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Erzähler vom Ächwarzwald.
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Amtsblatt für dle Ltadt Wildbad.
Verkündigungsblatt
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»7. Jahrs
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Samstag, den ». Februar 1 SL«.
Wie die Konservativen den Staat bauen.
Wenn jetzt bei uns die Redner von: Herrenbund hinausgehen auf das Land, dann reden sie von den Entartungen eines militärischen Systems, das sie mit seinen Ofsizierspensionierungen und Paradegeschichten einer scharfen Kritik unterziehen und dann erklären, für „derartige Mätzchen" habe man bei uns kein Geld. Nun ist es ein widriges Geschick, daß gerade einer der ihren; Herr von Old enbu r g-J an uscha u, in einer ernsten Debatte über Fragen der militärischen Sparsamkeit mit frivolem Spott eingriff und einen militärischen Geist herauskehrte, der jedem Volksempfinden Hohn spricht. Wir sind bemüht, in Versammlungen und "in geschriebenem Wort, das Verständnis des Volkes für das notwendige, auf dem Gebiete militärischer Sicherstellung zu wecken. Und weil die Agitatoren des Bundes der Landwirte genau wissen, wie kritisch man im allgemeinen diesen Fragen gegenübersteht und wie schwer man an diesen Lasten trägt, müssen auch sie sich den Verhältnissen fügen. In den meisten Fällen wird es sogar ehrliche Entrüstung sein bei ihnen, wenn sie mit gegen die Auswüchse kämpfen. Nun kommt aber einer der Gewaltigen im Bunde der Landwirte und zeigt, wie die über solche Dinge denken, die in diesen: Bunde die Macht haben. Das ist wieder ein schlagender Beweis für die Unmöglichkeit, eine Volkspolitik zu machen im Schlepptau einer Partei, deren einflußreichste Führer auf dieses Volk überhaupt pfeifen. Denn wenn man schon dem Parlament — den gewählten Vertretern des Volkes gegenüber, einen so brutalen Absolutismus gegenüberstellt und diese ganze Einrichtung für nichts hält, mit wie viel mehr Geringschätzung muß man da noch „dem Volk" gegenüberstehen, das hinter diesem Parlament steht.
Das Verhängnisvolle und das was jeden ernsten Volksgenossen besonders angeht, liegt nun aber in der großen moralischen Schädignn g, die der Staatsgedanke durch solche Vorkommnisse erfährt. Gewiß, wer wie die Führer Vom Bunde der Landwirte — auch die württembergischen — Verfassungsfragen kurzerhand als Doktorsragen wertet, die den Bauern gleichgültig seien, der macht sich wenig daraus. Nur übersehen diese Herren, was für eine Mutlosigkeit dem Staate gegenüber in wei
ten Kreisen des Volkes vorhanden ist, die eben aus dem Gefühl der eigenen Ohnmacht gegen die politischen Machthaber herausgewachsen ist. Man kann ein Wirtschafts- Volt wie das deutsche, dem man bis in's einzelnste Glied ein vollgerüttelt Maß wirtschaftlicher Verantwortlichkeit auferlegt hat und noch mehr auferlegen muß, nicht mehr behandeln wie vor 100 Jahren. Wo man eigenes Streben, eigene Initiative verlangt bis in's letzte Dorf und Bauernhaus hinein — und jede neue steuerliche Belastung des Volkes setzt das doch stillschweigend voraus — da muß. das Verhältnis des einzelnen zu der Gesamtheit und zum Staat notwendigerweise ein anderes sein und immer mehr noch werden, als zur Zeit der Haus- und Stadtwirt- schast. Und das ist das größte Versäumnis konservativ- bündlerischer Politik, daß sie diesen Umschwung des Denkens nicht nur nicht gefördert hat, sondern ihm hindernd überall im Wege gestanden ist. Daß aber diese ganze Zeit überhaupt so ohne jede Einwirkung an denen um Oldenburg vorbeigegangen wäre, das konnte man anständigerweise nicht ohne weiteres annehmen. Nun stellen sie sich aber alle in eine Front und erklären, was das deutsche Volk an Opfern bringt für die militärischen Ausgaben, ist ausgegeben für ein Werkzeug zum persönlichen Gebrauch des Königs und Kaisers. Das wagt man knapp ein Jahr nach dem das deutsche Wirtschaftsvolk sich mit dem Kaiser darüber auseinandersetzte, daß «in Volk von 63 Millionen um seiner wirtschaftlichen Existenzsicherheit willen nicht von einem Einzelwillen sich abhängig wachen könne. Und es ist wahrhaftig ein schlechter Dienst gewesen, den Herr von Oldenburg den: Kaiser damit geleistet hat, daß er ihm auch nur in Gedanken eine solche Möglichkeit zutraute, geschweige denn es noch offen auszusprechen wagte. So malt man etwas Gespenster an die Wand, die in einer Volksstimmung, wie sie augenblicklich ohnedem herrscht, ihre Wirkung haben müssen.
