Württemberg.

Dienstnachrichten.

Dem Professur Dr. Sa PP er an der philosophischen Fa­kultät der Universität Tübingen iit die nachgesuchte Dienstent­lassung bewilligt worden. Am 21. Januar ist von der evange­lischen Oberschnlbehörde die Schulstelle in Eckartshausein Bez. Hall, dem dortigen Schulamtsverweier Christian Frey 7 in Metterzimmern, Bez. Bönnigheim, dem Schulvikar Hermann Ott in Cannstatt, in Herrenzimmern, Bez. Vorbachzimmern (Mergent­heim), dem Unterlehrer C. W e i n b r en n e r in Herrenberg über- tragen u. die seitens des Fürsten zu Hohcnlohe-Oehringen erfolgte patronatifche Nomination des Schnlamtsverwesers Albert VölI m in Dörrenzimmern, Bez. KnnzelSan, aus die dortige Schul- stclle bestätigt worden.

Der Landesverband liberaler Vereine hat ge­stern in einer .Versammlung in Stuttgart Stellung zur linksliberalen Einigung genommen. Als Ergeb­nis der Verhandlungen wurde folgende Resolution bekannt gegeben:Tie von fast allen Vereinen beschickte Telegiertenversammlung des liberalen Landesverbandes hat einstimmig beschlossen, in Verhandlungen zur Verschmelzung mit der neuen Deutschen Fortschrittspartei cinzutreten." Ejue zu diesem Zweck gebildete K 0 m m i s- s i 0 n wird die Verhandlungen mit der neuen Partei füh­ren. Ihre Arbeit soll nach der Richtung gehen, daß ver­sucht wird, die Eigenart des Landesverbands der liberalen Vereine in der neuen Organisation zu wahren.

Entlassung von Eisenbahnunterbeamten ? Als eine ivcitere Folge der -Güterwagengemeinschast Und der Vereinfachungen in: Bereich der Menbahnverwaltung ist es zu betrachten, daß. neuerdings eine Anzahl BahnHof­au ss eh er ans mittleren Stationen aufgefordert worden sind, sich um andere Stellen zu bewerben, da, wegen der durch die Güterwagengemeinschast herbeigeführten Verein­fachungen des Rangiergeschäftes, ihre seitherigen Stellen entbehrlich werden. Von anderer Seite wird gemeldet, daß die Staatsverwaltung beabsichtige, die Fahr per­sonal kategor ic der Wagenw arten, deren cs ca. 320 im ganzen Land und etwa 75 in Stuttgart gibt, auf­zuheben. Hiezu erfahren wir von wohlunterrichteter Seite, daß ein diesbezüglicher Beschluß noch nicht gefaßt ist. Ein Antrag wurde seitens der Generaldirektion der Staats- cisenbahnen beim Ministerium allerdings gestellt, doch hat dieses bisher eine Antwort noch nicht erteilt.

Einen interessanten Einblick in die Lchulzu- stände Württembergs gewähren die derzeitigen Ver­hältnisse im Bezirk Brackenhermi In Häfnerhaslach muß ein jetzt über 70 Jahre alter Lehrer fest Jahrzehnten beide Schulklassen versehen. In Ochsenbach hat ein kränk­licher Lehrer schon jahrelang 120 Kinder aller Jahresklas­sen zu unterrichten, während in dem nur 1 Kilometer ent­fernten Filial ein Lehrer-Schultheiß, samt einem Hilfs­lehrer sich mit wenig über 20 Kindern abmühen. Dazu gibt der Staat zu dem Gehalt des Hilfslehrers einen ganz bedeutenden Beitrag. Dabei ist die Muttergemeinde längst bestrebt, die Kinder des Filials mit ihren beiden Klassen zu vereinigen, aber ohne Erfolg. Der llnterlehrer von Zaberfeld mußte eine Schulklasse von Brackenheim (Ent­fernung 10 Km.) neben seiner eigenen Klasse versehen. In Botenheim unterrichtet die Frau des dortigen Schulleh­rers, der selbst mit der ganzen Oberllasse vollauf beschäftigt ist, schon jahrelang die schwere Unterklasse. In Nord­heim hatte im Sommer ein ständiger Lehrer in 40stündi- gem Unterricht 2 Schulklassen (2. und 3., 6. und 7. Schuljahr) mit 180 Kindern wochenlang zu unterrichten. Die Unterlehrersklasse in Dürrenzimmern wird teils vom Ortsgeistlichen, teils von einem benachbarten Unterleh­rer versehen. Niederhofen und Mafsenbach haben mei­stens nur einen ständigen Lehrer, welcher dann seine .Kraft in die vorhandenen 2 Klassen zu teilen hat. Auf­fallend ist, meint dasLehrerheim", daß derartige Zu­stände im benachbarten Heilbrunner Bezirk, wo­selbst ein Schulrat an der Deichsel des Schnlwagens steht, nicht vorhanden sind. *

