Mt. 846 Pom 10. März st910 S. 156 ,'indei sich folgend« den Schauspielerstand schwer beleidigende und herabwür- digende Annonce, die an Deutlichkeit nichts zu ivnnschen übrig läßt:

Für Lüben L. Liegnitz (Dragoner-Gar­nison) ab Ostern: 1. Liebhaberin, Soubr., jg. Dam., f. Dl. Roll. u. Chargensp. ges. Off- m. niedr. Gag. a. d Dir. LWen (Schles.).

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Kreuzung >-« beinahe 1000jährige« Lirchiurme« »on Linquenx, eme« ,ranzöst,iy«« Lsrfchen, »« . Departement Oise.

Kleine Nachrichten.

2lus Eßlingen wird von gestern gemeldet: Ter Expreßgutbesteller Al lg ater wollte heute mittag über den Bahndamm fahren. Der Schrankenwärter öffnete die Schranke, die er schon geschlossen hatte noch einmal, um ihn durchzulassen. Schon hatte Allgaier das Gleis über­fahren, als der Ing 208 von Tübingen her den Wa­gen packte. Durch den Anprall wurde Allgaier, der meist aus dem Bocke steht, rückwärts geschleudert und kam so Unglücklich unter die Räder der Lokomotive des Zuges, der erst in der Bogelsängstraße zum Stehen gebracht werden konnte, daß er vollständig zermalmt wurde. Der Tod trat auf der Stelle ein. Der etwa 40 Jahre alte All­gaier versah den Expreßdienst schon seit 12 Jahren. Er war ein braver und fleißiger Mann.

Aus Großingersheim wird berichtet: Ain letz­ten Samstag wurde Landtagsabgeordneter Schmid- Besigheini von einem sehr bedauerlichen Unfall betroffen. Er wollte sich bom oberen Raum seines Hauses eine Treppe herunterbegeben, wobei er abstürzte und bewußtlos liegen blieb. Der Unfall wurde von den übrigen Haus­bewohnern nicht gleich bemerkt, so daß Schmid einige Zeit hilflos am Boden lag. Das Bewußtsein stellte sich jedoch bald wieder ein und der Verunglückte konnte sich 'mit vieler Mühe in die Etage seiner Wohnung begeben. Au­ßer verschiedenen äußeren Verletzungen wurde auch eine Gehirnerschütterung konstatiert.

Der Mannheimer Riesenluftkreuzer.

Im kürzlich erschienenen Jubilciumswerk der Firma Lanz in Mannheim ist endlich eine authentische Dar­stellung der Konstruktion des Riesenluftschiffes er­schienen, das auf der Lanz'schen Werft am Rhein feiner Vollendung entgegengeht. Dem Artikel sind folgende in­teressante technische Einzelheiten zu entnehmen. Der neue Lenkballon Lanz-Schütte ist bekanntlich ein Typ des starren Systems. Er wird ungefähr 18500 Kubikme­ter Wasserstoffgas fassen und eine motorische Kraft von 500 Pferdedestärken erhalten. Die besonderen Vorzüge des Schütte'schen Systems liegen in der ihm konstruktiv eigenen erheblichen Nutzlast und in der daraus folgenden Prall- Höhe, ferner in dem nicht zu unterschätzenden Umstand, daß das Luftschiff mit einem Holzgerippe versehen ist. Dieses vom Ingenieur Huber exdachte Holzgerippe besteht aus einem System von Trägern oder Lamellen, welche wellen­förmig verlaufen und hochlkantig, bezw. radikal gestellt sind. Die Träger bestehen aus 3 Millimeter dicken, zu­sammengeleimten Holzsurnieren, deren Fasern teils längs, teils quer verlaufen. Die gesamte Detailkonstruktion ver­einigt sich zu einem rationellen Trägergerüst, wie es bei Ersenkonstruktionen üblich ist, wobei die Absicht des Kon­strukteurs nicht dahin ging, T-reiecksfelder zu machen, um em möglichst starres Gerippe zu erhalten, sondern cs wur­den ausdrücklich rautenförmige Felder gewählt, welche in gewissen Grenzen elastisch'beweglich sind. Das in seiner Form parabolische Luftschiff hat einen größten Durch­messer von 18,4 Meter Länge und eine Totallänge von 130 Meter. (Z 3 ist 136 Meter lang, faßt 15 000 Ku­bikmeter und hat 2 Motore von zusammen 240 Pferde­kräften.) -In -dem Innern des Schütteschen Luftschiffs werden untereinander kommunizierende Kugel- und Ring­ballons sowie an den Enden einige Gassäcke angeordnet. Das Gerippe wird umspannt von einer dünnen, gummier­ten Schutzhülle und es ist als ein wesentlicher Vorteil der Konstruktion zu betrachten, daß zwischen den Gasballons Mid der Äußenhülle eine isolierende Luftschicht von 20 bis 40 Zentimeter besteht.