Hunderttausende von Menschen fühlen sich in dem Gewoge unserer wirtschaftlichen Entwicklung so schon auf einem sehr unsicheren Boden. Sie sehen sich allen möglichen Einwirkungen ausgesetzt, auf die sie keinen Einfluß haben. Diese Stimmung findet man in Handwerker-, und bäuerlichen Kreisen genau so, loie in Arbeiterkreisen. Das rocht« Vertrauensverhältnis zu der nationalen und wirtschaftlichen Gemeinschaft an die man gLbundeu ist, fehlt weil man deren innere Gesetzmäßigkeit und Entwicklungsrichtung zu wenig kennt und kontrollieren kann und demzufolge auch zu wenig glaubt beeinflussen zu können. Nach
der Seite könnte und kann alles, was mit Wahlrecht, Verfassung und staatsbürgerlichen Rechten zusammenhängt nur von größtem Nutzen sein. Umsomehr als inan die inneren Voraussetzungen immer mehr zu schaffen sucht bei dem einzelnen Menschen. Wie leuchten die Augen manches tüchtigen und fleißigen Mannes, wenn man ihm zeigt, wie auf 'diesem Wege seine Bedenken, seine Hoffnungen und Wünsche, zusammen mit denen gleichgestimmter Mitbürger auch an den entscheidenden Stellen zur Geltirng kommen kann. Das Leben so manches abseits der großen Heerstraße stehenden hat auf solche Weise Inhalt und Bedeutung über seine kleine,: Schranken hinaus erhalten. Es gab uns Mut und Freude zur Arbeit und fügte Stein um Stein zun: festen Fundament eines in sich geschlossenen Volksstaates. Nun kommt einer und reißt mit frevlem Spott das alles wieder nieder, tvas sich so allmählich aufbaute als Grundmauern „Neudeutschlands." Und es nennt sich staatserhaltende Politik die so wirkt. Nicht genug, daß man jetzt mit einer falschen Mehrheit hinter der nur 4hs Millionen Wähler standen, diese Finanzreform machte, die von den Vertretern 8bn über 7 Millionen verworfen wurde. Man spielt nun auch noch ein unverantwortliches Spiel mit dem Gedanken, als ob von der militärischen Macht immer Gefahr drohe, einen unbequemen Reichstag zu verjagen. Damit nimmt man denen, die sich von einer anderen Wahlkreiseinteilung und von einer anderen politischen Gesinnung eine gerechtere und sozial versöhnender« Politik versprecht, ja letzte,: Endes den Glauben an die Rechtsgrundlagen unseres Staates überhaupt. Das alles nun hintendrein als harmlosen Scherz hinzustellen, verfängt bei ernsthaften Menschen nicht. Man muß es vielmehr als einen weiteren Beweis dafür ansprechen, daß der Radikalismus von rechts mindestens ebenso unfähig ist, den Staat zu bauen, wie der von links. Das ist es auch!, was das sich in die Hände arbeiten dieser beiden Richtungen so gefährlich macht. Die Herren singens zwar oft, aber sie vergesflns auch, immer wieder: Nicht Roß, nicht Reißige, Sichern die steile Höh' da Fürsten stch'n. — Das ist mit zwingender Deutlichkeit klar geworden: eine Staatsaufsassung und Volksbewertung wie sie Oldenburg-Januschau verkörpert, ist nicht in der Lage, eine ruhige Entwicklung unseres Volkes zu bringen. Wer dies für den Staat will, muß. von den patentierten Staatsstützen sich lossagen und auf 'die Seite derer treten, die im Staat nichts sehen als die äußere Organisation des Volkes, berufen, auf der Grundlage der
Wer den Tag zu seinem Götzen macht, über den geht der Tag hinweg. Ludwig ^ulda.
Willst du Richter sein?
13) Roman von Maximilian Böttcher.
(Fortsetzung)
„Ja . . . und ich will nur hoffen, daß deine Unschuld nun doch noch ans Tageslicht kommt durch das Buch, das du geschrieben haben sollst, wie die Leute sagen."
„Meine Unschuld wird an den Tag kommen", antwortete Gottfried und sah mit seinen großen Hellen Augen fest und klar in Plathes gedunsenes Vollmondsgesicht.
„Wovon ich also nur: mit dir reden wollte, inein Sohn! Deinen Wald und dein Heideland an der Zer- litzer Grenze zu verkaufen, hättest du wohl keine Lust?" Dabei setzte er sich so nahe vor Gottfried hin, daß sein gewaltiger Schm erb auch! fast auf dessen Knie zu liegen kam.
„Niemals!" stieß Gottfried heraus, und in seine Stirn empor schlug das Blut wie eine rote Flamme.
Plathe klopfte ihm mit der fetten Hand auf den Oberschenkel.
„Ich weiß ja, wie ähr Reinhardts seid. Eh' ihr einen Morgen von eurem angestammten Grund und Boden weggeht, eher beißt ihr euch den kleinen Finger ab. Und, wie gesagt, das freut mich — das freut mich! von dir, mein Sohn!"
„Hm . . . und weshalb? Weshalb fragen Sie mich, ob ich . . . ?"
„Ja, sieh mal, mein Sohn . . . die Sache ist nämlich die!"