Die Schulden der wnrttembergischen Städte. Nach meiner Rundfrage der Zentralstelle des Deutschen Städtetages hatten im Jahre 1906 30 deutsche Groß­städte bei zusammen 9,2 Millionen Einwohnern und 2,3 Millionen Passiven ein Aktivvermögenvon 4103 M ill i 0 n en M a rk. Diesem Aktivvermögen standen im Jahre 1907 rund 1100 Millionen Obligations­schulden gegenüber. Insgesamt war. also der Vermögensstand der 30 größten Städte Deutschlands nahe­zu 3,8 mal so groß als ihr Schuldenbesitz. Auch in Würt­temberg ist das Vermögen der Städte ein erheblich grö­ßeres, als die Summe ihrer Passiva. Das ganze Aktiv­vermögen Stuttgarts betrug am 31. März 1909: 143 404 000 ,M, während sich die Passiva auf 75 672 700 Mark beliefen. Somit umfaßte das .Reinvermögen der schwäb. Residenz zur genannten Zeit nicht weniger als 67 731300 M. Mit solchen erheblichen Zahlen können nun allerdings Heilbronn und Ulm nicht auswarten, doch sind sie auch hier noch groß, genug. Die Schulden Heil - bronns betrugen zu Anfang vor. Js. 10 900 000 M., Ulms sogar 12 Millionen M. Bei Ulm stand den Schul­den ein Gesamtvermögen von 43100 000 M gegenüber, so daß sich für die Tonaustadt ein reiner Vermögensüber­schuß von über 31 Millionen Mark ergab. Eßlingen wies im vergangenen Jahr 6 Millionen Mark Schul­den auf; Reutlingen 4 200 000 M Schulden bei einem Vermögensstand von 9 675800 M. Besonders erheblich gegenüber dem Vermögen in der Höhe von 5390 000 M ist die Anleiheschuld Gmünds mit 4469500 Mark. Doch kann man sagen, daß die größeren württembergischen Städte durchweg sich einer sehr vorsichtigen Finanzpolitik befleißigen und sich bemühen, die Passiva gegenüber den Akciva nicht allzu hoch anwachsen zu lassen. Hierfür sorgt auch zu einem guten Teil die Regierung, die allerdings wie­derum durch ihre Forderungen nicht selten dazu beiträgt, daß die Städte ihre Lasten und Schulden immer mehr und mehr in die Höhe schrauben müssen.

Stuttgart, 22. Jan. Eine für Grund- und Ge­ländebesitzer wichtige Entscheidung fällte der Verwalt­ungsgerichtshof. Ein Geländebesitzer ließ über die Vergrößerung seines Wohnhauses durch einen Anbau eine

Meßnrknnde von einem Privatgeometer unfertigen. Tie Gemeindeverwaltung forderte daraufhin die Vorlage einer neuen Meßurkunde, die durch den für die Gemeinde be­stellten Ka t ast e r g e 0 m et e r angefertigt sein müsse. Die Beschwerde des Geländebesitzers wurde vom Steuerkol- legung und vom Finanzministerium abgewiesen. Die da­gegen eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom Derwalt- ungsgerichtshvf gleichfalls iverworfen, da die Kand- risse und Weßnrkunden, wenn ihnen für Erhaltung der Flurkarten und Primärkataster amtliche Geltung zuko-m- men soll, nicht von jedem Feldmesser nach freier Wahl der beteiligten Grundeigentümer, sondern ausschließlich nur von dem für den Gcmeindebezirk zur Behandlung der Ka­tastervermessungsgeschäfte aus der Zahl der geprüften und verpflichteten Geometer bestellten Katastcrgcometer herge­stellt werden dürfen.