An dem Luftschiff.ist nur eine Gondel von 13 Meter Lauge vorgesehen. Darin befinden sich 4 Motore, die Paarweise angeordnet, die beiden Propeller von 3,6 Meter antreib-en. Es besteht die Möglichkeit, das Aggregat oder auch nur einen Motor der einen Seite mit dem Propeller der anderen zu kuppeln, sodaß im Falle eines Defekts bei Betriebsfähigkeit nur eines Motors noch stets beide Pro­peller arbeiten können. Diese können einzeln vor- und rückwärts lausen. Tie Gondelaufhängung ist unstarr, aber durch besondere Anordnung her tragenden Seile in der Längs- und Ouerrichtung gegen den Luftschiffkörper un- derschiebbar. Das Luftschiff ist nach fchiffbau- und ma- riuet-echnischen Grundsätzen erbaut und es soll demgemäß Besatzung und Führung gewählt werden. Es wird mit Funke nt-ellegrafen und Len besten nautischen In­strumenten ausgestattet. Als Fluggelände ist das in einer Ausdehnung von 1 Million Quadratmeter die Luftschiff- Halle umgebende Terrain in Aussicht genommen. Es bietot durch eine 4 Meter tiefe Kiesgrube einen natürlichen Wind- Hasen und günstigen Landungsplatz. Tie Luftschiff­halle besitzt eine Länge von 133 Meter, ist 38 Meter dreit und 22 Meter hoch. Das eigentliche Trägergerüst dAleht aus 35 Tvppelmasten, deren Spitzen durch Flach-- ttsenketten untereinander verbunden sind. Tie Wasserstoff- Mllenlage umfaßt 4000 Gasflaschen, das Benzin wird in Ouam unterirdischen Tan? außerhalb der Halle aufbe- Mchrt. . Die Lustfchifstverft ist mit einer Station für drahtlose Telegrafie, bestehend aus einem Apparathaus und Wem 40 Meter hohen Mast ausgerüstet. Es soll Bor- ßrge getroffen werden, daß mit dem Luftschiff noch auf E)rere 100 Kilometer Entfernung die Verbindung aus- Mt erhalten blecht. Wie verlautet wird der Lanz-Schütte Gallon zur Brüsseler Weltausstellung dorthin übergeführt ? s hu den großen Wettfahrten teilnehmen. Es ist selbst- M, brständlich, haß den ersten Probefahrten allgemeines Jn- entgegengebracht wird. Tr. Karl Lanz und Pro- Bkk Schütte werden das Wunderwerk moderner Technik eher dem Luftmeer anvertrauen, als bis alle Ein-

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Wirkung der ersten Explosion.

Die dritte Explosion.

zelheiten auf das sorgfältigste erprobt und das Ganze vol­lendet dasteht.

Gerichtssaal.

Stuttgart, 21. März. (Oberlandesgerich-t). Der Simplizissimus" wird bekanntlich- in Stuttgart ge­druckt, von wo aus in der Hauptsache auch die Versendung vorgenommen wird. Als Ausgabeort, an dessen Polizei­behörde das Pflicht-Exemplar abzuliefern ist, sieht der Verlag München an, von wo aus die Expehition geleitet wird, und er weigert sich ein Pflichtexemplar an die Stadtdirektion Stuttgart abzuliefern. Das Schöffengericht verurteilte nun den Geschäftsführer des Kimplizissimus-- Verlag, Dr. Geheeb, unter Ausrechterhaltung eines po­lizeilichen Strafbefehls wegen Uebertretung des Z 9 des' Preßgesetzes zu 10 Mark Geldstrafe. Das Schöffenge­richt stellte sich auf den Standpunkt, daß Stuttgart der Ausgabeort sei. Diesen Standpunkt nahm auch die Straf­kammer ein und verwarf die von dem Angeklagten ein­gelegte Berufung. Gegen das Urteil der Strafkammer wurde vom Verteidiger des Angeklagten Revision einge­legt, die heute vor dem Oberlandesgericht zur Verhand­lung kam. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsan­walt Haußmann, lehnte zu Beginn der Verhandlung den Beisitzer des Strafsenats, Oberland-es'gerichtsrat Dr. v. Kiene, wegen Besorgnis der Befangenheit ab und be­gründete das Ablehnungsgesuch mit der Stellungnahme des Oberlandesgerichtsrats' v. Kiene gegen den Simplizissi- mus in der Sitzung der Abgeordnetenkammer vom 9. Februar 1909. Oberlandesgerichtsrat Dr. v. Kiene er­klärte sich als nicht befangen, auch das Gericht war der Ansicht, daß eine Besorgnis der Befangenheit nicht vor­liege. Die Revision wurde verworfen.