Und mit selbstgefälliger Umständlichkeit führte Plathe aus: Berlin hätte Friese den Auftrag erteilt, um der zwischen dem Rodenauer See und den Zerlitzer Rieselfeldern gelegenen Feldmark soviel wie möglich an sich zu bringen. Ihm, Plathe, aber läge daran, „dem heim
tückischen Schleicher" einen Strich durch die Rechnung zu machen; denn Rodenau solle dank seiner glänzenden landschaftlichen Lage wohl mal Villenkolonie oder Gartenstadt, niemals aber „Dunggrube für Berlin" werden. Und da hätte er denn einen Schutzverband ins Leben gerufen, dessen Mitglieder sich bündig verpflichten müßten, keine handbreit Land mehr zu Rieselzwecken an Friese abzugeben . . .
Mit seinem breiten, wiegenden Schritt ging er zum Schreibtisch und suchte aus dem Geheimfach'ein Schriftstück hervor.
„Hier Hab' ich durch meinen Sekretär, den Lehrer, einen Vertrag entwerfen lassen. Ich und Brückner und dein Nachbar Seeger haben ihn schon unterschrieben. Und den Schneidemüller Gräbert krieg' ich trotz unserer Feindschaft auch noch rum. Bor allem aber liegt mir daran, deinen Namen Mter dem Vertrag zu haben. Hier ..." Er hatte die Feder eingetaucht und legte sie nun zusammen mit .dem Schriftstück vor Gottfried hin . . . „lies dir den Vertrag durch und unterschreibe."
„Das wird nicht nötig sein," entgegnete Gottfried. „Wenn ich Ihnen verspreche, daß ich mein Land an der Zerlitzer Grenze ebenso fest in Händen halten werde wie das andere Land auch, so ist das ebensogut, als wenn ich's Ihnen noch extra schriftlich gebe."
„Gewiß, das weiß ich, mein Sohn! Es ist auch nicht meinetwegen. Es ist blos Gräberts wegen, damit er sieht, daß wir nns schon alle einig sind. Mach', mach'! Lies.dir die paar Zeilen durch und setze deinen Namen drunter. Wir müssen durchaus unsere Heimat vor Versuchung schützen. Ich läß mir nämlich nicht aus- reden, daß auf den Rieselfeldern doch noch eines Tages die Pest ausbrechen wird. Und ich Hab' mich schon genug geärgert, daß ich mich damals in meiner Dummheit Hab' breitschlagen lassen, hundertsünfzig Morgen von meinem Zerlitzer Land zu verkaufen."
Gottfried hatte das Empfinden, daß er in dieses Mannes Schuld stände, diesen: Manne irgendwie verpflichtet wäre. So nahm er die Feder, überflog das Schriftstück, las mit .abwesenden Gedanken etwas von Zweckverband, Verpflegung, Billenkolonie und Konven
tionalstrafe von tausend Mark und schrieb mit seinen großen, starken Schristzügen seinen Namen dicht unter den steif und gleichsam ängstlich hingekritzelten des Kossäthen Seeger.
„Na ja . . . du bist ein alter Deutscher, du weißt, was du deiner Heimat schuldig bist," sagte Plathe, nahm ihm das Papier ab, drückte den Löscher daraus und legte es wieder in das Geheimfach. „Und wgs wir hier gesprochen haben, bleibt natürlich unter uns."
Gottfried saß still und dachte: Nun kommt er zu dirl und Erna! Aber der Gemeindevorsteher half sich über die entstandene Gesprächspause zunächst mit dem Trinken zweier weiterer Liköre hinweg und sagte dann ein wenig kühler als vorher:
„Ja, mein Sohn, das wäre nun das gewesen, was ich mit dir zu reden hatte. -Oder hast du gegen mich auch was aus 'm Herzen?"
Gottfried stand mit einem tiefen Atemzug auf.
„Das Hab' ich allerdings."
„Hm . . . das wäre?"
„Sie singen vorhin selbst davon an, daß Erua und ich mal Brautleute waren — sozusagen" . . .
„Hm" . . . Plathe zog seinen schweren goldenen Chronometer unter der Sammetjoppe hervor, ließ den Deckel springen und sah nach der Zeit.
„Ich denke nicht daran, mich Erna aufdrängen zu wollen," fuhr Gottfried fort. „Nur ich meinte: Wort ist Wort, und was der Mensch versprochen hat, das soll er halten!"
„Na, was das anbelangt," — Plathe lächelte geringschätzig — „so kann man »das wohl nicht immer so genau nehmen. Ihr wart damals beide noch halbe Kinder. Und wenn das auch nicht dazwischengekommen wäre, daß sie dich ins Zuchthaus gesperrt hätten, und daß du nun noch fünf Jahre lang 'rumlausen mußt als einer, dem die bürgerlichen Ehrenrechte abgesprochen sind, und wenn du auch nicht so wacklig auf deiner Wirtschaft säßest, wie du doch nun mal sitzest ... so würde ich meine Tochter auch dann nicht zwingen, dir das gegebene Wort zu halten."
(Fortsetzung folgt.)