Stuttgart, 22. Januar. Die Eisenbahu- li e trieb s kranken kasse Stuttgart schließt das ver­gangene Jahr mit einem voraussichtlichen Defizit von rund 60 000 M ab. Die Ursachen dieses Aufsehen er­regenden Ausfalls sind der Hauptsache nach in dem am 1. Januar 1909 in Kraft getretenen 'Arztvertrag zu su­chen. Im alten Vertrag mußten sich die Aerzte mit ei­ner Pauschalsumme abfinden, während im neuen Arzt- Vertrag nach Einzelleistnng bezahlt werden muß, wozu allerdings der Kasse eine Vergünstigung von 20 Prozent Rabatt zusteht. Nach den Vorschlägen des Kassenborstan­des soll aber das Defizit schon im laufenden Jahr seine Deckung finden.

Stuttgart, 22. Januar. Das Krematorium erfreut sich stets wachsenden Interesses. Es mußte des­halb im vergangenen Jahr ftir Berbrennungszwecke ein zweiter Ofen erstellt werden. Vom Tag der Eröffnung (6. April 1907) bis 31. Dezember 07 wurden 135 Ver­brennungen vorgenommen, im Jahr 1908: 245 und im Jahre 1909 : 296 Verbrennungen. Durchschnittlich wur­den also monatlich im Jahr 1907: 15,2 1908 20,4 und 1909 : 24,65 Leichen verbrannt. Gegenwärtig sind bei der Friedhofverwaltnng 4 629 Feuerbestattungsansrd- nungen verwahrt.

Stuttgart, 22. Januar. Ter Stuttgarter Wirts verein hat in seiner letzten 'Ausschußsitzung be­schlossen, mit dem neuen staatlichen Weinkontrolleur wegen der Kellerbnchkontrolle in Verbindung zu treten. Die Aussprache soll den Zweck haben, den Wirten über die Art und .Umfang der Kellerbuchkontrolle Aufklärung zu bringen.

KirchheilN, u. T., 23. Jan. Tie am 23. Dezember vollzogene Wahl eines Ortsvorstehers für Bissingen, bei des- der Kandidat Proß die meisten Stimmen erhielt, ist bekanntlich angefochten worden. Tie K. Kreisregiernng Ulm hat nunmehr die Wahl wegen Verbreitung unwahrer Tatsachen über das Vorleben des Gegenkandidaten, des Assistenten Ehrenfried für ungültig erklärt. Die Bürger­schaft wird daher in nächster Zeit einen zweiten Wahlkampf anszufechten haben.

NH und Fern.

Gerettet.

Tie sechs Bergleute, die vor 4 Tagen auf der Zeche Holland bei Wattenscheid verschüttet wurden, konn­ten am Samstag al le ledend> ans Tageslicht gebracht werden. Sie hatten zusammengepfercht in einem engen Raum 87 Stunden ohne Schlaf und Nahrung zuge­bracht. Alle befinden sich verhältnismäßig wohl, nur einer hat durch herabfallendes Gestein einen Armbruch erlitten.

Ein Erdbeben.

Straßburg i. E., 23. Jan. Gestern morgen 9.53 Uhr verzeichneten die Instrumente der kaiserl. Hauptstation für Erd­beben so rschung ein Fernbebcn, das nach der Größe der Bewegung ein außerordentlich starkes gewesen sein und unter Um­ständen großen Schaden angerichtet haben muß. Die zweite Phase des Bebens begann 9.57 Uhr. Die Entfernung des Erd­bebens von Straßburg betrügt 2600 Kilometer.

Darmstadt, 23. Jan. Wie die seismisch« Station Jugen­heim mitteilt, ist nach ihren Feststellungen der Herd des gestrigen starken Erdbebens im südlichen Teil von Island zu suchen, das schon mehrfach von Erdbeben heimgesucht worden ist. Die Entfernung beträgt etwa 2500 Kilometer. Das gestrige Erdbeben war so stark, daß die Zeiger am Seismograph wie­derholt an die Anschläger ansticßen.