Vermischtes.

Das Recht auf die Straße. Es wird uns geschrie­ben: Außer dem politischen Recht auf die Straße, von dem in der letzten Zeit so viel die Rede ist, gibt es auch ein persönliches Recht auf die Straße, bei Hessen Wahrung die. Polizei aber nicht so scharf vorgeht, wie gegen politische Straßendemonstran­ten. Dieses persönliche Recht auf die Straße, das je­dem Bürger zusteht, wird immer mehr eingeschränkt durch die Zunahme von schnellfahrenden Fuhr­werken aller Art, mit Pferde-, Mens chen- und Maschinenbetrieb. Jeder, der ein Fuhrwerk unter sich hat, und sei es auch nur ein Fahrrad, sieht mit einer gewissen Ueberhebung auf den Fußgänger herab, und ist sehr ungehalten, wenn irgend ein Fußgänger nicht den nötigen Respekt vor dem Beräderten hat. Na­türlich schätzen sich auch die Beräderten wieder gegen­seitig verschieden ein. Die unterste Stuft bilden die Radfahrer, dann kommen die Motorradfahrer, dann die Rosselenker aller Art und schließlich der König der Mo­bile, das Automobil. Ihm soll alles aus dem Weg gehen, was dal kreucht und fleucht, sonst gibts ein Mal­heur. Und doch ist nicht einzusehen, warum auf der Straße eine Klasseneinteilung herrschen soll, die beispielsweise beim Wahlrecht so sehr bekämpft wird. Kann man wirklich auf die Dauer die Fiktion aufrecht erhalten, daß jeder Ber äderte aus der Straße das Recht haben soll, so schnell als möglich daher­zusausen? Das ist eine unberechtigte Herrschaft der wirtschaftlich Stärkeren, die aber auch die wenigeren sind, über die große Masse der wirtschaftlich Schwächeren. Könnte man demgegenüber nicht auch in Vertretung der Rechte der Fußgänger, hie doch immer noch die über­große Mehrheit der Straßenfrequentanten sind, mit vollem Recht die Forderung des gleichen Rechtes für alle ausher Straße aufstellen?

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Peary ... ein Schwindler ?

Nach der großen Blamage mit dem falschen Nvrd- polentdecker Dr. Cook brach die Begeisterung für Peary umso stärker hervor und er ist bis jetzt in zahllosen Ban­ketten beinahe in allen Städten der Vereinigten Staaten als unsterblicher Mitbürger gebührend gefeiert worden. Zahllose wissenschaftliche Vereine auf der ganzen Welt haben ihn znm Ehrenmitglied ernannt, doch vergebens wartet man, daß der große Mann endlich die greifbaren Belege für seine Entdeckung in Form wissenschaftlicher Notizen und Tagebuchauszeichnungen sowie ausführliche

