluß 7 Uhr. Die nationalliberale Interpellation über die französischen Zollerhöhungen will det Reichskanzler, wie Staatssekretär Delbrück zum Schluß mitteilte, beantworten lassen; den Termin könne er aber nicht angeben.
lvo der verstand fich arm und blöde zeiget.
Da spricht am besten, wer am besten schweiget.
Lalderon.
„Gipfelstürmer."
Roman von Carl Conte Scapinelli.
34s (Nachdruck verboten.^
(Fortsetzung.)
Fräulein Mariele, von morgen an gebe ich dem Fräulein Kathi keine Malstunden mehr, genügt Ihnen das?"
Sie sah ihn Zweifelnd an: „O, wegen mir!" sagte sie hochmütig.
„Wegen Ihnen, wegen Prandow, wegen Kathi selbst und weil ich mir andere Arbeit, bessere Arbeit weiß!"
„Na, sehen Sie!" sagte sie serlöst äufatmend.
„Ich "habe nämlich einen Staatsauftrag erhalten, — freut Sie das nicht für mich, — für 1000 Mark, denken Sie?"
„Tausend Markte!" ries sie. „Jscht's auch wahr?" Und schon war sie aus dem Hochdeutsch in ihren Heimatlichen Dialekt gefallen, der ihr so reizend stand.
Nun wuchs dieser Herr Panigl doch plötzlich wieder himmelhoch in ihrer Gunst. — Die Malstunden wollte er ihr zuliebe fallen lassen u. einen wirklichen Staatsauftrag von 1000 Mark hatte er auch noch bekommen!
„Was wollen Sie denn mit so viel Geld mache?" fragte sie fast ängstlich,
„Leben, Milch und Brot verzehren und arbeiten wie ein Wilder!"
„Arbeite ist schon recht, aber Erholung musch auch sei!" sagte sie treuherzig.
„Da hohen Sie recht. Aber sehen Sie, wenn ich mein Atelier verlasse und trefft dann Sie, das ist mein größtes Glück. Mariele, schau mich nicht immer so mißtrauisch an, — nein, wirklich Mariele — ich liebe dich, von tiefstem Herzen!" In leidenschaftlichem Tone waren die letzten Worte gesprochen, so daß sie selbst Mariele Plötzlich überzeugten.
Ganz tief senkte sie ihr rotes Köpfchen, ganz still wurde sie und ließ ihm ihre Hand ergreifen und plötzlich, als wäre ihr etwas Furchtbares passiert, fing sie mitten in Der dunklen Gasse, gottsjämmerlich zu weinen an.
Aber Panigl lachte voll Glück und Freude.
„Und i Han Jhna so viel Unrecht getan!"
„Ach geh'. Mariele, das war nur aus Liebe!" Er hing sich fest in ihren schlanken Arm und durch einsame Straßen zogen sie dem Herzen der Stadt, dem Zentralbahnhof zu.
„Und wann wirscht mich denn heirate?" sagte sie plötzlich in ihrer bezwingenden Naivität.
Herr Panigl war durch diese Frage selbst wie aus allen Himmeln gerissen und da er nicht gleich antwortete, sagte, sie:
„Denn spiele sasch i net mit mir, da bin, i wir zu gual, wann (wirscht mi heirate?"
„Wer Kindl," sagte er beschwichtigend, „nun sind tvir noch nicht einmal verlobt, sondern erst richtige, närrische Liebsleute! Oder möchst du die Sache auch so überstürzen, wie die Kathi, daß du zum Schluß einen Mann kriegst, der nichts ist und auch nichts verdienen kann!"
„Mer dn bischt doch ä Kunstmaler und kriegst vom Staat ganze tauschend Mark!"
„Die werden bald wieder verbraucht sein!"
„Also a solcher bischt, tauschend Mark verbrauchscht im Nu?"
Sie sprechen so fort und Panigl gab sich redlich Mühe, das Gespenst einer nahen Hochzeit möglichst zu vertreiben. So sehr er dieses Mädchen liebte und es reizend fand, jetzt, da so wichtige, andere Aufgaben seiner warteten, mußte er frei sein, durste er sich nicht die Zentnerlast eines jungen Weibes an die Füß«e heften.
. Ihre Liebe sollte heimlich bleiben und unter Tränen versprach sie es ihm auch endlich. Vor dem Bureau des Herrn Oberexpeditors trennten sie sich und verabredeten, sich nächsten Sonntag nachmittags einen Spaziergang zusammen zu «machen.
Einstweilen saß Kathi wieder einmal mutterseelenallein im Wohnzimmer und überdachte ihre traurige Lage, diesmal war es ihr leider nicht gelungen, den Vater und die Mutter umzustimmen.
Im Gegenteil, beide bestanden daraus, sie sollte ruhig noch einige Jahre warten, bis Prandow seine Studien vollendet hatte. Dazu hatte vor allem ein Brief des alten Herrn von Prandow beigetragen, den dieser als Antwort auf ein Schreiben des Herrn Oberexpeditor gesandt hatte und in welchem der erregte Herr der Familie beinahe Vorwürfe machte, sie hätten seinen unerfahrenen Sohn zum Heiraten einfach eingesangen. Am liebsten hätte Herr Oberexpeditor auf das hin die ganze Verlobung rückgängig gemacht. Aber die Tränen Kathis und auch seiner Frau .Bitten und Beweggründe hielten ihn davon ab.
So war durch das Schreiben ihres Vaters, durch das sie sich eine Erklärung der Situation erhofft hatte, im Gegenteil eine Verschärfung ihrer mißlichen Lage eingetreten, und wie die Umstände lagen, sahen sie beide keinen Ausweg aus dem Labyrinth von Schwierigkeiten, Uber, wenn sie auch traurig war, kleinmütig wurde sie nicht. Ihr Entschluß stand fest, sich von Gustav nicht trennen zu lassen, denn sie kannte ihn, war er erst aus ihrem Bannkreise, .dann war er leicht zu allem zu bestimmen und wie Wachs in den energischen Händen seines Vaters, und,wer weiß, ob er sie dann nicht bald vergessen würde.
Und so weit durfte es nicht kommen, er mußte ihr bleiben, koste es, was es wolle.
Wenn ihr auch Prandow, in seiner blinden Eifersucht, einen Strich durch ihre Stunden bei Panigl gemacht hatte, so wollte sie ihre Malerei dennoch nicht ganz aufgeben. .Sie nahm jetzt bei einer anerkannten Malerin Stunden, und der sEiser, den sie an den Tag legte, hatte ihre neue Lehrmeisterin bald merken lassen, daß es dem jungen, hübschen Mädchen ernst 'um ihre Kunst war. So machte sie rasch gute Fortschritte.
(Fortsetzung folgt.)
dH