Meine Nachrichten.

In Kornwestheim ertönte Samstag nacht um 10 Uhr Feuerlärm. Es brannte die Scheuer des Bauern Karl Steg­meier sen. ober dem Adler lichterloh und ergriff auch, das Wohnhaus, da beide im rechten Winkel zusammengebaut sind. Das Wohnhaus brannte nicht ganz ab, ist aber durch Wasser so beschädigt, daß es abgerissen werden muß. Bei der engen .Bauart des Viertels Mar es ein Glück, daß Windstille herrschte. Das Haus und die Scheuer des W. Floruß, sen. und I. Nop- pach waren ohnehin sehr gefährdet. Der Feuerwehr gelang cs, das Feuer am Wohnhaus zu löschen und die Nachbarge­bäude, besonders Haus und Scheuer des Floruß und Nvppach zu schützen. Vieh und Fahrnis konnten gerettet werden, aber die Scheuer mit Feldfrüchten brannte ganz ab. Brandstiftung wird vermutet und -ein Fremder wurde verhaftet. Seit 1898 hat es hier nicht mehr gebrannt.

Ans Cannstatt wird berichtet: Das zurnckebbende Wasser entwickelte sich nachträglich zu einer Kalamität für eine große Anzahl hiesiger Hänserbesitzer. Wie man er­fährt, trat die merkwürdige Erscheinung zu Tage, daß während des Hochwassers und am Tage hernach manch« Keller vom Wassereinbrnch völlig verschont wurden und erst am Freitag plötzlich das Wasser eindrang. Man schreibt diesen Zustand mit seinen unangenehmen Folgen der Kanalisation zu. Das städt. Elektrizitätswerk ans dem Mühlgrün ist für die Zeit, da die Turbinen infolge Hochwassers stillstehen, wie das Untertürkhci- mer Werk, mit Dampfmaschinen ausgerüstet und konnte daher den Strom weiter liefern. Nur die Turbinen waren ungefähr 24 Stunden außer Betrieb. An dem Rechen der Schleuse war durch das Hochwasser ein kleiner Defekt entstanden, der bald beseitigt werden konnte. Die auf Hochtvasser gebaute Mühle stand wie beim letzten Hochwasser im Mai 1906 zwei Tage still.

In Lorch wird seit mehreren Tagen einer der geachtetsten und angesehensten Bürger, der Kaufmann August Finckh, ver­mißt. Er erfreute sich eines glücklichen Familienlebens und stand in den besten Verhältnissen. Verleumderische Ausstreuungen haben den leicht erregbaren Mann, der seine Ehrenhaftigkeit über alles hochhielt, so alteriert, daß er sich heimlich von hier entfernt hat und, wie man glaubt, mit Selbstmordgedanken nmherirrt. Seine Familie, die sich natürlich in größter Sorge

nur Leu Vermißten befindet, hat inzwischen die Unwahrheit d gegen ihn erhobenen Nachrede so überzeugend aufzuklüren d« mocht, daß Finckh, wenn er davon Kenntnis erhielte, sich zweis- los beruhigen und tzu den Seinen heimkehren würde. Die rvch sten Kreise Lorchs vereinigen sich mit ihnen in dem Wunsche, > ' der unglückliche Mann sobald als möglich Kenntnis von Grundlosigkeit seiner Aufregung erhalten möge.

In Frendenstadt brach in dem Speicher des dr,, stockigen Wohnhauses des Oberamtsstraßenmeisters Bern h a ein Brand aus, der leicht hätte gefährlich werden können. GlU lichcriveise wurde das Feuer bald bemerkt und durch das rastz Eingreifen der Bewohner und der Feuerwehr die Gefahr h, seitigt. Der Dachstock ist größtenteils abgebrannt. Die iibd gen Stockwerke erlitten durch die eingedrnngenen Wassermajsk, großen Schaden. Auch der Mobiliarschaden ist beträchtlich. Entstehnngsursache ist bis jetzt nicht bekannt.