Schilderungen bringen werde. Bisher ist nichts dergleichen geschehen. Wie ein Newyorker Blatt vor wenigen Tagen mit sehr eindeutiger Ironie schrieb,hat Peary seine Tätigkeit bescheidenerweise nur darauf beschränkt, seinen Gegner Cook als einen Schwindler und sich als den al­leinigen Entdecker des Nordpols zu bezeichnen. Es wäre an der Zeit, diese Behauptung ein wenig zu beweisen." Tatsächlich hat seit einigen Wochen in ganz Nordamerika die Stimmung für Peary in bedenklicherweife umgeschlagen und so begeistert man früher für ihn war, so sehr ent­täuscht ist man jetzt, ja, es beginnt sich bereits eine Art Entrüstung gegen den Kapitän zu regen, der sich darauf beschränkt, sein Werk Wer seine Nordpolsahrt, wie er erklärt, in sehr ausführlicher Weise zu schreiben, der aber bisher strikte verweigert hat, einer wissenschaft­lichen Kommission seine Papiere aüszuliesern. Der Un­terausschuß des amerikanischen Marinekomitees', welcher mit der Untersuchung der Ergebnisse dieser Forschungs­reise betraut wurde, hat bisher noch nicht das geringste Material erhalten und der Vorsitzende dieser Körperschaft, dem insbesondere die Zeitungsredaktionen hart zusetzten, damit endlich etwas Authentisches über die Nordpolent­deckung publiziert werden' könne, hat sich vor kurzem öf­fentlich dahin geäußert, daß das Märinekomitee nicht in der Lage sei, vorläufig die Beobachtungen Pearys am Nordpol irgendwie wissenschaftlich zu klassifizieren, da die ihnen vorliegenden Notizen allerdings Messungen und Observationen enthielten, aber nur bis zu einer Strecke von 89 Grad, 6 Minuten nördlicher Breite. Wie Peary der Kommission mitteilte, müsse er die weiteren Notizen, welche die Beobachtungen auf dem weiteren Wege bis zum Pole enthielten, noch genauer ordnen, ehe er sie überreichen könne, aber diese Ausflucht gebrauche Peary bereits seit längerer als zwei Monate und der Verdacht ist nicht abzuweisen, daß solche Notizen überhaupt nicht existieren. U. a. ist einer der wärmsten Anhänger des Ka­pitäns dev Milliardär Carnegie, der Peary wiederholt bei sich empfangen hat, von ihm abgefallen, nachdem er sich' durch Provessor Hargrave von dem Marinekomitee hat Vortrag halten lassen. Aus den Worten Pros. Hargrave's, die auch in den Newyorker Blättern publiziert werden, geht hervor, daß man, so bedauerlich dies auch sei, Peary nicht mehr ernst nehmen könne. Jeder große Forscher hat ohne weiteres binnen kurzer Frist nach der Rückkehr die Aufzeichnungen über seine Forschungsergebnisse so­gleich einer wissenschaftlichen Kommission vorgelegt. Die Unterlassung dieses alten gelehrten Brauches kann nur auf den Mängel solcher Aufzeichnungen zurückzuführen sein.

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Ein vorsichtiger Mecklenburger.

Eine niedliche Geschichte wird uns aus einem meck­lenburgischen Torfe erzählt. -Im Schulhause klopft es an die Tür der untersten Knaben kl affe. Dev Lehrer öffnet und erblickt einen Knirps, der auf die Frag« des Lehrers, was er wolle, mit wichtiger Miene ver­sichert, daß er Ostern beim Lehrer in die Schule komme, vorher aber dem Unterricht einmal beiwohnen möchte. Lächelnd weist der Lehrer ihm einen Platz an, und mäus­chenstill verharrt der Kleine bis zum Schluß des Un­terrichts. Beim Verlassen des Schulzimmers aber äußert er auf die Frage des Lehrers, wie es ihm gefallen habe r Na, mit dat Scholl gähn, dat war 'k mi irst »voll noch äwcrleggn!

Handel und Volkswirtschaft.

Von der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für den württ. Reckarkreis.

Nach dem soeben ausgegebenen vorläufigen Geschäftsbericht für das Jahr 1939 betragen die im verflossenen Jahre aus­gezahlten Unfallentschädigungen 655 5dl Mk. 27 Pfg. gegenüber dem Borjahr mehr 46 809 Mk. 53 Pfg. Der Stand des Re­servefonds belief sich am 3l. Dezember 1909 auf 734 713 Mk. 10 Pfg. Unfallanzeigen sind eingelanfen: 2276. Von, diesen wurden bis jetzt entschädigt 1444 Fälle und zwar: Be- triebsunternehmer 813, Familienangehörige 394, Dienstboten und Arbeiter 237, zusammen 1444 Personen. In 85 Vorstandssitz- nngen wurden 4289 Bescheide erlassen, also kamen durchschnittlich in einer Sitzung 123 Fälle zur Behandlung. Die Folge der Ver­letzungen war: Tod in 42, völlige, dauernde Erwerbsunfähigkeit in 2, teilweise dauernde Erwerbsunfähigkeit in 266 und vor­übergehende Erwerbsunfähigkeit in 1134, zus. 1444 Fällen. Beim Schiedsgericht wurden anhängig: Berufungen von Verletzten 308 Fälle, Anträge der Berufsgenossenschaften oder der Verletzten 133 Fälle, zus. 441 Fälle. Beim Reichs-- und Landesversichernngs- amt wurden anhängig zusammen ca. 27 Rekurse.

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