In Obernau OA. Nottenburg wurde eine männlich Leichs ans Neckarufer gieschwemmt, die nach der den ganz« Körper überziehenden Fettwachsbildung schon m ehrere Iah« im Wasser gelegen sein muß. Man vermutet, daß cs jjz, um die Leiche des damals 22jährigen Bernhard Straub d« Schwalldorf 'handelt, der vor 8 Fahren auf mysteriöse Weiß spurlos verschwunden ist. Straub begab sich damals vvn Mei- ingen aus mit zwei Kameraden auf den Heimweg nach Schwal!- dorf, ist aber nie mehr nach Hause gekommen. Seine B». gleiter sagten aus, er sei hinter jhnen zurückgeblieben.

In der Junghansschen Fabrik in Schramberg stürzte der Arbeiter Emanuel SPringma n n infolge Umstürzens eine; Balkens vom Gerüst und tzrlitt einen Schädekbrnch, dem er nach einigen Stunden im Spital erlag, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben. Er war erst 43 Jahre alt und Hinterlist eine Familie von sieben Köpfen.

Auf dem Hauptbahnhof in München wurde einer Schloß, besitzerin ans der Umgegend eine Handtasche mit Juwelen m Werte von 30 000 M gestohlen. Vvn dem Täter fehlt jede Spur.

Die Gebäude ans dein Grundstück Danielstraße 103 in Ham. bürg, in denen große Kork- und Oelvorräte liegen, stehen i, Flammen. Sieben Züge der Feuerwehr beteiligen sich a« den Löscharbeiten.

Genchrssaal.

Die Streikuuruhen in Nerkarsulm vor Gericht.

Heilbronn, 22. Jan. In der Fortsetzung der Verhaut, lung wird zunächst der Zeuge Karl Schmidt vernommen. Er hat während des Ansstandes bei Spohn gearbeitet und sei an dem unruhigen Wend auch angehalten und mit Steinen beworfen worden. Auch sei er beschimpft worden, hat ab« niemand erkannt.

Karoline Löfsler ist an dem betreffenden Abend eben­falls sehr belästigt worden. Sie wurde geschlagen, an die Bretterwand geworfen und durch einen Steinwurf verletzt, so daß sie 4 Wochen brauchte zur Wiederherstellung ihrer Ge­sundheit. Erkannt hat sie aber wegen völliger Dunkelheit Nie­mand, schließt aber, daß die Ausschreitungen vorbereitet ge­wesen seien, denn man habe ihr schon am Tage vorher gedroht.

Babette Schweiger ist jeden Tag von Heilbronn nach Neckarsulm zu Spohn gefahren und ans dem Bahnhof verschie­dene Tage stark belästigt und mit Schimpfwörtern wieSau­mensch",Hur" beworfen worden. Am 20. Okt. wurde sie von 2 Frauenzimmern angehalten und an die Bretterwand geworfen. Am 21. morgens hat man ihr gedroht, sie solle sich nur in Acht nehmen, heute komme sie nicht mehr gesund heim. Vvu dem Krawall abends hat sie nichts zu leiden gehabt, muß aber schließlich an entscheidenden Stellen zugeben, daß sie sich besonders bezüglich des 22. Oktober nicht mehr genau erinnern und auch manche Angaben Vvn früher, namentlich bezüglich der Person des Angeklagten Blechatsch nicht mehr sicher aufrecht er­halten kann. Sie habe auch dem Landjäger schon bei dem ersten Verhaftungsversuch des Blechatsch gesagt, sie sei nicht sicher, man sollte ihn laufen lassen.

Friedrich Müßig will von Oster am Morgen des 22. Oktober beschimpft worden sein, als eine dreckige Bande rc., weil er während des Aufstandes zur Arbeit gegangen ist. Oster bestreitet dies, er habe im Gegenteil die übrigen, die bei ihm standen, zurückgehalten, den Müßig nicht zu belästigen.

Willi Keilbach gibt an, am Abend dieses Krawalls auch mit Steinen beworfen worden zu sein und sprach auf Grund der Mitteilungen seines kleinen Bruders Rudolf Keilbach die Vermutung aus, daß der Angeklagte Veith ihn geworfen habe. Auch Rudolf Keilbach will es nicht bestimmt behaupten, daß Veith geworfen habe. Dagegen will er gehört haben, daß dis Lehrlinge in den Fahrradwerken gesagt haben, sie wollten auch werfen.

Hubert Westerlin hat hei dem Lirawall gehört, daß Frau Emmerich rief: ach Gott mein Mann, daß weiter ge­rufen wurde: Revolver raus und hat an der Stimme ver­mutet, daß es Oster sei. Das sei ihm auch von der Mazurana bestätigt worden. Er habe auch gehört, wie einzelne Leute sagten, das war schön, so muß es kommen. Außerdem be­hauptet der Zeuge, er habe die Habicht gesehen, wie sie am Nachmittag ^auf Arbeitswillige geworfen habe. Das wird von letzterer bestritten.

Martin Denzel wolltezu seinem Mädchen" gehen und hat auf diesem Wege den Angeklagten Veith getroffen, aber nicht gesehen, daß dieser geworfen hätte.

Jakob Kopp von Obereisesheim wurde am'21. Oktober ans dem Hei.mweg von einer großen Schar junger Burschen angefallen und beschworen, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Er habe ursprünglich wieder zurück wollen in die Spohnsche Fabrik, sei aber schließlich im Vertrauen auf Gott doch weiter- gegangen. Er sei dann stark bedroht worden, man schlage ihm die Füße ab, wenn.er noch einmal in das Geschäft gehe.

Ein junger Bursche namens Kuhn hat im Auftrag eines Schädel eine Laterne ansgelöscht und gesehen, wie verschiedene Leute Steine gesammelt haben, aber nicht beobachtet, daß sie geworfen haben. Kuhn ist auch bei dem Haufen junger Leute gewesen, die Kopp belästigten.

Joseph Vogler hat auch gesehen, daß Schädel eine La­terne auslöschte und war mit unter dem Haufen, die sich hinter einer Böschung lagerten und den Kopp belästigten.

Recht eigentümlich gestaltete sich die Vernehmung von 3 inngen Arbeitern ans Obereisesheim, Fritz E g gier, Karl Schilling er und Ernst Sommer. Eppler sagte ans, Paß der Angeklagte Huber ihn belästigt und bedroht habe, .indem er zagte, wenn du morgen wieder zur Arbeit kommst dann krregst du Hiebe. Früher aber behauptete er, Huber hätte Totschlag gedroht. In gleiche Widersprüche verwickelten sich mcch die beiden andern, die früher auch von Totschlag bezw. Hieben redeten, die Huber angedroht haben soll und nun mgen, daß das ein Schulz gewesen sei. Ebenso verhalten sie ,ich mit Aussagen gegen die Anna Habicht und Marie Hoff- mann. Die erstere soll sie angehalten haben, die letztere mit emern stein geworfen haben. Zuerst war es 'ein Backstein­brocken, dan nur ein gewöhnlicher Stein. Schließlich aber hatten ,ie nur noch etwas fallen hören und können nicht mehr sagen-, wer und wie das geworfen wurde, ob mit der Hund geworfen oder mit dem Fuß. gestoßen. Und auf solche Belastungszeugen gründen srch manchmal recht schwerwiegende Anklagen. Nicht mrt Unrecht wurde hier wie auch an anderen Stellen vom Vor- atzenden aus die unzulängliche Art der Voruntersuchung hinge- Und der Staatsanwalt ließ dnrchblicken, daß er auf ,olche Beweise eine Anklage nicht mehr stützen könne.

Rachmittagsfitzung.

Als Dolmetscher für böhmisch redende Zeugen wird zunächst Franz Tanzner beeidigt. Als Zeuge wird Joseph Rahna vernommen. Er hat nicht selber die Arbeit gekündigt bei Spohn, ,ondern wurde seitens der Firma gekündigt. Er hat von dem' Austritt vor der Fabrik nichts gesehen. Einige der Angeklagten, dre ihm begegnet sind und sich auf Rahna berufen haben, Hab er nrcht gekannt.